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Museum leipzig

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literaturauswahl<br />

in der kunstwissenschaftlichen<br />

Bibliothek des <strong>Museum</strong>s der<br />

bildenden Künste Leipzig<br />

Karin Mayer-Pasinski, Max<br />

Klingers Brahmsphantasie,<br />

Frankfurt am Main 1982<br />

Annegret Friedrich, Das<br />

Prometheus-Thema bei Max<br />

Klinger, unveröff. Magisterarbeit,<br />

Universität Tübingen 1982<br />

Max Klinger. Wege zum<br />

Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat.,<br />

Hildesheim, Roemer- und<br />

Pelizaeus-<strong>Museum</strong> 1984, Mainz<br />

1984<br />

Vom Klang der Bilder.<br />

Die Musik in der Kunst des<br />

20. Jahrhunderts, Ausst.-Kat.,<br />

Staatsgalerie Stuttgart 1985, hrsg.<br />

von Katrin von Maur, München,<br />

1985: Prestel 1985<br />

Ursula Kersten, Max Klinger und<br />

die Musik, Frankfurt am Main<br />

1993<br />

Jan Brachmann, Ins Ungewisse<br />

hinaus. Johannes Brahms und<br />

Max Klinger im Zwiespalt von<br />

Kunst und Kommunikation,<br />

Kassel 1999<br />

Walter Frisch, German Modernism:<br />

Music and the Arts, Berkeley:<br />

University of California Press<br />

2005<br />

Max Klinger<br />

Der befreite Prometheus, Blatt 41 der Brahmsphantasie (Opus XII), 1884<br />

<strong>Museum</strong> der bildenden Künste Leipzig<br />

Klimt hatte seinen berühmten<br />

Beethoven-Fries als Wanddekoration<br />

entworfen, in dem er Leit motive<br />

der Neunten Symphonie in der<br />

Textinterpretation durch Richard<br />

Wagner bildnerisch umsetzte. Der<br />

Architekt Josef Hoffmann hatte<br />

den Ausstellungsraum mit abstrak<br />

ten Gipsreliefs gestaltet, die<br />

sich kontrapunktisch zueinander<br />

verhielten. „Dieses Gesamtwir ken<br />

aller bildenden Künste“, so schrieb<br />

Klinger in seinem Begleittext zur<br />

Ausstellung, „entspricht dem,<br />

was Wagner in seinen musika-<br />

Eine Einrichtung der Stadt Leipzig<br />

www.mdbk.de<br />

Text: Dr. Frédéric Bußmann<br />

Gestaltung: Harald Richter, Hamburg<br />

© <strong>Museum</strong> der bildenden Künste Leipzig, Mai 2012<br />

lischen Dramen anstrebte und<br />

erreichte.“<br />

Um die synästhetische<br />

Erfahrung der Ausstellung noch zu<br />

steigern, hatte Gustav Mahler die<br />

markantesten Stellen von<br />

Beethovens Neunter Symphonie<br />

für Bläser neu bearbeitet und zur<br />

Aufführung gebracht. Musik sollte<br />

sichtbar und Literatur hörbar<br />

werden. „Freude schöner Götterfunke“,<br />

nach Friedrich Schillers in<br />

Leipzig geschriebener Ode an die<br />

Freude, wurde so zum Leitmotiv<br />

der Ausstellung, in der die ver-<br />

einten Künste in einer sakral<br />

anmutenden Stimmung gefeiert<br />

wurden. Mit seinem Beethoven<br />

hatte Klinger das zentrale Kultbild<br />

dieses Tempels aus dem Geist der<br />

Musik geschaffen. „Die Künste<br />

führen uns in das ideale Reich<br />

hinüber, in dem allein wir reine<br />

Freude, reines Glück, reine Liebe<br />

finden können“, schließt der<br />

Katalog von 1902 in Anlehnung an<br />

Erlösungsfantasien des Fin de<br />

siècle – „Diesen Kuß der ganzen<br />

Welt!“<br />

www.notenspur.de<br />

<strong>Museum</strong> der bildenden Künste <strong>leipzig</strong><br />

in der Leipziger Notenspur<br />

D i e S A M M l u n g<br />

Max Klinger und die Musik<br />

Max Klinger bei der Arbeit am Beethoven-Denkmal, 1902<br />

Kleine Werkmonographie Nr. 42


lebensdaten<br />

MAx Klinger<br />

1857 in Leipzig geboren<br />

1874–76 Studium in Karlsruhe<br />

und Berlin; 1877–93 Aufenthalte<br />

in Berlin, Brüssel, München, Paris<br />

und Rom; ab 1893 wieder Leipzig<br />

1920 in Großjena gestorben<br />

robert SchuMAnn<br />

1810 in Zwickau geboren<br />

1828 Umzug nach Leipzig, wo er<br />

seine musikalische Ausbildung<br />

erhält und Sinfonien, Liederzyklen<br />

und Kammermusik komponiert;<br />

1834 Gründung der<br />

Neuen Zeitschrift für Musik, 1840<br />

Heirat mit Clara Wieck und 1843<br />

durch die Vermittlung Mendelsohns<br />

Lehrtätigkeit am Konservatorium<br />

in Leipzig; 1844 Umzug<br />

zuerst nach Dresden und dann<br />

nach Düsseldorf<br />

1856 in Endenich (Bonn)<br />

gestorben<br />

JohAnneS brAhMS<br />

1833 in Hamburg geboren<br />

1853 erster Aufenthalt in Leipzig,<br />

wo Breitkopf & Härtel seine Komposition<br />

verlegen; in den folgenden<br />

drei Jahrzehnten immer<br />

wieder Auftritte als Dirigent und<br />

Musiker, darunter<br />

1879 Uraufführung seines Violinkonzert<br />

D-Dur unter seiner<br />

Leitung im Leipziger Gewandhaus<br />

1897 in Wien gestorben<br />

luDwig vAn beethoven<br />

1770 geboren in Bonn; seit 1792<br />

in Wien<br />

1800 wichtige Teile seiner Kompo<br />

si tionen werden bei Breitkopf &<br />

Härtel in Leipzig verlegt<br />

1808 Uraufführung seines Tripelkonzerts<br />

und 1811 Urauf führung<br />

des 5. Klavier konzerts im<br />

Leipziger Gewand haus<br />

1827 in Wien gestorben<br />

Max Klinger<br />

Accord, Blatt 1 der Brahmsphantasie (Opus XII), 1884<br />

<strong>Museum</strong> der bildenden Künste Leipzig<br />

MAx Klinger unD Die MuSiK<br />

Max Klinger, der selbst musizierte,<br />

hat sich intensiv mit dem Verhältnis<br />

von Musik und bildender Kunst<br />

auseinandergesetzt. Er ehrte nicht<br />

nur Komponisten wie Beethoven,<br />

Brahms, Liszt oder Wagner durch<br />

Büsten und Denkmäler. Klinger<br />

interpretierte auch Thema und<br />

Stimmung ihrer Musikstücke in<br />

seinen Grafiken. Nicht zuletzt sind<br />

die Bezeichnungen seiner Grafikreihen<br />

als Opus und Titel wie<br />

Capriccio, Intermezzo oder<br />

Phantasie der musikalischen<br />

Terminologie entlehnt. Seine<br />

Lebensgefährtin Elsa Asenijeff<br />

charakterisiert Klingers Kunst<br />

zutreffend als „eine in Stein oder<br />

durch Griffel und Stift gebannte<br />

Musik“.<br />

Besonders fühlte sich Klinger<br />

den Komponisten Robert<br />

Schumann, Johannes Brahms und<br />

Ludwig van Beethoven verbunden.<br />

Schumann widmete er die<br />

Intermezzi Opus II (1879) und<br />

Intermezzi Opus IV (1881). Neben<br />

thematischen Anleihen weisen sie<br />

auch in ihrem Aufbau mit Thema,<br />

Variationen, Zwischenspielen und<br />

Coda Strukturen von Musikstücken<br />

auf. Durch die Kombination unterschiedlicher<br />

grafischer Techniken<br />

versuchte Klinger dazu, musikalische<br />

Stimmungen umzusetzen.<br />

„Ich liebe die schumannsche<br />

Musik außerordentlich und behaupte<br />

und glaube von seiner<br />

Compositionsweise viel beeinflusst<br />

zu sein“, fasste Klinger 1880<br />

in einem Brief das enge Verhältnis<br />

zu dessen Musik zusammen.<br />

KlingerS brAhMSPhAntASie<br />

(oPuS xii)<br />

Klingers bekanntestes grafisches<br />

Bekenntnis zur Musik ist seine<br />

Brahmsphantasie Opus XII (1894).<br />

Die Grafiken begleiten fünf Lieder<br />

für Singstimme und Klavier von<br />

Johannes Brahms und dessen<br />

Vertonung des Schicksalsliedes<br />

aus Hölderlins Hyperion. Ergänzt<br />

werden sie durch Darstellungen<br />

zur Prometheus-Sage, die im<br />

Zentrum des Schicksalsliedes<br />

steht. Brahms Musik sollte nicht<br />

illustriert werden, sondern es ging<br />

Klinger darum, „von den Empfindungen<br />

aus, in die uns Dichtung<br />

und vor allem Musik zieht [...]<br />

Blicke über den Gefühlskreis zu<br />

werfen, und von da aus mitzuse-<br />

hen, weiterzuführen, zu verbinden<br />

und zu ergänzen“. Anerken nend<br />

schrieb der Kom ponist dem<br />

Künstler zum Dank: „Ich sehe die<br />

Musik, die schönen Worte dazu –<br />

nun tragen mich ganz unvermerkt<br />

Ihre herrlichen Zeichnungen<br />

weiter“.<br />

Den drei Grafiken Accorde,<br />

…vocation und der Befreite Prometheus<br />

kommt in der Phantasie eine<br />

besondere Bedeutung zu. Die<br />

Grafiken sind durchdrungen von<br />

Klang assozia tionen. Klinger verdichtet<br />

hier musikalische Einflüsse<br />

und bildende Kunst zu<br />

Stimmungsbildern zwischen Traum<br />

und Wirklichkeit. Harfe und Klavier,<br />

auf den ersten beiden Blättern,<br />

und eine stürmische See vor<br />

beweg tem Himmel wecken die<br />

Vorstellung von Klängen und<br />

Geräuschen. Auf Accorde spielt ein<br />

Mann – er trägt die Züge<br />

Klingers – Klavier und wird dabei<br />

von einer Notenumblätterin<br />

begleitet. Die dadurch erzeugten<br />

Stim mungen und Vorstellungen<br />

werden als Fantasiewelt auf den<br />

übrigen Bildpartien fortgeführt: an<br />

eine Harfe geklammert der<br />

Meeresgott Triton und zwei im<br />

Max Klinger<br />

…vocation, Blatt 19 der Brahmsphantasie (Opus XII), 1884<br />

<strong>Museum</strong> der bildenden Künste Leipzig<br />

Wasser spielende Nymphen, dahinter<br />

stürmische Wellen mit einem in<br />

Not geratenem Schiff und eine wol-<br />

ken um wobene Gebirgs landschaft.<br />

Auf …vocation konzentriert sich<br />

Klinger weniger auf die inneren<br />

Stimmungsbilder als vielmehr auf<br />

die äußere Inspiration durch die<br />

Natur und die weibliche Schönheit.<br />

Im Zentrum steht eine Harfe vor<br />

tobender See. Ihre Vorderseite mit<br />

einer Dionysos-Maske ist dem<br />

Künstler-Pianisten zugewandt, ein<br />

geflügelter Apollo an ihrer Rückseite<br />

wird von der nackten Frau<br />

und anregenden Muse begrüßt.<br />

Die Harfe, das Instru ment des<br />

Gottes der Künste und Wissenschaf<br />

ten Apollo, verweist zusammen<br />

mit der Maske auf Friedrich<br />

Nietzsches Vorstellung vom Dionysischen<br />

und Apollini schen, von<br />

der rauschhaften Musik und der<br />

rationalen bildenden Kunst, die<br />

vereint zu einer neuen Kunstform<br />

führen sollen.<br />

Der auf …vocation im Himmel<br />

gezeigte Titanenkampf verweist<br />

auf die im Zyklus folgenden Darstellungen<br />

zur Prometheus-Sage<br />

und vor allem auf das letzte Blatt,<br />

den Befreiten Prometheus. Max<br />

Klinger stellt sich hier wie auf den<br />

anderen beiden Blättern selbst dar.<br />

Statt als musikalischen Künstler<br />

sehen wir ihn nun als den einsamen<br />

Schöpfergott Prometheus.<br />

Die Fesseln sind zwar abgeworfen,<br />

aber seine Haltung ist deutlich:<br />

Das Genie verzweifelt an der Welt.<br />

KlingerS beethoven – eine<br />

SyMPhonie in Stein<br />

Neben Brahms und Schumann<br />

zeigte Klinger eine besondere Verehrung<br />

für Ludwig van Beethoven.<br />

Beethoven wurde im 19. Jahrhundert<br />

häufig mit Prometheus gleichgesetzt<br />

und als Genie hymnisch<br />

gefeiert. Dieser Beethoven-Kult<br />

gründet sich besonders auf den<br />

Einfluss Richard Wagners, der ihn<br />

als „Meister“ verehrte. In seiner<br />

Beethoven-Schrift von 1870 hat<br />

Wagner in der Analyse der Dritten<br />

(…roica) und Neunten Symphonie<br />

nachhaltig Beethovens Ansehen<br />

als schöpferischen Titan geprägt.<br />

Denn er galt Wagner als Erneuerer<br />

der Musik im Sinne des von ihm<br />

geforderten Gesamtkunstwerks.<br />

Die Schriften Wagners und<br />

Nietzsches waren Klinger vertraut,<br />

als er 1886 den Entschluss zu<br />

seiner Beethoven-Skulptur fasste<br />

und bildlich umsetzte, was vorher<br />

geschrieben worden war. Die entscheidenden<br />

Impulse zu seiner<br />

polychromen Skulptur gab ihm<br />

aber die Musik selbst, wie er<br />

schreibt: „Die Idee kam mir eines<br />

schönen Abends in Paris am Klavier,<br />

und so farbig bestimmt und<br />

deutlich, wie nur ganz wenige<br />

Sachen: die Haltung, die Faust, das<br />

rote Gewand, der Adler, der Sessel,<br />

die Falten – sogar die Goldlehne.“<br />

Neben Größe, Material, Haltung<br />

und Ausdruck überhöhte er<br />

Beethoven zu einer gottgleichen,<br />

genialen Schöpfergestalt durch<br />

Attribute wie dem Adler, der als<br />

Symbol des Zeus, des Evangelisten<br />

Johannes und des Prometheus gilt<br />

(siehe Werkmonografie Nr. 24).<br />

Die xiv. SeceSSionS-<br />

AuSStellung von 1902<br />

Klingers Beethoven stand im Zentrum<br />

der XIV. Ausstellung der<br />

Wiener Secession von 1902. Die<br />

Secession verfolgte hier die Idee<br />

des Gesamtkunstwerks, in der<br />

Architektur, Dekoration und<br />

bildende Kunst ein „Raum-Kunstwerk“<br />

ergeben sollten. Gustav<br />

Kurz erklärt<br />

Prometheus<br />

Unsterblicher Titan aus der antiken<br />

Mythologie, Schöpfer des<br />

Menschen geschlechts, der entgegen<br />

den Willen der olympischen<br />

Götter den Menschen das Feuer<br />

brachte und sie mit Weisheit und<br />

Kunstfertigkeit ausstattete. Zur<br />

Strafe an einen Fels gekettet,<br />

wurde ihm jeden Tag auf’s Neue<br />

von einem Adler die Leber aufgefressen.<br />

In der Neuzeit wurde der<br />

gefesselte Prometheus in der<br />

Literatur und Kunst häufig als leidender<br />

Märtyrer im Kampf für die<br />

wissenschaftliche, technische und<br />

künstlerische Selbstbehauptung<br />

des Menschen aufgefasst. Im<br />

19. Jahrhundert wurde<br />

Prometheus auch zum Inbegriff<br />

des Rebellen im Freiheitskampf<br />

gegen göttliche Autoritäten<br />

erhöht.<br />

Das Dionysische und das<br />

Apollinische<br />

Friedrich Nietzsche stellt in seiner<br />

Richard Wagner gewidmeten<br />

Schrift Über die Geburt der<br />

Tragödie (1872) seine Ansichten<br />

zur antiken Kultur dar, die ihm<br />

zufolge nicht nur von einer<br />

harmonischen und rationalen<br />

Gestaltungskraft ge prägt war,<br />

sondern auch das Zügellos-<br />

Rauschhafte umfasste. Die<br />

bildende Kunst, verbunden mit<br />

dem antiken Gott Apollon, stand<br />

für ihn für das Helle und Verstandesmäßige<br />

des Menschen, die<br />

Musik, verbunden mit dem Gott<br />

Dionysos, für das Rauschhafte<br />

und seine dunklen Seiten. In der<br />

Verbindung der beiden Kräfte, so<br />

der junge Nietzsche in Anlehnung<br />

an Wagners Ideen zum Gesamtkunstwerk,<br />

würde der Mensch<br />

zu einer wahren, neuen Kunst und<br />

darüber hinaus zu einem neuen<br />

Lebensentwurf finden.<br />

Prometheus vereine in sich die<br />

beiden Naturen und verkörpere<br />

damit den genialen Schöpfer und<br />

Künstler.

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