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Das Kriegsende 1945 in Hersbruck, Erinnerungen

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Panzerfäuste. Die meisten Volkssturmmänner waren <strong>in</strong> der<br />

Handhabung der Waffen nur unzureichend ausgebildet. Die<br />

Männer wussten, dass sie nichts mehr ausrichten würden.<br />

Ihren “Kampfeseifer” kennzeichnet die Parole, die e<strong>in</strong>er<br />

von ihnen unter der Hand ausgab: “Wer schießt, wird erschossen!”.<br />

Am 15. April—es war wieder e<strong>in</strong> Sonntag—erlebte <strong>Hersbruck</strong><br />

se<strong>in</strong>en schlimmsten Tag <strong>in</strong> diesem Krieg. Schon um<br />

8 Uhr morgens bombardierten Jabos die Stadt mit Brandbomben.<br />

37 Gebäude <strong>in</strong> verschiedenen Teilen der Stadt g<strong>in</strong>gen<br />

<strong>in</strong> Flammen auf.<br />

Die Feuerwehr, darunter die als Hilfsfeuerwehrleute ausgebildeten<br />

Mädchen, und die Luftschutztrupps hatten es<br />

bei den vielen Bränden schwer, weil <strong>in</strong> ihren Reihen die<br />

Volkssturmmänner fehlten, die tags zuvor alarmiert worden<br />

waren, und die nun von ihren Sammelstellen aus tatenlos<br />

zusehen mussten, wie die Stadt an allen Ecken brannte.<br />

Trotzdem waren die Straßen voller Menschen, die kräftig<br />

zupackten und Sachwerte retteten. Menschenleben waren<br />

<strong>in</strong> der Stadt nicht zu beklagen. Aber neben der Flutbrücke<br />

an der Ostbahnstraße hatte e<strong>in</strong> Jagdbomber Sprengbomben<br />

abgeworfen, die unter den Menschen, die unter dem Brückenbogen<br />

Schutz gesucht hatten, e<strong>in</strong> Blutbad anrichteten. 32<br />

Personen wurden auf der Stelle getötet, viele andere mehr<br />

oder weniger schwer verletzt.<br />

Für das <strong>Hersbruck</strong>er Land war die Woche zwischen dem<br />

15. und dem 22. April <strong>1945</strong> die aufregendste des Zweiten<br />

Weltkriegs. Denn <strong>in</strong> diesen Tagen drangen die amerikanischen<br />

Truppen <strong>in</strong> unseren Raum vor. Deutsche Kräfte, meistens<br />

SS-E<strong>in</strong>heiten, die bis zuletzt den wahnwitzigen Durchhaltebefehlen<br />

folgten, setzten den Alliierten immer noch<br />

schwachen Widerstand entgegen und forderten damit den<br />

E<strong>in</strong>satz des haushoch überlegenen amerikanischen Kriegsmaterials<br />

heraus. Ob e<strong>in</strong> Ort verteidigt wurde oder nicht, das<br />

entschied darüber, ob er die Besetzung e<strong>in</strong>igermaßen heil<br />

überstehen oder am Ende noch zerstört werden sollte.<br />

Die militärische Lage war längst hoffnungslos. Schon<br />

am 14. April, also e<strong>in</strong>en Tag vor der Bombardierung<br />

<strong>Hersbruck</strong>s, hatten sich die Amerikaner mit den Russen<br />

an der Elbe getroffen. Am gleichen Tag hatte e<strong>in</strong>e<br />

US-Panzerdivison die Verteidigungssperren von Bayreuth<br />

aufgebrochen. Vom oberfränkischen Raum her stießen<br />

amerikanische Truppen <strong>in</strong> Richtung Nürnberg vor.<br />

Die Situation <strong>in</strong> <strong>Hersbruck</strong>, kurz skizziert: Seit e<strong>in</strong> paar<br />

Tagen schon gibt es im Rathaus e<strong>in</strong> Kommen und Gehen<br />

von Offizieren, Volkssturmführern und Parteifunktionären.<br />

Aber den E<strong>in</strong>satzplan für den Volkssturm lässt man e<strong>in</strong>e<br />

19-jährige Verwaltungsangestellte und e<strong>in</strong>en 16-jährigen<br />

Auszubildenden aufstellen. Mittendr<strong>in</strong> Bürgermeister Dr.<br />

Neus<strong>in</strong>ger, der die Stadt verteidigen lassen soll, das aber verh<strong>in</strong>dern<br />

möchte, ohne es aussprechen zu dürfen.<br />

Während die Bevölkerung nach dem Brandbombenangriff<br />

noch aufräumt, wird bekannt, dass amerikanische Panzer<br />

c○ <strong>Hersbruck</strong>er Zeitung 15.04.2005.<br />

Eckhardt Pfeiffer / <strong>Das</strong> <strong>Kriegsende</strong> <strong>1945</strong> <strong>in</strong> <strong>Hersbruck</strong>, Er<strong>in</strong>nerungen<br />

von Schnaittach her Lauf besetzt haben und nach Osten<br />

bis Reichenschwand vorgedrungen s<strong>in</strong>d. Deshalb wird um<br />

16 Uhr Panzeralarm gegeben. E<strong>in</strong> H<strong>in</strong> und Her der Befehle<br />

und Parolen: Panzersperren schließen, Panzersperren<br />

für deutsche Truppen offen halten, Volkssturm soll Stellung<br />

beziehen, Volkssturm kann nach Hause gehen – und<br />

dieser Parole folgen die Männer ganz schnell. Nun verlangt<br />

der Kampfkommandant energisch die Schließung der Panzersperren<br />

– also schließen. In der Nacht zum 16. April bauen<br />

sie Bürger teilweise wieder ab.<br />

In dieser Nacht taucht e<strong>in</strong> Adjutant der angeblich im Anmarsch<br />

bef<strong>in</strong>dlichen SS-Division Nibelungen auf mit dem<br />

Auftrag, mit e<strong>in</strong>em Trupp Soldaten und Volkssturmmännern<br />

am Westrand von Altensittenbach e<strong>in</strong>e Abwehrstellung<br />

aufzubauen.<br />

Zur gleichen Zeit ist e<strong>in</strong>e amerikanische Panzere<strong>in</strong>heit<br />

vom Sittenbachtal her bis vor Altensittenbach gerollt. Sie<br />

hatte allerd<strong>in</strong>gs, wie sich später herausstellte, gar nicht den<br />

Auftrag, nach <strong>Hersbruck</strong> vorzustoßen. Der Kommandant<br />

der wenigen <strong>in</strong> Altensittenbach auf der Lauer liegenden<br />

deutschen Soldaten beordert den Führer des Volkssturmbataillons<br />

<strong>Hersbruck</strong> mit e<strong>in</strong>igen se<strong>in</strong>er Männer dorth<strong>in</strong>. Am<br />

Vormittag des 16. April feuert dieses schwache Häufle<strong>in</strong><br />

uns<strong>in</strong>nigerweise e<strong>in</strong> paar Panzerfäuste auf die amerikanischen<br />

Panzer ab. Die Panzer erwidern prompt das Feuer und<br />

schon stehen <strong>in</strong> Altensittenbach mehrere Häuser <strong>in</strong> Flammen.<br />

Noch während der Beschießung hauen die Deutschen<br />

ab.<br />

Die <strong>Hersbruck</strong>er erschrecken natürlich furchtbar, als sie<br />

den Kanonendonner hören. Soll jetzt auch <strong>Hersbruck</strong> <strong>in</strong><br />

Trümmer gelegt werden? In diesem gefährlichen Augenblick<br />

handelt Bürgermeister Neus<strong>in</strong>ger, der sich mit dem<br />

<strong>Hersbruck</strong>er Landrat Nunhofer abgesprochen hat. Der Landrat<br />

gibt an die Polizei die Weisung aus, entgegen den<br />

bekannten Befehlen gegen Personen, die weiße Fahnen oder<br />

Tücher aus den Häusern hängen, nicht vorzugehen. Der<br />

Bürgermeister hat sich der Mithilfe von Fred Schäfer versichert,<br />

der lange Zeit <strong>in</strong> Amerika gelebt hat und bereit ist,<br />

als Parlamentär und Dolmetscher zu fungieren, um <strong>Hersbruck</strong><br />

vor der Beschießung zu retten.<br />

Mit se<strong>in</strong>em Fahrrad, an dem er e<strong>in</strong>en Rechen mit weißem<br />

Tuch befestigt hat, fährt Schäfer den amerikanischen Panzern<br />

entgegen. Es kostet ihn e<strong>in</strong>ige Anstrengung, den Panzerkommandeur<br />

davon zu überzeugen, dass Altensittenbach<br />

nicht zu <strong>Hersbruck</strong> gehöre—damals war es noch e<strong>in</strong>e selbstständige<br />

Geme<strong>in</strong>de—und dass <strong>in</strong> der Stadt niemand an<br />

Verteidigung denke. E<strong>in</strong> glücklicher Zufall kommt ihm für<br />

das Klima des Gesprächs zu Hilfe: Es stellt sich heraus, dass<br />

Schäfer und der Panzeroffizier <strong>in</strong> Pittsburgh (Pennsylvania)<br />

<strong>in</strong> der gleichen Straße gewohnt haben.<br />

So folgen gegen 14 Uhr fünf amerikanische Panzer dem<br />

radelnden Parlamentär zum Marktplatz. Dort versichert der<br />

Bürgermeister den Amerikanern, <strong>Hersbruck</strong> sei e<strong>in</strong>e offene<br />

Stadt (was e<strong>in</strong> Befehl des SS-Reichsführers grundsätzlich

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