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Vierter Newsletter der Union progressiver Juden in Deutschland

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<strong>Union</strong> <strong>progressiver</strong> <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> November 2013 | Kislew 5774<br />

RELIGION<br />

UNBEKANNTES ÜBER EINEN FEIERTAG<br />

CHANUKKA<br />

UND PURIM<br />

Chanukka<br />

Purim<br />

Zeit <strong>der</strong> Entstehung<br />

Mitte des 2. Jh.<br />

Zwischen 486 und322 v.d.Zeitr.<br />

Kanon<br />

Apokryphen,<br />

Makkabäerbücher<br />

Im 3. Teil <strong>der</strong> Hebräischen Bibel,<br />

Ketuwim<br />

Obwohl geschichtlich betrachtet Purim älter als<br />

Chanukka ist, wurde Chanukka gleich als e<strong>in</strong><br />

jüdisches Fest festgelegt, während Purim e<strong>in</strong>e<br />

lange Zeit nicht überall anerkannt war.<br />

Das Traktat Ta’anit, das kurze Zeit nach <strong>der</strong><br />

Zerstörung des 2. Tempels geschrieben wurde,<br />

erwähnt die Estherrolle mit ke<strong>in</strong>em Wort. Im<br />

Traktat Ta’anit wird <strong>der</strong> 13. Adar nicht als Esther<br />

- Fastentag genannt, son<strong>der</strong>n als Nikanor - Tag<br />

zur Er<strong>in</strong>nerung an den Sieg Judas Makkabäus<br />

über den syrischen Feldherrn; e<strong>in</strong> Tag, an dem<br />

man nicht fasten darf. Wahrsche<strong>in</strong>lich galt Purim<br />

<strong>in</strong> Erez Israel bis zur Zerstörung des 2. Tempels<br />

noch nicht als Fest, weil die Esthergeschichte als<br />

e<strong>in</strong>e lokale Geschichte für die <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Persien<br />

angesehen wurde.<br />

Der Babylonische Talmud (Traktat Megila 14a):<br />

„Wenn man von <strong>der</strong> Sklaverei <strong>in</strong> die Freiheit<br />

kommt, sagt man Hallel, so erst Recht, wenn<br />

man vom Tode gerettet wurde (das Purimwun<strong>der</strong>).<br />

Aber man sagt ke<strong>in</strong> Hallel für e<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>,<br />

das im Ausland stattfand. Rabba sagte: Es steht<br />

geschrieben: ‚Preiset die Knechte Gotte’ (Psalm<br />

135,6) und nicht die ‚Knechte Achaschwerosch’.<br />

4<br />

Sie s<strong>in</strong>d auch nach dem Wun<strong>der</strong> die Knechte<br />

von Achaschwerosch geblieben.“ Das Chanukwun<strong>der</strong><br />

geschah im Jerusalemer Tempel. Die<br />

<strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Erez Israel haben e<strong>in</strong>e partielle politische<br />

Unabhängigkeit errungen, die etwa 250 Jahre<br />

dauerte.<br />

Warum also betonen die Rabb<strong>in</strong>en die Heiligkeit<br />

des Buches Esther? Gerade weil die Estherrolle<br />

noch zur Zeit <strong>der</strong> Amorärer (220- 500) nicht fest<br />

verankert <strong>in</strong> <strong>der</strong> jüdischen Tradition war. Der<br />

Jerusalemer Talmud (Traktat Megila 1,7) erzählt<br />

von e<strong>in</strong>em Briefwechsel zwischen Esther und<br />

Mordechai e<strong>in</strong>erseits und den Rabb<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>erseits.<br />

Esther und Mordechai fragen die Rabb<strong>in</strong>en,<br />

ob sie die beiden Purimnächte anerkennen<br />

wollen. Die Rabb<strong>in</strong>en antworten: „Haben wir<br />

nicht genügend Plagen, dass ihr uns die Plage<br />

Hamman dazu geben wollt?“ Es g<strong>in</strong>gen noch<br />

e<strong>in</strong>ige Briefe h<strong>in</strong> und her bis das Buch Esther<br />

doch angenommen wurde. Auch die Tanna’im<br />

(bis etwa das Jahr 220) standen <strong>der</strong> Estherrolle<br />

skeptisch gegenüber.<br />

Traktat Megila 7a: „Rabbi Jehuda sagte im Namen<br />

Schmu’els: ‚Esther verunre<strong>in</strong>igt die Hände<br />

nicht’. 1 “Die Diskussion zwischen e<strong>in</strong>igen Rabb<strong>in</strong>en<br />

endete mit <strong>der</strong> Feststellung, dass die Bücher<br />

Esther, das Lied <strong>der</strong> Lie<strong>der</strong> und Ruth doch heilige<br />

Bücher s<strong>in</strong>d und daher die Hände verunre<strong>in</strong>igen,<br />

wenn man sie berührt. Die Schriften aus <strong>der</strong> Zeit<br />

vor den Amoräen kannten Purim nicht. Schim’on<br />

Ben Sira, <strong>der</strong> im Jahr 180 e<strong>in</strong> Buch (Mischlej Ben<br />

Sira) geschrieben hat, <strong>in</strong> dem er die wichtigen<br />

Persönlichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> jüdischen Geschichte lobt,<br />

erwähnt we<strong>der</strong> Esther noch Mordechai noch<br />

das Buch Esther. Das erste Makkabäerbuch aus<br />

dem Jahr 104 v.d.Z. kennt Purim nicht und im<br />

zweiten Makkabäerbuch aus dem Jahr 40 v.d.Z.<br />

wird nur festgestellt, dass Nikanor-Tag e<strong>in</strong>en Tag<br />

vor Mordechai-Tag ist. Es ist dort ke<strong>in</strong>e Rede von<br />

Purim, Esther o<strong>der</strong> das Buch Esther.Und doch<br />

zeigt die Diskussion <strong>der</strong> späteren Generationen,<br />

dass sich die <strong>Juden</strong> noch lange schwer damit getan<br />

haben, das Buch Esther als Teil des biblischen<br />

Kanons anzunehmen.<br />

Deborah Tal-Rüttger<br />

1<br />

Heilige Bücher verunre<strong>in</strong>igen die Hände, wenn<br />

man sie anfasst.

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