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Das Kriegsende 1945 in Hersbruck, Erinnerungen

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so genannte Nero-Befehl, der anordnete, “alle militärischen<br />

Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen<br />

sowie Sachwerte <strong>in</strong>nerhalb des Reichsgebiets, die sich der<br />

Fe<strong>in</strong>d für die Fortsetzung se<strong>in</strong>es Kampfes irgendwie sofort<br />

oder <strong>in</strong> absehbarer Zeit nutzbar machen kann . . . zu zerstören”.<br />

Dem protestierenden Speer erklärte Hitler: “Wenn<br />

der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren se<strong>in</strong>.<br />

Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche<br />

Volk zu se<strong>in</strong>em primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht<br />

zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese D<strong>in</strong>ge<br />

zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen,<br />

und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die<br />

Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, s<strong>in</strong>d ohneh<strong>in</strong><br />

nur die M<strong>in</strong>derwertigen, denn die Guten s<strong>in</strong>d gefallen.”<br />

Im Ruhrgebiet wurde auf den Nero-Befehl h<strong>in</strong> unverzüglich<br />

die Demolierung der Industrieanlagen, die Unbrauchbarmachung<br />

der Wasserstraßen durch die Versenkung<br />

von mit Zement beladenen Schiffen sowie die Evakuierung<br />

der Bevölkerung <strong>in</strong>s Innere des Landes vorbereitet, während<br />

die zurückgelassenen Städte <strong>in</strong> Brand gesetzt werden sollten.<br />

E<strong>in</strong> so genannter “Flaggenbefehl” ordnete an, dass aus<br />

Häusern, die e<strong>in</strong>e weiße Fahne zeigten, alle männlichen Personen<br />

auf der Stelle zu erschießen seien. Der Kampf gegen<br />

den Fe<strong>in</strong>d, verlangte e<strong>in</strong>e Weisung von Ende März an die<br />

Oberbefehlshaber, “ist auf das fanatischste zu aktivieren. Irgendwelche<br />

Rücksichten auf die Bevölkerung können hierbei<br />

zurzeit nicht genommen werden”. Auf diese Ziele war<br />

jetzt die immer noch beträchtliche Energie Hitlers gerichtet,<br />

den Bunkerbewohner dieser Wochen als “Kuchen verschl<strong>in</strong>gende<br />

menschliche Ru<strong>in</strong>e” erlebt haben.<br />

Wären diese Befehle ausgeführt worden, so wären wohl<br />

nicht nur von den ost-europäischen Juden nicht mehr viele<br />

übrig geblieben, wie Goebbels damals triumphierend feststellte,<br />

sondern auch von den Deutschen. Aber dagegen<br />

erhob sich unerwartet Widerstand. Speer, den Hitler entmachtet<br />

hatte, der aber immer noch viel Autorität genoss,<br />

und auch andere Parteifunktionäre, die vor dem Äußersten<br />

zurückschreckten, arbeiteten der Zerstörung entgegen. Und<br />

schließlich sorgte auch das schnelle Vorrücken der Alliierten,<br />

die nur noch selten auf harten Widerstand stießen,<br />

dafür, dass den Deutschen die volle Last des Schicksals<br />

erspart blieb, die Hitler ihnen zugedacht hatte.<br />

Freilich, <strong>in</strong> den noch nicht besetzten Teilen<br />

Deutschlands—und dazu gehörte ja auch unser Gebiet—<br />

war e<strong>in</strong> Führerbefehl immer noch oberstes Gesetz, und<br />

es gab noch immer unter den Partei- und besonders den<br />

SS-Führern, Fanatiker, die wie ihr Führer dachten und<br />

handelten. So kam es, dass <strong>in</strong> den letzen Kriegswochen die<br />

Bevölkerung zwischen zwei Feuer geriet und die eigenen<br />

Truppenreste mehr fürchten lernte als den Fe<strong>in</strong>d. Denn der<br />

war ja auf e<strong>in</strong>e möglichst rasche Beendigung des Krieges<br />

aus und nicht darauf, die Grundlagen, die das deutsche Volk<br />

zu se<strong>in</strong>em Weiterleben brauchte, zu zerstören.<br />

Nun von der allgeme<strong>in</strong>en Lage zurück zu der Lage<br />

Eckhardt Pfeiffer / <strong>Das</strong> <strong>Kriegsende</strong> <strong>1945</strong> <strong>in</strong> <strong>Hersbruck</strong>, Er<strong>in</strong>nerungen<br />

vor Ort. Hatte schon der März durch erschreckende Herabsetzung<br />

der Lebensmittelrationen, fortgesetzt gestörte<br />

Nächte, wiederholte Tieffliegerangriffe, immer noch weiter<br />

steigende Todesnachrichten und Vermisstenmeldungen die<br />

Ängste maßlos gesteigert, so sollte ihn der April an Schrecknissen<br />

noch überbieten.<br />

Gleich der 1. April, ausgerechnet der Ostersonntag, war<br />

für <strong>Hersbruck</strong> e<strong>in</strong> Tag des Schreckens. E<strong>in</strong> Jagdbomber griff<br />

e<strong>in</strong>en von Bayreuth kommenden Personenzug gegenüber<br />

dem KZ, nahe beim Eisernen Steg, mit Bomben an. E<strong>in</strong><br />

Volltreffer zerfetzte e<strong>in</strong>en Wagen. 56 Passagiere waren sofort<br />

tot, von den 136 Verletzten starben 25 später. KZ-Ärzte<br />

und Häftl<strong>in</strong>ge halfen bei der Bergung mit. Ärzte, Sanitäter<br />

und Krankenhauspersonal hatten übermenschliche Arbeit zu<br />

leisten.<br />

E<strong>in</strong>e Woche später, am Weißen Sonntag, folgte der nächste<br />

Bombenangriff, der acht Todesopfer forderte und das<br />

katholische Pfarrhaus zerstörte. Auch <strong>in</strong> Reichenschwand,<br />

Pommelsbrunn und anderen Orten häuften sich die Tieffliegerangriffe<br />

mit Todesopfern.<br />

Nun wurde das KZ geräumt. Nachdem am 7. April 1600<br />

kranke Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> 30 offenen Güterwagen nach Dachau<br />

<strong>in</strong> Marsch gesetzt worden waren, zog nun fast Tag für Tag<br />

e<strong>in</strong> Block von 600 Häftl<strong>in</strong>gen über Schmidmühlen nach<br />

Dachau. Wer von ihnen diesen Elendsmarsch überlebte,<br />

wurde <strong>in</strong> Dachau endlich von den Amerikanern befreit. Im<br />

Hauptlager Flossenbürg wurden am 9. April die letzten H<strong>in</strong>richtungen<br />

im Zusammenhang mit dem 20. Juli vollzogen.<br />

Zu den Opfern der letzten dortigen Mordserie gehörte neben<br />

hohen Offizieren wie Admiral Canaris auch Dietrich Bonhoeffer,<br />

e<strong>in</strong>e herausragende Persönlichkeit der evangelischen<br />

Kirche.<br />

E<strong>in</strong>en Seitenblick nach Berl<strong>in</strong> wollen wir uns nicht versagen.<br />

Dort geriet Goebbels, der sich schon zwei Horoskope<br />

hatte machen lassen, am 13. April, als er die Nachricht<br />

vom Tode Roosevelts erhielt, geradezu <strong>in</strong> Ekstase. “Me<strong>in</strong><br />

Führer”, rief er <strong>in</strong>s Telefon, “Ich gratuliere Ihnen! Es<br />

steht <strong>in</strong> den Sternen geschrieben, dass die zweite Aprilhälfte<br />

uns den Wendepunkt br<strong>in</strong>gen wird. Heute ist Freitag,<br />

der 13. April. Es ist der Wendepunkt!” Damit löste er<br />

im Führerbunker e<strong>in</strong>ige Stunden lang Hochstimmung aus,<br />

weil man glaubte, dass Amerika sich nun aus den Krieg<br />

zurückziehen werde. Hitler glaubte sogar, noch e<strong>in</strong>mal das<br />

Walten der Vorsehung zu spüren. So weit war man dort der<br />

Realität schon entrückt. Roosevelts Tod hatte auf das Kriegsgeschehen<br />

ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>fluss.<br />

Kehren wir nach <strong>Hersbruck</strong> zurück. An dem gleichen<br />

13. April wurde der hiesige Volkssturm mit hier lagernden<br />

nagelneuen Fliegeruniformen e<strong>in</strong>gekleidet. Am 14. April<br />

wurde das Volkssturmbataillon alarmiert. Den rund 600 älteren<br />

Herren und noch vorhandenen Jugendlichen drückte<br />

man e<strong>in</strong> paar Dutzend verrostete italienische Gewehre <strong>in</strong><br />

die Hand, die nach Aussage e<strong>in</strong>es Volkssturmführers für<br />

den Träger gefährlicher waren als für den Fe<strong>in</strong>d, und sieben<br />

c○ <strong>Hersbruck</strong>er Zeitung 15.04.2005.

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