85. Empirische Forschungsmethoden in der Zweit- und ... - Moodle 2
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<strong>85.</strong> <strong>Empirische</strong> <strong>Forschungsmethoden</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Zweit</strong>- <strong>und</strong> Fremdsprachenerwerbsforschung 767<br />
folge Vortest (pretest) plus/m<strong>in</strong>us Manipulation (treatment) Folgetest (posttest) dar<br />
(vgl. Seliger <strong>und</strong> Shohamy 1989: 135152). In <strong>der</strong> L2-Forschung, wie auch allgeme<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> den Sozialwissenschaften, s<strong>in</strong>d Experimente aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> schwierig herzustellenden<br />
Bed<strong>in</strong>gungen (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e: Zufallsverteilung von Untersuchungsteilnehmern z. B. auf<br />
Lerngruppen), aus forschungsethischen Beweggründen (z. B. nur <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Proband<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Probanden e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>maßnahme angedeihen zu lassen) <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> von<br />
Zweifeln an <strong>der</strong> ökologischen Validität <strong>der</strong> Bef<strong>und</strong>e nur selten zu f<strong>in</strong>den. Etwas häufiger<br />
s<strong>in</strong>d Quasi-Experimente, die im Unterschied zu Experimenten mit natürlich existierenden<br />
Gruppen arbeiten. Typischerweise im Rahmen von quantitativen Designs e<strong>in</strong>gesetzte Methoden<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Test o<strong>der</strong> Fragebogen.<br />
2.2. Qualitative Forschung<br />
Exploration komplexer Prozesse sowie <strong>der</strong>en Verstehen ist das Hauptziel qualitativer<br />
Fremdsprachenforschung. Dies verlangt e<strong>in</strong>en empathischen Nachvollzug aus <strong>der</strong> Perspektive<br />
<strong>der</strong> UntersuchungsteilnehmerInnen <strong>und</strong> bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> komplexes elaborativ-prospektives<br />
Menschenbild, wobei das Gesamtfeld als Informationslieferant zur Verfügung<br />
steht (zur Menschenbilddiskussion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremdsprachenforschung vgl. Grotjahn 2005).<br />
Hypothesen <strong>und</strong> Theorien sollen dabei erst während des Forschungsprozesses durch das<br />
<strong>in</strong>terpretative Auff<strong>in</strong>den wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> Muster erschlossen werden (qualitative Forschung<br />
als theoriegenerierende Forschung), wobei ausgeprägte Vorstrukturierungen des<br />
Untersuchungsfeldes (z. B. Standardisierungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Datenerhebung o<strong>der</strong> vorrangige<br />
Berücksichtigung von Vorwissen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung kategorialer Systeme) weitgehend<br />
vermieden werden sollen, was den E<strong>in</strong>satz offener <strong>Forschungsmethoden</strong> impliziert. Es<br />
<strong>in</strong>teressieren nicht alle<strong>in</strong> die Produkte menschlichen Verhaltens, son<strong>der</strong>n auch die Prozesse,<br />
die zu den Produkten führen. Das Untersuchungsfeld soll so weit wie möglich<br />
natürlich belassen se<strong>in</strong>, dies heißt konkret: Soll z. B. gesteuerter Fremdsprachenerwerb<br />
verstanden werden, so s<strong>in</strong>d die Daten aus dem Kontext real stattf<strong>in</strong>denden Fremdsprachenunterrichts<br />
zu gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> speziell e<strong>in</strong>gerichteten laborähnlichen Handlungsräumen<br />
mit je eigenen Konstellationen. Dabei sollen möglichst tiefgründige, reichhaltige<br />
Daten (rich data) erhoben werden. Dies bedeutet an<strong>der</strong>erseits, dass es aus forschungsökonomischen<br />
Gründen selten möglich ist, größere Probandengruppen zu<br />
erfassen, <strong>und</strong> dass damit qualitative Forschungen zumeist <strong>in</strong> Form von Fallstudien organisiert<br />
s<strong>in</strong>d, die auf e<strong>in</strong>e Generalisierung <strong>der</strong> Bef<strong>und</strong>e verzichten müssen. Noch zu wenig<br />
ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> qualitativen Fremdsprachenforschung die Auswahl von Fällen diskutiert worden.<br />
Auch im Rahmen e<strong>in</strong>es qualitativen Forschungsdesigns notwendige Entscheidungen<br />
für e<strong>in</strong> bestimmtes Lehr-/Lernumfeld (Alter, Ausgangssprache, L2-Kompetenz, Unterrichtskontext,<br />
Lernziele etc.) <strong>in</strong>klusive Verzicht auf größere Probandengruppen (<strong>und</strong> repräsentative<br />
Stichproben) dürfen nicht zu Beliebigkeit bzw. Zufälligkeit <strong>der</strong> Auswahl<br />
<strong>der</strong> UntersuchungsteilnehmerInnen führen. Forschungsansätze, die sich an <strong>der</strong> Gro<strong>und</strong>ed<br />
Theory (vgl. Glaser <strong>und</strong> Strauss 1998: 5383) orientieren, arbeiten mit Verfahren des<br />
theoretischen Sampl<strong>in</strong>g, wobei Untersuchungspersonen bzw. -gruppen sukzessiv festgelegt<br />
werden <strong>und</strong> durch die systematische Berücksichtigung zunächst typischer <strong>und</strong> ähnlicher,<br />
dann abweichen<strong>der</strong> <strong>und</strong> kritischer Fälle e<strong>in</strong>e maximale Variation angestrebt wird. Die<br />
dabei entwickelten Erkenntnisse lenken dann bestenfalls die weitere Fallauswahl.