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Lernen im Grünen - Zs-online.ch

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Text: Lukas Messmer<br />

Bild: Lukas Messmer<br />

Wer trotzdem hingeht, muss wohl oder übel <strong>im</strong> Dienst büffeln.<br />

«Na<strong>ch</strong> drei verpassten<br />

WKs ist ein Soldat weg<br />

vom Fenster. Das in<br />

der RS erworbene Wissen<br />

geht verloren.»<br />

A<strong>ch</strong>tung! WKs gefährden das Studium<br />

Na<strong>ch</strong> drei Wo<strong>ch</strong>en Abwesenheit ist der<br />

Zug abgefahren. Die verlorene Studienzeit<br />

ist s<strong>ch</strong>wer aufzuholen. Die Ents<strong>ch</strong>ädigung:<br />

Mickrige 54 Franken am Tag.<br />

Väter<strong>ch</strong>en Staat ist unerbittli<strong>ch</strong>. Na<strong>ch</strong><br />

absolvierter Rekrutens<strong>ch</strong>ule (RS) trudelt<br />

der Mars<strong>ch</strong>befehl jährli<strong>ch</strong> in den Briefkasten,<br />

und das mindestens se<strong>ch</strong>s Mal.<br />

Drei Wo<strong>ch</strong>en grüne Ferien sind Pfli<strong>ch</strong>t;<br />

egal ob während oder neben dem Semester,<br />

der Student muss einrücken. Und<br />

wer Pe<strong>ch</strong> hat, muss no<strong>ch</strong> eine Wo<strong>ch</strong>e vor<br />

dem Wiederholungskurs (WK) als Handlanger<br />

zum sogenannten Kadervorkurs<br />

einrücken. Drei oder vier Wo<strong>ch</strong>en von<br />

insgesamt 14 <strong>im</strong> Semester sind viel, eine<br />

Abwesenheit in dieser Länge rei<strong>ch</strong>t aus,<br />

um Prüfungen zu vermasseln. Auf die Semesterferien<br />

kann die Militärmas<strong>ch</strong>inerie<br />

keine Rücksi<strong>ch</strong>t nehmen: «Das ist unmögli<strong>ch</strong>,<br />

nur 10-12% der Armeeangehörigen<br />

sind Studierende. Ausserdem würde<br />

zuviel Infrastruktur bra<strong>ch</strong> liegen und die<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft wäre ni<strong>ch</strong>t gewährleistet»,<br />

erklärt Felix Helbling, Chef Personelles<br />

der Territorialregion Osts<strong>ch</strong>weiz.<br />

Dazu kommt, dass Studierende<br />

normalerweise ni<strong>ch</strong>t soviel arbeiten,<br />

als dass si<strong>ch</strong> der Erwerbsersatz lohnen<br />

würde. Während Angestellten ihr Lohn<br />

meistens weiter gezahlt wird, zei<strong>ch</strong>net<br />

si<strong>ch</strong> für die Studierenden ein tristes Bild.<br />

Die mickrigen 54 Franken pro Tag sind<br />

ein Butterbröt<strong>ch</strong>en <strong>im</strong> Verglei<strong>ch</strong> zum<br />

Lohn, den man in diesen drei Wo<strong>ch</strong>en<br />

mit einem Nebenjob erzielen würde.<br />

Und während in der Privatwirts<strong>ch</strong>aft Arbeitskollegen<br />

aushelfen, kann niemand<br />

anders die liegengebliebenen Studienleistungen<br />

erbringen.<br />

Wei<strong>ch</strong>enstellung na<strong>ch</strong> Matura<br />

Einmal <strong>im</strong> Rang eines Soldaten, ist es<br />

unglei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wieriger, von der Dienstpfli<strong>ch</strong>t<br />

wieder loszukommen als in der<br />

RS oder bei der Aushebung. Das Geld<br />

und die Zeit, das die Armee in den Rekruten<br />

investiert hat, verliert sie ni<strong>ch</strong>t gerne<br />

wieder. «Na<strong>ch</strong> drei verpassten WKs ist<br />

ein Soldat weg vom Fenster. Das in der<br />

RS erworbene Wissen geht verloren»,<br />

sagt Helbling. Es lohnt si<strong>ch</strong> also, na<strong>ch</strong><br />

erfolgrei<strong>ch</strong>er Matur gut zu überlegen,<br />

wie man seinen Dienst absolvieren will<br />

– oder eben ni<strong>ch</strong>t. Das Dur<strong>ch</strong>dienen ist<br />

eine Mögli<strong>ch</strong>keit, spätere WKs während<br />

dem Studium zu verhindern. Na<strong>ch</strong> 300<br />

Tagen am Stück ist die Sa<strong>ch</strong>e ein für allemal<br />

erledigt. Wer keinen Dienst leisten<br />

mag, kann si<strong>ch</strong> heutzutage ohne grosse<br />

Mühe untaugli<strong>ch</strong> stempeln lassen oder<br />

Zivildienst leisten. Letzterer ist frei einteilbar<br />

und verträgt si<strong>ch</strong> somit gut mit<br />

dem Studium, dauert aber anderthalb<br />

mal so lang. Lassen si<strong>ch</strong> die WKs ni<strong>ch</strong>t<br />

umgehen, kann man versu<strong>ch</strong>en, si<strong>ch</strong><br />

die Diensttage angenehm zu gestalten.<br />

Eine Umteilung ist aber s<strong>ch</strong>wierig, dazu<br />

brau<strong>ch</strong>t es vor allem Vitamin B: Entweder<br />

kann ein Offizier glaubhaft ma<strong>ch</strong>en,<br />

dass man in seiner Spezial-Einheit gebrau<strong>ch</strong>t<br />

wird, oder man geht den Weg<br />

des Gesu<strong>ch</strong>s. Beliebte Orte sind etwa die<br />

Militärbibliothek (Historiker), Ausgrabungsstätten<br />

auf Militärboden (Ar<strong>ch</strong>äologen)<br />

oder Stellen <strong>im</strong> Kommunikationsberei<strong>ch</strong><br />

(Medienwissens<strong>ch</strong>aftler).<br />

Aufs<strong>ch</strong>ieben als letzte Hoffnung<br />

Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dann: «Militärdienst und<br />

Studium lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vereinbaren»,<br />

ist Student Thomas überzeugt. Drei Wo<strong>ch</strong>en<br />

Absenz würden ausrei<strong>ch</strong>en, um<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr mit dem Stoff mitzukommen.<br />

«Und in den Ferien müssen Arbeiten<br />

ges<strong>ch</strong>rieben werden. Es geht einfa<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t», erklärt er. Als letzter Ausweg<br />

bleibt die Dienstvers<strong>ch</strong>iebung, wel<strong>ch</strong>e<br />

rege beanspru<strong>ch</strong>t wird.<br />

Rund 30% der Angehörigen der Armee<br />

würden ihre WKs vers<strong>ch</strong>ieben, darunter<br />

sei ein «grosser Teil Studierender»,<br />

bestätigt Armeespre<strong>ch</strong>er Felix Endri<strong>ch</strong>.<br />

Laut Militärverordnung ist für eine<br />

Bewilligung des Gesu<strong>ch</strong>s eine wi<strong>ch</strong>tige<br />

Prüfung innerhalb von zwölf Wo<strong>ch</strong>en<br />

na<strong>ch</strong> dem WK nötig. Weil aber Leistungsna<strong>ch</strong>weise<br />

wie Arbeiten oder Vorträge<br />

ni<strong>ch</strong>t unter diese Regelung fallen, wird<br />

au<strong>ch</strong> einmal ein Auge zugedrückt. «Für<br />

die Universität Züri<strong>ch</strong> ist das Studium<br />

prioritär», sagt Thomas Ts<strong>ch</strong>ümperlin<br />

von der Abteilung Studierende, «da sind<br />

wir grosszügig.»<br />

Au<strong>ch</strong> bei der Armee hat man unterdessen<br />

gemerkt, dass die Situation für<br />

Studierende untragbar ist.<br />

«Für die Universität<br />

Züri<strong>ch</strong> ist das Studium<br />

prioritär, da sind wir<br />

grosszügig.»<br />

Vom Paragraphen zur Weisung<br />

«Das Problem ist akut. Die Koordination<br />

von Studium und Militärdienst klappt<br />

momentan gar ni<strong>ch</strong>t», erklärt Helbling.<br />

Allerdings verortet er das Problem bei<br />

den Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen. Weil die Studienzeiten<br />

und Prüfungssessionen sehr heterogen<br />

seien, könne man unmögli<strong>ch</strong><br />

darauf eingehen. Zur Zeit würden alle<br />

Dienstvers<strong>ch</strong>iebungsgesu<strong>ch</strong>e als Einzelfälle<br />

beurteilt. «Wir s<strong>ch</strong>auen an, was<br />

zur Errei<strong>ch</strong>ung der ECTS-Punkte nötig<br />

ist und ents<strong>ch</strong>eiden dann», sagt er. Damit<br />

diesbezügli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Grundlagen vorhanden<br />

sind, werde die entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Militärverordnung zur Zeit überarbeitet.<br />

Der Paragraph 31, der die Gründe für die<br />

Bewilligung eines Gesu<strong>ch</strong>s festhält, wird<br />

rausgekippt. Dessen Inhalt soll neu in<br />

einer Weisung stehen, die <strong>im</strong> Februar<br />

in Kraft treten wird Die gute Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t:<br />

Anstatt von Prüfungen wird fortan von<br />

«Qualifikationen» gespro<strong>ch</strong>en, die Armee<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigt also au<strong>ch</strong> andere<br />

Leistungsna<strong>ch</strong>weise. Die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t: Die Frist von zwölf Wo<strong>ch</strong>en<br />

fällt weg. Ob und wann ein Gesu<strong>ch</strong> bewilligt<br />

wird, hängt in Zukunft also von<br />

der beurteilenden Person ab.<br />

Heute bleibt bei einer Ablehnung –<br />

wenn man ni<strong>ch</strong>ts verpassen will – nur<br />

no<strong>ch</strong> der Weg in die Illegalität: Verweigern<br />

und hoffen, dass die Militärpolizei<br />

ni<strong>ch</strong>t vor der Türe steht. Wiedererstattbare<br />

Flugtickets kaufen und Auslandsreisen<br />

vorgaukeln. Module bu<strong>ch</strong>en und<br />

wieder stornieren. Klar ist auf jeden Fall:<br />

Jährli<strong>ch</strong>e WKs gefährden ein erfolgrei<strong>ch</strong>es<br />

Studium.<br />

34<br />

35 ZS # 1 / 08 — 22.02.2008

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