136. § 3a VOL/A - Arten der Vergabe - Oeffentliche Auftraege
136. § 3a VOL/A - Arten der Vergabe - Oeffentliche Auftraege
136. § 3a VOL/A - Arten der Vergabe - Oeffentliche Auftraege
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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>136.</strong> <strong>§</strong> <strong>3a</strong> <strong>VOL</strong>/A - <strong>Arten</strong> <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong><br />
<strong>Arten</strong> <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong>, Rahmenvereinbarungen<br />
1. (1) Aufträge im Sinne des <strong>§</strong> 1a werden grundsätzlich im Wege des Offenen Verfahrens,<br />
das <strong>der</strong> Öffentlichen Ausschreibung gemäß <strong>§</strong> 3 Nr. 2 entspricht, in begründeten Fällen im<br />
Wege des Nichtoffenen Verfahrens, das <strong>der</strong> Beschränkten Ausschreibung mit<br />
Öffentlichem Teilnahmewettbewerb gemäß <strong>§</strong> 3 Nr. 1 Abs. 4 und Nr. 3 entspricht,<br />
vergeben. Unter den in Nr. 1 Abs. 5 und Nr. 2 genannten Voraussetzungen können sie<br />
auch im Verhandlungsverfahren mit o<strong>der</strong> ohne vorheriger Öffentlicher<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung vergeben werden; dabei wendet sich <strong>der</strong> Auftraggeber an<br />
Unternehmen seiner Wahl und verhandelt mit mehreren o<strong>der</strong> einem einzigen dieser<br />
Unternehmen über die Auftragsvergabe. Unter den in <strong>§</strong> 6a <strong>der</strong> Verordnung über die<br />
<strong>Vergabe</strong> öffentlicher Aufträge (<strong>Vergabe</strong>verordnung – VgV –) genannten Voraussetzungen<br />
können Aufträge auch im Wettbewerblichen Dialog vergeben werden.<br />
(2) Vergeben die Auftraggeber einen Auftrag im Nichtoffenen Verfahren, im<br />
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung o<strong>der</strong> im Wettbewerblichen<br />
Dialog, so können sie eine Höchstzahl von Unternehmen bestimmen, die zur<br />
Angebotsabgabe o<strong>der</strong> zur Teilnahme am Dialog aufgefor<strong>der</strong>t werden. Diese Zahl ist in <strong>der</strong><br />
Bekanntmachung nach Absatz 3 anzugeben. Sie darf im Nichtoffenen Verfahren nicht<br />
unter fünf, im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im<br />
Wettbewerblichen Dialog nicht unter drei liegen.<br />
(3) Die Auftraggeber können vorsehen, dass das Verhandlungsverfahren o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Wettbewerbliche Dialog in verschiedenen aufeinan<strong>der</strong> folgenden Phasen abgewickelt<br />
werden, um so die Zahl <strong>der</strong> Angebote, über die verhandelt wird, o<strong>der</strong> die zu erörternden<br />
Lösungen anhand <strong>der</strong> vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. Wenn die<br />
Auftraggeber dies vorsehen, geben sie dies in <strong>der</strong> Bekanntmachung o<strong>der</strong> in den<br />
<strong>Vergabe</strong>unterlagen an. In <strong>der</strong> Schlussphase des Verfahrens müssen so viele Angebote<br />
vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist.<br />
(4) Auftraggeber, die einen Auftrag im Sinne des <strong>§</strong> 1a vergeben wollen, erklären ihre<br />
Absicht durch eine Bekanntmachung gemäß <strong>§</strong> 17a im Supplement zum Amtsblatt <strong>der</strong><br />
Europäischen Gemeinschaften. Die Bekanntmachung enthält entwe<strong>der</strong> die Auffor<strong>der</strong>ung<br />
zur Abgabe von Angeboten (Offenes Verfahren) o<strong>der</strong> die Auffor<strong>der</strong>ung,<br />
Teilnahmeanträge zu stellen (Nichtoffenes Verfahren, Verhandlungsverfahren mit<br />
Teilnahmewettbewerb, Wettbewerblicher Dialog).<br />
(5) Die Auftraggeber können Aufträge im Verhandlungsverfahren vergeben,<br />
vorausgesetzt, dass sie eine <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung veröffentlicht haben:<br />
a) wenn in einem Offenen o<strong>der</strong> einem Nichtoffenen Verfahren o<strong>der</strong> einem<br />
Wettbewerblichen Dialog nur Angebote im Sinne <strong>der</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 23 Nr. 1 o<strong>der</strong> 25 Nr. 1 abgegeben<br />
worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend<br />
geän<strong>der</strong>t werden. Die Auftraggeber können in diesen Fällen von einer<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung absehen, wenn sie in das Verhandlungsverfahren alle<br />
Unternehmen einbeziehen, welche die Voraussetzungen des <strong>§</strong> 25 Nr. 2 Abs. 1 erfüllen und<br />
in dem Offenen o<strong>der</strong> Nichtoffenen Verfahren o<strong>der</strong> Wettbewerblichen Dialog Angebote<br />
abgegeben haben, die nicht bereits aus formalen Gründen (<strong>§</strong> 23 Nr. 1) nicht geprüft zu<br />
werden brauchen. Bei einer erneuten Bekanntmachung gem. <strong>§</strong> 17a können sich auch<br />
Unternehmen beteiligen, die sich bei einer ersten Bekanntmachung nach Nummer 1 Abs.<br />
3 nicht beteiligt hatten,
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b) in Ausnahmefällen, wenn es sich um Liefer- o<strong>der</strong> Dienstleistungsaufträge handelt, die<br />
ihrer Natur nach o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung<br />
eines Gesamtpreises nicht zulassen,<br />
c) wenn die zu erbringenden Dienstleistungsaufträge, insbeson<strong>der</strong>e geistig-schöpferische<br />
Dienstleistungen und Dienstleistungen <strong>der</strong> Kategorie 6 des Anhangs I A, <strong>der</strong>gestalt sind,<br />
dass vertragliche Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können, um<br />
den Auftrag durch die Wahl des besten Angebots in Übereinstimmung mit den<br />
Vorschriften über Offene und Nichtoffene Verfahren vergeben zu können.<br />
2. Die Auftraggeber können in folgenden Fällen Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne<br />
vorherige Öffentliche <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung vergeben:<br />
a) wenn in einem Offenen o<strong>der</strong> einem Nichtoffenen Verfahren keine o<strong>der</strong> keine<br />
wirtschaftlichen Angebote abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen<br />
Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geän<strong>der</strong>t werden; <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong><br />
Europäischen Gemeinschaften ist auf ihren Wunsch ein Bericht vorzulegen.<br />
b) wenn es sich um die Lieferung von Waren handelt, die nur zum Zwecke von<br />
Forschungen, Versuchen, Untersuchungen, Entwicklungen o<strong>der</strong> Verbesserungen<br />
hergestellt werden, wobei unter diese Bestimmung nicht eine Serienfertigung zum<br />
Nachweis <strong>der</strong> Marktfähigkeit des Produktes o<strong>der</strong> zur Deckung <strong>der</strong> Forschungs- und<br />
Entwicklungskosten fällt;<br />
c) wenn <strong>der</strong> Auftrag wegen seiner technischen o<strong>der</strong> künstlerischen Beson<strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong><br />
aufgrund des Schutzes eines Ausschließlichkeitsrechts (z. B. Patent-, Urheberrecht) nur<br />
von einem bestimmten Unternehmen durchgeführt werden kann;<br />
d) soweit dies unbedingt erfor<strong>der</strong>lich ist, wenn aus dringlichen zwingenden Gründen, die<br />
<strong>der</strong> Auftraggeber nicht voraussehen konnte, die Fristen gemäß <strong>§</strong> 18a nicht eingehalten<br />
werden können. Die Umstände, die die zwingende Dringlichkeit begründen, dürfen auf<br />
keinen Fall dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sein;<br />
e) bei zusätzlichen Lieferungen des ursprünglichen Auftragnehmers, die entwe<strong>der</strong> zur<br />
teilweisen Erneuerung von gelieferten Waren o<strong>der</strong> Einrichtungen zur laufenden<br />
Benutzung o<strong>der</strong> zur Erweiterung von Lieferungen o<strong>der</strong> bestehenden Einrichtungen<br />
bestimmt sind, wenn ein Wechsel des Unternehmens dazu führen würde, dass <strong>der</strong><br />
Auftraggeber Waren mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und<br />
dies eine technische Unvereinbarkeit o<strong>der</strong> unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten<br />
bei Gebrauch, Betrieb o<strong>der</strong> Wartung mit sich bringen würde. Die Laufzeit dieser Aufträge<br />
sowie die <strong>der</strong> Daueraufträge darf in <strong>der</strong> Regel drei Jahre nicht überschreiten;<br />
f) für zusätzliche Dienstleistungen, die we<strong>der</strong> in dem <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> zugrunde liegenden<br />
Entwurf noch im zuerst geschlossenen Vertrag vorgesehen sind, die aber wegen eines<br />
unvorhergesehenen Ereignisses zur Ausführung <strong>der</strong> darin beschriebenen Dienstleistungen<br />
erfor<strong>der</strong>lich sind, sofern <strong>der</strong> Auftrag an das Unternehmen vergeben wird, das diese<br />
Dienstleistung erbringt, wenn sich die zusätzlichen Dienstleistungen in technischer und<br />
wirtschaftlicher Hinsicht nicht ohne wesentlichen Nachteil für den Auftraggeber vom<br />
Hauptauftrag trennen lassen o<strong>der</strong> wenn diese Dienstleistungen zwar von <strong>der</strong> Ausführung<br />
des ursprünglichen Auftrags getrennt werden können, aber für dessen Vollendung<br />
unbedingt erfor<strong>der</strong>lich sind. Der Gesamtwert <strong>der</strong> Aufträge für die zusätzlichen<br />
Dienstleistungen darf jedoch 50 vom Hun<strong>der</strong>t des Wertes des Hauptauftrags nicht<br />
überschreiten;<br />
g) bei neuen Dienstleistungen, die in <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung gleichartiger Leistungen bestehen,<br />
die durch den gleichen Auftraggeber an das Unternehmen vergeben werden, das den<br />
ersten Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundentwurf entsprechen und dieser<br />
Entwurf Gegenstand des ersten Auftrags war, <strong>der</strong> entwe<strong>der</strong> im Offenen o<strong>der</strong> Nichtoffenen
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Verfahren vergeben wurde. Die Möglichkeit <strong>der</strong> Anwendung des Verhandlungsverfahrens<br />
muss bereits in <strong>der</strong> Ausschreibung des ersten Vorhabens angegeben werden; <strong>der</strong> für die<br />
nachfolgenden Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom<br />
Auftraggeber bei <strong>der</strong> Berechnung des Auftragswertes berücksichtigt. Das<br />
Verhandlungsverfahren darf jedoch nur innerhalb von drei Jahren nach Abschluss des<br />
ersten Auftrags angewandt werden;<br />
h) wenn im Anschluss an einen Wettbewerb im Sinne des <strong>§</strong> 31a Nr. 1 Abs. 1 <strong>der</strong> Auftrag<br />
nach den Bedingungen dieses Wettbewerbs an den Gewinner o<strong>der</strong> an einen <strong>der</strong> Preisträger<br />
vergeben werden muss. Im letzteren Fall müssen alle Preisträger des Wettbewerbs zur<br />
Teilnahme an den Verhandlungen aufgefor<strong>der</strong>t werden;<br />
i) bei auf einer Warenbörse notierten und gekauften Ware;<br />
j) wenn Waren zu beson<strong>der</strong>s günstigen Bedingungen bei Lieferanten, die ihre<br />
Geschäftstätigkeit endgültig einstellen, o<strong>der</strong> bei Insolvenzverwaltern o<strong>der</strong> Liquidatoren im<br />
Rahmen eines Insolvenz-, Vergleichs- o<strong>der</strong> Ausgleichsverfahrens o<strong>der</strong> eines in den<br />
Vorschriften eines an<strong>der</strong>en Mitgliedstaates vorgesehenen gleichartigen Verfahrens<br />
erworben werden.<br />
3. Es ist aktenkundig zu machen, weshalb von einem Offenen o<strong>der</strong> Nichtoffenen Verfahren<br />
abgewichen worden ist (vgl. <strong>§</strong><strong>§</strong> 30, 30a).<br />
4. (1) Rahmenvereinbarungen sind öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein o<strong>der</strong><br />
mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die<br />
während eines bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, festzulegen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
über den in Aussicht genommenen Preis. Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen<br />
ist so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben, braucht aber nicht abschließend<br />
festgelegt zu werden. Die Auftraggeber dürfen für dieselbe Leistung nicht mehrere<br />
Rahmenvereinbarungen vergeben.<br />
(2) Die Auftraggeber dürfen Rahmenvereinbarungen nicht missbräuchlich o<strong>der</strong> in einer<br />
Weise anwenden, die den Wettbewerb behin<strong>der</strong>t, einschränkt o<strong>der</strong> verfälscht.<br />
(3) Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung befolgen die Auftraggeber die<br />
Verfahrensvorschriften dieses Abschnittes in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung <strong>der</strong><br />
Einzelaufträge, die auf diese Rahmenvereinbarung gestützt sind. Solche Einzelaufträge<br />
sind nur zwischen den von Anbeginn an <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung beteiligten<br />
Auftraggebern und Unternehmen zulässig. Bei <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> <strong>der</strong> auf einer<br />
Rahmenvereinbarung beruhenden Einzelaufträge dürfen keine grundlegenden Än<strong>der</strong>ungen<br />
an den Bedingungen dieser Rahmenvereinbarung vorgenommen werden.<br />
(4) Wird eine Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen geschlossen, so werden die<br />
auf dieser Rahmenvereinbarung beruhenden Einzelaufträge entsprechend den<br />
Bedingungen <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung vergeben. Vor <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> <strong>der</strong> Einzelaufträge<br />
kann die <strong>Vergabe</strong>stelle das an <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung beteiligte Unternehmen in<br />
Textform konsultieren und dabei auffor<strong>der</strong>n, sein Angebot erfor<strong>der</strong>lichenfalls zu<br />
vervollständigen.<br />
(5) Wird eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen geschlossen, so müssen<br />
mindestens drei Unternehmen beteiligt sein, sofern eine ausreichend große Zahl von<br />
Unternehmen die Eignungskriterien und eine ausreichend große Zahl von zulässigen<br />
Angeboten die Zuschlagskriterien erfüllt.<br />
(6) Die <strong>Vergabe</strong> von Einzelaufträgen, die auf einer mit mehreren Unternehmen<br />
geschlossenen Rahmenvereinbarung beruhen, erfolgt<br />
a) sofern alle Bedingungen festgelegt sind, nach den Bedingungen <strong>der</strong><br />
Rahmenvereinbarung ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb o<strong>der</strong>
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b) sofern nicht alle Bedingungen in <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung festgelegt sind, nach<br />
erneutem Aufruf <strong>der</strong> Parteien zum Wettbewerb zu denselben Bedingungen, die<br />
erfor<strong>der</strong>lichenfalls zu präzisieren sind, o<strong>der</strong> nach an<strong>der</strong>en, in den Verdingungsunterlagen<br />
<strong>der</strong> Rahmenvereinbarung genannten Bedingungen.<br />
(7) Im Fall von Absatz 6 Buchstabe b) ist folgendes Verfahren einzuhalten:<br />
a) Vor <strong>Vergabe</strong> jedes Einzelauftrags konsultieren die <strong>Vergabe</strong>stellen in Textform die<br />
Unternehmen, ob sie in <strong>der</strong> Lage sind, den Einzelauftrag auszuführen.<br />
b) Die <strong>Vergabe</strong>stellen setzen eine angemessene Frist für die Abgabe <strong>der</strong> Angebote für<br />
jeden Einzelauftrag; dabei berücksichtigen sie insbeson<strong>der</strong>e die Komplexität des<br />
Auftragsgegenstands und die für die Übermittlung <strong>der</strong> Angebote erfor<strong>der</strong>liche Zeit.<br />
c) Die <strong>Vergabe</strong>stellen geben an, in welcher Form die Angebote einzureichen sind, <strong>der</strong><br />
Inhalt <strong>der</strong> Angebote ist bis zum Ablauf <strong>der</strong> Angebotsfrist geheim zu halten.<br />
d) Die <strong>Vergabe</strong>stellen vergeben die einzelnen Aufträge an das Unternehmen, das auf <strong>der</strong><br />
Grundlage <strong>der</strong> in den Verdingungsunterlagen <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung aufgestellten<br />
Zuschlagskriterien das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt hat.<br />
(8) Die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung darf vier Jahre nicht überschreiten, es sei<br />
denn <strong>der</strong> Auftragsgegenstand o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e beson<strong>der</strong>e Umstände rechtfertigen eine<br />
Ausnahme.<br />
<strong>136.</strong>1 Vergleichbare Regelungen<br />
6314<br />
Der Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> <strong>VOL</strong>/A vergleichbar sind im Bereich des GWB <strong>§</strong> 101, im Bereich<br />
<strong>der</strong> <strong>VOL</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 3, 3 b <strong>VOL</strong>/A und im Bereich <strong>der</strong> VOB <strong>§</strong><strong>§</strong> 3, 3 a, 3 b VOB/A. Die<br />
Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu <strong>der</strong> Kommentierung<br />
des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> herangezogen werden.<br />
<strong>136.</strong>2 Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> <strong>VOL</strong>/A 2006<br />
6315<br />
6316<br />
6317<br />
In <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 1, Abs. 4 ist die neue <strong>Vergabe</strong>art des „Wettbewerblichen Dialogs“<br />
eingeführt. In <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 2 ist außerdem die Möglichkeit aufgenommen, dass <strong>der</strong><br />
Auftraggeber beim Verhandlungsverfahren und beim Wettbewerblichen Dialog vorsehen<br />
kann, dass das Verhandlungsverfahren und <strong>der</strong> Wettbewerbliche Dialog in verschiedenen<br />
aufeinan<strong>der</strong> folgenden Phasen abgewickelt werden, um so die Zahl <strong>der</strong> Angebote, über die<br />
verhandelt wird, anhand <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Bekanntmachung o<strong>der</strong> in den Verdingungsunterlagen<br />
angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern.<br />
Der Kreis <strong>der</strong> Möglichkeiten einer Auftragsvergabe im Wege des<br />
Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Öffentliche <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung ist um<br />
zwei Alternativen erweitert worden (Börsenwaren, vorteilhafte Gelegenheiten in Folge von<br />
Geschäftsaufgaben u.ä.).<br />
In <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 sind die Rahmenvereinbarung definiert sowie die Bedingungen einer<br />
Auftragsvergabe auf <strong>der</strong> Basis einer Rahmenvereinbarung erläutert.
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>136.</strong>3 Bieterschützende Vorschrift<br />
6318<br />
Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> <strong>3a</strong> VOB/A RZ 3638, die auch für <strong>§</strong> <strong>3a</strong><br />
<strong>VOL</strong>/A gilt.<br />
<strong>136.</strong>4 Allgemeine Fragen zu den <strong>Arten</strong> <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong><br />
6319<br />
Allgemeine Fragen zu den <strong>Arten</strong> <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> – einschließlich des Wettbewerblichen Dialogs<br />
- sind in <strong>der</strong> Kommentierung zu <strong>§</strong> 101 GWB behandelt. Die nachfolgende Kommentierung<br />
beschränkt sich auf die speziellen Regelungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong>.<br />
<strong>136.</strong>5 Festlegung einer Höchstzahl von teilnehmenden<br />
Unternehmen (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 2)<br />
6320<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>VOL</strong>/A 2006 ist die Regelung über die Festlegung einer Höchstzahl von<br />
Unternehmen, die im Rahmen von Nichtoffenen Verfahren, Verhandlungsverfahren mit<br />
vorheriger Bekanntmachung o<strong>der</strong> Wettbewerblichen Dialog zur Angebotsabgabe o<strong>der</strong> zur<br />
Teilnahme am Dialog aufgefor<strong>der</strong>t werden, neu gefasst worden.<br />
<strong>136.</strong>6 Phasenabwicklung (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 3)<br />
6321<br />
6321/1<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>VOL</strong>/A 2006 ist eine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit einer<br />
phasenweisen Abwicklung eines Verhandlungsverfahren o<strong>der</strong> eines Wettbewerblichen<br />
Dialogs aufgenommen worden, um so die Zahl <strong>der</strong> Angebote, über die verhandelt wird, o<strong>der</strong><br />
die zu erörternden Lösungen anhand <strong>der</strong> vorgegebenen Zuschlagskriterien zu verringern.<br />
Wenn die Auftraggeber dies vorsehen, geben sie dies in <strong>der</strong> Bekanntmachung o<strong>der</strong> in den<br />
<strong>Vergabe</strong>unterlagen an. In <strong>der</strong> Schlussphase des Verfahrens müssen so viele Angebote<br />
vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist. Die Regelung entspricht Art. 44<br />
Abs. 3 VKR.<br />
Zur Zulässigkeit von Verhandlungen mit einem „preferred Bid<strong>der</strong>“ vgl. die<br />
Kommentierung zu <strong>§</strong> 101 GWB RZ 1423/1.<br />
<strong>136.</strong>7 Verhandlungsverfahren<br />
6322<br />
Allgemeine Fragen zu dem Verhandlungsverfahren sind in <strong>der</strong> Kommentierung zu <strong>§</strong> 101<br />
GWB RZ 1376 behandelt. Die nachfolgende Kommentierung beschränkt sich auf die<br />
speziellen Regelungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong>.<br />
<strong>136.</strong>7.1 Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens nach einer<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5)
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<strong>136.</strong>7.1.1 Voraussetzungen von <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 Buchstabe a))<br />
6322/1<br />
6322/2<br />
6322/3<br />
6322/4<br />
Nach <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Absatz 5 lit. a) <strong>VOL</strong>/A ist ein Verhandlungsverfahren zulässig wenn z.B. in<br />
einem Offenen Verfahren nur Angebote im Sinne <strong>der</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 23 Nr. 1 o<strong>der</strong> 25 Nr. 1 <strong>VOL</strong>/A<br />
abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht<br />
grundlegend geän<strong>der</strong>t werden. Die Auftraggeber können in diesen Fällen von einer<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung absehen, wenn sie in das Verhandlungsverfahren alle Unternehmen<br />
einbeziehen, welche die Voraussetzungen des <strong>§</strong> 25 Nr. 2 Abs. 1 erfüllen und Angebote<br />
abgegeben haben, die nicht bereits aus formalen Gründen (<strong>§</strong> 23 Nr. 1) nicht geprüft zu werden<br />
brauchen. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Absatz 5 a <strong>VOL</strong>/A setzt Art. 30 Abs. 1 lit. a VKR um.<br />
Voraussetzung des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Absatz 5a <strong>VOL</strong>/A ist also, dass sämtliche Angebote bereits<br />
auf erster Wertungsstufe fakultativ (<strong>§</strong><strong>§</strong> 23 Nr. 1, <strong>§</strong> 25 Nr. 1 Absatz 2 <strong>VOL</strong>/A)<br />
ausschließbar o<strong>der</strong> obligatorisch auszuschließen (<strong>§</strong> 25 Nr. 1 Absatz 1 <strong>VOL</strong>/A) sind. Ist<br />
also auch nur ein einzelnes Angebot im vorangegangenen <strong>Vergabe</strong>verfahren nicht auf<br />
erster Stufe ausgeschlossen, son<strong>der</strong>n auf einer weiteren Wertungsstufe ausgeschlossen<br />
worden, so ist dem Auftraggeber <strong>der</strong> Rückgriff auf <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit a <strong>VOL</strong>/A<br />
verwehrt. Indem <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit a <strong>VOL</strong>/A nur auf den Ausschluss auf erster<br />
Wertungsstufe abstellt, wird <strong>der</strong> Regelungsspielraum des Art. 30 Abs. 1 lit. a VKR nicht<br />
ausgeschöpft. Art. 30 Abs. 1 lit. a VKR gestattet nämlich darüber hinausgehend den<br />
Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung auch dann, wenn ein Angebot<br />
„unannehmbar“ ist, d.h. auf einer <strong>der</strong> weiteren Wertungsstufen ausschließlich des<br />
Wirtschaftlichkeitsvergleichs ausscheidet. Diese verschärfende Umsetzung in <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1<br />
Abs. 5 lit a <strong>VOL</strong>/A ist gleichwohl gemeinschaftsrechtlich unschädlich, denn <strong>der</strong><br />
Anwendungsbereich des Verhandlungsverfahrens mit Bekanntmachung wird verengt (VK<br />
Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />
Zum Begriff <strong>der</strong> grundlegenden Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ursprünglichen Bedingungen des Auftrags vgl.<br />
die Kommentierung RZ 3652/1 sowie RZ 5911.<br />
Eine solche wesentliche Än<strong>der</strong>ung liegt in <strong>der</strong> Abfor<strong>der</strong>ung zwei weiterer Testgeräte nicht,<br />
wenn alle sonstigen Rahmenbedingungen des Auftrages gleich bleiben (VK Sachsen, B. v.<br />
07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />
Gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. a <strong>VOL</strong>/A ist ein Verhandlungsverfahren ohne<br />
Teilnahmewettbewerb möglich, wenn <strong>der</strong> Antragsgegner alle Unternehmen einbezieht,<br />
welche die Voraussetzungen des <strong>§</strong> 25 Nr. 2 Abs. 1 <strong>VOL</strong>/A erfüllen, also als geeignet im<br />
bisherigen Verfahren anzusehen waren und die wertbare Angebote abgegeben hatten. Die<br />
Konsequenz aus einem solchen Verfahren – keine Eignungsprüfung mehr – ergibt sich<br />
damit für die Interimsvergabe aus dem Gesetz: <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. a <strong>VOL</strong>/A setzt die<br />
Eignungsprüfung als abgeschlossen voraus (VK Arnsberg, B. v. 21.12.2009 - Az.: VK 41/09).<br />
<strong>136.</strong>7.1.2 Liefer- o<strong>der</strong> Dienstleistungsaufträge, die eine vorherige<br />
Festlegung eines Gesamtpreises nicht zulassen (Nr. 1 Abs. 5 Buchstabe b))<br />
6323<br />
6323/0,1<br />
Die Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 Buchstabe b) ist im Rahmen <strong>der</strong> <strong>VOL</strong>/A 2006 auch<br />
für Lieferaufträge geöffnet worden.<br />
<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b <strong>VOL</strong>/A 2006 beinhaltet zwei Fallgruppen, weil die Vorschrift<br />
voraussetzt, dass es sich um Liefer- o<strong>der</strong> Dienstleistungsaufträge handelt, "die ihrer Natur
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
nach o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung eines<br />
Gesamtpreises nicht zulassen". Entscheidend ist aber in beiden Fällen, dass im Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Entscheidung, welches <strong>Vergabe</strong>verfahren gewählt werden kann, den zukünftigen<br />
Bietern voraussichtlich die Bildung eines Gesamtpreises nicht möglich sein wird, weil<br />
<strong>der</strong> Bedarf, den <strong>der</strong> öffentliche Auftraggeber als gegeben ansieht und deshalb<br />
ausschreiben will, dessen Kalkulation nicht zulässt. Das kommt nur in ganz beson<strong>der</strong>s<br />
gelagerten Beschaffungsfällen in Betracht. Der Ausnahmecharakter ergibt sich auch daraus,<br />
dass <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b <strong>VOL</strong>/A 2006 explizit von "Ausnahmefällen" spricht. Die<br />
Vorschrift ist demnach stets so auszulegen und anzuwenden, dass ihr<br />
Anwendungsbereich nicht zur Regel wird (BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09).<br />
6323/0,2<br />
6323/0,3<br />
6323/0,4<br />
Bei <strong>der</strong> ersten Fallgruppe des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b <strong>VOL</strong>/A 2006 folgt die Unmöglichkeit,<br />
den Gesamtpreis vorher festzusetzen, aus <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> zu liefernden Sache o<strong>der</strong><br />
Dienstleistung. Dies betrifft Fallgestaltungen, bei denen eine vorherige exakte Festlegung<br />
<strong>der</strong> zu liefernden Sachen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> auszuführenden Dienstleistungen und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />
Kalkulation aufgrund von Umständen, die in <strong>der</strong> Natur des zu Beschaffenden liegen,<br />
objektiv nicht möglich ist. Ein Fall <strong>der</strong> ersten Alternative kann etwa bei Reparaturleistungen<br />
angenommen werden, bei denen das Ausmaß <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Reparaturen erst nach Beginn<br />
<strong>der</strong> Arbeiten deutlich wird. Die zweite Alternative kommt etwa in Betracht bei <strong>der</strong><br />
Ausschreibung eines mobilen Systems zum Einzug von Verwarnungsgel<strong>der</strong>n, wenn die<br />
Vergütung pro Zahlungsvorgang erfolgen soll, <strong>der</strong>en Anzahl aber nicht abschätzbar ist. Diese<br />
Auslegung von <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b <strong>VOL</strong>/A 2006 entspricht auch den Erwägungen zu Art.<br />
30 Abs. 1 b <strong>der</strong> Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.<br />
März 2004 über die Koordinierung <strong>der</strong> Verfahren zur <strong>Vergabe</strong> öffentlicher Bauaufträge,<br />
Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge - ABl. L 134 v. 30.4.2004, S. 114, dort<br />
Erwägungsgrund 31 - (BGH, B. v. 10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09).<br />
Bei <strong>der</strong> zweiten Fallgruppe ist eine vorherige Festlegung <strong>der</strong> zu liefernden Sachen o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
zur erbringenden Dienstleistungen durch die <strong>Vergabe</strong>stelle zwar möglich; jedoch kann die<br />
Kalkulation eines Gesamtpreises durch die Bieter aufgrund dem Auftrag immanenter<br />
Umstände nicht ohne Spekulation erfolgen, so dass es unbillig erscheint, ihre Folgen<br />
ohne weiteres allein dem Bieter aufzubürden. Zu denken ist hierbei zum Beispiel an den<br />
Bau eines Tunnels, dessen Beschaffenheit zwar im Einzelnen beschrieben werden kann, bei<br />
dem aber bereits abzusehen ist, dass die Erfüllung des Auftrags durch unbekannte geologische<br />
Gegebenheiten beeinflusst wird o<strong>der</strong> an die Entsorgung von Altlasten eines Grundstücks,<br />
wenn verhandelt werden muss, wer das Risiko von etwaigen Zusatzkosten trägt (BGH, B. v.<br />
10.11.2009 - Az.: X ZB 8/09).<br />
Sieht sich <strong>der</strong> Auftraggeber in <strong>der</strong> Lage, von vornherein ein differenziertes<br />
Leistungsverzeichnis zu erstellen, in dem die nachgefragten Leistungen im Einzelnen<br />
beschrieben sind und bildet <strong>der</strong> Auftraggeber die Eigenschaften eines jeden ihm bekannten<br />
marktgängigen Systems in allen Einzelheiten ab und lässt zusätzlich Raum für gleichwertige<br />
Alternativen, ergibt sich dadurch zwar zwangsläufig bei den einzelnen Positionen eine<br />
Vielzahl von unterschiedlichen Eintragungsmöglichkeiten, es handelt es sich aber deshalb<br />
noch nicht um Alternativpositionen, die es dem Bieter unmöglich machten,<br />
vergleichbare und bepreiste Angebote zu machen. Für die mit <strong>der</strong> Situation des - ohnehin<br />
begrenzten - Marktes ebenfalls vertrauten Bieter ist vielmehr offensichtlich, was genau <strong>der</strong><br />
Auftraggeber beschaffen will, nämlich eines <strong>der</strong> beschriebenen auf dem Markt<br />
befindlichen Systeme. Die unterschiedlichen Funktionsparameter in den<br />
Einzelpositionen dienen lediglich <strong>der</strong> produktneutralen Beschreibung und gleichzeitig<br />
<strong>der</strong> Vorbereitung einer ausdifferenzierten Bewertungsmatrix. Dass die verschiedenen
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Bieter z.B. unterschiedliche Endoskopiesysteme vertreiben, kann nicht ausreichen, um<br />
ein Verhandlungsverfahren zuzulassen. Denn an<strong>der</strong>enfalls könnte wegen <strong>der</strong><br />
Produktvielfalt in den meisten Bereichen bei vielen Ausschreibungen vom Grundsatz<br />
des offenen Verfahrens abgewichen werden. Die Ausnahme würde zur Regel. Es ist auch<br />
nicht ersichtlich, dass es dem Auftraggeber in irgendeiner Weise auf die Entwicklung<br />
einer Leistung im Laufe des Verfahrens angekommen wäre. Er wusste vielmehr sehr<br />
genau, welche Anfor<strong>der</strong>ungen z.B. die Endoskopiesysteme erfüllen sollten und war daher<br />
auch in <strong>der</strong> Lage, die gewünschte Leistung von Beginn des Verfahrens an konkret zu<br />
beschreiben, wie eine Zusammenschau des Leistungsverzeichnisses mit <strong>der</strong><br />
Bewertungstabelle ergibt. Der Auftraggeber hat jedem möglichen Ausstattungsmerkmal einen<br />
Punktwert zugeordnet, mit <strong>der</strong> Folge, dass dasjenige Angebot gewinnen sollte, das die<br />
meisten Ausstattungsmerkmale erfüllt. Die Bieter hatten daher die Möglichkeit, unter<br />
Nennung eines vorherigen Gesamtpreises ein Produkt anzubieten, das möglichst viele <strong>der</strong><br />
Ausstattungsmerkmale aufweist, zu denen Angaben gefor<strong>der</strong>t waren (BGH, B. v. 10.11.2009 -<br />
Az.: X ZB 8/09).<br />
6323/1<br />
6324<br />
6324/1<br />
Die Unmöglichkeit einer Festlegung des Gesamtpreises i. S. des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b<br />
<strong>VOL</strong>/A muss regelmäßig in <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Leistung o<strong>der</strong> in den mit dieser verbundenen<br />
Risiken liegen. Diese Risiken dürfen we<strong>der</strong> vom Auftraggeber noch vom Auftragnehmer<br />
beherrschbar sein. Diese Risiken wie<strong>der</strong>um müssen zur Unmöglichkeit <strong>der</strong> Bildung eines<br />
Gesamtpreises und damit zur Unmöglichkeit <strong>der</strong> Bildung einer für alle Unternehmen<br />
einheitlichen Preisstruktur, aus welcher sich <strong>der</strong> Gesamtpreis <strong>der</strong> Angebotsabgabe<br />
errechnen lässt, führen. Fehlt es an einer solchen Preisstruktur, können Angebote <strong>der</strong><br />
Verfahrensteilnehmer nicht miteinan<strong>der</strong> verglichen werden. Der Auftrag kann dann nur in<br />
einer Verhandlung mit den Unternehmen über die finanziellen Bedingungen und die<br />
Preisstruktur vergeben werden. Die Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes gem. <strong>§</strong> <strong>3a</strong><br />
Nr. 1 Abs. 5 lit. b <strong>VOL</strong>/A steht damit ebenso wie <strong>der</strong> Ausnahmetatbestand <strong>der</strong><br />
Unmöglichkeit einer genauen Festlegung <strong>der</strong> vertraglichen Spezifikationen gem. <strong>§</strong> <strong>3a</strong><br />
Nr. 1 Abs. 5 lit. c <strong>VOL</strong>/A in einem Spannungsverhältnis zu <strong>der</strong> Pflicht zur<br />
erschöpfenden Beschreibung <strong>der</strong> Leistung gem. <strong>§</strong> 8 Nr. 1 Abs. 1 <strong>VOL</strong>/A. Der<br />
Auftraggeber ist grundsätzlich verpflichtet, die <strong>Vergabe</strong> so vorzubereiten, dass eine<br />
hinreichend bestimmte Leistungsbeschreibung formuliert wird, so dass vergleichbare<br />
Angebote abgegeben werden können (VK Nie<strong>der</strong>sachsen, B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-<br />
29/2009).<br />
Ein Auftrag über die Restabfallentsorgung bezieht sich auf eine Dienstleistung, die ihrer<br />
Natur nach o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung <strong>der</strong><br />
Gesamtleistung nicht zulässt. Auch die Auswahl <strong>der</strong> Teilnehmer mit Hilfe eines vorherigen<br />
Offenen Teilnehmerwettbewerbs ist nicht zu beanstanden (1. VK Sachsen, B. v. 13.5.2002 -<br />
Az.: 1/SVK/029-02; VK Baden-Württemberg, B. v. 12.7.2001 - Az.: 1 VK 12/01).<br />
Ist Gegenstand <strong>der</strong> Ausschreibung entwe<strong>der</strong> die Erstellung einer komplexen IT-<br />
Anwendung o<strong>der</strong> die Anpassung einer vorhandenen und soll diese in zwei verschiedenen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n eingesetzt werden und jeweils Eigenheiten berücksichtigen, die<br />
hinsichtlich Aufbau, Verwaltung und Bedürfnissen völlig unterschiedlich sind und kommt zu<br />
<strong>der</strong> sich bereits daraus ergebenden Komplexität noch hinzu, dass diese neue Anwendung<br />
auch noch die Bedürfnisse eines bereits entwickelten Verfahrens bzw. eines in <strong>der</strong><br />
Entwicklung befindlichen Verfahrens erfüllen muss und wird eine solche Anwendung<br />
<strong>der</strong>zeit auf dem Markt nicht angeboten, sind die Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5<br />
lit. b) <strong>VOL</strong>/A erfüllt. Alleine schon die Tatsache, dass es zwei gleichberechtigte<br />
Lösungsvarianten gibt, lässt erkennen, dass durch die beteiligten Bieter kein Gesamtpreis im
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Rahmen eines Offenen Verfahrens festgelegt werden kann. So kann die Anpassung einer<br />
vorhandenen Anwendung zwar kostengünstiger sein als die vollständige Entwicklung einer<br />
neuen Anwendung - zu berücksichtigen ist hier insbeson<strong>der</strong>e das Fehlerrisiko und die somit<br />
zu kalkulierenden Gewährleistungskosten. Zudem stehen Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
Preisreduzierung im Raum, die ebenso großen Einfluss auf die Höhe des Gesamtpreises<br />
haben (VK Südbayern, B. v. 25.10.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-28-09/06).<br />
6324/2<br />
6324/3<br />
6324/4<br />
Gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b) <strong>VOL</strong>/A ist ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem<br />
Teilnahmewettbewerb zulässig in Ausnahmefällen, wenn es sich um Liefer- o<strong>der</strong><br />
Dienstleistungsaufträge handelt, die ihrer Natur nach o<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Risiken eine vorherige Festlegung eines Gesamtpreises nicht zulassen. Um einen solchen<br />
Ausnahmefall handelt es sich nicht bei Rahmenvereinbarungen, bei denen die<br />
Lieferleistung beschreibbar ist und nur die Liefermenge nicht abschließend im<br />
vorhinein feststeht. Dass das Auftragsvolumen im vornhinein nicht abschließend<br />
bestimmbar ist, ist per se typisch für Rahmenvereinbarungen. Dies hat sich auch in <strong>der</strong><br />
Regelung des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 <strong>VOL</strong>/A nie<strong>der</strong>geschlagen. Ebenso geht <strong>der</strong> europäische<br />
Gesetzgeber in seiner Begriffsbestimmung <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung (vgl. Art. 1 Abs. 5 <strong>der</strong><br />
Richtlinie 2004/18/EG) davon aus, dass bei einer solchen Vereinbarung die Menge nicht<br />
immer von vornherein feststeht. Vor diesem Hintergrund wurde jedoch davon abgesehen, für<br />
Rahmenvereinbarungen grundsätzlich das Verhandlungsverfahren zuzulassen. Vielmehr<br />
gelten für Rahmenvereinbarungen die allgemeinen Verfahrensvorschriften (vgl. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4<br />
Abs. 3 Satz 1 <strong>VOL</strong>/A, Art. 32 Abs. 2 Satz 1 <strong>der</strong> Richtlinie 2004/18/EG); insbeson<strong>der</strong>e finden<br />
die allgemeinen Vorschriften zur Wahl <strong>der</strong> Verfahrensart Anwendung. Dementsprechend<br />
kann schon nicht aufgrund des Vorliegens einer (typischen) Rahmenvereinbarung <strong>der</strong><br />
Ausnahmefall für ein Verhandlungsverfahren nach <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b) <strong>VOL</strong>/A gegeben<br />
sein (1. VK Bund, B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 -<br />
126/08).<br />
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fall des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 lit. b)<br />
<strong>VOL</strong>/A, <strong>der</strong> auf Art. 30 Abs. 1 lit. b) <strong>der</strong> Richtlinie 2004/18/EG beruht, vorliegt, wenn kein<br />
Gesamtpreis im Sinne eines Festpreises für den gesamten Auftrag bestimmt werden<br />
kann. Wie sich aus dem Erwägungsgrund zur Vorgängervorschrift des Art. 30 Abs. 1 lit. b)<br />
<strong>der</strong> Richtlinie 2004/18/EG (nämlich Art. 11 Abs. 2 lit. b) <strong>der</strong> Richtlinie 92/50/EWG<br />
(Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie); für Lieferleistungen gab es eine entsprechende<br />
Regelung zuvor nicht) ergibt, sollte ein Verhandlungsverfahren in Fällen ermöglicht werden,<br />
in denen die zu erbringende Leistung nicht ausreichend genau beschreibbar ist und daher die<br />
Auswahl des besten Angebots nach den Bestimmungen des offenen o<strong>der</strong> nicht offenen<br />
Verfahrens nicht möglich ist. Es geht damit nicht um die Bestimmung des zu zahlenden<br />
Endpreises an sich, son<strong>der</strong>n um die Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Angebote in preislicher bzw.<br />
wirtschaftlicher Hinsicht. An einer Vergleichbarkeit fehlt es z.B. bei Rabattvereinbarungen<br />
nicht, da sich die Rabatte und die sich daraus ergebenden Gesamtpreise <strong>der</strong> einzelnen<br />
Angebote ohne Weiteres bestimmen und vergleichen lassen (1. VK Bund, B. v. 19.11.2008 -<br />
Az.: VK 1 - 135/08; B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08).<br />
Zu trennen ist davon die Problematik des Kalkulationsrisikos für die Bieter (und<br />
gegebenenfalls des Auftraggebers), das z.B. bei <strong>der</strong> Ausschreibung von Rabattverträgen<br />
über Arzneimitteln darin besteht, dass <strong>der</strong> zu vergebende Bedarf im vorhinein nicht<br />
abschließend quantifizierbar ist, weil er <strong>der</strong> Menge nach nur näherungsweise, jedoch nicht<br />
exakt prognostiziert werden kann. Da wesentlicher Inhalt <strong>der</strong> Angebote die gewährten Rabatte<br />
(in Verbindung mit den Preisen) sein werden, sind die absetzbaren Mengen für die Bieter<br />
grundsätzlich von Bedeutung. Die hinsichtlich des Mengenbedarfs bestehende
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Unsicherheit und das daraus resultierende Risiko wird jedoch nicht durch die<br />
Durchführung eines Verhandlungsverfahrens beseitigt o<strong>der</strong> minimiert. Zwar wäre es im<br />
Rahmen eines Verhandlungsverfahrens möglich, bis zu einem späten Zeitpunkt im Verfahren<br />
noch aktuelle Bedarfszahlen <strong>der</strong> Bedarfsschätzung zugrunde zu legen. Da es sich jedoch in<br />
jedem Fall um einen zukünftigen Bedarf handelt, erlaubt auch die Berücksichtigung neuerer<br />
Zahlen nicht zwangsläufig eine genaue Vorhersage <strong>der</strong> Bedarfsmenge. Abgesehen davon,<br />
dass unvorhergesehene externe Ereignisse eintreten können, ist aber auch bei einer<br />
„ungestörten“ Bedarfsentwicklung nicht ersichtlich, wie um einige Monate jüngere<br />
Bedarfsdaten vor dem Hintergrund vorliegen<strong>der</strong> Daten für einen größeren Zeitraum in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit einerseits und einer Vertragslaufzeit von bis zu vier Jahren an<strong>der</strong>erseits ein<br />
Mehr an Schätzungssicherheit bringen würden. Sollte es sich um einen volatilen Bedarf<br />
handeln, wären auch jüngste Daten wenig verlässlich, wenn nicht sogar möglicherweise (z.B.<br />
wegen kurzzeitiger „Ausreißer“) irreführend; bei einer stetigen Bedarfsentwicklung würden<br />
auch jüngere Daten die Bedarfsprognose nicht än<strong>der</strong>n. Will <strong>der</strong> Auftraggeber erreichen,<br />
dass er bei einer ungewissen Bedarfsmenge Angebote von einerseits aus Bietersicht<br />
auskömmlichen und an<strong>der</strong>erseits aus Auftraggebersicht wirtschaftlichen Rabatten<br />
erhält, muss er gegebenenfalls die Rahmenvereinbarungen entsprechend konstruieren,<br />
etwa dadurch, dass er zum Angebot von nach Mengen gestaffelten Rabatten auffor<strong>der</strong>t<br />
(1. VK Bund, B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08).<br />
6324/5<br />
Die Einführung einer neuen zentralen Verwaltungssoftware - wie z.B. einer OMS - stellt<br />
an die Erstellung eines notwendigen Pflichtenheftes und damit einer ordnungsgemäßen<br />
Leistungsbeschreibung i. S .des <strong>§</strong> 8 <strong>VOL</strong>/A deutlich überdurchschnittliche Anfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> komplexer IT-Leistungen ist daher häufig eine vorherige Festlegung auf<br />
einen Preis nicht möglich (VK Nie<strong>der</strong>sachsen, B. v. 08.07.2009 - Az.: VgK-29/2009).<br />
<strong>136.</strong>7.1.3 Unmöglichkeit <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> vertraglichen Spezifikationen<br />
bei bestimmten Dienstleistungen (Nr. 1 Abs. 5 Buchstabe c))<br />
6325<br />
6325/1<br />
Die Bezugnahme des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 5 c) <strong>VOL</strong>/A auf Dienstleistungen <strong>der</strong> Kategorie 6 des<br />
Anhangs I A stellt we<strong>der</strong> eine Vermutung noch ein Indiz dafür dar, dass die dort<br />
genannten Versicherungsdienstleistungen in ihren vertraglichen Spezifikationen vom<br />
öffentlichen Auftraggeber nicht hinreichend genau festgelegt werden können. Es bleibt damit<br />
auch für Versicherungsdienstleistungen bei dem Vorrang des Offenen Verfahrens/<strong>der</strong><br />
öffentlichen Ausschreibung (OLG Düsseldorf, B. v. 18. Oktober 2000 - Az.: Verg 3/00).<br />
Wenn die Festschreibung bestimmter technischer Bedingungen dazu führt, dass eine<br />
Weiterentwicklung auf technischem Gebiet, die zu einer günstigen und wirtschaftlichen<br />
Lösung beitragen kann, ausgeschlossen wird, es aber Ziel <strong>der</strong> Ausschreibung ist, die<br />
Innovationskraft und das Wissen <strong>der</strong> Bieter zu nutzen, um die wirtschaftlichste und auf<br />
lange Sicht beste Lösung zu finden, können die Spezifikationen nicht festgelegt werden. Es<br />
darf insoweit auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beide Bundeslän<strong>der</strong><br />
unterschiedliche - insbeson<strong>der</strong>e technische - Anfor<strong>der</strong>ungen an die Entwicklung stellen. Dem<br />
Bieter stehen hier verschiedene Wege offen. So können z. B. zwei verschiedene Programme,<br />
eine Modulbauweise o<strong>der</strong> auch ein einheitliches Programm mit Zusatzprogrammen für jedes<br />
Bundesland angeboten werden. Auch die unterschiedliche Finanzierung in beiden<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n stellt eine weitere Schwierigkeit bei <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> vertraglichen<br />
Spezifikation dar (VK Südbayern, B. v. 25.10.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-28-09/06).
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>136.</strong>7.2 Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens ohne<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2)<br />
6326<br />
6327<br />
6328<br />
6328/0,1<br />
Wie sich insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> zwölften Begründungserwägung <strong>der</strong> Richtlinie 93/36 und <strong>der</strong><br />
achten Begründungserwägung <strong>der</strong> Richtlinie 93/37 ergibt, hat das Verhandlungsverfahren<br />
Ausnahmecharakter und darf nur in bestimmten, genau festgelegten Fällen zur Anwendung<br />
gelangen. Aus diesem Grund bestimmen die Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a <strong>der</strong><br />
Richtlinie 93/36 und 7 Absatz 3 Buchstabe a <strong>der</strong> Richtlinie 93/37 abschließend die Fälle,<br />
in denen das Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung angewandt werden kann. Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung sind die<br />
Ausnahmen von den Vorschriften, die die Wirksamkeit <strong>der</strong> Rechte nach dem Vertrag im<br />
Bereich <strong>der</strong> öffentlichen Bauaufträge gewährleisten sollen, eng auszulegen; die Beweislast<br />
dafür, dass die außergewöhnlichen Umstände, die die Ausnahme rechtfertigen, tatsächlich<br />
vorliegen, obliegt demjenigen, <strong>der</strong> sich auf sie berufen will (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 -<br />
Az.: C-275/08; Urteil vom 18.11.2004 - Az.: C-126/03). Die Mitgliedstaaten können daher<br />
we<strong>der</strong> Tatbestände für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens schaffen, die in den<br />
genannten Richtlinien nicht vorgesehen sind, noch die ausdrücklich in diesen Richtlinien<br />
vorgesehenen Tatbestände um neue Bestimmungen ergänzen, die die Anwendung des<br />
genannten Verfahrens erleichtern, da sie sonst die praktische Wirksamkeit <strong>der</strong> betreffenden<br />
Richtlinien beseitigen würden (z.B. die Anwendung des Verhandlungsverfahrens zulassen,<br />
wenn ein Auftrag nicht in einem offenen o<strong>der</strong> nicht offenen Verfahren vergeben werden<br />
konnte o<strong>der</strong> die Bewerber nicht zum <strong>Vergabe</strong>verfahren zugelassen wurden, und die<br />
ursprünglichen Bedingungen des Auftrags bis auf den Preis, <strong>der</strong> nicht um mehr als 10 %<br />
erhöht werden darf, nicht geän<strong>der</strong>t werden) - (EuGH, Urteil vom 13.01.2005 - Az.: C-84/03;<br />
VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />
Die vom EuGH genannten Begründungserwägungen sind in <strong>der</strong> neuen<br />
<strong>Vergabe</strong>koordinierungsrichtlinie (2004/18/EG) nicht mehr ausdrücklich enthalten. Der<br />
Ausnahmecharakter des Verhandlungsverfahrens ergibt sich aber eindeutig und<br />
zwingend aus dem Stufenverhältnis <strong>der</strong> Ausschreibungsarten (VK Sachsen, B. v.<br />
07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />
Die Zulässigkeit <strong>der</strong> Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb<br />
richtet sich ausschließlich nach <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 <strong>VOL</strong>/A 2. Abschnitt, ein Rückgriff auf die<br />
Vorschriften des <strong>§</strong> 3 Nr. 4 <strong>VOL</strong>/A ist nicht zulässig (1. VK Bund, B. v. 20.5.2003 - Az.:<br />
VK 1 - 35/03).<br />
Ein Auftraggeber ist in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherigen<br />
Teilnahmewettbewerb nicht verpflichtet, mit mindestens drei Unternehmen zu<br />
verhandeln. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 <strong>VOL</strong>/A sieht dies ausdrücklich nur für<br />
Verhandlungsverfahren mit Öffentlicher Bekanntmachung vor, nicht jedoch, wenn eine solche<br />
Bekanntmachung gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. d) <strong>VOL</strong>/A unterbleiben darf. Gerade in den<br />
dringlichen Fällen wäre eine an<strong>der</strong>e Vorgehensweise auch nicht aus allgemeinen<br />
wettbewerblichen Gründen angezeigt, da das Einholen von Angeboten von mehreren<br />
Unternehmen mit einem in solchen Eilfällen unzumutbar langen zeitlichen Aufwand<br />
verbunden wäre und die Verfahrenserleichterungen, die in solchen dringenden Fällen<br />
ausnahmsweise gerade zugelassen sind, im Ergebnis konterkarieren würde (1. VK Bund, B. v.<br />
03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09).
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
6328/1<br />
Zu den Mindestfristen für die Angebotsabgabe im Rahmen von Verhandlungsverfahren<br />
ohne <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 101 GWB RZ 1399/1.<br />
<strong>136.</strong>7.2.1 Fehlende wirtschaftliche Angebote nach einem Offenen Verfahren<br />
(<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe a))<br />
6329<br />
6329/1<br />
6330<br />
6331<br />
Nach <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe a) <strong>VOL</strong>/A ist ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige<br />
Öffentliche Bekanntmachung dann zulässig, wenn bei einem Offenen Verfahren o<strong>der</strong><br />
Nichtoffenen Verfahren keine o<strong>der</strong> keine wirtschaftlichen Angebote abgegeben worden sind,<br />
sofern die ursprünglichen Verdingungsunterlagen nicht grundlegend geän<strong>der</strong>t werden. Erste<br />
Voraussetzung ist somit, dass ausschließlich Angebote im Offenen Verfahren vorgelegen<br />
haben müssen, die nach Prüfung, unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze sowie<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Ausschreibung genannten Wirtschaftlichkeitskriterien, in einem unangemessenen<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis standen. Für das Vorliegen eines unangemessenen Verhältnisses<br />
ist <strong>der</strong> Auftraggeber grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Der bloße Hinweis,<br />
dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen, vermag diese Darlegungs- und Beweispflicht<br />
nicht zu begründen (VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07; VK Südbayern, B.<br />
v. 21.8.2003 - Az.: 32-07/03).<br />
Voraussetzung für nicht wirtschaftliche Angebote ist ein unangemessenes Preis-<br />
Leistungs-Verhältnis <strong>der</strong> eingegangenen Angebote. Ob die Angebote ein solches<br />
Missverhältnis zwischen angebotener Leistung und Preis aufweisen, kann jedoch nicht allein<br />
anhand eines Vergleichs mit den bisherigen Kosten eines Auftraggebers entschieden<br />
werden. Denn die bisher von dem Auftraggeber aufgewandten Kosten bemessen sich auf<br />
Grundlage <strong>der</strong> bestehenden Verträge mit den bisherigen Vertragspartnern. Zwar mögen diese<br />
Kosten ein Indiz für den Wert <strong>der</strong> erbrachten Dienstleistungen sein. Sie spiegeln jedoch<br />
nicht zwangsläufig den heutigen Wert <strong>der</strong> erbrachten Dienstleistung wie<strong>der</strong>. Dies gilt umso<br />
mehr, als Preisanpassungen <strong>der</strong> bestehenden Verträge teilweise bereits mehrere Jahre<br />
zurückliegen. Bei <strong>der</strong> Prüfung, ob ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung<br />
vorliegt, muss aber auf den aktuellen Wert <strong>der</strong> angebotenen Leistung abgestellt werden.<br />
D.h. <strong>der</strong> Auftraggeber muss anhand einer aktuellen und nachvollziehbaren Schätzung des<br />
heutigen Wertes <strong>der</strong> ausgeschriebenen Leistung überprüfen, ob die Angebotspreise als<br />
unwirtschaftlich anzusehen sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass <strong>der</strong> aktuell für die<br />
gefor<strong>der</strong>ten Leistungen zu zahlende Preis nicht zwingend niedriger sein muss, als <strong>der</strong> bisher<br />
gezahlte, z.B. wegen möglicher Steigerungen <strong>der</strong> angebotsrelevanten Kosten (VK Baden-<br />
Württemberg, B. v. 26.09.2008 - Az.: 1 VK 33/08).<br />
Der <strong>Vergabe</strong>stelle ist aber <strong>der</strong> Zugang zu dem "nachrangigen" Verhandlungsverfahren<br />
des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 a <strong>VOL</strong>/A nur dann ohne weiteres eröffnet, wenn ihr nicht das Scheitern des<br />
vorangegangenen - und an sich vorrangigen - Verfahrens zuzurechnen ist, weil die von ihr<br />
zu verantwortenden Ausschreibungsbedingungen die Erfüllung des ausgeschriebenen<br />
Auftrags bis an die Grenze <strong>der</strong> Unmöglichkeit erschwerten und deshalb keine o<strong>der</strong> keine<br />
wirtschaftlichen Angebote eingegangen sind (OLG Dresden, B. v. 16.10.2001 - Az.: WVerg<br />
0007/01; VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-07).<br />
Der Auftraggeber ist an die Zuschlagskriterien eines aufgehobenen Offenen Verfahrens<br />
auch im nachfolgenden Verhandlungsverfahren gebunden. Die <strong>Vergabe</strong>stelle weicht von<br />
diesen selbst aufgestellten Kriterien ab, wenn sie neue Kriterien in die Wertung einführt. Dies<br />
macht die Wertungsentscheidung intransparent und im Ergebnis fehlerhaft. Der<br />
Rechtsgedanke, <strong>der</strong> dem <strong>§</strong> 9 a <strong>VOL</strong>/A zugrunde liegt und wonach die Zuschlagsentscheidung
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
nicht auf Kriterien gestützt werden darf, die nicht vorher bekannt gegeben wurden, greift auch<br />
hier (VK Südbayern, B. v. 21.04.2004 - Az.: 24-04/04).<br />
6331/1<br />
Die Regelung des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe a) entspricht von seiner Fassung her nicht den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen des Art. 30 Abs. 1 2. Unterabsatz <strong>der</strong> Richtlinie 2004/18/EG<br />
(<strong>Vergabe</strong>koordinierungsrichtlinie). Darin heißt es: "Die öffentlichen Auftraggeber brauchen<br />
keine Bekanntmachung zu veröffentlichen, wenn sie in das betreffende<br />
Verhandlungsverfahren alle Bieter und nur die Bieter einbeziehen, die die Kriterien <strong>der</strong><br />
Artikel 46 bis 52 erfüllen und die im Verlauf des vorangegangenen offenen o<strong>der</strong> nichtoffenen<br />
Verfahrens o<strong>der</strong> wettbewerblichen Dialogs Angebote eingereicht haben, die den formalen<br />
Voraussetzungen für das <strong>Vergabe</strong>verfahren entsprechen." Nach dieser Richtlinie dürfen<br />
somit in das Verhandlungsverfahren nur Bieter einbezogen werden, die im<br />
Erstverfahren we<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> formalen Prüfung noch in <strong>der</strong> Eignungsprüfung<br />
ausgeschlossen worden sind. Die Einbeziehung weiterer Bieter ist danach unzulässig.<br />
Der deutsche Verordnungsgeber hat also die Anfor<strong>der</strong>ungen des Art. 30 Abs. 1<br />
2.Unterabschnitt VKR - auch in <strong>der</strong> Fassung vom 20.03.2006 - nicht vollständig<br />
übernommen. Jedenfalls fehlt die ausdrückliche Anordnung, dass <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong> an einem<br />
Verhandlungsverfahren ohne vorangegangene öffentliche Bekanntmachung beteiligten Bieter<br />
auf die am vorausgegangenen Verfahren bereits beteiligten und die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Art.<strong>§</strong><br />
46 bis 52 erfüllenden Bieter zu beschränken ist. Nach dem Gebot <strong>der</strong><br />
gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung inländischen Rechts muss die Vorschrift des <strong>§</strong><br />
3 a Nr. 2 a) <strong>VOL</strong>/A dahingehend ausgelegt werden, dass auch nach deutschem Recht in<br />
einem Verhandlungsverfahren im Anschluss an ein vorhergehendes - aufgehobenes -<br />
<strong>Vergabe</strong>verfahren ohne öffentliche Bekanntmachung nur die Bieter einbezogen werden<br />
dürfen, die geeignet sind und die in dem vorangegangenen Verfahren Angebote<br />
abgegeben haben, die nicht aus formalen Gründen ausgeschlossen worden sind (OLG<br />
Bremen, B. v. 03.04.2007 - Az.: Verg 2/07; VK Sachsen, B. v. 07.01.2008 - Az.: 1/SVK/077-<br />
07).<br />
<strong>136.</strong>7.2.2 Durchführung nur von einem bestimmten Unternehmen (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr.<br />
2 Buchstabe c))<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.1 Allgemeines<br />
6331/2<br />
6331/3<br />
<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A ist als Ausnahmevorschrift zum Wettbewerbsgrundsatz nach <strong>§</strong><br />
97 Abs. 1 GWB restriktiv auszulegen, da sie die Auftragsvergabe weitgehend dem<br />
Wettbewerb entzieht, indem im Verhandlungsverfahren ohne vorgeschaltetem<br />
Teilnahmewettbewerb gezielt nur mit einem Bieter verhandelt wird und an<strong>der</strong>e Unternehmen<br />
we<strong>der</strong> einbezogen werden noch durch Bekanntmachung in transparenter Weise über die<br />
Beauftragungsmöglichkeit Kenntnis erlangen können (1. VK Bund, B. v. 03.09.2009 - Az.:<br />
VK 1 – 155/09; B. v. 05.02.2009 - Az.: VK 1 - 186/08).<br />
Voraussetzung für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne<br />
Teilnahmewettbewerb nach <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A ist nicht nur, dass ein<br />
Ausschließlichkeitsrecht besteht. Die Norm for<strong>der</strong>t darüber hinaus als eng auszulegen<strong>der</strong><br />
Ausnahmetatbestand zusätzlich, dass aufgrund des Ausschließlichkeitsrechts nur ein<br />
einziges Unternehmen in <strong>der</strong> gesamten EU den fraglichen Auftrag durchführen kann (1.<br />
VK Bund, B. v. 03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09; 2. VK Bund, B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2<br />
– 73/08).
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
6331/4<br />
6331/5<br />
6331/6<br />
6331/7<br />
6332<br />
Die bloße Behauptung, mit <strong>der</strong> fraglichen Lieferung habe nur ein bestimmter Lieferant<br />
beauftragt werden können, weil <strong>der</strong> auf nationaler Ebene vorhandene Wettbewerber kein<br />
Erzeugnis angeboten habe, das den notwendigen technischen Anfor<strong>der</strong>ungen entsprochen<br />
habe, kann nicht für den Nachweis genügen, dass die außergewöhnlichen Umstände, die die<br />
in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c <strong>der</strong> Richtlinie 93/36 vorgesehenen Ausnahmen rechtfertigen,<br />
tatsächlich vorlagen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Unternehmen, die zur<br />
Lieferung einer geeigneten Software in <strong>der</strong> Lage gewesen wären, hätten ermittelt werden<br />
können, wenn ernsthafte Nachforschungen auf europäischer Ebene angestellt worden<br />
wären (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-275/08).<br />
Das Eigentum eines Unternehmens an den blauen Tonnen stellt keine technische<br />
Beson<strong>der</strong>heit im Sinn des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c <strong>VOL</strong>/A dar, denn diese hätte auch von an<strong>der</strong>en<br />
Unternehmen beschafft werden können. Ebensowenig begründet es ein<br />
Ausschließlichkeitsrecht. Es ist nicht auszuschließen, dass an<strong>der</strong>e Unternehmen vergleichbar<br />
günstige Angebote unter Einbeziehung ihrer eigenen Tonnenbestände hätten vorlegen können.<br />
Diese Konstellation stellt allenfalls einen Wettbewerbsvorteil dar, <strong>der</strong> aber keineswegs<br />
unüberwindlich ist (VK Arnsberg, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 36/09).<br />
Gibt eine Herstellerfirma ein Softwareprodukt, das zwingend Gegenstand einer<br />
Ausschreibung ist, an eine Vielzahl von Händlern, Mitbewerbern und<br />
Generalunternehmern ab und nicht etwa nur an den Endkunden, dann ist eine<br />
Beschaffung <strong>der</strong> gewünschten Software im Rahmen eines Händlerwettbewerbs ohne<br />
weiteres möglich. Die Beschaffung im Rahmen eines Händlerwettbewerbs ist in <strong>der</strong> IT-<br />
Branche auch durchaus üblich, stellt somit keine Beson<strong>der</strong>heit dar. Zudem bleibt dann auch<br />
<strong>der</strong> Wettbewerb in Bezug auf an<strong>der</strong>e Hersteller offen, die <strong>der</strong> Antragsgegnerin<br />
möglicherweise überhaupt noch nicht bekannt sind. Ein Verhandlungsverfahren ist bei<br />
einer solchen Konstellation nicht zulässig (VK Münster, B. v. 18.02.2010 - Az.: VK 28/09).<br />
Auch wenn die For<strong>der</strong>ung nach einem Generalunternehmer aufgrund <strong>der</strong> Komplexität und<br />
<strong>der</strong> zwingend erfor<strong>der</strong>lichen höchsten Verfügbarkeit <strong>der</strong> Anlagen sinnvoll und<br />
nachvollziehbar erscheint, stellt diese For<strong>der</strong>ung keinen Grund für die Durchführung<br />
eines Verhandlungsverfahrens dar. Auch solche Generalunternehmerverträge können ohne<br />
weiteres in offenen Verfahren ausgeschrieben werden (VK Münster, B. v. 18.02.2010 - Az.:<br />
VK 28/09).<br />
Vgl. dazu auch die Kommentierung zu <strong>§</strong> 3 <strong>VOL</strong>/A RZ 6292.<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.2 Beschaffung von Softwarelizenzen, die auf bereits vorhandenen<br />
Lizenzen aufbauen<br />
6332/1<br />
Entscheidet sich ein öffentlicher Auftraggeber dafür, bei <strong>der</strong> durchzuführenden<br />
Beschaffung auf vorhandenen Lizenzen „aufzubauen“, rechtfertigt dies nicht, an<strong>der</strong>e<br />
Unternehmen unter Berufung auf die Ausnahmevorschrift des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) vom<br />
Wettbewerb auszuschließen. Unterschieden werden müssen zwei Fallkonstellationen: die<br />
von <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 c) <strong>VOL</strong>/A gedeckte, wonach es aufgrund objektiver Faktoren tatsächlich<br />
nur einen Anbieter gibt, und die zweite, wonach <strong>der</strong> Auftraggeber sich – aus welchen<br />
Gründen auch immer – für ein bestimmtes Unternehmen und seine Produkte entscheidet.<br />
Der zweite Fall kann nicht zur Begründung dienen, dass kein förmliches<br />
<strong>Vergabe</strong>verfahren durchgeführt wird. Der Auftraggeber hat vielmehr die Alternative, ein
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
völlig neues Produkt zu beschaffen. Soweit er vorträgt, dass die Umstellung auf ein neues<br />
System einen erheblichen Zeitbedarf von z.B. mehreren Monaten erfor<strong>der</strong>t und es auch<br />
wegen <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Kompatibilität zwischen verschiedenen Softwareanwendungen<br />
nicht wünschenswert gewesen wäre, ein neues System einzuführen, mag dies zwar<br />
nachvollziehbar sein. Es rechtfertigt jedoch nicht die Anwendung <strong>der</strong> ganz eng<br />
auszulegenden Ausnahmevorschrift des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 c) <strong>VOL</strong>/A. Dieser Tatbestand kommt<br />
möglicherweise zur Anwendung, wenn Programme mit Schnittstellen zu einer vorhandenen<br />
Software nur von dem Inhaber <strong>der</strong> Ausschließlichkeitsrechte an <strong>der</strong> vorhandenen Software<br />
beschafft werden können bzw. wenn die Andockung <strong>der</strong> neuen Software an eine vorhandene<br />
nur unter Eingriff in die Programmstruktur und unter Verletzung von Urheberrechten möglich<br />
ist (VK Hessen, B. v. 27.04.2007 - Az.: 69 d VK – 11/2007).<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.3 Beschaffung von patentgeschützten Arzneimitteln<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.3.1 Rechtsprechung<br />
6332/2<br />
6332/2,2<br />
Ein Ausschließlichkeitsrecht scheidet schon dann aus, wenn auch bei einem Zuschnitt auf<br />
einzelne, patentgeschützte Wirkstoffe zumindest noch die Re- und Parallelimporteure als<br />
Wettbewerber <strong>der</strong> Patentrechtsinhaber um einen <strong>der</strong> Rabattverträge zu berücksichtigen<br />
wären (2. VK Bund, B. v. 22.08.2008 - Az.: VK 2 – 73/08).<br />
Die Anwendung des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A, <strong>der</strong> auf Art. 31 Nr. 1 lit. b) <strong>der</strong> Richtlinie<br />
2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die<br />
Koordinierung <strong>der</strong> Verfahren zur <strong>Vergabe</strong> öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und<br />
Dienstleistungsaufträge (zukünftig VKR) zurückgeht, lässt sich nicht allein damit<br />
rechtfertigen, dass so hinsichtlich eines bestimmten Wirkstoffes ein Patent besteht. Die<br />
genannten Vorschriften setzen vielmehr des Weiteren voraus, dass infolgedessen nur ein<br />
Anbieter den Auftrag durchführen kann. Dies ist bei einem Patent nicht ohne Weiteres <strong>der</strong><br />
Fall. Infolge des Erschöpfungsgrundsatzes kann die Einfuhr von Medikamenten durch<br />
Dritte aus dem EU-Bereich nicht untersagt werden. Die zitierten Vorschriften greifen<br />
mithin nur dann ein, wenn keine Händler vorhanden sind, die in <strong>der</strong> Lage sind, das<br />
Medikament mit dem betreffenden Wirkstoff einzuführen (OLG Düsseldorf, B. v.<br />
20.10.2008 - Az.: VII-Verg 46/08).<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.3.2 Literatur<br />
6332/3<br />
• Gabriel, Marc, Vom Festbetrag zum Rabatt - Gilt die Ausschreibungspflicht von<br />
Rabattverträgen auch im innovativen Bereich patentgeschützter Arzneimittel?, NZS<br />
2008, 455<br />
<strong>136.</strong>7.2.2.4 Kunsttransporte<br />
6332/4<br />
Der Ausnahmetatbestand des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A vom Grundsatz des Offenen Verfahrens<br />
ist eng auszulegen. Zum einen stellt allein <strong>der</strong> Wunsch bzw. die Vorgabe eines Leihgebers,<br />
einen bestimmten Spediteur zu beauftragen und an<strong>der</strong>enfalls die Überlassung <strong>der</strong>
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Leihgaben zu verweigern, keine „technische o<strong>der</strong> künstlerische Beson<strong>der</strong>heit“ i.S.d. <strong>§</strong> <strong>3a</strong><br />
Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A dar. Zwar sieht die <strong>Vergabe</strong>kammer die praktischen Schwierigkeiten <strong>der</strong><br />
Ag, die zumindest bei privaten Leihgebern o<strong>der</strong> bei solchen, die aus an<strong>der</strong>en Gründen nicht<br />
ans EU-<strong>Vergabe</strong>recht gebunden sind, keine Möglichkeit hat, <strong>der</strong>en Praxis bei <strong>der</strong><br />
Erteilung von Transportaufträgen zu beeinflussen, und dennoch nicht auf <strong>der</strong>en<br />
Leihgaben verzichten möchte. Sollte jedoch allein das Verhalten eines nicht ans<br />
<strong>Vergabe</strong>recht gebundenen Dritten eine „Beson<strong>der</strong>heit“ i.S.d. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A<br />
sein können, so dass Verträge unter den geringen Anfor<strong>der</strong>ungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 1,<br />
Abs. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A direkt vergeben werden dürften, würde dies dem<br />
vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz und dem grundsätzlichen Vorrang des<br />
Offenen Verfahrens im Sinne <strong>der</strong> gebotenen engen Auslegung <strong>der</strong> Ausnahmetatbestände<br />
des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 <strong>VOL</strong>/A zuwi<strong>der</strong>laufen. Diese Transportaufträge können auch nicht „aufgrund<br />
des Schutzes eines Ausschließlichkeitsrechts“ i.S.d. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. c) <strong>VOL</strong>/A nur von einem<br />
bestimmten Unternehmen ausgeführt und aus diesem Grund im Verhandlungsverfahren<br />
vergeben werden. Von diesem Tatbestand umfasst sind nämlich lediglich etwaige<br />
Ausschließlichkeitsrechte des Auftragnehmers selbst, nicht jedoch allenfalls das<br />
Ausschließlichkeitsrecht (Eigentum) des Leihgebers, <strong>der</strong> dem Auftragnehmer lediglich sein<br />
Eigentum zur Durchführung einer Transportleistung zur Verfügung stellt (1. VK Bund, B. v.<br />
03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09).<br />
<strong>136.</strong>7.2.3 Dringlichkeit (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe d))<br />
<strong>136.</strong>7.2.3.1 Hinweis<br />
6333<br />
Vgl. zunächst im Einzelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 3 <strong>VOL</strong>/A RZ 6294.<br />
<strong>136.</strong>7.2.3.2 Voraussetzungen<br />
6334<br />
6335<br />
Ein Verhandlungsverfahren ohne <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung wegen Dringlichkeit ist nach<br />
europäischem Recht nur anwendbar, wenn kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind.<br />
Es müssen ein unvorhersehbares Ereignis, dringliche und zwingende Gründe, die die<br />
Einhaltung <strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen, und ein<br />
Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus<br />
ergebenden dringlichen, zwingenden Gründen gegeben sein (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 -<br />
Az.: C-275/08; Urteil vom 02.06.2005 - Az.: C-394/02; Urteil vom 18.11.2004 - Az.: C-<br />
126/03; 1. VK Sachsen, B. v. 07.04.2004 - Az.: 1/SVK/023-04).<br />
An das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes sind hohe Anfor<strong>der</strong>ungen zu stellen. Als<br />
zwingende und dringende Gründe kommen nur akute Gefahrensituationen und höhere<br />
Gewalt, z. B. durch Katastrophenfälle in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden für<br />
Leib und Leben <strong>der</strong> Allgemeinheit ein schnelles, die Einhaltung <strong>der</strong> Fristen<br />
ausschließendes Handeln erfor<strong>der</strong>n (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; 3.<br />
VK Saarland, B. v. 24.10.2008 - Az.: 3 VK 02/2008). Latente o<strong>der</strong> durch regelmäßige<br />
Wie<strong>der</strong>kehr (z.B. Frühlingshochwasser) vorhersehbare Gefahren sind daher in <strong>der</strong> Regel<br />
keine zwingenden Gründe. Latent vorhandene Gefahren können durch das Hinzutreten<br />
unvorhersehbarer Ereignisse allerdings zu akuten Gefahren werden, die einen dringlichen<br />
Handlungsbedarf begründen können. Dem Auftraggeber steht bei <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong><br />
Gefahrenlage ein Beurteilungsspielraum zu, <strong>der</strong> sich aber an den Wertsetzungen des
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>Vergabe</strong>rechts orientieren und dem Ausnahmecharakter einer formlosen <strong>Vergabe</strong> Rechnung<br />
tragen muss.<br />
6335/1<br />
6336<br />
6336/1<br />
6337<br />
6338<br />
6339<br />
6339/1<br />
Bloße finanzielle Gründe bzw. wirtschaftliche Erwägungen werden diesen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen regelmäßig nicht gerecht (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg<br />
8/09).<br />
Ebenso ist an die Unvorhersehbarkeit hohe Anfor<strong>der</strong>ungen zu stellen (OLG Celle, B. v.<br />
29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; 3. VK Saarland, B. v. 24.10.2008 - Az.: 3 VK 02/2008).<br />
Vorhersehbar sind alle Umstände, die bei einer sorgfältigen Risikoabwägung unter<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> aktuellen Situation und <strong>der</strong>en möglicher Fortentwicklung nicht ganz<br />
unwahrscheinlich sind. Vorhersehbar sind dabei nicht nur Umstände, die nach dem<br />
gewöhnlichen Lauf <strong>der</strong> Dinge eintreten können, son<strong>der</strong>n auch nicht ganz lebensfremde<br />
Abweichungen vom üblichen Verlauf.<br />
Dass angesichts <strong>der</strong> seinerzeit stetig steigenden Preise für die Verwertung von Altpapier<br />
<strong>der</strong> Markt auch für private Anbieter stark an Attraktivität gewinnen würde und diese<br />
versuchen würden, mit eigenen gewerblichen Sammlungen auf den Markt zu drängen,<br />
war dem Auftraggeber bekannt o<strong>der</strong> zumindest vorhersehbar, so dass er sich nicht mit<br />
Erfolg auf ein unvorhersehbares Ereignis im Sinne von <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 d) <strong>VOL</strong>/A berufen kann<br />
(OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09).<br />
Zwischen den unvorhersehbaren Ereignissen und den zwingenden Gründen für die<br />
Unmöglichkeit <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Fristen aus <strong>§</strong> 18 a <strong>VOL</strong>/A muss ein<br />
Kausalzusammenhang bestehen. Die Unmöglichkeit <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Fristen muss sich<br />
aus den unvorhersehbaren Ereignissen ergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine<br />
Einhaltung auch <strong>der</strong> verkürzten Fristen des <strong>§</strong> 18 a <strong>VOL</strong>/A nicht mehr möglich sein darf, da<br />
auch eine Veröffentlichung mit verkürzten Fristen dem Verhandlungsverfahren ohne<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung vorgeht.<br />
Dass die die Dringlichkeit auslösenden Umstände auf keinen Fall dem Verhalten des<br />
Auftraggebers zuzurechnen sein dürfen, setzt kein Verschulden beim Auftraggeber voraus.<br />
Es geht nicht um subjektive Vorwerfbarkeit, son<strong>der</strong>n darum, ob sie in <strong>der</strong> Sphäre des<br />
Auftraggebers begründet sind. Dazu gehören auch Verzögerungen, die sich aus <strong>der</strong><br />
Abhängigkeit von Entscheidungen an<strong>der</strong>er Behörden ergeben (VK Düsseldorf, B. v.<br />
15.08.2003 - Az.: VK - 23/2003 – L).<br />
Einen unbefristeten Vertrag aus einer punktuellen Engpasslage im Verhandlungsverfahren<br />
ohne vorherige Bekanntmachung an zumeist lokale Anbieter zu vergeben, sprengt den<br />
Ausnahmetatbestand des <strong>§</strong> 3 a Nr. 2 d) <strong>VOL</strong>/A (1. VK Sachsen, B. v. 07.04.2004 - Az.:<br />
1/SVK/023-04).<br />
Sind zwischen <strong>der</strong> Entscheidung, z.B. eine verwendete Software zu ersetzen, <strong>der</strong> Aufnahme<br />
von Verhandlungen und dem Abschluss des betreffenden Vertrags mehrere Monate<br />
verstrichen, liegen die Voraussetzungen einer Dringlichkeit nicht vor (EuGH, Urteil v.<br />
15.10.2009 - Az.: C-275/08).<br />
<strong>136.</strong>7.2.3.3 Eilbedürftigkeit während eines Nachprüfungsverfahrens o<strong>der</strong><br />
während <strong>der</strong> Dauer eines notwendigen Vorverfahrens
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
6340<br />
6340/0,4<br />
6340/1<br />
6340/1,1<br />
Ein Auftraggeber ist bei dringenden, unaufschiebbaren Dienstleistungen wie etwa bei<br />
Krankentransporten o<strong>der</strong> Schülerfreistellungsverkehren o<strong>der</strong> BSE-Tests o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Krankenhausversorgung mit Wäsche, berechtigt und gegebenenfalls faktisch gezwungen,<br />
diese Dienstleistungen zeitlich befristet, bis zum rechtskräftigen Abschluss eines<br />
Nachprüfungsverfahrens im Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. d) <strong>VOL</strong>/A zu vergeben. Die Alternative,<br />
die ausgeschriebenen Dienstleistungen während des schwebenden Nachprüfungs- o<strong>der</strong><br />
zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahrens gar nicht durchführen zu lassen, besteht für den<br />
Auftraggeber in diesen Fällen regelmäßig nicht. Auch über eigenes Personal zur<br />
vorübergehenden Durchführung <strong>der</strong> ausgeschriebenen Dienstleistungen verfügt ein<br />
Auftraggeber regelmäßig nicht. Dieses Interesse des Auftraggebers und das öffentliche<br />
Interesse z. B. an dem reibungslosen Betriebsablauf in <strong>der</strong> Klinik und die Durchführung <strong>der</strong><br />
für Gesundheit und Leben <strong>der</strong> Patienten unabdingbaren Hygienemaßnahmen überwiegen das<br />
Interesse eines Antragstellers, nach rechtskräftigem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens<br />
einen möglichst ungeschmälerten Auftrag zu erhalten, jedoch nur, soweit die Verzögerung des<br />
Zuschlags durch das Nachprüfungsverfahren o<strong>der</strong> ein sich daran anschließendes<br />
Beschwerdeverfahren veranlasst ist (2. VK Brandenburg, B. v. 01.02.2007 - Az.: 2 VK 56/06;<br />
VK Lüneburg, B. v. 27.6.2003 - Az.: 203-VgK-14/2003; VK Schleswig-Holstein, B. v.<br />
11.09.2009 - Az.: VK-SH 14/09).<br />
Jedoch ist auch für den Fall, dass ein öffentlicher Auftraggeber Leistungen nur für eine<br />
Interimszeit – z.B. bis zum Abschluss eines Nachprüfungsvertrages o<strong>der</strong> bis zur Abwicklung<br />
eines geregelten Ausschreibungs- und <strong>Vergabe</strong>verfahrens – vergeben will, darauf zu achten,<br />
ob die Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 <strong>VOL</strong>/A im Einzelfall vorliegen (OLG Hamburg, B.<br />
v. 14.03.2008 - Vgk FB 1/08; OLG Dresden, B. v. 25.01.2008 - Az.: WVerg 010/07 –<br />
instruktiver Fall; VK Arnsberg, B. v. 25.08.2008 - Az.: VK 14/08 – für den Bereich <strong>der</strong><br />
Daseinsvorsorge).<br />
Auch kann z.B. die Aussetzung eines <strong>Vergabe</strong>verfahrens zur Durchführung eines<br />
Schutzverfahrens nach <strong>der</strong> Richtlinie 93/42 für die Lieferung von Medizinprodukten zu<br />
Verzögerungen führen, die für den Betrieb eines Krankenhauses Probleme verursachen<br />
können. Entsprechend Art. 14b <strong>der</strong> Richtlinie 93/42 ist jedoch das Ziel des Schutzes <strong>der</strong><br />
öffentlichen Gesundheit ein zwingendes Erfor<strong>der</strong>nis des Allgemeininteresses, das die<br />
Mitgliedstaaten zu Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs berechtigt, sofern<br />
die getroffenen Maßnahmen dem Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit entsprechen. Im<br />
Dringlichkeitsfall wäre ein Krankenhaus daher berechtigt, alle vorläufigen Maßnahmen<br />
zu treffen, die geboten sind, damit es die für seinen Betrieb notwendigen<br />
Medizinprodukte beschaffen kann. Es müsste jedoch gegebenenfalls beweisen, dass<br />
dringliche Umstände vorliegen, die eine solche Ausnahme vom Grundsatz des freien<br />
Warenverkehrs rechtfertigen können, und dartun, dass die getroffenen Maßnahmen<br />
verhältnismäßig sind (EuGH, Urteil vom 14.06.2007 - Az.: C-6/05).<br />
Für durch das Scheitern laufen<strong>der</strong> Verträge hervorgerufene Zwangslagen enthält das<br />
<strong>Vergabe</strong>recht geeignete, wettbewerbskonforme Instrumente. Gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. d <strong>VOL</strong>/A<br />
können Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung vergeben, soweit dies unbedingt erfor<strong>der</strong>lich ist, wenn aus<br />
dringlichen zwingenden Gründen, die <strong>der</strong> Auftraggeber nicht voraussehen konnte, die Fristen<br />
gemäß <strong>§</strong> 18a <strong>VOL</strong>/A nicht eingehalten werden können. Die Umstände, die die zwingende<br />
Dringlichkeit begründen, dürfen auf keinen Fall dem Verhalten des Auftraggebers<br />
zuzuschreiben sein. Soweit sich <strong>der</strong> Auftragsgegenstand auf Dienst- o<strong>der</strong> Lieferleistungen<br />
<strong>der</strong> Daseinsvorsorge bezieht, ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass <strong>der</strong>
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Grundsatz <strong>der</strong> Kontinuität dieser Leistungen eine nahtlose Weiterführung gegenüber<br />
den Nutzern erfor<strong>der</strong>t. Ursache einer solchen drohenden Funktionsstörung kann die<br />
Insolvenz des Auftragnehmers o<strong>der</strong> aber auch eine Schlechtleistung sein, die den<br />
Auftraggeber zur Kündigung des Vertrages o<strong>der</strong> zur Rücktrittserklärung zwingt, o<strong>der</strong> eine<br />
Verzögerung des <strong>Vergabe</strong>verfahrens durch laufenden Rechtsschutz sein. In <strong>der</strong>artigen Fällen<br />
kann <strong>der</strong> Auftraggeber zur Abwendung eines drohenden vertragslosen Zustandes<br />
entsprechend <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. d <strong>VOL</strong>/A auf das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung<br />
zurückgreifen (VK Lüneburg, B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009).<br />
6340/1,2<br />
6340/1,3<br />
6340/1,4<br />
Eine <strong>der</strong>artige Auftragsvergabe im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne<br />
Bekanntmachung ist jedoch regelmäßig nicht für einen längeren Vertragszeitraum<br />
zulässig. Das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung bildet von allen Verfahrensarten<br />
die ultima ratio. Im Interesse eines möglichst breit angelegten Wettbewerbs haben öffentliche<br />
Auftraggeber gemäß <strong>§</strong> 101 Abs. 6 GWB grundsätzlich das offene Verfahren anzuwenden, es<br />
sei denn, aufgrund des GWB ist etwas an<strong>der</strong>es gestattet. Der Auftraggeber muss daher alles<br />
ihm zumutbare unternehmen, um den Dienstleistungs- o<strong>der</strong> Lieferauftrag einem offenen o<strong>der</strong><br />
ggf. nicht offenen Verfahren zuzuführen. Ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung<br />
zur Abwendung eines drohenden vertragslosen Zustandes auf <strong>der</strong> Grundlage des <strong>§</strong> 3 a Nr. 2<br />
lit. d <strong>VOL</strong>/A ist daher regelmäßig nur interimsweise zulässig. Die Vertragsdauer einer<br />
<strong>der</strong>artig zulässigen Interimsbeauftragung ist daher auf den Zeitraum zu beschränken, <strong>der</strong><br />
für die Erhaltung <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> Dienstleistung während <strong>der</strong> Vorbereitung und<br />
rechtskräftigen Durchführung eines sich anschließenden ordnungsgemäßen offenen<br />
o<strong>der</strong> nicht offenen Verfahrens erfor<strong>der</strong>lich ist. Die Vertragsdauer für die Interimsvergabe<br />
sollte also zwar ausreichend, aber möglichst kurz bemessen sein und in <strong>der</strong> Regel ein Jahr<br />
nicht übersteigen (VK Lüneburg, B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009).<br />
Es sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Auftraggeber sich auch dann im Rahmen<br />
des ihm durch <strong>§</strong> 3 a Nr. 2 lit. d <strong>VOL</strong>/A eingeräumten Ermessens hält, wenn er zur<br />
Gewährleistung von unaufschiebbaren, äußerst dringenden Leistungen o<strong>der</strong><br />
Lieferleistungen für einen angemessen Interimszeitraum direkt auf das zweitplatzierte<br />
Angebot des vorangegangenen <strong>Vergabe</strong>verfahrens zurückgreifen will. Eine solche<br />
Verhandlungsführung mit nur einem Bieter wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn parallele<br />
Interimsverhandlungen mit allen im vorangegangenen <strong>Vergabe</strong>verfahren beteiligten Bietern<br />
zumindest kurzfristig nicht zur Abwendung eines drohenden vertragslosen Zustandes geeignet<br />
und deshalb für den Auftraggeber in <strong>der</strong> konkreten Situation nicht zumutbar sind. Der<br />
Auftraggeber muss eine <strong>der</strong>artige Not- und Zwangslage im Einzelnen darlegen (VK<br />
Lüneburg, B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009).<br />
Ein dringlicher zwingen<strong>der</strong> Grund i.S.d. <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. d) <strong>VOL</strong>/A, <strong>der</strong> den Auftraggeber dazu<br />
zwingt, die Transportleistungen schnellstmöglich zu vergeben, kann <strong>der</strong> Beginn einer<br />
Ausstellung sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass <strong>der</strong> Antransport <strong>der</strong> Exponate (an den<br />
sich ein angemessener Zeitraum für das Auspacken und die Installation <strong>der</strong><br />
Ausstellungsobjekte anschließt) bis zum einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein<br />
muss. Außerdem kann <strong>der</strong> Auftraggeber we<strong>der</strong> voraussehen, dass er die Fristen nach <strong>§</strong> 18a<br />
<strong>VOL</strong>/A nicht einhalten kann, noch hat er die die Dringlichkeit begründenden Umstände<br />
zu vertreten, wenn er ein vorausgegangenes Offenes Verfahren deshalb aufheben muss,<br />
weil die Bieter allesamt auszuschließende Angebote abgegeben haben (1. VK Bund, B. v.<br />
03.09.2009 - Az.: VK 1 – 155/09).
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>136.</strong>7.2.4 Zusätzliche Lieferungen (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe e))<br />
6340/2<br />
6341<br />
6342<br />
6342/1<br />
6342/2<br />
Die in dieser Vorschrift genannten Bedingungen müssen kumulativ vorliegen (VK Hessen,<br />
B. v. 27.04.2007 - Az.: 69 d VK – 11/2007).<br />
Die Norm erlaubt auch für Ersatz- o<strong>der</strong> Ergänzungskäufe zu einer früheren<br />
Beschaffungsmaßnahme das Verhandlungsverfahren ohne öffentliche<br />
<strong>Vergabe</strong>bekanntmachung nur unter <strong>der</strong> Bedingung, dass die Beauftragung eines an<strong>der</strong>en<br />
Lieferanten den Erwerb von Waren mit abweichenden technischen Merkmalen zur Folge hätte<br />
und diese Abweichungen zu unverhältnismäßigen technischen Schwierigkeiten beim<br />
Gebrauch führen würden. Daran fehlt es von vornherein, wenn auch ein drittes<br />
Unternehmen (rechtlich und tatsächlich) dazu in <strong>der</strong> Lage ist, den Ersatz- o<strong>der</strong><br />
Ergänzungsbedarf zu decken und Waren zu liefern, die mit denjenigen <strong>der</strong><br />
ursprünglichen Anschaffung identisch sind (OLG Düsseldorf, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg<br />
10/03).<br />
Das Risiko für die Nichterweislichkeit <strong>der</strong> Tatbestandsvoraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 <strong>VOL</strong>/A<br />
trägt allein die <strong>Vergabe</strong>stelle, so dass sie bei Zweifelsfällen gut beraten ist, den Weg eines<br />
förmlichen <strong>Vergabe</strong>verfahrens mit Vorabbenachrichtigung zu wählen. Wenn jedoch die<br />
Voraussetzungen des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 lit. e) <strong>VOL</strong>/A objektiv vorliegen (z. B. Lieferung von<br />
Pockenimpfstoffen) und zwar auch, wenn es sich um Gründe aus dem subjektiven<br />
Interessenbereich des Auftraggebers handelt, braucht die <strong>Vergabe</strong>stelle kein förmliches<br />
<strong>Vergabe</strong>verfahren einzuleiten (2. VK Bund, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 2 - 10/03).<br />
Die Neulieferung muss entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> teilweisen Erneuerung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong><br />
ursprünglichen Lieferung dienen, also in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang zu<br />
dieser stehen. Eine Erneuerung in diesem Sinn liegt nur bei <strong>der</strong> Anpassung <strong>der</strong><br />
ursprünglichen Lieferung o<strong>der</strong> Einrichtung an den neuesten Stand <strong>der</strong> Technik o<strong>der</strong> bei<br />
dem Austausch von Teilen vor. Erneuerung setzt demnach voraus, dass das ursprüngliche<br />
Produkt als Ganzes grundlegend vorhanden bleibt und nur aus bestimmten,<br />
notwendigen Gründen verän<strong>der</strong>t wird. Das trifft bei einer reinen Verdoppelung von<br />
Lizenzen im Softwarebereich nicht zu. Der Begriff <strong>der</strong> „Erneuerung“ erfasst auch nicht<br />
<strong>der</strong>artige Zusatzbeschaffungen, die das ursprüngliche Produkt in einem weiten Umfang<br />
abän<strong>der</strong>n (VK Hessen, B. v. 27.04.2007 - Az.: 69 d VK – 11/2007).<br />
Eine Erweiterung ist die Ausdehnung des Umfangs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Stückzahl. Erhöht sich die<br />
Stückzahl um mehr als das Doppelte, wird eine Erweiterung im Sinn des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 e) <strong>VOL</strong>/A<br />
ausgeschlossen. Erweiterung kann nur eine Beschaffung sein, die den durch die<br />
vorhandenen Produkte vorgegebenen Rahmen nicht so ausweitet, dass es sich<br />
gewissermaßen um eine komplette Neubeschaffung handelt (VK Hessen, B. v. 27.04.2007<br />
- Az.: 69 d VK – 11/2007; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, B. v. 10.07.2007 - Az.: 11<br />
Verg 5/07).<br />
<strong>136.</strong>7.2.5 Warenbörse (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe i))<br />
6343<br />
Der Kreis <strong>der</strong> Möglichkeiten einer Auftragsvergabe im Wege des<br />
Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Öffentliche <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung ist in <strong>der</strong><br />
<strong>VOL</strong>/A 2006 um die Alternative <strong>der</strong> auf einer Warenbörse notierten und gekauften Waren<br />
erweitert worden.
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
<strong>136.</strong>7.2.6 Vorteilhafte Gelegenheiten in Folge von Geschäftsaufgaben u.ä. (<strong>§</strong><br />
<strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe j))<br />
<strong>136.</strong>7.2.6.1 Anwendbarkeit<br />
6344<br />
6345<br />
Der Kreis <strong>der</strong> Möglichkeiten einer Auftragsvergabe im Wege des<br />
Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Öffentliche <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung ist in <strong>der</strong><br />
<strong>VOL</strong>/A 2006 um die Alternative <strong>der</strong> vorteilhaften Gelegenheit in Folge von<br />
Geschäftsaufgaben u.ä. erweitert worden.<br />
Die ältere Rechtsprechung hatte insoweit die Regelung des <strong>§</strong> 3 Nr. 4 Buchstabe m) auch für<br />
Aufträge angewendet, die den Schwellenwert erreichen bzw. überschreiten (OLG<br />
Düsseldorf, B. v. 8.5.2002 - Az.: Verg 5/02). Diese Rechtsprechung kann ggf. auch für<br />
an<strong>der</strong>e Tatbestände herangezogen werden; vgl. dazu die gegenteilige Auffassung in <strong>der</strong><br />
Kommentierung RZ 6328.<br />
<strong>136.</strong>7.2.6.2 Begriff <strong>der</strong> vorteilhaften Gelegenheit<br />
6346<br />
Eine vorteilhafte Gelegenheit liegt nur dann vor, wenn es sich um eine einmalige o<strong>der</strong> nur<br />
sehr kurzfristig sich bietende Beschaffungsmöglichkeit handelt, die zudem noch<br />
Verkaufspreise unterhalb <strong>der</strong> üblichen Einkaufspreise für den Auftraggeber verspricht<br />
(OLG Düsseldorf, B. v. 8.5.2002 - Az.: Verg 5/02).<br />
<strong>136.</strong>7.2.7 Einkauf börsennotierter Waren (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 2 Buchstabe I))<br />
<strong>136.</strong>7.2.7.1 Allgemeines<br />
6346/1<br />
Als Beispielsfall kommt z.B. <strong>der</strong> Einkauf von Strom über sogenannte Strombörsen in<br />
Betracht.<br />
<strong>136.</strong>7.2.7.2 Literatur<br />
6346/2<br />
• Burgi, Martin, Energierecht und <strong>Vergabe</strong>recht, Recht <strong>der</strong> Energiewirtschaft 6/2007,<br />
145<br />
• Meyer-Hofmann, Bettina / Tönnemann, Sven, Stromeinkauf an <strong>der</strong> European Energy<br />
Exchange - Ein Fall für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige<br />
Bekanntmachung?, ZfBR 2009, 554<br />
<strong>136.</strong>7.2.8 Auftragsvergabe im Insolvenzfall
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
6347<br />
6348<br />
Kündigt ein Auftraggeber einen Liefer- o<strong>der</strong> Dienstleistungsvertrag nach <strong>§</strong> 8 Nr. 1 <strong>VOL</strong>/B z.<br />
B. wegen Beantragung eines Insolvenzverfahrens, macht oftmals schon die Tatsache des<br />
laufenden Vertrages o<strong>der</strong> die zeitliche und logistische Verknüpfung mehrerer Fach- bzw.<br />
Teillose eine öffentliche Ausschreibung <strong>der</strong> gekündigten Leistungen unmöglich. In aller<br />
Regel wird bei diesen Konstellationen nur eine freihändige <strong>Vergabe</strong> in Betracht kommen<br />
(3. VK Bund, B. v. 29.06.2005 - Az.: VK 3 - 52/05).<br />
Es gibt zwar keine Vorschrift, die es dem Auftraggeber bei einem Verhandlungsverfahren<br />
ohne öffentliche <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung auferlegt, mit einer bestimmten Mindestanzahl von<br />
Bietern zu verhandeln. Auch im Verhandlungsverfahren gilt jedoch <strong>der</strong> allgemeine<br />
Wettbewerbs- und <strong>der</strong> Gleichbehandlungsgrundsatz. Diese allgemeinen Grundsätze gebieten<br />
es, die Tatsache zu berücksichtigen, dass dem Verhandlungsverfahren ein offenes<br />
Verfahren vorangegangen war, aus dem interessierte und für das Bauvorhaben geeignete<br />
Bieter bekannt waren. Im Ergebnis stellt sich die Situation dann so dar, als hätte <strong>der</strong><br />
Auftraggeber die beabsichtigte <strong>Vergabe</strong> öffentlich bekannt gemacht. Vor diesem Hintergrund<br />
ist es unter Berücksichtigung <strong>der</strong> genannten Grundsätze geboten, die für das<br />
Verhandlungsverfahren mit vorangegangener <strong>Vergabe</strong>bekanntmachung geltende<br />
Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 1 Abs. 4 Buchstabe a) <strong>VOL</strong>/A analog anzuwenden; <strong>der</strong><br />
Auftraggeber ist also verpflichtet, mindestens drei Bewerber, darunter auch die im<br />
offenen Verfahren zweit- und drittplatzierten Bieter, in das Verhandlungsverfahren mit<br />
einzubeziehen (3. VK Bund, B. v. 29.06.2005 - Az.: VK 3 - 52/05).<br />
<strong>136.</strong>8 Rahmenvereinbarungen (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4)<br />
<strong>136.</strong>8.1 Allgemeines<br />
6349<br />
6350<br />
In <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 sind – als neue Regelungen <strong>der</strong> <strong>VOL</strong>/A 2006 - die Rahmenvereinbarung<br />
definiert sowie die Bedingungen einer Auftragsvergabe auf <strong>der</strong> Basis einer<br />
Rahmenvereinbarung erläutert.<br />
Zu den vergaberechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen an Rahmenvereinbarungen und die<br />
Abwicklung von Rahmenvereinbarungen vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 99 GWB RZ<br />
1194.<br />
<strong>136.</strong>8.2 Potenzielles Auftragsvolumen bei Arzneimittel-<br />
Rabattverträgen und Schutz von Sozialdaten<br />
6350/1<br />
Nach <strong>§</strong> 8 Nr. 1 Abs. 1 <strong>VOL</strong>/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu<br />
beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und<br />
die Angebote miteinan<strong>der</strong> verglichen werden können. Um eine einwandfreie Preisermittlung<br />
zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den<br />
Verdingungsunterlagen anzugeben, <strong>§</strong> 8 Nr. 1 Abs. 2 <strong>VOL</strong>/A. Zusätzlich ist beim<br />
Rahmenvertrag gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 <strong>VOL</strong>/A das in Aussicht genommene<br />
Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben, braucht aber<br />
nicht abschließend festgelegt zu werden. Auch wenn ein Auftraggeber nicht weiß, welche<br />
Abrufmengen auf ihn z.B. in den Jahren 2008 und 2009 zukommen, sind die Daten des<br />
Jahres 2006 doch von einer indiziellen Bedeutung. Bei Rabattverträgen geben solche
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
Daten für die Berechnung des Rabatts zumindest Anhaltspunkte für das zu erwartende<br />
Jahresvolumen des jeweiligen Wirkstoffs in den anzubietenden Packungsgrößen. Das<br />
dagegen angeführte Argument, die Krankenkassen hätten keinerlei Einfluss auf die Menge <strong>der</strong><br />
Verordnungen und die zu beschaffenden Arzneimittel, überzeugt insoweit nicht. Externe<br />
Faktoren, auf die die Krankenkassen keinen Einfluss haben, wie Krankheiten <strong>der</strong> Versicherten<br />
(Morbiditätsentwicklung) o<strong>der</strong> das Verordnungsverhalten <strong>der</strong> Ärzte werden sich aus<br />
statistischer Sicht in den kommenden Jahren nicht wesentlich verän<strong>der</strong>n. Die vorhandenen<br />
Informationen in Form von aktuellen Verordnungsdaten sind den Bietern daher<br />
grundsätzlich zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Rabattangebote wirtschaftlich<br />
berechnen können (2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 -<br />
Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />
114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v.<br />
15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07).<br />
6350/2<br />
Dem stehen auch nicht grundsätzlich datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen. Nach<br />
<strong>§</strong> 67 Abs. 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche o<strong>der</strong> sachliche<br />
Verhältnisse einer bestimmten o<strong>der</strong> bestimmbaren natürlichen Person. Die<br />
Verordnungsdaten 2006 lassen jedoch keine Rückschlüsse auf personenbezogene Daten<br />
<strong>der</strong> Versicherten, also Sozialdaten, zu. Möglicherweise erlauben die Daten allerdings<br />
Rückschlüsse auf die Krankheiten <strong>der</strong> Versicherten in ihrer Gesamtheit. Insoweit stellen die<br />
Daten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Verhältnis zu den übrigen gesetzlichen<br />
Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen dar. Die Auftraggeber haben<br />
deshalb auch in <strong>§</strong> 5 Abs. 2 ihres Rabattvertrages zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche<br />
Verordnungsdaten und Kalkulationsdaten <strong>der</strong> Geheimhaltung unterliegen. Der<br />
pharmazeutische Unternehmer hat nach <strong>§</strong> 5 Abs. 2 Satz 3 des Rabattvertrags sicherzustellen,<br />
dass er die Informationen nur für den in <strong>der</strong> Vereinbarung vorgesehenen Zweck nutzt und<br />
nicht an Dritte weitergibt. Diese Vorgehensweise könnte entsprechend auch für die Mitteilung<br />
<strong>der</strong> Verordnungsdaten im Rahmen <strong>der</strong> Angebotserstellung verwendet werden. Hierzu könnten<br />
die Auftraggeber die Bieter durch Erklärung verpflichten, dass sie die sodann zur Verfügung<br />
gestellten Verordnungsdaten nur für die Erstellung des Angebots nutzen und die Daten nicht<br />
an Dritte weitergeben. Möglicherweise könnten die Auftraggeber die Verordnungsdaten aber<br />
auch in einer für die Zwecke <strong>der</strong> Ausschreibung bearbeiteten Fassung zur Verfügung stellen.<br />
Ein gänzliches Vorenthalten <strong>der</strong> Verordnungsdaten stellte demgegenüber allerdings eine<br />
unverhältnismäßige Einschränkung <strong>der</strong> Bieter in ihren Rechten aus <strong>§</strong><strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 1<br />
Satz 2, 8 Nr. 1 Abs. 2 <strong>VOL</strong>/A dar (2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v.<br />
15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 -<br />
Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />
105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07).<br />
<strong>136.</strong>8.3 Erneuter Wettbewerb bei Rahmenverträgen mit mehreren<br />
Teilnehmern (<strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 6<br />
6350/3<br />
Grundsätzlich muss <strong>der</strong> Rahmenvertrag die Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> <strong>der</strong> Einzelverträge<br />
festlegen. Das <strong>Vergabe</strong>verfahren über einen Rabattrahmenvertrag gemäß <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB<br />
V ist aber nicht deshalb fehlerbehaftet, weil <strong>der</strong> Rabattrahmenvertrag, <strong>der</strong> z.B. mit drei<br />
bzw. vier Unternehmen geschlossen wird, die Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Vergabe</strong> <strong>der</strong><br />
Einzelverträge nicht gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 6 <strong>VOL</strong>/A festlegt. Nach <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3<br />
SGB V hat <strong>der</strong> Apotheker eigenständig zu entscheiden, welches rabattierte Medikament<br />
er dem Versicherten aushändigt. Ein erneuter Aufruf zum Wettbewerb ist daher nicht<br />
möglich, aber auch nicht erfor<strong>der</strong>lich. Vielmehr ist angesichts <strong>der</strong> Überlagerung <strong>der</strong>
Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergabe</strong>recht, 2. Auflage 2007 – Letzte Än<strong>der</strong>ung: 21.03.2010<br />
gesetzlichen Leistungspflichten nach SGB V durch vergaberechtliche Vorschriften davon<br />
auszugehen, dass hier eine Festlegung <strong>der</strong> Bedingungen für die <strong>Vergabe</strong> von Einzelaufträgen<br />
gemäß <strong>§</strong> <strong>3a</strong> Nr. 4 Abs. 6 lit. a <strong>VOL</strong>/A vorliegt. Die Bedingungen für die <strong>Vergabe</strong> werden im<br />
vorliegenden Fall durch die eigenständige Entscheidungsmöglichkeit des Apothekers nach <strong>§</strong><br />
129 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. <strong>§</strong> 31 Abs. 1 SGB V bestimmt (2. VK Bund, B. v. 15.11.2007<br />
- Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />
117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v.<br />
15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07).