Daten - KWR
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Kartellrechtlicher Schadenersatz –<br />
Meilensteinentscheidung des BGH<br />
Der BGH hat Ende Juni 2011 entschieden, dass Personen, die durch ein Kartell geschädigt wurden, Schadenersatz<br />
verlangen können. Es ist dazu, und das ist das für Österreich wichtige an dieser Entscheidung, keine besondere gesetzliche<br />
Bestimmung notwendig, es genügt das allgemeine Schadenersatzrecht. Von Johannes Peter Gruber<br />
Wenn sich die am Markt tätigen Bauunternehmen absprechen<br />
und sich gegenseitig die Aufträge zuschanzen, können sie von ihren<br />
Bauherren mehr Geld verlangen als Ihnen eigentlich zusteht. Wenn<br />
sich die Vertreter der größten österreichischen Banken regelmäßig<br />
im Hotel Bristol treffen, um einheitlich niedrige Zinsen für Sparguthaben<br />
zu vereinbaren, bekommen die Konsumenten zu wenig für<br />
ihr Geld. Wenn ein Anbieter seinen Händlern den Vertrieb über das<br />
Internet verbietet, wird es für die Konsumenten schwieriger, das billigste<br />
Angebot zu finden. In allen diesen Fällen erleiden die Kunden<br />
einen Schaden.<br />
Vor dem Beitritt Österreichs zur EU im Jahr 1995 hat auf solche<br />
Kartelle mehr oder weniger niemand reagiert. Bestimmte Kartelle<br />
wurden sogar als volkswirtschaftlich wünschenswert angesehen<br />
und von den Sozialpartnern (nach den damaligen gesetzlichen<br />
Vorschriften) akzeptiert. Es gibt daher aber praktisch keine Entscheidungen<br />
des OGH aus den siebziger, achtziger und beginnenden<br />
neunziger Jahren. Ernst genommen werden die kartellrechtlichen<br />
Bestimmungen in Österreich erst seit der Einführung der unabhängigen<br />
Bundeswettbewerbsbehörde im Jahr 2002 und dem Inkrafttreten<br />
des neuen – den Standards der EU entsprechenden – Kartellgesetzes<br />
am 1.1.2006.<br />
Die österreichischen Kartellbehörden haben seither eine Reihe<br />
von Geldbußen verhängt, allen voran die Geldbuße von EUR 75,4<br />
Mio über das Aufzugs- und Fahrtreppenkartell im Jahr 2008. Bestraft<br />
wurden weiters unter anderem ein Druckchemikalienkartell (EUR<br />
1,6 Mio, 2010), ein Industriechemikalienkartell (EUR 1,9 Mio, 2009)<br />
und ein Kreditkartenunternehmen (EUR 7 Mio, 2007). Die Geldbußen<br />
sind in der Regel hoch, aber nicht immer. Die Fahrschulenkartelle<br />
in Graz und Innsbruck kamen mit Geldbußen von EUR 80.000<br />
und EUR 70.000 vergleichsweise glimpflich davon.<br />
Geldbußen sind aber nach Ansicht des EuGH nicht genug. Bereits<br />
im Jahr 2001 hat er entschieden: Wenn ein Unternehmen anderen<br />
durch einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht<br />
(= Kartellrecht) Schaden zufügt, dann soll es verpflichtet werden,<br />
diesen Schaden zu ersetzen. Seitdem bemüht sich die Europäische<br />
Kommission, eine einheitliche Schadenersatzregelung für alle<br />
Mitglieder der EU zu erreichen, bisher allerdings ohne Erfolg. Der<br />
bundesdeutsche Gesetzgeber, der für Österreich in der Regel ein<br />
Vorbild ist, hat hingegen prompt reagiert und bereits 2005 schadenersatzrechtliche<br />
Sonderregeln eingeführt. Mittlerweile gehören<br />
Schadenersatzverfahren bereits durchaus zur gängigen Praxis in<br />
Deutschland.<br />
Der österreichische Gesetzgeber hat nicht „nachgezogen“, wie<br />
er es in der Vergangenheit schon oft getan hat. Bis heute gibt es<br />
keine kartellrechtlichen Schadenersatzbestimmungen, die mit den<br />
deutschen Bestimmungen vergleichbar wären. Dennoch sind auch<br />
bereits Schadenersatzklagen wegen des Aufzugs- und Fahrtreppenkartells<br />
anhängig. Die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Hürden<br />
sind dabei besonders hoch. Auch ohne genaue Kenntnis des<br />
gesamten Sachverhalts, mussten bisher die Erfolgsaussichten dieser<br />
Klagen äußerst skeptisch beurteilt werden.<br />
Diese Aussichten haben sich meiner Meinung nach durch eine<br />
neue Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH)<br />
deutlich verbessert. Der BGH hat Ende Juni entschieden (BGH<br />
28.6.2011, KZR 75/10 – Papierfabrik August Koehler AG), dass<br />
Schadenersatz bereits nach allgemeinem Schadenersatzrecht zusteht<br />
und kartellrechtliche Sonderregelungen nicht unbedingt notwendig<br />
sind. Da sich das allgemeine Schadenersatzrecht in Österreich<br />
und in Deutschland im Wesentlichen gleichen, wird sich der<br />
Oberste Gerichtshof (OGH) sicher auch mit den Argumenten des<br />
BGH auseinandersetzen. Selbstverständlich ist er nicht verpflichtet,<br />
dem BGH zu folgen. Die österreichschen Kläger haben aber mit<br />
der neuen Entscheidung sicher einen ganz besonderen Trumpf in<br />
der Tasche. <br />
johannes.gruber@kwr.at