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E i n l e i t u n g - in Friedehorst

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<strong>Friedehorst</strong> und die Neurologische Rehabilitation<br />

Im März 1985 – vor nunmehr über 15 Jahren – wurde als erste Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung<br />

dieser Art im norddeutschen Raum das Neurologische Rehabilitationszentrum<br />

für K<strong>in</strong>der und Jugendliche <strong>in</strong> Trägerschaft von FRIEDEHORST, Vere<strong>in</strong>igte Anstalten<br />

der Inneren Mission e.V., <strong>in</strong> Bremen-Lesum eröffnet. Das Neurologische Rehabilitationszentrum<br />

(NRZ) ist anerkannt als E<strong>in</strong>richtung nach §111 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

§107 Abs. 2 SGB V.<br />

Aufgabe dieser mediz<strong>in</strong>isch-schulisch/beruflichen Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung der<br />

Phase II ist es, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nahtlosen Rehabilitationsprozess von der Frührehabilitation<br />

bis zur Re<strong>in</strong>tegration <strong>in</strong> Familie und Gesellschaft, Schule, Ausbildung und Beruf für<br />

K<strong>in</strong>der, Jugendliche und junge Erwachsene, die sekundär durch Unfälle oder Erkrankungen<br />

Hirnschädigungen erlitten haben, „unter e<strong>in</strong>em Dach“ umfassende und mite<strong>in</strong>ander<br />

verzahnte Leistungen zur mediz<strong>in</strong>ischen, schulischen, beruflichen und psychosozialen<br />

Rehabilitation zu erbr<strong>in</strong>gen (s. z.B. „E<strong>in</strong>richtungen der mediz<strong>in</strong>ischberuflichen<br />

Rehabilitation“ Der Bundesm<strong>in</strong>ister für Arbeit und Sozialordnung, 1998).<br />

Die Rehabilitation umfasst zeitgleich und <strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergreifend mediz<strong>in</strong>ische (§ 10 Reha-Angleichungsgesetz)<br />

und berufsfördernde (§ 11 Reha-Angleichungsgesetz) Leistungen<br />

zur Rehabilitation sowie diesen immanent die psychosoziale Rehabilitation (s.<br />

u.a. Rahmenempfehlungen nach § 111 a SGB V, 1999; Runderlass 42/96, Bundesanstalt<br />

für Arbeit 1996).<br />

1. Indikation zur Aufnahme <strong>in</strong> das Neurologische Rehabilitationszentrum<br />

Im Interesse e<strong>in</strong>er guten Rehabilitation und Re<strong>in</strong>tegration <strong>in</strong> Familie und Gesellschaft,<br />

Schule, Ausbildung und Beruf ist die Frührehabilitation anzustreben, d.h. e<strong>in</strong>e<br />

möglichst nahtlose Verlegung <strong>in</strong> der Postakutphase aus der behandelnden Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong><br />

das NRZ.<br />

Die Aufnahme <strong>in</strong> das Rehazentrum ist grundsätzlich möglich nach Stabilisierung von<br />

Atmung und Kreislauf. Trachealkanüle, liegender Venenkatheter, Magensonde oder<br />

Blasenkatheter s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis, e<strong>in</strong>e Frührehabilitation e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

E<strong>in</strong>e Aufnahme ist auch zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt noch s<strong>in</strong>nvoll, wenn e<strong>in</strong>e Besserung<br />

der Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch umfassende mediz<strong>in</strong>ische, psychosoziale und<br />

neuropädagogische/berufliche Rehabilitation möglich ersche<strong>in</strong>t:<br />

- Z.B., wenn länger als 2 Monate nach Schädel-Hirnverletzung oder neurologischer<br />

Erkrankung noch folgende Symptome bestehen:<br />

- Hirnorganisches Psychosyndrom mit Störungen von z.B. Orientierung, Gedächtnis<br />

und Antrieb oder Konzentrationsmängeln und Merkschwäche<br />

- Lähmungen und Koord<strong>in</strong>ationsstörungen<br />

- Sprachstörungen<br />

- vegetative und vasomotorische Dysregulation, verm<strong>in</strong>derte körperliche Belastbarkeit<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 1


- psychoreaktive Störungen (Depression, Agitiertheit, Affektlabilität, Stimmungsschwankungen).<br />

E<strong>in</strong>e erstmalige oder erneute neurologische Rehabilitationsmaßnahmen s<strong>in</strong>d auch<br />

länger als 1 Jahr nach Schädel-Hirn-Trauma oder neurologischer Erkrankung <strong>in</strong>diziert<br />

bei:<br />

- Verschlechterung von Lähmungen oder Koord<strong>in</strong>ationsstörungen<br />

- Auftreten oder Persistieren von posttraumatischen Krampfanfällen<br />

- Versagenszuständen (Versagen <strong>in</strong> z.B. Schule, Ausbildung, Beruf)<br />

- Verschlechterung oder erneutes Auftreten psychoreaktiver Störungen (s.o.)<br />

In E<strong>in</strong>zelfällen können nach vorheriger verb<strong>in</strong>dlicher Absprache auch zeitlich befristete<br />

Rehabilitationsüberprüfungen bei bereits länger andauerndem vegetativem Stadium/apallischem<br />

Syndrom durchgeführt werden.<br />

Junge Menschen mit neurologischen Krankheitsbildern (s. 2.) können von den Arbeitsämtern<br />

auch direkt zu berufsvorbereitenden Maßnahmen zugewiesen werden.<br />

2. Krankheitsbilder, bei denen die Aufnahme <strong>in</strong>diziert ist<br />

Zustände nach<br />

- Hirnverletzungen, <strong>in</strong>sbesondere bei<br />

- Begleitenden motorischen, vegetativen, vasomotorischen oder<br />

neuropsychologischen Funktionsstörungen<br />

- Sprach- und Sprechstörungen (Aphasien, Dysarthrien)<br />

- e<strong>in</strong>em Durchgangssyndrom<br />

- Blutungen im Schädel<strong>in</strong>nenraum<br />

- zerebralen Gefäßerkrankungen / Gefäßverschlüssen<br />

- Entzündliche Erkrankungen im Bereich des zentralen Nervensystems<br />

(Men<strong>in</strong>gitis, Enzephalitis, Hirnabszess, Multiple Sklerose)<br />

- Tumorerkrankungen/-operationen im Bereich des zentralen Nervensystems<br />

- Erkrankungen des peripheren Nervensystems<br />

(z.B. traumatische Plexusparesen, Polyneuritis, Polyradiculomyelitis)<br />

- Neuromuskulären Erkrankungen<br />

- hypoxischen Hirnschädigungen<br />

- Epilepsien<br />

- Konnatale Bewegungsstörungen<br />

- Fehlbildungen des Zentralnervensystems<br />

Bei folgenden Symptomen:<br />

- motorische Funktionsstörungen (spastische und schlaffe Lähmungen, Ataxien,<br />

konnatale Bewegungsstörungen, Fehlbildungen des Zentralnervensystems<br />

und andere Bewegungsstörungen)<br />

- Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen (Dysphasie, Dysarthrie, Dysphonie)<br />

- neuropsychologische Funktionsstörungen (z.B. Merkfähigkeits-, Konzentrations-,<br />

Antriebsstörungen, Störungen der visuomotorischen Koord<strong>in</strong>ation)<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 2


- begleitende psychoreaktive Störungen (s.o.)<br />

- zerebrale Krampfanfälle (Epilepsien).<br />

Nicht aufgenommen werden können Rehabilitanden mit<br />

Zuständen nach<br />

- Suizidversuch<br />

- Suchtproblemen<br />

- Psychosen und Neurosen,<br />

die e<strong>in</strong>er gezielten psychiatrischen Behandlung bedürfen.<br />

3. Mediz<strong>in</strong>ische Behandlungs- und Maßnahmeangebote<br />

Frührehabilitation (Phase B)<br />

für Patienten der Altersstufe 1 bis 35 Jahre<br />

Nach Stabilisierung von Atmung und Kreislauf ist e<strong>in</strong>e frühzeitige Übernahme aus<br />

den Akutkl<strong>in</strong>iken am Ende der Postakutphase möglich. Trachealkanüle, liegender<br />

Venenkatheter, Magensonde, Blasenkatheter oder e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver neurologischer Überwachungsbedarf<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis für die Aufnahme. Diagnostik und Therapie<br />

werden auf die <strong>in</strong>dividuelle Belastung des Patienten zugeschnitten und haben <strong>in</strong> dieser<br />

frühen Phase ihre Schwerpunkte <strong>in</strong> neuropädiatrisch/neurologischer ärztlicher<br />

Behandlung und den mite<strong>in</strong>ander verzahnten Therapien der Fachbereiche Logopädie,<br />

Ergotherapie, Krankengymnastik, Musiktherapie und Neuropsychologie sowie<br />

ganzheitlicher rehabilitativer Pflege.<br />

Frühmobilisation (Phase C)<br />

für Patienten der Altersstufen 1 bis 35 Jahre<br />

Patienten dieser Phase können bei entsprechender Belastbarkeit auf altersadäquate<br />

weiterführende Stationen umziehen oder dort direkt aufgenommen werden. Zu diesem<br />

Zeitpunkt wird zunehmend die Kommunikation <strong>in</strong> der Peer-Group für die weitere<br />

Motivation <strong>in</strong> der Rehabilitation wichtig und benötigt das jeweils altersadäquate therapeutische<br />

Milieu auf den e<strong>in</strong>zelnen Stationen. Neben den zuvor genannten Therapien<br />

kommen die wichtigen therapeutischen Angebote der Neuropädagogik, Sozialtherapie<br />

und Arbeitstherapie h<strong>in</strong>zu.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 3


Stabilisierungsphase (Phase D)<br />

für Patienten der Altersstufen 1 bis 35 Jahre<br />

In der mediz<strong>in</strong>ischen Rehabilitation der Phase D werden<br />

- Diagnostik<br />

- Anschlussheilbehandlungen (AHB)<br />

- Belastungserprobungen mit schulischem oder beruflichem Schwerpunkt sowie<br />

- Arbeitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

angeboten.<br />

Der Therapieplan wird kont<strong>in</strong>uierlich dem Heilungsverlauf und der Belastbarkeit des<br />

Rehabilitanden angepasst. Neben den notwendigen <strong>in</strong>dividuellen funktionellen E<strong>in</strong>zeltherapien<br />

treten zur Belastungssteigerung und Motivationsstärkung Therapieangebote<br />

<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Gruppen h<strong>in</strong>zu. Die Inhalte sozialtherapeutischen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, der<br />

Neuropädagogik und beruflicher Fragestellungen treten je nach Alter der Rehabilitanden<br />

zunehmend <strong>in</strong> den Vordergrund.<br />

Das teilstationäre Angebot<br />

Für Rehabilitanden der Region <strong>in</strong> der Phase D<br />

Vom 1. Lebensjahr bis zum Ende des erwerbsfähigen Alters<br />

steht dieses Angebot alternativ oder zur besseren Abstufung der vorher stationären<br />

Rehabilitation zur Verfügung. Das familiäre und soziale Umfeld kann <strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> die<br />

Rehabilitation e<strong>in</strong>gebunden werden. Ebenso kann abschließend die berufliche Integration<br />

direkt <strong>in</strong> den Betrieben mit dem Rehabilitanden, dem Arbeitgeber und den Kostenträgern<br />

geklärt werden.<br />

Berufsvorbereitende Maßnahmen<br />

Rehabilitanden, die nicht direkt nach der Entlassung an ihren alten Ausbildungs- oder<br />

Arbeitsplatz zurückkehren können, haben die Möglichkeit bei e<strong>in</strong>er notwendigen beruflichen<br />

Umorientierung an folgenden Maßnahmen teilzunehmen:<br />

- Diagnostik, Belastungserprobung, Arbeitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

- Berufsf<strong>in</strong>dung, Arbeitserprobung<br />

- Überprüfung von Anlerntätigkeiten<br />

- Spezielles E<strong>in</strong>händertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

- Förderlehrgänge F1, F2, F4<br />

- E<strong>in</strong>gangsverfahren und Arbeitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für die WfB bis zu 6 Monaten<br />

Alle mediz<strong>in</strong>isch-beruflichen Angebote s<strong>in</strong>d grundsätzlich E<strong>in</strong>zelmaßnahmen <strong>in</strong> der<br />

Gruppe. Hierfür stehen modern ausgestattete Werkstätten mit e<strong>in</strong>er großen Bandbreite<br />

technischer Möglichkeiten zur differenzierten Leistungsüberprüfung und Förderung<br />

<strong>in</strong> 6 Bereichen zur Verfügung.<br />

Zur Sicherung des Maßnahmeerfolges gehört die allgeme<strong>in</strong>- und fachärztliche Versorgung<br />

sowie die Teilnahme an <strong>in</strong>dividuellen notwendigen funktionellen Therapien,<br />

schulische Förderung, die kont<strong>in</strong>uierliche Erweiterung der Sozialkompetenz durch<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 4


entsprechend angeleitete sozialpädagogische Gruppen- sowie die Teilnahme an<br />

kreativen Freizeitangeboten.<br />

4. Ziele der neurologischen Rehabilitation <strong>in</strong> der Phase II<br />

Übergeordnetes Ziel ist,<br />

- die aus erlittener Schädigung (IMPAIRMENT) folgende funktionelle E<strong>in</strong>schränkung<br />

(DIS-ABILITY) zu m<strong>in</strong>dern,<br />

- die daraus resultierende sozialrelevante Bee<strong>in</strong>trächtigung (HANDICAP) zu<br />

verh<strong>in</strong>dern, bzw. so ger<strong>in</strong>g wie möglich zu halten,<br />

- um e<strong>in</strong> hohes Maß der Wiedere<strong>in</strong>gliederung (REINTEGRATION) <strong>in</strong> Familie<br />

und Gesellschaft, Schule, Ausbildung und Beruf zu erreichen.<br />

Im Zentrum aller rehabilitativen Bemühungen im Rahmen e<strong>in</strong>es ganzheitlichen Behandlungskonzepts<br />

steht der Rehabilitand. Er ist nicht Objekt, sondern Subjekt se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Rehabilitation, deren jeweilige Schritte mit ihm und/oder se<strong>in</strong>en Eltern/Angehörigen<br />

daher besprochen und abgestimmt werden müssen.<br />

5. Fachliche Kompetenz<br />

Neurologische Rehabilitation <strong>in</strong> der Phase II ist nur <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrativen<br />

Ansatz zu leisten, der die verschiedenen diagnostischen und therapeutischen<br />

E<strong>in</strong>zelaspekte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sorgfältig differenzierten und ärztlich koord<strong>in</strong>ierten Rehabilitationsplan<br />

zusammenführt.<br />

Kollegiale Beratung und größtmögliche geme<strong>in</strong>same Basiskompetenz – d.h. Offenheit<br />

füre<strong>in</strong>ander und e<strong>in</strong> allen Mitarbeitern geme<strong>in</strong>sames Grundverständnis für die<br />

Aufgaben aller anderen Berufsgruppen – s<strong>in</strong>d unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzungen <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer<br />

Zusammenarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em multiprofessionellen Team.<br />

Im Rahmen dieser <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Arbeit entfallen auf jede Berufsgruppe Kernaufgaben,<br />

die nur von ihr oder unter ihrer Anleitung geleistet werden können.<br />

An den vielfältigen Schnittstellen, die sich im Rahmen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegrierten Rehabilitationsbehandlung<br />

durch Überlappung berufsgruppenspezifischer Aufgabengebiete<br />

zwangsläufig ergeben, bedarf es im Interesse des Rehabilitanden nicht nur e<strong>in</strong>er engen<br />

Kooperation, sondern klarer verb<strong>in</strong>dlicher Absprachen und deren diszipl<strong>in</strong>ierter<br />

E<strong>in</strong>haltung.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 5


Entsprechend se<strong>in</strong>er Aufgabenstellung und dem breiten Diagnose- und Altersspektrum<br />

der Patienten verfügt das Reha-Zentrum über differenzierte diagnostische und<br />

therapeutische Möglichkeiten:<br />

- Fachärzte für Pädiatrie, Neurologie und Psychiatrie mit Zusatzqualifikationen<br />

<strong>in</strong> Neuropädiatrie, Epileptologie, spezielle Schmerztherapie, Rehabilitationswesen,<br />

Sozialmediz<strong>in</strong>, kl<strong>in</strong>ische Genetik und Psychotherapie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage<br />

das weite Diagnosespektrum abzudecken.<br />

- An technischen Zusatzuntersuchungen stehen alle neurophysiologischen<br />

Methoden zu Verfügung: EEG, e<strong>in</strong>schließlich Langzeitableitung und EEG-<br />

Videometrie; AEHP, VEP, SEP; EMG, NLG. Daneben können EKT, Belastungs-EKG<br />

und Ultraschalluntersuchungen durchgeführt werden.<br />

- Konsiliarärzte stehen für bildgebende Verfahren und alle anderen mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Fragestellungen zur Verfügung. Darüber h<strong>in</strong>aus bestehen enge Kooperation<br />

mit den Intensivstationen der Bremer K<strong>in</strong>derkl<strong>in</strong>iken, bzw. der Neurologie.<br />

- Rout<strong>in</strong>euntersuchungen werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Friedehorst</strong>-eigenen kl<strong>in</strong>ischchemischen<br />

Labor durchgeführt.<br />

- In den Abteilungen Physiotherapie, Motopädie, Sport-/Schwimmtherapie; Logopädie<br />

und Ergotherapie steht e<strong>in</strong> breite Palette von Behandlungsmethoden<br />

zu Verfügung, unter anderem wird nach Perfetti, Bobath, Vojta, PNF, MacMillan,<br />

oder F.O.T.T. behandelt. E<strong>in</strong>e eigene Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong> weist Eltern und Betreuer<br />

<strong>in</strong> die Pr<strong>in</strong>zipien der K<strong>in</strong>aesthetik e<strong>in</strong>. Interdiszipl<strong>in</strong>äre Teams führen die Behandlung<br />

mit Orthesen, redressierenden Gips-, Kunststoff- und Nancy-Hilton<br />

Schienen sowie <strong>in</strong>tramuskulären Injektionen von Botul<strong>in</strong>ustox<strong>in</strong> durch. Hippotherapie<br />

wird <strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>em nahegelegenen Reiterhof angeboten.<br />

In e<strong>in</strong>em Motorik-Labor stehen e<strong>in</strong> auf die speziellen Bedürfnisse von<br />

K<strong>in</strong>dern adaptierter Gangtra<strong>in</strong>er, e<strong>in</strong> beh<strong>in</strong>derten-gerechtes Laufband ebenso<br />

zu Verfügung wie Kraftmasch<strong>in</strong>en und Ergometer zum Muskel- und Konditionsaufbau.<br />

- E<strong>in</strong>en Schwerpunkt unseres Behandlungskonzeptes bildet die neuropsychologische<br />

Diagnostik und das spezifische neuropsychologische Funktionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

da viele Patienten nach Verletzungen des Gehirns unter schweren neuropsychologischen<br />

Defiziten Störungen der Konzentration, der Merkfähigkeit, der<br />

Orientierung, aber auch der visuo-konstruktiven Wahrnehmung oder der<br />

Handlungsplanung leiden. In Anbetracht der häufigen Verhaltensauffälligkeiten<br />

und Schwierigkeiten mit der Krankheitsverarbeitung s<strong>in</strong>d die psychologische<br />

Beratung, Gesprächspsychotherapie und Verhaltensmodifikation ebenfalls<br />

wichtige Aufgaben des psychologischen Dienstes.<br />

- Sozialtherapeutische/-pädagogische Kle<strong>in</strong>gruppenförderung und therapeutisch<br />

begleitete Freizeitaktivitäten ergänzen das Behandlungskonzept ebenso<br />

wie die psychosoziale und sozialrechtliche Beratung der Rehabilitanden und<br />

ihrer Angehörigen.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 6


- Entsprechend dem Auftrag e<strong>in</strong>er Phase II – E<strong>in</strong>richtung ist die schulische Förderung<br />

mit E<strong>in</strong>zel- und Gruppenunterricht <strong>in</strong> allen Schularten und –stufen <strong>in</strong><br />

den Tagesablauf <strong>in</strong>tegriert.<br />

- Auf <strong>in</strong>sgesamt 52 Plätzen können im Bereich der berufstherapeuti-<br />

schen Abteilung Belastungserprobung, Arbeitstherapie und berufsvorbereitende<br />

Maßnahmen (Berufsf<strong>in</strong>dung, Arbeitserprobung, Förderungslehrgänge, Vorbereitung<br />

auf e<strong>in</strong>e Werkstatt für Beh<strong>in</strong>derte) <strong>in</strong> den Berufsfeldern Elektrotechnik/Elektronik,<br />

metallverarbeitende Berufe, Technische Kommunikation, kaufmännische/verwaltende<br />

Berufe, Hauswirtschaft, Montage/Anlerntätigkeiten<br />

durchgeführt werden.<br />

Für jeden Rehabilitanden wird basierend auf Vorbefunden sowie den <strong>in</strong> der diagnostischen<br />

E<strong>in</strong>gangsphase erhobenen Befunden und gewonnenen Beobachtungen e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dividueller, se<strong>in</strong>em spezifischem Fähigkeitsprofil entsprechender Therapieplan erstellt.<br />

In <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Teams erarbeiten Ärzte und Psychologen, Sozialpädagogen/-arbeiter,<br />

Schwestern/Pfleger und Erzieher, Physiotherapeuten, Logopäden und<br />

Ergotherapeuten sowie Lehrer und Berufstherapeuten eng zusammen.<br />

6. Besonderheiten der neurologischen Rehabilitation bei K<strong>in</strong>dern<br />

und Jugendlichen<br />

Die neurologische Rehabilitation von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen unterscheidet sich<br />

von der von Erwachsenen <strong>in</strong> 4 wesentlichen Bereichen: Dem Ziel, dem Inhalt, dem<br />

Raum-, dem Personal- und dem Zeitbedarf für die Rehabilitation:<br />

Rehabilitationsziel<br />

Das übergeordnete Rehabilitationsziel ist die Restitution des prätraumatischen <strong>in</strong>dividuellen<br />

Entwicklungspotentials, nicht des prätraumatischen Leistungsniveaus. Insbesondere<br />

als „leicht“ e<strong>in</strong>geordnete Schädelhirntraumen dürfen im K<strong>in</strong>desalter nicht<br />

„leicht genommen“ werden. Sie werden nicht immer folgenlos überstanden. Oft stellen<br />

sich dem Schädelhirntrauma e<strong>in</strong>deutig zuzuordnende Folgen erst im weiteren<br />

Verlauf aufgrund höherer Anforderungen <strong>in</strong> der Schule und im täglichen Leben heraus.<br />

Führen zunehmende Diskrepanzen zwischen bee<strong>in</strong>trächtigten Fähigkeiten und<br />

Anforderungen dann zu Verhaltensauffälligkeiten oder gar Verhaltensstörungen,<br />

handelt es sich nicht um neurotische Fehlentwicklungen u.a. der überbesorgten Eltern,<br />

sondern meist um unfallbed<strong>in</strong>gte Hirnleistungsstörungen, die durch e<strong>in</strong>gehende,<br />

neuropsychologische Untersuchungen fassbar und belegbar s<strong>in</strong>d. Abbildung 1 zeigt<br />

die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Untersuchung von verschiedenen neuropsychologischen Teilleistungen<br />

nach erlittenem Schädelhirntrauma. Dabei wurden Patienten, die <strong>in</strong> jüngeren<br />

Lebensjahren e<strong>in</strong> Schädelhirntrauma erlitten (im 3.-8. Lebensjahr), verglichen mit<br />

solchen, die zum Schädigungszeitpunkt schon älter waren (9-15 Jahre). Die Latenz<br />

zwischen Schädigungszeitpunkt und Untersuchung betrug m<strong>in</strong>destens 2 Jahre und<br />

war bei beiden Gruppen nicht verschieden. Die Kreise im Diagramm repräsentieren<br />

jeweils e<strong>in</strong>e Standardabweichung. Die Darstellung als Kreisdiagramm zeigt, dass die<br />

verschiedenen Leistungsbereiche durchaus unterschiedlich gestört se<strong>in</strong> können. Es<br />

wird sehr deutlich, dass Patienten, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em frühen Lebensalter e<strong>in</strong> Schädelhirn-<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 7


trauma erlitten hatten, <strong>in</strong> der Nachuntersuchung deutlich schlechtere Leistungen<br />

zeigten als solche, die beim Schädigungszeitpunkt schon älter waren.<br />

(3 - 8 YEARS, n = 52)<br />

VISUAL REACTION<br />

TIME<br />

Z<br />

LANGUAGE<br />

SKILLS<br />

+1<br />

0<br />

-1<br />

EXECUTIVE SKILLS<br />

-2<br />

MEMORY<br />

Langzeitverlauf nach SHT<br />

- Lebensalter bei Schädigung -<br />

-3 -2 -1 0 +1 Z<br />

Circles represent one standard deviation each <strong>in</strong> relation to the mean of healthy age groups<br />

(fortified circle) for test results <strong>in</strong> different doma<strong>in</strong>s<br />

-3<br />

MOTOR SPEED<br />

VISUAL-SPATIAL<br />

SKILLS<br />

(9 - 15 YEARS, n = 64)<br />

VISUAL REACTION<br />

TIME<br />

Z<br />

LANGUAGE<br />

SKILLS<br />

+1<br />

0<br />

-1<br />

EXECUTIVE SKILLS<br />

-2<br />

-3<br />

MEMORY<br />

-3 -2 -1 0 +1 Z<br />

Circles represent one standard deviation each <strong>in</strong> relation to the mean of healthy age groups<br />

(fortified circle) for test results <strong>in</strong> different doma<strong>in</strong>s<br />

MOTOR SPEED<br />

VISUAL-SPATIAL<br />

SKILLS<br />

Rehabilitations<strong>in</strong>halt<br />

Das im Vergleich zur Rehabilitation Erwachsener anders def<strong>in</strong>ierte Therapieziel bed<strong>in</strong>gt<br />

andere Rehabilitations<strong>in</strong>halte:<br />

- Der Fokus auf die Entwicklungs- und Lernfähigkeit erfordert e<strong>in</strong>e altersspezifische<br />

neuropsychologische Diagnostik und Therapie<br />

- Die hier gewonnenen Erkenntnisse und Therapieergebnisse müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e pädagogisch<br />

orientierte Arbeit übertragen werden<br />

- Die Therapie pädagogisch-psychologischer Probleme, <strong>in</strong>sbesondere der Abbau<br />

von Entwicklungshemmungen betrifft vorschulische, schulische und berufliche<br />

Leistungen. Expertise und Infrastruktur muss daher <strong>in</strong> allen diesen Bereichen<br />

vorgehalten werden<br />

- Entwicklungsbed<strong>in</strong>gte, durch die Erkrankung verstärkte psycho-soziale Auffälligkeiten<br />

müssen mitbehandelt werden.<br />

- Das für die Phasene<strong>in</strong>teilung maßgebliche Kriterium der „Selbständigkeit“ muss<br />

altersentsprechend adaptiert werden<br />

- Die für e<strong>in</strong>e normale Entwicklung von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen notwendige<br />

Gruppendynamik (peer group) muss berücksichtigt werden<br />

- Die Familiendynamik (psychologische Belastung durch die Trennung von den Eltern,<br />

Eltern-K<strong>in</strong>d-Interaktionen, Familienorganisation) muss berücksichtigt werden<br />

- Die Nachhaltigkeit der rehabilitativen Maßnahme kann nur durch e<strong>in</strong>e poststationäre<br />

Begleitung <strong>in</strong> Schule, Ausbildung und Beruf erreicht werden.<br />

- Regelhafte Nachuntersuchungen s<strong>in</strong>d notwendig, um Lernstörungen zu entdecken<br />

und e<strong>in</strong>er Therapie zuzuführen, die erst Jahre nach dem Trauma bei erhöhten<br />

Leistungsanforderungen auftreten.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 8


Raum- und Personalbedarf<br />

Aufgrund der anderen Rehabilitations<strong>in</strong>halte ist der Raumbedarf für die neurologische<br />

Rehabilitation von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen höher, und zwar<br />

- quantitativ, da die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Begleitung durch Erziehungsberechtigte möglich<br />

se<strong>in</strong> muss (room<strong>in</strong>g <strong>in</strong>) und<br />

- qualitativ, da die Räumlichkeiten der Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung an die entwicklungsspezifischen<br />

Besonderheiten angepasst werden müssen: k<strong>in</strong>dgerechte<br />

Zimmer, Aufenthaltsräume.<br />

Auch der Personalbedarf ist höher, und zwar<br />

- quantitativ durch die notwendige Aufsichtspflicht und vermehrt notwendige<br />

Betreuung und Jugendlichen<br />

- qualitativ durch die besondere Bedeutung der pädagogischen therapeutischen<br />

Leistungen.<br />

K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e „kle<strong>in</strong>en Erwachsenen“. Dies trifft nicht nur für die Akutversorgung<br />

zu, sondern auch und <strong>in</strong>sbesondere für die Rehabilitation. Junge Menschen brauchen<br />

e<strong>in</strong> therapeutischen Milieu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em altersgerechten Sett<strong>in</strong>g, das auf die besonderen<br />

Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet ist.<br />

Zeitbedarf<br />

- Die Orientierung an e<strong>in</strong>e neue Umgebung dauert bei K<strong>in</strong>dern länger<br />

- Untersuchungen und Therapien dauern bei reduzierter Compliance und Belastbarkeit<br />

länger<br />

Erfolgreiche Rehabilitation mit dem Ziel der Re<strong>in</strong>tegration braucht Zeit, und zwar im<br />

allgeme<strong>in</strong>en viele Monate. E<strong>in</strong>ige Wochen e<strong>in</strong>er noch so <strong>in</strong>tensiven Akkumulation<br />

von Anwendungen genügen nicht. Auch wenn es <strong>in</strong> solch kurzer Zeit gel<strong>in</strong>gen sollte<br />

– was selten möglich ist -, e<strong>in</strong>en gelähmten Arm wieder zum Greifen, e<strong>in</strong> gelähmtes<br />

Be<strong>in</strong> wieder zum Gehen zu befähigen, reicht dies alle<strong>in</strong> nicht, um e<strong>in</strong>en jungen Menschen,<br />

der durch Unfall oder Erkrankung aus se<strong>in</strong>em bisherigen Leben herausgerissen<br />

wurde, wieder zu befähigen, Neues zu begreifen, für sich e<strong>in</strong>en neuen Lebensweg<br />

zu f<strong>in</strong>den und diesen erfolgreich gehen zu können. Das zu erreichen ist aber<br />

Ziel aller Rehabilitation. Und unsere Aufgabe ist es, junge Menschen – und mit ihnen<br />

ihre Angehörigen – dabei zu unterstützen, ihren Weg - e<strong>in</strong>en neuen Weg – zurück <strong>in</strong><br />

die Familie und Gesellschaft, zurück <strong>in</strong> die Schule, die Ausbildung und den Beruf zu<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

7. Ergebnisse<br />

Basierend auf der Auswertung der Rehabilitationsverläufe von 2 547 der <strong>in</strong> den vergangenen<br />

15 Jahre entlassenen Rehabilitanden werden nachfolgend die Ergebnisse<br />

unserer rehabilitativen Arbeit dargestellt.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 9


Bei Graduierung nach dem <strong>in</strong>dividuellen Pflege-/Betreuungsbedarf – analog den <strong>in</strong>ternational<br />

üblichen Pflegekategorien – waren bei der Aufnahme nur 2,4% dieser 2<br />

547 Rehabilitanden lebenspraktisch weitgehend selbständig. Insgesamt 84% waren<br />

auf häufige oder vielfältige Hilfen angewiesen und 13,6% waren vollkommen hilflos.<br />

Stellt man diesem E<strong>in</strong>gangsbefund die Graduierung des mediz<strong>in</strong>ischen Ergebnisses<br />

analog der von JENNET u. Mitarb. 1975 e<strong>in</strong>geführten, <strong>in</strong>ternational angewandten<br />

Glasgow-Outcome-Scale (GOS) gegenüber (Abbildung 2), so hatten sich bis zur<br />

Entlassung 35% der Patienten völlig erholt (VE) oder zeigten nur m<strong>in</strong>imale neurologische<br />

Restsymptome, d. h. Folgen, denen für sich alle<strong>in</strong> genommen ke<strong>in</strong> Beh<strong>in</strong>derungsgrad<br />

zukommt (FkB). 45,3% waren mäßig beh<strong>in</strong>dert, aber unabhängig (MB).<br />

18,7% waren schwerbeh<strong>in</strong>dert und <strong>in</strong> unterschiedlichem Ausmaß auf Fremdhilfe angewiesen<br />

(SB). 1% (n=26) verblieben im vegetativen Zustand/apallischen Syndrom<br />

(VZ), wovon zwei Patienten verstarben.<br />

Abb. 2<br />

Mediz<strong>in</strong>isches Ergebnis 1985 - 1999 (n=2547)<br />

Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 n %<br />

VE 3 46 4 54<br />

FkB 32 643 125 36 836 35,0<br />

1<br />

MB 26 769 270 89 1154 45,3<br />

SB 1 116 165 195 477<br />

VZ - - 1 + 25 1+ 26 1,0<br />

62 1574 565 346 2547<br />

2,4% 84,0% 13,6%<br />

18,7<br />

Neurologisches Rehabilitationszentrum “<strong>Friedehorst</strong>”<br />

Bremen, 06/00<br />

Zusammenfassend konnten 70,7% der schulpflichtigen Rehabilitanden nach der Entlassung<br />

an ihre alte Schule zurückkehren.<br />

Von 823 der während 15 Jahren entlassenen Rehabilitanden, für die altersbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>e berufliche Wiedere<strong>in</strong>gliederung anstand, waren bei der Aufnahme nur 2,3% lebenspraktisch<br />

weitgehend selbständig. Nach Entlassung konnten 30,1% e<strong>in</strong>e Tätigkeit<br />

auf dem allgeme<strong>in</strong>en Arbeitsmarkt wahrnehmen und 25,8% e<strong>in</strong>e weiterführende<br />

berufsvorbereitende Maßnahme andernorts wahrnehmen (Abb. 3). E<strong>in</strong> gutes Viertel<br />

unserer Rehabilitanden konnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Werkstatt für Beh<strong>in</strong>derte <strong>in</strong>tegriert werden,<br />

während bei 18,1 % bei Entlassung ke<strong>in</strong>e Aussage möglich war. In dieser Gruppe<br />

fanden sich Patienten, die wegen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkurrenten Erkrankung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Akutkrankenhaus<br />

verlegt werden mussten, die die Rehabilitation aus verschiedenen Gründen<br />

abbrechen mussten, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung verlegt wurden,<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 10


wie auch Patienten, die zum Entlassungszeitpunkt noch nicht e<strong>in</strong>er regelmäßigen<br />

Tätigkeit zugeführt werden konnten.<br />

Abb. 3<br />

Berufliches Ergebnis 1985 - 1999<br />

-Ort Ort der Tätigkeit/Ausbildung-<br />

Tätigkeit/Ausbildung<br />

allgem. Arbeitsmarkt<br />

Berufsbildungswerk<br />

Werkstatt für Beh<strong>in</strong>derte<br />

ke<strong>in</strong>e Aussage möglich<br />

(n=823)<br />

Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 n %<br />

5<br />

5<br />

3<br />

6<br />

19<br />

2,3%<br />

202<br />

172<br />

148<br />

102<br />

624<br />

33<br />

26<br />

47<br />

29<br />

135<br />

8<br />

9<br />

16<br />

12<br />

45<br />

92,2% 5,5%<br />

248<br />

212<br />

214<br />

149<br />

823<br />

30,1<br />

25,8<br />

26,0<br />

18,1<br />

Neurologisches Rehabilitationszentrum “<strong>Friedehorst</strong>”<br />

Bremen, 06/00<br />

Alle Ergebnisse zusammengefasst konnten bei der Entlassung 70,7% der weiterh<strong>in</strong><br />

Schulpflichtigen an ihre alte Schule zurückkehren und 58,7% der Jugendlichen und<br />

jungen Erwachsenen e<strong>in</strong>e weiterführende Berufsvorbereitung, e<strong>in</strong>e Ausbildung oder<br />

e<strong>in</strong>e Tätigkeit auf dem allgeme<strong>in</strong>en Arbeitsmarkt wahrnehmen, obwohl bei der Aufnahme<br />

nur 2,4% unserer Rehabilitanden auf Stationsebene e<strong>in</strong>igermaßen lebenspraktisch<br />

selbständig waren<br />

Gegenüber e<strong>in</strong>erseits grenzenlosem Euphemismus und andererseits abgrundtiefem<br />

Nihilismus h<strong>in</strong>sichtlich der Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten und somit<br />

der Chancen e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>tegration nach schweren Verletzungen oder Erkrankungen<br />

des Gehirns belegen diese Zahlen, dass e<strong>in</strong>e umfassende, <strong>in</strong>tegrierte Rehabilitation<br />

– <strong>in</strong>sbesondere wenn früh beg<strong>in</strong>nend – nicht nur s<strong>in</strong>nvoll und wichtig, sondern erfolgversprechend<br />

ist.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 11


8. Das NRZ im Gesamtkonzept von <strong>Friedehorst</strong><br />

Das NRZ ist e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> das Gesamtkonzept von <strong>Friedehorst</strong>, das neben dem<br />

NRZ noch e<strong>in</strong> Berufsförderungswerk, e<strong>in</strong>en Altenpflegebereich und e<strong>in</strong>en Beh<strong>in</strong>dertenbereich<br />

umfasst. Damit bietet <strong>Friedehorst</strong> beh<strong>in</strong>derten Menschen e<strong>in</strong> umfassendes<br />

Angebot. Im Anschluss an die neurologische Rehabilitation können die Patienten<br />

entsprechend des Rehabilitationserfolges entweder<br />

- im Berufsförderungswerk umgeschult werden<br />

- im Beh<strong>in</strong>dertenbereich oder<br />

- auf der Wachkoma-Station „Via Vita“<br />

weiter versorgt werden, ohne dass sie das im Verlauf der Rehabilitation gewohnte<br />

Umfeld verlassen müssen.<br />

Berufsförderungswerk<br />

Das Berufsförderungswerk Bremen-Lesum engagiert sich für Chancengleichheit und<br />

berufliche E<strong>in</strong>gliederung auf dem Arbeitsmarkt. In enger Kooperation mit Arbeitsamt,<br />

Berufsgenossenschaften, Rentenversicherungsträgern, Kammern, Ämtern, Gewerkschaften<br />

und anderen Stellen werden zukunftsorientierte Qualifizierungsangebote<br />

entwickelt.<br />

Kernbereich ist die berufliche Rehabilitation durch Umschulung. Sie dauert <strong>in</strong> der<br />

Regel zwei Jahre. Das breite Spektrum gewerblich-technischer, kaufmännischverwaltender<br />

und sozial-pflegerischer Berufe wird laufend aktualisiert. Enge Verzahnung<br />

von Theorie und Praxis, technologische Ausstattung auf hohem Niveau und<br />

moderne Unterrichtsformen sichern den Lernerfolg. Spezielle erwachsenenpädagogische<br />

E<strong>in</strong>stiegshilfen erleichtern die Umstellung auf die neue Lernsituation. Rehabilitationsvorbereitungslehrgänge<br />

frischen Grundlagenkenntnisse auf und vermitteln Methoden<br />

der Wissensaneignung. Berufsf<strong>in</strong>dungen führen zu fundierten Berufsentscheidungen.<br />

Arbeitserprobungen bieten Gelegenheit, heutige Anforderungen des<br />

Arbeitslebens praxisnah kennenzulernen und berufliche Kompetenzen auf den neuesten<br />

Stand zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Förderprogramme, Projekte und Fortbildungen für spezielle Personengruppen und<br />

zur Anpassung an sich verändernde berufliche Anforderungen erweitern das Umschulungsangebot.<br />

Begleitet werden alle Angebote des BfW durch soziale, psychologische,<br />

mediz<strong>in</strong>ische und seelsorgerliche Betreuung.<br />

Beh<strong>in</strong>dertenbereich<br />

Körperlich, geistig und mehrfachbeh<strong>in</strong>derte Menschen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>Friedehorst</strong> viele<br />

Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse zu entwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.<br />

Unterschiedliche Wohnformen bieten Raum für die Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

eigenen Lebensstils. Sozialpädagogische und therapeutische Angebote stärken die<br />

Fähigkeit zur Selbstgestaltung. Ergotherapie, Krankengymnastik und psychomotorisches<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Bewegungsbäder, Massagen und Lymphdra<strong>in</strong>agen, heilpädagogische<br />

Maßnahmen und psychologische Begleitung s<strong>in</strong>d Bauste<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>es umfassenden<br />

Rehabilitationsprogramms. Regelmäßig betreuen Ärzte verschiedener Fachrichtungen<br />

die Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 12


Wachkomastation Via Vita<br />

Menschen zu verstehen, die sich nicht <strong>in</strong> gewohnter Weise mitteilen können, ist die<br />

größte Herausforderung für das Team ViaVita – der Station für Elevation und Pflege<br />

<strong>in</strong> <strong>Friedehorst</strong>.<br />

Elevation – ganzheitliche körperliche und seelische Aufrichtung von Menschen mit<br />

schweren neurologischen Leiden – und umfassende Berücksichtigung ihrer Lebensbedürfnisse<br />

ist Ziel von ViaVita. Pflege- und Therapiekonzept, räumliche Gestaltung<br />

und Personalausstattung s<strong>in</strong>d auf die spezielle Betreuung und Förderung von 20 bis<br />

60jährigen Menschen mit erworbenen neurologischen Leiden ausgerichtet. Hierzu<br />

gehören unter anderem<br />

- Langzeitfolgen von schwerem Schädel-Hirntrauma<br />

- Zustände nach Reanimation oder Hirnblutung<br />

- Hirntumor<br />

- Wirbelsäulenverletzungen mit Querschnittslähmung<br />

- Apallisches Syndrom (Wachkoma)<br />

Die Pflegekonzeption beruht auf dem Modell existenzieller Erfahrungen und Aktivitäten<br />

des täglichen Lebens nach Monika Krohw<strong>in</strong>kel. Der ganzheitlich orientierte Pflegeprozess<br />

wird ärztlich und therapeutisch begleitet. Er wird ständig überprüft und<br />

fortlaufend der <strong>in</strong>dividuellen Entwicklung angepasst, um persönliche Ressourcen zu<br />

erkennen, zu stärken und gezielt zu fördern.<br />

Hohen Stellenwert hat die Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Als wichtige Bezugspersonen<br />

der Betroffenen br<strong>in</strong>gen sie wertvolle H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> die Pflegeplanung<br />

e<strong>in</strong> und werden e<strong>in</strong>bezogen <strong>in</strong> die Umsetzung von lebenspraktischen Handlungen<br />

und Alltagsaktivitäten. Sie unterstützen sich gegenseitig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Selbsthilfegruppe<br />

und tragen engagiert zur Weiterentwicklung der Betreuungskonzeption bei.<br />

Das Stationsteam ist zusammengesetzt aus Pflegefachkräften (Kranken- und Altenpflege),<br />

Pflegehilfspersonal und Therapeuten (Ergotherapie, Krankengymnastik). Das<br />

Therapieangebot wird ergänzt durch externe Fachkräfte (Musiktherapie, Logopädie).<br />

Die fachärztliche Versorgung (<strong>in</strong>ternistisch/anästhesiologisch/schmerztherapeutisch<br />

und allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>isch) mit nächtlicher Rufbereitschaft wird durch den hauseigenen<br />

Ärztlichen Dienst gewährleistet.<br />

Die psychosoziale Betreuung durch Pflegeteam, ärztlichen, therapeutischen und<br />

seelsorgerlichen Dienst wird ergänzt durch e<strong>in</strong>e Sozialpädagog<strong>in</strong>.<br />

Die Aufnahme erfolgt auf Grundlage des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI).<br />

9. Zusammenfassung<br />

Mit den oben dargestellten verschiedenen Bereichen ist <strong>Friedehorst</strong> <strong>in</strong> der Lage, für<br />

Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong>sbesondere durch Erkrankungen des zentralen<br />

und peripheren Nervensystems e<strong>in</strong> Gesamtkonzept anzubieten. Durch das breitgefächerte<br />

Leistungsspektrum ist die Integration <strong>in</strong> Beruf und das häusliche soziale Umfeld<br />

durch die Arbeit des neurologischen Rehabilitationszentrums und das Berufsförderungswerkes<br />

ebenso möglich wie die Betreuung und Förderung von Menschen mit<br />

Beh<strong>in</strong>derungen <strong>in</strong> unserer E<strong>in</strong>richtung.<br />

Autor<strong>in</strong>: A. Ritz 13

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