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Das Swiss Experiment und die Zukunft der Vorhersage von alpinen ...

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Forum für Wissen 2007: 39–45<br />

39<br />

<strong>Das</strong> <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>der</strong> <strong>Vorhersage</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>alpinen</strong> Naturgefahren<br />

Michael Lehning 1 , Mathias Bavay 1 , Henning Löwe 1 , Marc Parlange 2 <strong>und</strong> Karl Aberer 3<br />

1<br />

WSL Eidgenössisches Institut für Schnee- <strong>und</strong> Lawinenforschung SLF, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf<br />

2<br />

Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne, GR A0 392 (Bâtiment GR), Station 2, CH-1015 Lausanne<br />

3<br />

Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne, BC 108 (Bâtiment BC), Station 14, CH-1015 Lausanne<br />

lehning@slf.ch, bavay@slf.ch, loewe@slf.ch, marc.parlange@epfl.ch, karl.aberer@epfl.ch<br />

Zur Zeit gibt es keine allgemeinen orts- <strong>und</strong> zeitgenauen <strong>Vorhersage</strong>n <strong>von</strong> kleinräumigen<br />

Naturgefahren wie lokalen Überschwemmungen, Murgängen, Hang -<br />

rutschungen o<strong>der</strong> Lawinen. Während <strong>die</strong> Nützlichkeit solcher <strong>Vorhersage</strong>n zunehmend<br />

erkannt wird, fehlen bisher <strong>die</strong> wissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Gr<strong>und</strong>lagen,<br />

um ausreichend genaue <strong>Vorhersage</strong>n zu erstellen. Die WSL arbeitet<br />

intensiv zusammen mit dem gesamten ETH-Bereich daran, <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lagen für<br />

eine zukünftige Warnung vor Naturgefahren insbeson<strong>der</strong>e im Alpenraum zu<br />

schaffen. Ein Baustein ist das «<strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong>» (<strong>Swiss</strong>Ex), das als Projekt des<br />

Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Umwelt (CCES) im ETH-Bereich<br />

neue experimentelle Technologien auch für <strong>die</strong> Warnung vor Naturgefahren erforscht<br />

<strong>und</strong> entwickelt.<br />

1 Einleitung <strong>und</strong> Ziel<br />

Weltweiter Wandel ist in aller M<strong>und</strong>e.<br />

Dabei wird auch immer wie<strong>der</strong> auf<br />

eine zunehmende Bedrohung durch<br />

Naturgefahren hingewiesen. Sicher ist,<br />

dass eine sich än<strong>der</strong>nde Umwelt auch<br />

<strong>die</strong> Eigenschaften <strong>und</strong> eventuell sogar<br />

das Ausmass <strong>von</strong> Naturgefahren beeinflusst<br />

<strong>und</strong> eine Anpassung im Umgang<br />

mit <strong>die</strong>sen Gefahren erfor<strong>der</strong>lich<br />

macht. Die Anpassung ist mit flexiblen<br />

Methoden des Risikomanagements am<br />

besten zu erreichen. Temporäre Massnahmen<br />

wie unmittelbarer Objektschutz,<br />

Warnungen <strong>und</strong> Evakuierungen<br />

müssen jedoch rechtzeitig eingeleitet<br />

werden <strong>und</strong> angemessen sein. Deshalb<br />

ist eine verlässliche <strong>Vorhersage</strong> des zu<br />

erwartenden Ausmasses des Schadenereignisses<br />

<strong>von</strong> immenser Bedeutung.<br />

Auch <strong>die</strong> Unterstützung <strong>und</strong> rechtliche<br />

Absicherung <strong>der</strong> Entscheidungsträger<br />

sind wichtige Aspekte bei temporären<br />

Massnahmen <strong>und</strong> zeigen den Wert einer<br />

guten Prognose auf. Die Entwicklung<br />

<strong>von</strong> <strong>Vorhersage</strong>- <strong>und</strong> Warnsystemen<br />

bei kleinräumigen Naturgefahren<br />

im Alpenraum ist daher ein Schwerpunkt<br />

<strong>der</strong> Arbeit an <strong>der</strong> WSL. Im vorliegenden<br />

Artikel wird <strong>die</strong> Idee eines<br />

<strong>Vorhersage</strong>systems<br />

für<br />

Naturgefahren entwickelt, <strong>die</strong> durch<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsereignisse ausgelöst wer-<br />

den. Solche Naturereignisse sind lokale<br />

Überschwemmungen <strong>und</strong> Übersarungen<br />

in einzelnen Tälern, Hangrutsche,<br />

Murgänge, Steinschläge (sofern sie<br />

durch Regen ausgelöst werden) <strong>und</strong><br />

Lawinen. Durch eine Kombination aus<br />

Modellierung <strong>und</strong> neuen Messkonzepten<br />

soll eine echte Prognose möglich<br />

werden, <strong>die</strong> praxistauglich ist. Die Prognose<br />

wird nur für einen eng begrenzten<br />

Zeitraum (St<strong>und</strong>en) gut genug sein,<br />

um als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage für<br />

Praktiker zu <strong>die</strong>nen. Deshalb ist eine<br />

Szenarienbildung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vorbereitung<br />

<strong>von</strong> Massnahmen in enger Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> laufenden Prognosetätigkeit<br />

<strong>von</strong> grosser Bedeutung. In <strong>die</strong>sem<br />

Artikel wird nach <strong>der</strong> Vorstellung<br />

des Stands <strong>der</strong> Technik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Problematik<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>Swiss</strong>Ex diskutiert,<br />

das einen ersten Meilenstein bei <strong>der</strong><br />

Verwirklichung besserer <strong>Vorhersage</strong>n<br />

darstellt.<br />

2 Stand des Wissens <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Technik <strong>und</strong> Problematik<br />

bei kleinräumigen<br />

<strong>Vorhersage</strong>n<br />

2.1 Meteorologische <strong>Vorhersage</strong>n<br />

Modellbasierte <strong>Vorhersage</strong>n sind in<br />

<strong>der</strong> Meteorologie Stand <strong>der</strong> Technik<br />

(ROTACH 2007) <strong>und</strong> bei Fachleuten <strong>und</strong><br />

Bevölkerung gut <strong>und</strong> zunehmend<br />

akzeptiert. Die meteorologische Forschung<br />

verfolgt deshalb drei fast unabhängige<br />

Ziele. <strong>Das</strong> erste Ziel ist <strong>die</strong> Erweiterung<br />

des Prognosezeitraums, d.h.<br />

für eine möglichst lange Zeit in <strong>die</strong> <strong>Zukunft</strong><br />

nützliche <strong>Vorhersage</strong>n anzubieten.<br />

Dabei unterscheiden wir noch zwischen<br />

<strong>der</strong> <strong>Vorhersage</strong> <strong>der</strong> aktuellen<br />

Situation <strong>und</strong> <strong>der</strong> saisonalen <strong>Vorhersage</strong>,<br />

bei <strong>der</strong> es darum geht, abzuschätzen,<br />

ob uns ein nasses Frühjahr, ein<br />

heisser Sommer, stürmischer Herbst<br />

o<strong>der</strong> schneereicher Winter bevorsteht.<br />

Bei <strong>die</strong>ser Art <strong>von</strong> <strong>Vorhersage</strong> steht<br />

<strong>die</strong> genaue Abfolge <strong>von</strong> Wetterereignissen<br />

nicht im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

es werden Prognosen über das «mittlere»<br />

Wetter über einen längeren Zeitraum<br />

gemacht. Als zweites Ziel <strong>der</strong><br />

meteorologischen Forschung ist <strong>die</strong><br />

Einschätzung <strong>der</strong> Prognose-Genauigkeit<br />

zu nennen. Eine Quantifizierung<br />

<strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit, mit <strong>der</strong> eine<br />

Prognose eintreffen wird, ist <strong>von</strong> grosser<br />

praktischer Bedeutung. Mit den<br />

Ensemblevorhersagen wurden in den<br />

letzten Jahren auf <strong>die</strong>sem Gebiet grosse<br />

Fortschritte erzielt (ROTACH 2007).<br />

<strong>Das</strong> für unsere Arbeit wichtigste Ziel<br />

ist allerdings <strong>die</strong> Verbesserung <strong>der</strong><br />

räumlichen Auflösung. Für eine <strong>Vorhersage</strong><br />

<strong>von</strong> lokalen Ereignissen sind<br />

Gitterpunktsauflösungen in <strong>der</strong> Grössenordnung<br />

<strong>von</strong> Zehnern <strong>von</strong> Metern<br />

nötig. Da sich <strong>die</strong> operationellen <strong>Vorhersage</strong>n<br />

immer noch im Bereich <strong>von</strong><br />

einigen Kilometern Gitterpunktsauflösung<br />

bewegen, sind noch grosse Fortschritte<br />

nötig, um solch hohe Auflösungen<br />

zu erreichen. Dabei sind <strong>die</strong> Hürden<br />

grösser als es vielleicht scheint.<br />

Zum einen steigt bei zunehmen<strong>der</strong><br />

Auflösung <strong>der</strong> Rechenaufwand gewaltig<br />

an, weil nicht nur <strong>die</strong> Anzahl <strong>der</strong><br />

Gitterpunkte (<strong>und</strong> damit <strong>die</strong> benötigte<br />

Rechenzeit) im dreidimensionalen


40 Forum für Wissen 2007<br />

Raum mit <strong>der</strong> dritten Potenz ansteigt,<br />

son<strong>der</strong>n dazu auch noch ein exponentieller<br />

Anstieg <strong>der</strong> nötigen Zeitschritte<br />

einhergeht. Zum an<strong>der</strong>en ist es neben<br />

<strong>die</strong>sen reinen Rechenproblemen auch<br />

noch nötig, <strong>die</strong> Prozesse auf <strong>die</strong>ser feinen<br />

Skala besser abzubilden. Dadurch<br />

nimmt <strong>die</strong> Komplexität <strong>der</strong> Modelle<br />

sehr schnell zu. Weitere Schwierigkeiten<br />

treten auf, weil teilweise <strong>die</strong> Prozesse<br />

noch nicht gut genug verstanden<br />

sind. Ein typisches Beispiel ist <strong>der</strong> Austausch<br />

<strong>von</strong> Wasserdampf zwischen<br />

Boden <strong>und</strong> Atmosphäre. Dieser Austausch<br />

ist sehr <strong>von</strong> Bodenfeuchte,<br />

Vegetation <strong>und</strong> Schneebedeckung abhängig.<br />

Diese drei Parameter können<br />

im Mittel bei einer grobauflösenden<br />

Betrachtung auch grob parametrisiert<br />

werden, erfor<strong>der</strong>n aber eine sehr<br />

detaillierte Beschreibung, wenn das<br />

Modellergebnis auch in einer hohen<br />

Auflösung erhalten werden soll. <strong>Das</strong><br />

Gleiche gilt für <strong>die</strong> Prozesse <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagsbildung<br />

in den Wolken.<br />

Kompliziert wird <strong>die</strong> Angelegenheit<br />

schliesslich noch dadurch, dass auch<br />

<strong>die</strong> Numerik <strong>der</strong> existierenden Modelle<br />

nicht geeignet ist, <strong>die</strong> Prozesse z. B.<br />

in steilem Gelände mit einer hohen<br />

Auflösung richtig abzubilden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

darf bei den üblichen, geländefolgenden<br />

Koordinaten das Geländemodell<br />

keine Hänge steiler als ca.<br />

40 ° aufweisen, weil sonst <strong>die</strong> Windberechnung<br />

instabil wird. Im Alpenraum<br />

kommen ab einer Gitterpunktsauflösung<br />

<strong>von</strong> etwa 100 m bereits häufig<br />

steilere Hänge vor.<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle kommt jetzt als Teil<br />

<strong>der</strong> angestrebten Verfeinerung <strong>der</strong><br />

Auflösung eine weitere Technik ins<br />

Spiel: Die Modellvorhersagen können<br />

verbessert werden, indem <strong>die</strong> Berechnung<br />

nicht nur für den <strong>Vorhersage</strong>zeitraum<br />

durchgeführt wird, son<strong>der</strong>n in einer<br />

Initialisierungs- <strong>und</strong> Nachrechenphase<br />

möglichst viele Messdaten<br />

«assimiliert» werden. <strong>Das</strong> Modell wird<br />

dadurch gezwungen, <strong>die</strong> Wirklichkeit,<br />

wie sie durch <strong>die</strong> Messdaten repräsentiert<br />

wird, möglichst gut nachzubilden,<br />

bevor dann mit den Randbedingungen<br />

eines grösserskaligen Modells <strong>die</strong> eigentliche<br />

Prognose berechnet wird.<br />

Diese Assimilation ist ein weiteres intensives<br />

Forschungsfeld <strong>und</strong> wird sehr<br />

hoch aufgelöste Simulationen mit einer<br />

hohen Qualität ermöglichen. Die gängige<br />

Methode, um Rand- <strong>und</strong> Anfangsbedingungen<br />

für lokale <strong>und</strong> hochaufgelöste<br />

Simulationen zu schaffen, ist,<br />

ausgehend <strong>von</strong> einem Modell für <strong>die</strong><br />

ganze Erdkugel, schrittweise auf feinere<br />

Auflösungen <strong>und</strong> kleinere Gebiete<br />

zu gehen. Die Messungen, <strong>die</strong> in das<br />

Modell einfliessen, haben somit zwei<br />

Funktionen: Zum einen können sie<br />

mögliche Fehler in <strong>der</strong> grobskaligen<br />

Modellkette korrigieren <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en<br />

können sie <strong>die</strong> feinskalige Struktur<br />

liefern, <strong>die</strong> in <strong>der</strong> gröberen Auflösung<br />

nicht enthalten ist.<br />

2.2 <strong>Vorhersage</strong>n <strong>der</strong> Ereignisse <strong>und</strong><br />

Warnung<br />

Die <strong>Vorhersage</strong> <strong>von</strong> Hochwasserereignissen<br />

ist ein Kerngeschäft <strong>der</strong> Hydrologie<br />

<strong>und</strong> wird operationell in vielen<br />

Län<strong>der</strong>n für <strong>die</strong> grossen Flussläufe betrieben.<br />

Es existieren aber keine operationellen<br />

<strong>Vorhersage</strong>n für <strong>die</strong> Flussoberläufe,<br />

also für <strong>die</strong> kleinen Einzugsgebiete<br />

in den Alpen o<strong>der</strong> Voralpen.<br />

Eine nennenswerte Ausnahme ist das<br />

Pilotprojekt mit dem PREVAH <strong>Vorhersage</strong>system<br />

im Glarnerland, das<br />

auch in <strong>die</strong>sem Beitrag diskutiert wird<br />

(ZAPPA <strong>und</strong> VOGT 2007; ZAPPA et al.<br />

2006). Keine <strong>Vorhersage</strong>n existieren<br />

für Murgänge, Hangrutschungen o<strong>der</strong><br />

Steinschläge. Für Lawinen wird <strong>die</strong><br />

Gefahrenstufe für den nächsten Tag<br />

prognostiziert (RHYNER 2007), wobei<br />

bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Schneedecke eine<br />

erste Unterstützung durch ein operationelles<br />

Modell stattfindet (LEHNING<br />

et al. 1999), das allerdings noch nicht<br />

eine eigentliche Prognose, basierend<br />

auf <strong>der</strong> Wettermodellprognose, berechnet.<br />

Ein entscheiden<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> für fehlende<br />

Modelle ist, dass <strong>die</strong> Auslösungsprozesse<br />

für alle spontanen Massenbewegungen,<br />

<strong>die</strong> durch Nie<strong>der</strong>schlag<br />

ausgelöst werden, noch nicht verstanden<br />

sind (STÄHLI <strong>und</strong> BARTELT 2007).<br />

Somit ist <strong>der</strong> Weg zu modellbasierten<br />

deterministischen <strong>Vorhersage</strong>n noch<br />

weit. Es werden grosse Anstrengungen<br />

unternommen, um <strong>die</strong>se Situation zu<br />

verbessern. So gibt es im Rahmen des<br />

Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Umwelt (CCES) insgesamt<br />

drei Grossprojekte, <strong>die</strong> das Prozesswissen<br />

verbessern wollen, um so den<br />

Gr<strong>und</strong>stein für eine <strong>Vorhersage</strong> zu liefern.<br />

<strong>Das</strong> Projekt TRAMM behandelt<br />

<strong>die</strong> Auslösung <strong>von</strong> Hanginstabilitäten<br />

<strong>und</strong> Murgängen (TRAMM: http://<br />

www.cces.ethz.ch/projects/tramm).<br />

APUNCH betrachtet <strong>die</strong> ganze Kette<br />

vom Nie<strong>der</strong>schlag hin zu Überschwemmungen,<br />

Sedimenttransport <strong>und</strong><br />

Dammbrüchen. COGEAR erforscht<br />

<strong>die</strong> Vorläuferzeichen <strong>von</strong> Erdbeben.<br />

Auch wenn noch keine eigentliche<br />

<strong>Vorhersage</strong>n existieren, werden bereits<br />

(zu) häufig Warnungen herausgegeben<br />

(HEGG 2007). Wie in <strong>der</strong> Lawinenwarnung<br />

praktiziert, kann eine Einschätzung<br />

<strong>der</strong> Gefahr durch einen Experten<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> aktuellen Situation<br />

zusammen mit <strong>der</strong> Wettervorhersage<br />

erfolgen (RHYNER 2007). Es hat sich<br />

gezeigt, dass ein gutes Informationssystem<br />

(BRÜNDL et al. 2004), das solche<br />

Warnungen zusammen mit den aktuellen<br />

Messdaten <strong>und</strong> den bereits getroffenen<br />

Massnahmen zugänglich macht,<br />

in <strong>der</strong> Bewältigung <strong>von</strong> aussergewöhnlichen<br />

Ereignissen <strong>von</strong> grosser Hilfe<br />

sein kann <strong>und</strong> zwar unabhängig da<strong>von</strong>,<br />

ob eine deterministische Prognose des<br />

Ereignisses vorliegt (ZAPPA et al. 2006)<br />

o<strong>der</strong> nicht (ROMANG et al. 2007).<br />

2.3 Sensortechnik,<br />

Datenverarbeitung <strong>und</strong><br />

Datenverwertung<br />

Bei vielen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

ist es nötig, meteorologische<br />

Messungen durchzuführen. Beispiele<br />

sind in <strong>der</strong> Hydrologie, Glaziologie,<br />

Ökologie <strong>und</strong> natürlich Meteorologie<br />

<strong>und</strong> Klimatologie zu finden. Oft wird –<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei Installationen in den<br />

Bergen – dabei bestehendes Fachwissen<br />

über geeignete Messgeräte <strong>und</strong><br />

Mechanik zu wenig genutzt. Dazu<br />

kommt, dass oft <strong>die</strong> Daten nach dem<br />

Projekt de facto verloren gehen, weil<br />

<strong>die</strong> Information über <strong>die</strong> Art des <strong>Experiment</strong>s<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Art <strong>der</strong> Messung nicht<br />

mehr verfügbar sind. So müssen viele<br />

<strong>Experiment</strong>e unnötig dupliziert werden.<br />

Gleichzeitig sind <strong>die</strong> Fortschritte in<br />

Sensortechnik <strong>und</strong> Datenverarbeitung<br />

rasant. Drahtlose Sensornetzwerke<br />

(CULLER et al. 2004) <strong>und</strong> Fortschritte in<br />

<strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> Messsensoren, erlauben<br />

es, Umweltparameter mit sehr viel<br />

grösserer räumlicher <strong>und</strong> zeitlicher<br />

Auflösung zu messen. Dabei machen<br />

auch <strong>die</strong> Fernerk<strong>und</strong>ungsmethoden<br />

Fortschritte, so dass auch <strong>von</strong> <strong>die</strong>ser


Forum für Wissen 2007<br />

41<br />

Seite her eine erhebliche Steigerung<br />

<strong>der</strong> Messdichte erreicht werden kann.<br />

Beispiele sind neuartige, polarisierende<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsradar (KRAJEWSKI<br />

<strong>und</strong> SMITH 2002) o<strong>der</strong> LIDAR, mit<br />

denen hochaufgelöste Temperatur- <strong>und</strong><br />

Feuchtefel<strong>der</strong> gemessen werden können.<br />

Für <strong>die</strong> hier beschriebene <strong>Vorhersage</strong><br />

nie<strong>der</strong>schlagsbedingter Naturgefahren<br />

ist natürlich <strong>die</strong> Messung <strong>von</strong><br />

Regen beson<strong>der</strong>s bedeutsam. Regenmesser<br />

<strong>und</strong> Disdrometer (SIECK et al.<br />

2007) sind dabei neben dem Radar <strong>die</strong><br />

häufigsten Instrumente. Während<br />

Regenmesser direkt <strong>die</strong> Nie<strong>der</strong>schlagsrate<br />

bestimmen, geben Disdrometer<br />

auch Auskunft über <strong>die</strong> Nie<strong>der</strong>schlagsteilchen,<br />

also z. B. über ihre Grösse<br />

<strong>und</strong> ihren Aggregatszustand (TESTIK<br />

<strong>und</strong> BARROS 2007).<br />

Die zunehmende Menge an Messdaten<br />

stellt neue Anfor<strong>der</strong>ungen an <strong>die</strong><br />

Datenerfassung <strong>und</strong> Datenverarbeitung.<br />

Um einen schnellen Zugriff<br />

(quasi in Echtzeit) auf <strong>die</strong> Daten zu ermöglichen<br />

(z. B. für Datenassimila -<br />

tion), o<strong>der</strong> Warnungen im Zusammenhang<br />

mit zu messenden Ereignissen<br />

auszusprechen (GRAF et al. 2007), ist<br />

<strong>die</strong> auf «Streams» basierende Verarbeitung<br />

<strong>von</strong> Vorteil. Daran wird intensiv<br />

geforscht <strong>und</strong> erste Prototypen stehen<br />

zur Verfügung (GSN: ABERER et<br />

al. 2006; http://gsn.sourceforge.net/;<br />

STREAM: ARASU et al. 2006; http://<br />

infolab.stanford.edu/stream/).<br />

Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung ist<br />

<strong>die</strong> Kenntnis, wie Daten gewonnen<br />

wurden. Diese Kenntnis wird allgemein<br />

unter dem Begriff Metadaten zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> beinhaltet alle Informationen<br />

über Messprotokolle,<br />

Sensoren, Lokalitäten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten,<br />

<strong>die</strong> für den richtigen Gebrauch<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> richtige Interpretation<br />

<strong>der</strong> Daten wichtig sind (SIMMHAN et al.<br />

2005).<br />

Mit Abstand <strong>der</strong> grösste Entwicklungsbedarf<br />

ist bei <strong>der</strong> Datenverwertung<br />

zu orten. Die Menge <strong>und</strong> Heterogenität<br />

<strong>der</strong> Daten macht es erfor<strong>der</strong>lich,<br />

dass <strong>der</strong> Benutzer durch eine<br />

intelligente Infrastruktur unterstützt<br />

wird, <strong>die</strong> ihm den Zugriff auf <strong>die</strong> Daten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Interpretation <strong>der</strong> Daten<br />

erleichtert. Natürlich beinhaltet <strong>die</strong><br />

Datenauswertung auch Visualisierung<br />

<strong>und</strong> GIS, z. B. wird im EU-Projekt OR-<br />

CHESTRA (http://www.eu-orchestra.<br />

org/) eine Infrastruktur für Sensorzugriff,<br />

Benutzerverwaltung <strong>und</strong> Visualisierung<br />

entwickelt. Die Datenverwertung<br />

geht jedoch noch viel weiter. So<br />

werden immer mehr numerische<br />

Modelle automatisch in eine Abfrage<br />

integriert. Als Beispiel steht hierfür das<br />

EU-Projekt AWARE (http://www.<br />

aware-eu.info), welches einen Geoservice<br />

aufbaut, <strong>der</strong> (mit Hilfe <strong>von</strong> Satellitendaten<br />

<strong>und</strong> einfachen hydrologischen<br />

Modellen) <strong>die</strong> im Schnee gespeicherten<br />

Wasserreserven berechnet. Ein<br />

ähnliches System ist am SLF im Einsatz<br />

(RHYNER 2007): Aufbauend auf<br />

den ca. 150 IMIS Schneemessstationen<br />

wird quasi in Echtzeit <strong>die</strong> Schneedecke<br />

mit dem Modell SNOWPACK berechnet.<br />

Dem Lawinenwarn<strong>die</strong>nst werden<br />

<strong>die</strong> berechneten Informationen zu<br />

Neuschnee, Schneeverfrachtung <strong>und</strong><br />

Stabilität zusammen mit den Messdaten<br />

graphisch zur Verfügung gestellt<br />

(LEHNING et al. 1999; LEHNING <strong>und</strong><br />

FIERZ 2007).<br />

3 <strong>Swiss</strong>Ex als ein Schritt zu<br />

einer <strong>Vorhersage</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> (<strong>Swiss</strong>Ex: http://<br />

www.swiss-experiment.ch) hat es sich<br />

zur Aufgabe gemacht, <strong>die</strong> neuesten<br />

Technologien für Forschung <strong>und</strong> Praxis<br />

in <strong>der</strong> Schweiz nutzbar zu machen. Wir<br />

sprechen da<strong>von</strong>, eine Cyber-Infrastruktur<br />

(Abb. 1) aufzubauen, um <strong>die</strong><br />

verschiedensten Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

elektronischen Datenverarbeitung mit<br />

drahtlosen Sensornetzwerken, Datenbanken<br />

<strong>und</strong> Modellen verknüpfen zu<br />

können (Abb. 2). <strong>Das</strong> <strong>die</strong>nt zunächst<br />

<strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> CCES-Grossprojekte.<br />

Ganz explizit ist <strong>die</strong> Warnung<br />

vor <strong>alpinen</strong> Naturgefahren ein Anwendungsbeispiel<br />

im <strong>Swiss</strong>Ex. Die Basis<br />

für das Anwendungsbeispiel bilden<br />

<strong>die</strong> Sensorscope-Stationen (http://<br />

sensorscope.epfl.ch/), mobile Radargeräte<br />

<strong>und</strong> bereits existierende hydrologische<br />

Modelle (LEHNING et al. 2006;<br />

ZAPPA et al. 2006)<br />

Abb. 2. Die drei Ebenen des <strong>Swiss</strong>Ex.<br />

Abb. 1. <strong>Das</strong> <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> als integrative Plattform zur Unterstützung <strong>von</strong> Forschung<br />

<strong>und</strong> Anwendung in <strong>der</strong> Schweiz.


42 Forum für Wissen 2007<br />

3.1 Sensorscope Stationen<br />

Die jüngsten Fortschritte in <strong>der</strong> Sensortechnik<br />

<strong>und</strong> Informationstechno -<br />

logie ermöglichen es, Messsysteme zu<br />

entwickeln, <strong>die</strong> sehr viel kostengünstiger<br />

<strong>und</strong> mobiler sind als konventionelle<br />

Systeme. Ein wichtiger Meilenstein ist<br />

dabei <strong>die</strong> drahtlose Kommunikation<br />

<strong>von</strong> Sensornetzwerken <strong>und</strong> <strong>die</strong> automatische<br />

Positionierung <strong>und</strong> Synchronisierung<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> GPS. Es können<br />

also schnell <strong>und</strong> unkompliziert eine<br />

grosse Anzahl <strong>von</strong> Sensoren im<br />

Gelände verteilt werden, <strong>die</strong> unmittelbar<br />

messbereit sind. Die Übertragung,<br />

Speicherung <strong>und</strong> sofortige Verarbeitung<br />

<strong>der</strong> Daten benötigt <strong>die</strong> entsprechende<br />

IT-Infrastruktur im Hintergr<strong>und</strong><br />

(Abb. 3). Diese beiden Probleme<br />

werden als Schwerpunkt im<br />

<strong>Swiss</strong>Ex angegangen. In Zusammenarbeit<br />

mit den beiden ETH <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

EAWAG, aber auch mit industriellen<br />

Partnern wie Microsoft, werden Sensornetzwerke<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Infrastruktur für<br />

Datenübertragung, Datenverwaltung,<br />

Datenspeicherung, Datenanalyse <strong>und</strong><br />

Datenverwertung entwickelt <strong>und</strong> getestet.<br />

Die zweite Generation (SensorscopeII:<br />

http://sensorscope.epfl.ch/) mobiler<br />

Stationen ist bereits im Einsatz <strong>und</strong><br />

wird an verschiedenen Orten im<br />

Hoch gebirge getestet, zur Zeit im<br />

Dranse-Einzugsgebiet im Wallis. Im<br />

Herbst/Winter 2007 soll damit auch am<br />

Wannengrat oberhalb <strong>von</strong> Davos <strong>die</strong><br />

Nie<strong>der</strong>schlagsverteilung <strong>und</strong> das Strömungsfeld<br />

gemessen werden. Der Vorteil<br />

<strong>die</strong>ser Stationen ist, dass sie unmittelbar<br />

nach dem Aufstellen <strong>die</strong> Daten<br />

an einen Datenserver übermitteln können<br />

(Abb. 3). So sind sie sehr kurzfristig<br />

einsetzbar <strong>und</strong> können helfen,<br />

Lücken im operationellen Regenmessnetz<br />

zu schliessen.<br />

3.2 Modellierung <strong>und</strong><br />

Datenassimilation<br />

Letztendlich ist es das Ziel, <strong>die</strong> meteorologischen<br />

Modelle so zu verbessern<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> räumliche Auflösung so zu verfeinern,<br />

dass auch <strong>die</strong> kleinräumige Variabilität<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagsfel<strong>der</strong> richtig<br />

wie<strong>der</strong>gegeben wird. Mit den Nie<strong>der</strong>schlagsfel<strong>der</strong>n<br />

werden dann <strong>die</strong><br />

Oberflächenprozesse genau genug simuliert,<br />

um Überschwemmungen,<br />

Hangrutsche, Murgänge o<strong>der</strong> Lawinen<br />

deterministisch, d. h. für einen bestimmten<br />

Ort <strong>und</strong> für eine bestimmte<br />

Zeit, vorherzusagen. Obwohl <strong>die</strong>ses<br />

Maximalziel in nächster <strong>Zukunft</strong> nicht<br />

erreichbar ist, müssen wir jetzt <strong>die</strong><br />

ersten Schritte machen. Wie oben diskutiert,<br />

sind wir noch nicht in <strong>der</strong> Lage,<br />

Hangrutsche o<strong>der</strong> Lawinen deterministisch<br />

vorherzusagen, weil <strong>die</strong> Auslöseprozesse<br />

noch nicht gut genug bekannt<br />

sind. Deterministisch vorhersagbar<br />

sind dagegen schon Überschwem -<br />

mungen <strong>und</strong> mit Einschränkungen<br />

Murgänge. Deshalb hat <strong>Swiss</strong>Ex hauptsächlich<br />

<strong>die</strong>se beiden Prozesse im<br />

Blick.<br />

Beide Prozesse sind entscheidend<br />

einerseits durch den momentanen Zustand<br />

des Einzugsgebiets wie Bodenfeuchte,<br />

vorhandener Schutt <strong>und</strong> Geröll<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits durch <strong>die</strong> sehr<br />

kleinräumige (1 km) Verteilung <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>schlagsintensität beeinflusst.<br />

Durch <strong>die</strong> Zeitverzögerung zwischen<br />

<strong>der</strong> Ereignisauslösung (welche u.a. abhängig<br />

ist vom kumulierten Nie<strong>der</strong>schlag<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> maximalen Nie<strong>der</strong>schlagsintensität)<br />

bis hin zum Auf -<br />

treten des Schadenereignisses im<br />

Unterlauf ist es möglich, <strong>die</strong> gemessene<br />

Information in <strong>der</strong> <strong>Vorhersage</strong> <strong>von</strong><br />

Abflussmengen (o<strong>der</strong> eines möglichen<br />

Murgangs) zu berücksichtigen. Dazu<br />

müssen allerdings <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Modelle <strong>die</strong> Daten auch richtig verarbeiten,<br />

d.h. assimilieren können. Alpine3D<br />

(LEHNING et al. 2006), ein Modell<br />

Abb. 3. Schematische Darstellung des <strong>Swiss</strong>Ex Datenmanagement.


Forum für Wissen 2007<br />

43<br />

für alpine Oberflächenprozesse <strong>und</strong><br />

hydrologische Anwendungen, ermöglicht<br />

durch <strong>die</strong> physikalische Repräsentation<br />

vieler Prozesse auch eine sinnvolle<br />

Assimilation <strong>von</strong> Messdaten.<br />

Z. B. kann gemessener Nie<strong>der</strong>schlag<br />

genauso wie Messungen <strong>der</strong> Bodenfeuchte<br />

o<strong>der</strong> Satellitendaten zur<br />

Schneebedeckung direkt assimiliert<br />

werden (Abb. 4). Trotzdem ist noch<br />

Forschung nötig, um herauszufinden,<br />

welche Verbesserungen durch <strong>die</strong> Assimilation<br />

<strong>der</strong> verschiedenen möglichen<br />

Messungen erreicht werden können.<br />

Im Beispiel <strong>von</strong> Abbildung 4 <strong>und</strong> 5<br />

wird durch <strong>die</strong> Assimilation <strong>von</strong><br />

Schneebedeckung nur eine kleine Än<strong>der</strong>ung<br />

im mittleren Abfluss erzielt,<br />

während <strong>der</strong> Maximalabfluss stärker<br />

beeinflusst wird (Abb. 5). Vielversprechend<br />

ist auch <strong>die</strong> Assimilation des gemessenen<br />

Abflusses zum aktuellen<br />

Zeitpunkt. Damit können Fehler in <strong>der</strong><br />

Einschätzung des aktuellen Zustands<br />

des Einzugsgebietes gut korrigiert werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Assimilation <strong>von</strong> Messdaten<br />

in hydrologischen Modellen muss<br />

aber immer darauf geachtet werden,<br />

dass das Modell für <strong>die</strong>se Assimilation<br />

auch vorbereitet ist <strong>und</strong> dann wirklich<br />

auch eine bessere <strong>Vorhersage</strong> liefert.<br />

Viele Modelle, insbeson<strong>der</strong>e wenn sie<br />

stark <strong>von</strong> einer Kalibrierung abhängen,<br />

können sich durch <strong>die</strong> Assimila -<br />

tion <strong>von</strong> Daten auch verschlechtern.<br />

a)<br />

b)<br />

Abb. 4. a) Schneebedeckungskarte<br />

aus MO-<br />

DIS Satellitendaten für<br />

den Raum Davos; b)<br />

Von Alpine3D berechnete<br />

Schneeverteilung.<br />

3.3 <strong>Das</strong> <strong>Swiss</strong>Ex-<br />

Anwendungsbeispiel<br />

Der Plan für das <strong>Swiss</strong>Ex-Anwendungsbeispiel<br />

ist es jetzt, bei <strong>der</strong> Ankündigung<br />

eines Grossnie<strong>der</strong>schlagsereignisses<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> bereits existierenden<br />

meteorologischen Modelle<br />

möglichst genau ein problematisches<br />

Zielgebiet in den Alpen (Talschaft)<br />

festzulegen <strong>und</strong> <strong>die</strong> mobilen Mess -<br />

systeme <strong>und</strong> <strong>die</strong> Modellierung für <strong>die</strong>ses<br />

Zielgebiet optimal einzusetzen, um<br />

zu sehen, ob eine bessere Warnung unter<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> besseren<br />

<strong>Vorhersage</strong> möglich ist. Mit grosser<br />

Wahrscheinlichkeit wird sich das<br />

<strong>Swiss</strong>Ex-Anwendungsbeispiel auf <strong>die</strong><br />

<strong>Vorhersage</strong> <strong>von</strong> Abflussmengen in einer<br />

Alpinen Talschaft konzentrieren.<br />

Möglicherweise werden je nach<br />

Arbeitsfortschritt in den CCES Gr<strong>und</strong>lagenprojekten<br />

auch Murgänge ins<br />

Abb. 5. Berechnete Abflusskurven für je den Lauf mit <strong>und</strong> ohne Assimilation <strong>der</strong> Satellitenschneebedeckung<br />

in Alpine3D.


44 Forum für Wissen 2007<br />

Auge gefasst. Die Verbesserung <strong>der</strong><br />

<strong>Vorhersage</strong> entsteht dadurch, dass<br />

über mobile Radargeräte <strong>und</strong> <strong>die</strong> automatischen<br />

Sensorscope-Stationen eine<br />

viel bessere Erfassung <strong>der</strong> Intensität<br />

<strong>und</strong> räumlichen Verteilung des Nie<strong>der</strong>schlags<br />

möglich ist. Zusammen mit den<br />

zusätzlichen Messungen <strong>der</strong> Bodenfeuchte<br />

o<strong>der</strong> eventuell des Zustands<br />

<strong>der</strong> Schneedecke wird damit sowohl<br />

<strong>der</strong> Ausgangszustand des Einzugsgebietes<br />

als auch das Ereignis besser<br />

quantifiziert <strong>und</strong> führt zu verbesserten<br />

Abflussprogosen. Damit eine zeitgerechte<br />

Einrichtung <strong>der</strong> Messsysteme<br />

<strong>und</strong> des <strong>Vorhersage</strong>modelllaufes unter<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> zu messenden<br />

Daten überhaupt möglich ist, muss<br />

eine automatische Datenerfassung,<br />

-übermittlung <strong>und</strong> -verwertung (Assimilation)<br />

vorbereitet sein. Diese Wertschöpfungskette<br />

ist das Hauptanliegen<br />

des <strong>Swiss</strong>Ex.<br />

4 Schlussfolgerungen <strong>und</strong><br />

Ausblick<br />

Der in <strong>die</strong>sem Artikel beschriebene<br />

Plan für zukünftige <strong>Vorhersage</strong>n <strong>von</strong><br />

Alpinen Naturgefahren ist unvollständig<br />

<strong>und</strong> behandelt nur Teilaspekte. Er<br />

beruht auf zwei Voraussetzungen: a)<br />

dass <strong>die</strong> Entwicklung hin zu besseren<br />

<strong>und</strong> detaillierteren <strong>Vorhersage</strong>n des<br />

Wetters weitergeht <strong>und</strong> sich beschleunigt;<br />

<strong>und</strong> b) dass <strong>die</strong> Forschung rasch<br />

Fortschritte macht im quantitativen<br />

Verständnis <strong>der</strong> Auslösung <strong>von</strong> solchen<br />

Ereignissen. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong><br />

wird aber klargemacht, dass wir bereits<br />

heute in <strong>der</strong> Lage sind, gewisse Dinge<br />

auszuprobieren <strong>und</strong> dabei zu lernen.<br />

Diese Funktion erfüllt das <strong>Swiss</strong>Ex-<br />

Anwendungsbeispiel: Für <strong>die</strong> Abflussvorhersage<br />

im Oberlauf <strong>von</strong> Alpinen<br />

Einzugsgebieten ist es bereits heute<br />

möglich, neue Messeinrichtungen mit<br />

neuen Modellen zu kombinieren <strong>und</strong><br />

so zu einer besseren <strong>Vorhersage</strong> zu gelangen.<br />

Wie gut das funktioniert <strong>und</strong><br />

wie praxistauglich das sein wird, kann<br />

erst <strong>die</strong> Durchführung eines Pilotexperimentes<br />

zeigen. Dies ist innerhalb <strong>der</strong><br />

nächsten vier Jahre geplant. Gleichzeitig<br />

setzen wir uns dafür ein, dass kleinskalige<br />

meteorologische Modelle für<br />

unsere Anliegen entwickelt werden,<br />

um über <strong>die</strong> Assimilation auch <strong>die</strong> lokale<br />

meteorologische <strong>Vorhersage</strong> zu<br />

verbessern. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wurden<br />

inzwischen eine ganze Reihe <strong>von</strong><br />

Forschungsprojekten gestartet, <strong>die</strong><br />

zum Ziel haben, <strong>die</strong> Auslösung <strong>von</strong><br />

weiteren Naturereignissen wie Murgängen,<br />

geschiebeführenden Wildbach-Hochwasser,<br />

Hangrutschen <strong>und</strong><br />

Lawinen so zu verstehen, dass eine deterministische<br />

<strong>Vorhersage</strong> möglich<br />

wird.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Swiss</strong>Ex besteht nicht nur aus<br />

dem oben diskutierten Anwendungsbeispiel,<br />

son<strong>der</strong>n hat weitere wichtige<br />

Vorhaben: Ein Aspekt ist es, eine neue<br />

Gemeinschaft zwischen Forschern, Anwen<strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit zu<br />

schaffen, <strong>die</strong> <strong>von</strong> wechselseitigem Nutzen<br />

ist. Es geht darum, dass einerseits<br />

je<strong>der</strong> Interessierte <strong>die</strong> Möglichkeit hat,<br />

sich an <strong>der</strong> Messung <strong>und</strong> Beobachtung<br />

<strong>von</strong> Umweltparametern zu beteiligen,<br />

indem er z. B. eine Sensorscope-Station<br />

bei sich im Garten aufstellt. Dafür hat<br />

er Zugriff auf <strong>die</strong> Gesamtheit <strong>der</strong><br />

Messdaten <strong>und</strong> Unterstützung durch<br />

einfache Werkzeuge, <strong>die</strong> ihm bei <strong>der</strong><br />

Datenvisualisierung <strong>und</strong> -analyse helfen.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird den<br />

Forschern das Leben vereinfacht, indem<br />

das Sammeln <strong>von</strong> Metadaten, <strong>die</strong><br />

Aufbewahrung <strong>und</strong> Pflege <strong>der</strong> gesammelten<br />

Daten <strong>und</strong> schliesslich <strong>die</strong> Verwertung<br />

<strong>der</strong> Daten durch eine Infrastruktur<br />

unterstützt wird.<br />

Dank<br />

Wir danken allen, <strong>die</strong> geholfen haben,<br />

Ideen zum <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> sich im CCES in den<br />

Gr<strong>und</strong>lagenprojekten engagieren. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

wollen wir Domenico Giardini,<br />

Paolo Burlando <strong>und</strong> Nikolaus<br />

Gotsch erwähnen. Simon Löw <strong>und</strong> Sarah<br />

Springman engagieren sich für <strong>die</strong><br />

Naturgefahreneinheit im CCES <strong>und</strong><br />

Vincent Luyet, Andreas Wombacher,<br />

Guillermo Barrenextea <strong>und</strong> Phillip<br />

Schnei<strong>der</strong> haben schon entscheidende<br />

Beiträge zum <strong>Swiss</strong>Ex geleistet. <strong>Das</strong><br />

<strong>Swiss</strong>Ex wird vom Schweizer Nationalfonds<br />

z.B. über das NCCR MICS <strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> privaten Partnern wie Microsoft<br />

geför<strong>der</strong>t. Ganz beson<strong>der</strong>s wichtig für<br />

den Fortschritt ist <strong>die</strong> andauernde Unterstützung<br />

durch <strong>die</strong> Schweizer Gebirgskantone,<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong>er <strong>die</strong><br />

Schweiz z. B. über ein weltweit einzigartig<br />

dichtes Stationsnetz (IMIS,<br />

ENET, <strong>Swiss</strong>MetNet) verfügt. Dabei<br />

werden Innovationen beson<strong>der</strong>s vom<br />

Wallis (Charly Wuilloud, Dominique<br />

Bérod) <strong>und</strong> Graubünden (Christian<br />

Wilhelm) geför<strong>der</strong>t.<br />

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Abstract<br />

The <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> and future predictions of alpine natural hazards<br />

Increasing environmental problems worldwide and the associated increasing awareness<br />

of global environmental change in our societies clearly show the need to<br />

build a new community of collaboration between the public, environmental scientists<br />

and administration. This should lead to a new and better way to conduct environmental<br />

science and environment-related decision making. An important part<br />

of this is prediction and warning of natural hazards. The lead idea here is that flexible<br />

methods of risk management need to be deployed to deal with potentially<br />

changing and more extreme events. The <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong> (<strong>Swiss</strong>Ex) will be an<br />

important trigger for creating the new community of collaboration and a building<br />

block to construct prediction systems of small scale Alpine natural hazards.<br />

In the <strong>Swiss</strong> <strong>Experiment</strong>, multidisciplinary environmental observations based<br />

on new sensor and data technology will make it possible to achieve an affordable<br />

yet unprecedented spatial and temporal resolution of complex environmental systems.<br />

It is structured along three major axes: data acquisition – the process of<br />

measuring and recording environmental parameters; data management – the means<br />

to safely store that data and channel it to its users; and data exploitation – the<br />

application of models to that data in or<strong>der</strong> to transform it into scientific and practical<br />

results. As a first step, improved local observations will be used to predict local<br />

flooding events.<br />

Keywords: prediction, natural hazard, flood, debris flow, avalanche, alpine terrain,<br />

modelling, sensor networks.

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