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Lieber Bernd, ich wende mich heute erneut mit einem Brief an dich ...

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<strong>Lieber</strong> <strong>Bernd</strong>,<br />

<strong>ich</strong> <strong>wende</strong> m<strong>ich</strong> <strong>heute</strong> <strong>erneut</strong> <strong>mit</strong> <strong>einem</strong> <strong>Brief</strong> <strong>an</strong> d<strong>ich</strong> – nur wenige Tage nach<br />

m<strong>einem</strong> letzten Schreiben. Aber wir leben in sehr bewegten Zeiten und mir ist<br />

es w<strong>ich</strong>tig, dass die Partei über jede neue Entwicklung und die<br />

entsprechenden Folgen umgehend in Kenntnis gesetzt wird.<br />

In den Gremien der Partei aber auch bei den Regionalversammlungen am<br />

letzten Wochenende haben wir gemeinsam <strong>mit</strong>ein<strong>an</strong>der verabredet, dass wir<br />

derzeit keine Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen <strong>an</strong>streben. Dafür<br />

gab es gute Gründe. Ich habe sie in m<strong>einem</strong> Schreiben vom verg<strong>an</strong>genen<br />

Dienstag erläutert.<br />

In der Zwischenzeit hat s<strong>ich</strong> die politische Situation aber grundlegend<br />

verändert. In <strong>einem</strong> <strong>heute</strong> erschienenen Beitrag in der „Westdeutschen<br />

Allgemeinen Zeitung“ hat der Vorsitzende der FDP in Nordrhein-Westfalen,<br />

Andreas Pinkwart, die schwarz-gelbe Regierung in NRW für beendet erklärt.<br />

Mit Ablauf der Legislaturperiode sei die Verpfl<strong>ich</strong>tung zum Konsens zwischen<br />

CDU und FDP hinfällig. Die FDP, so Pinkwart weiter, wolle im L<strong>an</strong>dtag auf<br />

eigene Rechnung für Mehrheitsentscheidungen werben. Diese Aussagen<br />

kamen für m<strong>ich</strong> völlig überraschend.<br />

Die bemerkenswerten Sätze von Herrn Pinkwart machen deutl<strong>ich</strong>: In NRW gibt<br />

es keine geschäftsführende L<strong>an</strong>desregierung mehr, die gemeinsame Ziele<br />

verfolgt. Es gibt nur noch geschäftsführende Ministerinnen und Minister sowie<br />

einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten, denen jede gestalterische Kraft<br />

abh<strong>an</strong>den gekommen ist. Jürgen Rüttgers k<strong>an</strong>n s<strong>ich</strong> nach den Aussagen von<br />

Herrn Pinkwart nur noch auf die 67 Stimmen der CDU-Fraktion im L<strong>an</strong>dtag<br />

stützen. Eine h<strong>an</strong>dlungsfähige Regierung gibt es da<strong>mit</strong> in Nordrhein-Westfalen<br />

n<strong>ich</strong>t mehr.<br />

Diese Auflösungserscheinungen bei Schwarz-Gelb verl<strong>an</strong>gen ein schnelles<br />

und konsequentes H<strong>an</strong>deln. NRW braucht jetzt eine stabilere Regierung, als<br />

sie Jürgen Rüttgers noch bieten k<strong>an</strong>n. Deshalb ist es nunmehr notwendig,<br />

eine Minderheitsregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu bilden, um<br />

den von den Wählerinnen und Wählern gewollten Politikwechsel in NRW<br />

herbeizuführen. Rot-Grün hat im L<strong>an</strong>dtag zehn Stimmen mehr als Schwarz-<br />

Gelb. Wir wissen: Es fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit. Allerdings<br />

brauchen wir für die meisten Entscheidungen nur eine einfache Mehrheit. Das<br />

bedeutet, wenn n<strong>ich</strong>t CDU, FDP und Linke geschlossen gegen Rot-Grün<br />

stimmen, können wir unsere gemeinsamen Vorhaben durchsetzen. Wir sagen<br />

selbstbewusst, dass wir <strong>mit</strong> unseren guten Inhalten Mehrheiten im Parlament<br />

finden werden. Wir laden ausdrückl<strong>ich</strong> alle im L<strong>an</strong>dtag vertretenen Parteien<br />

ein, <strong>mit</strong>zuwirken und eine gute Entwicklung für NRW n<strong>ich</strong>t zu blockieren.<br />

Der nun erfolgte Schritt ist auch deshalb notwendig geworden, weil s<strong>ich</strong> die<br />

CDU seit dem Ende der gemeinsamen Sondierungsgespräche in keinster<br />

Weise bewegt hat. Vielmehr ist das Klima durch Lügen und gezielte


Indiskretionen (etwa in <strong>einem</strong> Artikel im Spiegel in dieser Woche) zusätzl<strong>ich</strong><br />

belastet worden. Das hat uns einmal mehr gezeigt: Eine neue politische Kultur<br />

ist <strong>mit</strong> dieser CDU n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong>. Auch die heutige Aussage des<br />

geschäftsführenden Ministerpräsidenten im ZDF („Ich k<strong>an</strong>n n<strong>ich</strong>t<br />

zurücktreten“) zeigt die Notwendigkeit zu H<strong>an</strong>deln, um Schaden von NRW<br />

abzu<strong>wende</strong>n.<br />

Ich habe daher am heutigen Mittag dem L<strong>an</strong>desvorst<strong>an</strong>d in einer<br />

Schaltkonferenz vorgeschlagen, <strong>mit</strong> Bündnis 90/Die Grünen unverzügl<strong>ich</strong> in<br />

Verh<strong>an</strong>dlungen über die Bildung einer Minderheitsregierung einzutreten. Der<br />

L<strong>an</strong>desvorst<strong>an</strong>d hat diesem Vorschlag einstimmig zugestimmt.<br />

Klar ist: Wir alle werden in den kommenden Tagen viele Nachfragen zu der<br />

neu entst<strong>an</strong>den Situation erhalten und die Situation wird n<strong>ich</strong>t einfach werden.<br />

Aber wir müssen deutl<strong>ich</strong> machen, dass Rot-Grün unser L<strong>an</strong>d so stabil wie<br />

mögl<strong>ich</strong> regieren will – jedenfalls stabiler, als es der CDU jetzt mögl<strong>ich</strong> ist. Wir<br />

wollen ein gutes Fundament für die Zukunft unseres L<strong>an</strong>des err<strong>ich</strong>ten.<br />

Mir ist w<strong>ich</strong>tig, dass wir in der jetzigen Situation – wie den verg<strong>an</strong>genen<br />

Monaten auch – zusammen bleiben und alles dafür tun, da<strong>mit</strong> der Start von<br />

Rot-Grün auch gut gelingt. Wir werden am Wochenende den Parteirat noch<br />

einmal umfassend über die Lage unterr<strong>ich</strong>ten.<br />

<strong>Lieber</strong> <strong>Bernd</strong>,<br />

wir brauchen nun deine Unterstützung vor Ort, da<strong>mit</strong> den Menschen klar wird:<br />

Die SPD in Nordrhein-Westfalen musste in der jetzt neu entst<strong>an</strong>denen<br />

Situation h<strong>an</strong>deln. Und sie hat geh<strong>an</strong>delt. Im Interesse der Bürgerinnen und<br />

Bürger unseres L<strong>an</strong>des.<br />

Deine<br />

H<strong>an</strong>nelore Kraft

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