Religion und Verletzbarkeit - Seeking Sense
Religion und Verletzbarkeit - Seeking Sense
Religion und Verletzbarkeit - Seeking Sense
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aus: Agnes Wuckelt, Annebelle Pithan, Christoph Beuers (Hg.), "Was mein Sehnen sucht..." –<br />
Spiritualität <strong>und</strong> Alltag, Münster 2009.<br />
44 Bert Roebben<br />
theologische Legitimierung. Erst als Theologe <strong>und</strong> <strong>Religion</strong>spädagoge<br />
mache ich die Verbindung mit der <strong>Religion</strong> bewusst. Eine institutionelle<br />
<strong>Religion</strong> wie das Christentum bietet ein inspirierendes <strong>und</strong> bilderreiches<br />
Konzept von Humanität, wobei der Mensch als Abbild Gottes gesehen<br />
wird (Gottebenbildlichkeit) <strong>und</strong> ihm so dieselbe Ehre <strong>und</strong> Würde zukommt<br />
wie Gott. In dem Film „Le Huitième Jour“ interpretiert Georges<br />
sein eigenes Leben <strong>und</strong> seine Entwicklung auf dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />
Schöpfungshymnus in Genesis 1. Er hat sich die Schöpfung angeeignet:<br />
In der Beschreibung seines Universums gelangt er durch das Aussprechen<br />
der Schöpfungsworte zu Gott.<br />
<strong>Religion</strong>en können einen wichtigen Input liefern für die Entwicklung<br />
einer menschlichen Gesellschaft. Sie bieten eine alternative Vorstellung für<br />
ein manchmal oberflächliches <strong>und</strong> ökonomisch verzerrtes Bild des Menschen<br />
in unserer Zeit, eines Menschen, der auf seine Kaufkraft reduziert<br />
wird <strong>und</strong> seiner Kreativität <strong>und</strong> Schöpfungskraft beraubt wird. Darüber<br />
hinaus sind Menschen empfänglich für <strong>Religion</strong>; ihre rudimentär vorhandenen<br />
Bedürfnisse nach Religiosität <strong>und</strong> ihre innere Sehnsucht nach<br />
einer „spiritual connection“ in unserer entwurzelten <strong>und</strong> seelenlosen Zeit<br />
verlangen nach Antworten. Der niederländische praktische Theologe Tjeu<br />
van Knippenberg spricht in diesem Zusammenhang von Spiritualität als<br />
„bezield verband“, als Beziehungsverb<strong>und</strong> – dem sinnvollen Horizont,<br />
auf dem die Lebensgeschichten von Menschen zu einem größeren Ganzen<br />
miteinander verb<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> die der individuellen Lebensläufe<br />
übersteigt.<br />
Das Christentum als <strong>Religion</strong> gibt auf eine besondere, aber nicht exklusive<br />
Weise diesem größeren Ganzen eine Bedeutung. Die „raison d’être“<br />
der <strong>Religion</strong> liegt genau in diesem Geben <strong>und</strong> Empfangen von Lebenssinn.<br />
In meinen Untersuchungen sind <strong>Religion</strong> als Institution <strong>und</strong> Religiosität<br />
als persönliche Erfahrung miteinander mit der Erkenntnis verb<strong>und</strong>en, dass<br />
der Mensch in dem größeren Ganzen der Transzendenz leben kann (aber<br />
nicht unbedingt muss), in der Hingabe an das, was Menschsein übersteigt.<br />
In der theologischen Sprache bedeutet das: Leben „coram Deo“, das heißt<br />
in der Gegenwart Gottes, ist nur analog zugänglich in einem Leben „coram<br />
homine“, das heißt in der Gegenwart des anderen Menschen.<br />
3.4 <strong>Religion</strong>spädagogik<br />
Der vierte Begriff nimmt Bezug auf die <strong>Religion</strong>spädagogik als traditionellem<br />
Bestandteil der Praktischen Theologie. Diese Wissenschaft<br />
untersucht die pädagogischen Voraussetzungen, Chancen <strong>und</strong> Grenzen<br />
der religiösen Bildung in einer bestimmten Zeit <strong>und</strong> in einem bestimmten<br />
Lernfeld. Sie hilft Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen, die<br />
Phänomene <strong>Religion</strong> <strong>und</strong> Kultur wahrzunehmen, zu interpretieren <strong>und</strong>