Saurier in der Dauerausstellung - Naturmuseum St.Gallen
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5. Flugsaurier, die fliegenden Reptilien<br />
75 Millionen Jahre vor dem ersten Vogel und mehr als 150 Millionen Jahre vor den Fle<strong>der</strong>mäusen und<br />
Flughunden wurde <strong>der</strong> Luftraum bereits von e<strong>in</strong>er früheren Wirbeltiergruppe erobert: Von den Flugsauriern,<br />
Zeitgenossen und Verwandte <strong>der</strong> D<strong>in</strong>osaurier.<br />
5.1. Körperbau und Physiologie<br />
Das auffälligste Merkmal <strong>der</strong> Flugsaurier s<strong>in</strong>d ihre Vor<strong>der</strong>be<strong>in</strong>e: Sie waren zu „Flügeln“ umgestaltet. Der<br />
vierte F<strong>in</strong>ger war stark verlängert, um die Flughaut aufzuspannen. Die drei ersten F<strong>in</strong>ger hatten bewegliche<br />
Krallen ausserhalb <strong>der</strong> Flughaut – <strong>der</strong> fünfte F<strong>in</strong>ger fehlte. Die Flügelknochen waren hohl und sehr<br />
dünnwandig. Sie enthielten luftgefüllte Bereiche, um Gewicht zu sparen. Knochenbälkchen im Innern<br />
verstärkten die grösseren Röhrenknochen.<br />
Fliegen braucht viel Energie. Dies setzt e<strong>in</strong>en leistungsfähigen <strong>St</strong>offwechsel bei hoher Körpertemperatur<br />
voraus. So ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass bei gewissen Flugsauriern Reste e<strong>in</strong>es Haarkleides gefunden<br />
wurden. Gut isoliert, verloren sie weniger Wärme.<br />
5.2. Entwicklungsgeschichte<br />
Die ältesten bekannten Flugsaurier s<strong>in</strong>d mehr als 200 Millionen Jahre alt und wurden <strong>in</strong> Norditalien,<br />
Süddeutschland, Österreich und kürzlich auch im Kanton Graubünden gefunden. Es waren bereits hoch<br />
entwickelte Flugtiere. Mit ihren 50 – 150 cm Flügelspannweite gehörten sie aber zu den kle<strong>in</strong>eren Formen.<br />
Diese ursprünglichen Arten, von denen e<strong>in</strong>e lebensgrosse, dunkelblaue Silhouette an <strong>der</strong> Ausstellungswand<br />
hängt, besassen noch e<strong>in</strong>en langen, echsenartigen Schwanz, an dessen Ende sich e<strong>in</strong>e blattförmige Fläche<br />
aufspannte. Vermutlich diente diese zur <strong>St</strong>abilisierung des Fluges. Spätere Formen reduzierten den Schwanz<br />
und verfügten entsprechend über e<strong>in</strong>e höher entwickelte Flugsteuerung.<br />
Flugsaurier waren im Erdmittelalter e<strong>in</strong>e recht erfolgreiche Tiergruppe. Sie s<strong>in</strong>d uns als Verste<strong>in</strong>erungen<br />
von praktisch allen Erdteilen bekannt. Viele Flugsaurier lebten an <strong>der</strong> Küste o<strong>der</strong> <strong>in</strong> küstennahen Bereichen<br />
und ernährten sich von Fischen und schwarmlebenden Wirbellosen (Kalmare, Garnelen). Auch Formen mit<br />
kurzen, zahnlosen Kiefern s<strong>in</strong>d gefunden worden. Wissenschafter nehmen an, dass sich diese von Früchten<br />
und Samen ernährt haben.<br />
Kurz vor ihrem Aussterben vor rund 65 Millionen Jahren entwickelten e<strong>in</strong>zelne Flugsaurier gigantische<br />
Ausmasse. Die an <strong>der</strong> Wand hängende hellblaue Flugbildsilhouette zeigt e<strong>in</strong>en Teil e<strong>in</strong>es dieser Riesen <strong>in</strong><br />
Lebensgrösse. Se<strong>in</strong>e Spannweite wird aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Knochenfunde auf 11–12 Meter geschätzt,<br />
vergleichbar mit <strong>der</strong>jenigen e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Sportflugzeugs. Obwohl er wohl meist wie e<strong>in</strong> Segelflugzeug<br />
durch die Luft glitt, war er sicher auch fähig, kurzzeitig mit se<strong>in</strong>en Flügeln zu schlagen. Dieser riesige<br />
Flugsaurier trägt den Namen des Aztekengottes Quetzalcoatl (= gefie<strong>der</strong>te Schlange) und heisst<br />
wissenschaftlich Quetzalcoatlus northropi.<br />
5.3. Schnäbel als Erkennungsmerkmal<br />
Beim Körperbau können zwei Grundtypen von Flugsauriern unterschieden werden: e<strong>in</strong>e mit und e<strong>in</strong>e ohne<br />
verlängertem Schwanz. Der Kopf h<strong>in</strong>gegen zeigt e<strong>in</strong>e grosse Formenvielfalt. Ober- und Unterkiefer bilden<br />
bei vielen Arten e<strong>in</strong>en eigentlichen Schnabel, <strong>der</strong> Rückschlüsse auf die aufgenommene Nahrung zulässt. Oft<br />
trugen die Flugsaurier auch abenteuerliche Kämme. Diese könnten aus harten Knochen o<strong>der</strong> aus weichem<br />
Gewebe bestanden haben. Es ist nicht bekannt, ob die Kämme nur bei Männchen o<strong>der</strong> Weibchen o<strong>der</strong> sogar<br />
bei beiden Geschlechtern ausgebildet waren. Da die Form, Grösse und vielleicht auch die Farbe <strong>der</strong> Kämme<br />
von Art zu Art verschieden waren, dienten sie vielleicht dem Erkennen von Artgenossen. Sie könnten auch<br />
bei <strong>der</strong> Balz o<strong>der</strong> zur <strong>St</strong>abilisierung beim Fliegen e<strong>in</strong>gesetzt worden se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>drückliches Bild liefern die Flugsaurier aus <strong>der</strong> Santana-Formation Brasiliens. In diesen<br />
etwa 110 Millionen Jahren alten Meeresablagerungen wurde e<strong>in</strong>e Vielzahl unterschiedlichster Flugsaurier<br />
gefunden. Drei davon s<strong>in</strong>d im Museum als Schädelrekonstruktion zu sehen.<br />
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