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Lernen im Grünen - Zs-online.ch

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Text: Joel Bedetti<br />

Bild: Lukas Messmer<br />

Zukünftige Berufsoffiziere lernen an der Militärakademie das Kriegshandwerk.<br />

« ‹Wir sind viellei<strong>ch</strong>t<br />

etwas bürgerli<strong>ch</strong>er›,<br />

meint Olaf Niederberger,<br />

MILAK-Student<br />

mit zackiger Offiziersst<strong>im</strong>me.»<br />

Zu Besu<strong>ch</strong> in der Offiziersfabrik<br />

Volles Portemonnaie, ein si<strong>ch</strong>erer Job<br />

und kaum Ferien: Die Berufsoffizier-<br />

Studenten an der ETH ticken anders.<br />

Ihre Haare sind kurz ges<strong>ch</strong>nitten, ihre<br />

Spra<strong>ch</strong>e ist knapp und korrekt. Ihre<br />

Lieblingsfilme sind «Gladiator und<br />

«Black Hawk Down». Die Gruppen, in<br />

denen sie si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Studi-VZ eingetragen<br />

haben, heissen «GruppefüreineS<strong>ch</strong>wei-<br />

zohneeineGruppefüreineS<strong>ch</strong>weizohne-<br />

Armee», «Anti-Friedensbewegung» oder<br />

au<strong>ch</strong> «konservativ tut gut». Die Rede ist<br />

von den angehenden Berufsmilitärs an<br />

der ETH Züri<strong>ch</strong>. 62 Männer absolvieren<br />

zurzeit den Ba<strong>ch</strong>elor-Studiengang<br />

Berufsoffizier, der <strong>im</strong> Departement<br />

Geistes-, Sozial- und Staatswissens<strong>ch</strong>aft<br />

der ETH (D-GESS) angesiedelt ist. Das<br />

D-GESS führt den Studiengang in enger<br />

Zusammenarbeit mit der Militärakademie<br />

MILAK dur<strong>ch</strong>.<br />

Im dreijährigen Studium, das die<br />

Anwärter mit einem Ba<strong>ch</strong>elor in Staatswissens<strong>ch</strong>aften<br />

und einem Diplom als<br />

Berufsoffizier abs<strong>ch</strong>liessen, wird ein<br />

äusserst breites Fa<strong>ch</strong>wissen vermittelt:<br />

Die angehenden Armeekader pauken<br />

die Grundlagen in Volkswirts<strong>ch</strong>aftslehre<br />

und Re<strong>ch</strong>t, besu<strong>ch</strong>en Vorlesungen zu<br />

Politologie und Sozialpsy<strong>ch</strong>ologie (Ziel:<br />

«die Grundlagen von Konformität und<br />

Gehorsam gegenüber Autorität zu kennen»,<br />

ist <strong>im</strong> Studienbes<strong>ch</strong>rieb zu lesen).<br />

Sie diskutieren in soziologis<strong>ch</strong>en und<br />

militärges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Seminaren und<br />

können si<strong>ch</strong> wahlweise in Fä<strong>ch</strong>ern wie<br />

Geomatik oder Te<strong>ch</strong>nikges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te weiterbilden.<br />

Hürdenlauf zum Studium<br />

Wer das vielseitige Studium in Angriff<br />

nehmen will, muss allerdings einiges<br />

mehr aufweisen als eine Matura. Die MI-<br />

LAK verlangt einen einwandfreien Leumund<br />

und ein gutes militäris<strong>ch</strong>es Zeugnis.<br />

Die Studenten müssen mindestens<br />

den Grad eines Leutnants aufweisen und<br />

den praktis<strong>ch</strong>en Dienst, das sogenannte<br />

Abverdienen, absolviert haben. Au<strong>ch</strong> ein<br />

bestehender Vertrag mit der S<strong>ch</strong>weizer<br />

Armee ist Voraussetzung; die meisten<br />

dienen vorher deshalb einige Jahre als<br />

Zeitmilitär. Zu guter Letzt prüft die Armee<br />

die Kandidaten in einem mehrtätigen<br />

Assessment-Test mit Diskussionen,<br />

Vorträgen und Gruppengesprä<strong>ch</strong>en auf<br />

ihre Studiumstaugli<strong>ch</strong>keit. Rund ein<br />

Viertel fällt dur<strong>ch</strong> diese Prüfung. Die<br />

Armee will keine Versager an die ETH<br />

s<strong>ch</strong>icken. «Dur<strong>ch</strong> die vielen Selektionshürden<br />

gibt es unter unseren Studierenden<br />

fast keine Verluste dur<strong>ch</strong> Studienausfall»,<br />

meint Bernhard Stadlin, Oberst<br />

<strong>im</strong> Generalstab und Verbindungsoffizier<br />

der Militärakademie zur ETH.<br />

Dass si<strong>ch</strong> die Berufsoffizier-Studenten<br />

ni<strong>ch</strong>t nur in diesem Punkt von ihren<br />

Kommilitonen an Uni und ETH unters<strong>ch</strong>eiden,<br />

bestreiten ledigli<strong>ch</strong> sie selbst,<br />

und au<strong>ch</strong> das eher halbherzig. «Wir sind<br />

viellei<strong>ch</strong>t etwas bürgerli<strong>ch</strong>er», meint<br />

Olaf Niederberger, MILAK-Student mit<br />

zackiger Offiziersst<strong>im</strong>me. Geprägt dur<strong>ch</strong><br />

den langen Militärdienst leben die Berufsoffizier-Anwärter<br />

Werte, wel<strong>ch</strong>e bei<br />

den Geniessern des Studentenlebens am<br />

unteren Ende der Popularitätsskala rangieren.<br />

«Sie sind diszipliniert und zielbewusst»,<br />

weiss Rudolf Jaun, Professor für<br />

Militärges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te an der ETH. Das hänge<br />

damit zusammen, dass sie in erster<br />

Linie auf ihren Beruf hinarbeiteten, und<br />

ni<strong>ch</strong>t wegen dem Studium an si<strong>ch</strong> die<br />

Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>ten.«Sie sind si<strong>ch</strong>er<br />

au<strong>ch</strong> einen Tick autoritätsbewusster eingestellt<br />

als andere Studierende», merkt<br />

Jaun an. Das s<strong>ch</strong>einen sie in der Tat zu<br />

sein. Da nur wenige das Fa<strong>ch</strong> studieren,<br />

sind die Berufsoffizier-Studenten eines<br />

Jahrgangs in einer Klasse organisiert. Zu<br />

Beginn einer Stunde meldet der Klassen<strong>ch</strong>ef<br />

dem Dozenten den Klassenbestand.<br />

«Das ist für uns eine Selbstverständli<strong>ch</strong>keit»,<br />

meint Olaf Niederberger. Das Kollektiv<br />

bedeutet viel, der Zusammenhalt<br />

ist gross. «Wir haben gegenüber unseren<br />

Kameraden eine Verantwortung», so Berufsoffizier-Anwärter<br />

Reto Niedermann.<br />

«Vers<strong>ch</strong>lafen liegt ni<strong>ch</strong>t drin.»<br />

Grosses Sackgeld, wenig Ferien<br />

Verpfli<strong>ch</strong>tet fühlen si<strong>ch</strong> die Studenten<br />

ni<strong>ch</strong>t nur einander, sondern au<strong>ch</strong> der<br />

Armee. Die Bindung mit der Institution<br />

ist nämli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur mentaler, sondern<br />

au<strong>ch</strong> juristis<strong>ch</strong>er Art. Die angehenden<br />

Berufsoffiziere sind vertragli<strong>ch</strong> angestellte<br />

Studenten des Bundes. Damit verpfli<strong>ch</strong>ten<br />

sie si<strong>ch</strong>, ihrem Studium gewissenhaft<br />

na<strong>ch</strong>zukommen. Ferien gibt’s<br />

nur vier Wo<strong>ch</strong>en <strong>im</strong> Jahr. «Den grössten<br />

Teil der vorlesungsfreien Zeit verbringen<br />

wir in militäris<strong>ch</strong>en Kursen», sagt Olaf<br />

Niederberger. Das klassis<strong>ch</strong>e Studentenleben<br />

bleibt den ETH-Kadetten somit<br />

verwehrt. Dafür kommen sie in den<br />

Genuss von Leistungen, von denen ihre<br />

Kommilitonen nur träumen können. Der<br />

Bund entlöhnt seine Militär-Studenten<br />

in der Lohnklasse 15. Je na<strong>ch</strong> Alter verdienen<br />

sie so mehr oder weniger 4000<br />

Franken <strong>im</strong> Monat. Damit die künftigen<br />

Berufsoffiziere au<strong>ch</strong> mobil sind, kriegen<br />

sie obendrein gratis ein Generalabonnement.<br />

Au<strong>ch</strong> einen Laptop stellt die Armee<br />

für die Studiendauer zur Verfügung<br />

– und eine langfristige, si<strong>ch</strong>ere Berufsperspektive.<br />

Das Leben dana<strong>ch</strong><br />

Den Laptop will das Militär na<strong>ch</strong> dem<br />

Abs<strong>ch</strong>luss nämli<strong>ch</strong> ebenso zurück wie<br />

ihre Investition. Vier Jahre müssen die<br />

eidgenössis<strong>ch</strong> diplomierten Berufsoffiziere<br />

na<strong>ch</strong> dem Abs<strong>ch</strong>luss <strong>im</strong> Militär<br />

dienen, um ihr Studium abzuverdienen.<br />

Wer vorher geht, zahlt entspre<strong>ch</strong>end. Für<br />

den Grossteil der Absolventen kommt<br />

ein Jobwe<strong>ch</strong>sel aber erst später in Frage.<br />

«Als Berufsoffizier erhalte i<strong>ch</strong> die Chance,<br />

in einem äusserst abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>en<br />

Berufsumfeld Erfahrungen in der Mens<strong>ch</strong>enführung<br />

zu sammeln», sagt Reto<br />

Niedermann. «Im Grunde ist Berufsoffizier<br />

eine Berufung, kein Job», meint<br />

Bernhard Stadlin von der MILAK. Früher<br />

habe ein Grossteil der Berufsmilitärs ihr<br />

Arbeitsleben bis zur Pensionierung in der<br />

Armee verbra<strong>ch</strong>t. Mit der zunehmenden<br />

Flexibilisierung <strong>im</strong> Arbeitsmarkt werde<br />

si<strong>ch</strong> das aber künftig wohl ändern. Gerade<br />

jetzt aber wäre die Armee mehr denn<br />

je auf die Treue ihrer professionellen<br />

Führungskräfte angewiesen, denn die<br />

Berufsoffizier-Absolventen können den<br />

Bedarf der Streitkräfte zurzeit ni<strong>ch</strong>t decken.<br />

«Es müssten momentan ungefähr<br />

20 Berufsoffiziere mehr pro Jahr ausgebildet<br />

werden», weiss Bernhard Stadlin.<br />

Deshalb seien Bestrebungen <strong>im</strong> Gange,<br />

die Attraktivität des Berufs zu erhöhen.<br />

Die Arbeitsbedingungen seien ni<strong>ch</strong>t nur<br />

angenehm, die unregelmässigen Arbeitszeiten<br />

verlangten au<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong>e<br />

Opfer. «Man lebt nur einmal, da muss die<br />

Lebenssituation irgendwie au<strong>ch</strong> st<strong>im</strong>men»,<br />

sinniert der Generalstabsoberst<br />

mit sanfter St<strong>im</strong>me.<br />

www.milak.<strong>ch</strong><br />

36<br />

37 ZS # 1 / 08 — 22.02.2008

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