DGN Rehazugang 10 Handout
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Die nachfolgende Darstellung benennt die wesentlichen Problembereiche, die eine,<br />
möglichst unmittelbar in die neurologische Rehabilitation integrierte<br />
psychotherapeutische Maßnahme erforderlich machen können.<br />
Im Folgenden wird (im Text neben den Folien) zugleich mit Aufgabenstellungen und<br />
möglichen Problembereichen (in Fett hervorgehoben) die Terminologie (in kursiv<br />
hervorgehoben) dargestellt, die bei der Antragstellung verwendet werden kann.<br />
Die Folien sind - leider - ohne Abbildungen um allfällige Copyrightprobleme zu<br />
vermeiden.<br />
Die Verwechslung von Rehabilitation mit Kur (=Tang/Fango) kann Ursache für die<br />
Ablehnung indizierter Heilverfahren sein. Die Folie zeigt weshalb es sich bei<br />
Rehabilitation um eine hoch spezialisierte und differenzierte Medizin handelt, die in<br />
dem Maße wichtiger wird, je mehr eine erfolgreiche Akutmedizin zur Prävalenz<br />
anhaltender Krankheiten und Behinderungen beiträgt.
Komorbide psychische Störungen bei neurologisch Kranken sind weit verbreitet.<br />
Zwar variieren die Angaben zur Prävalenz teilweise sehr stark. Über die<br />
Unterschiede hinweg sind die Prävalenzen für depressive und andere psychische<br />
Störungen bei stationär und zum Teil auch bei ambulant behandelten neurologisch<br />
Kranken jedoch höher als in der Allgemeinbevölkerung. Nach Schätzungen kommt<br />
es bei einem Drittel bis zur Hälfte neurologisch Kranker und Behinderter im Verlauf<br />
der Erkrankung zu einer psychischen Störung.<br />
Bei Schlaganfall ist lt einer noch aktuellen Übersicht von Robinson etwa in 1/3 der<br />
Fälle mit depressiven Störungen zu rechnen, bei anderen Störungen noch häufiger,<br />
etwa bei MS (50%), bei Parkinson<br />
Auftreten zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf: im Akutstadium als mehr<br />
organisches, später als zunehmend psychosozial bestimmtes<br />
Krankheitsgeschehen.
Nicht alle komorbid psych Kranken brauchen intensivere psychiatrischpsychotherapeutische<br />
Maßnahmen<br />
Vieles lässt sich durch eine oder einige wenige Interventionen oder ärztliche<br />
Führung auflösen<br />
Beobachtungen: PT als Chronifizierungsfaktor, wenn zu sehr auf Bestätigung des<br />
Leids ausgerichtet, eine Gefahr besonders von medizinisch unerfahrenen<br />
Therapeuten (auch dass PT nicht stattfindet )<br />
Andererseits erforderlich: Immerhin <strong>10</strong>%!<br />
Verflechtung somatischer und psychosozialer Störungsanteile ist zum einen schon<br />
in der besonderen Funktion des ZNS selbst begründet<br />
Angesichts der bio-psycho-sozialen Aufgaben des Gehirns ist eine Schädigung<br />
immer schon auch bio-psycho-sozial von Gewicht.<br />
Eigentlich ist es nicht erstaunlich, dass die psych. Komorbidität bei neurologische<br />
Kranken hoch ist, eher stellt sich die Frage, warum nicht noch höher<br />
(Kompensation, Plastizität).
Heute gibt es immer überzeugendere Hinweise, dass sich komorbide psychische<br />
Störungen auf Compliance, Länge des Krankenhausaufenthaltes, erreichbares<br />
funktionelles Ergebnis, Lebensqualität und insbesondere: auch Überlebenszeit!<br />
auswirken.<br />
Das aber heißt: Psychosomatische/psychotherapeutische Maßnahmen können<br />
auch unter einem rein medizinisch-somatischen Blickwinkel (Behandlung der<br />
neurologischen Funktionsbeeinträchtigung, Unterstützung der Behandlung des<br />
Grundleidens) indiziert sein.<br />
Es lohnt sich die diagnostische Fragestellung zu ändern:<br />
Es geht nicht allein um „entweder körperlich oder psychisch“, sondern auch um das<br />
Maß, in dem organische und funktionell psychische Störungsanteile im jeweiligen<br />
Fall beteiligt sind.<br />
Depression und Angst sind führend, wobei sich akut endogene oder organisch<br />
imponierende Bilder zeigen, mit zunehmenden Verlauf mehr „neurotische“ Bilder.
In der Rehabilitation neurologisch, also körperlich Kranker ist es wesentlich,<br />
somatische Aspekte und die Zieldimension der Aktivität und Teilhabe von<br />
vorneherein mit zu berücksichtigen. Zum einen spielt der kranke Körper für das<br />
Erleben des Kranken und seine psychische Verfassung naturgemäß eine zentrale<br />
Rolle: der somatische Befund bestimmt Möglichkeiten und Grenzen<br />
psychotherapeutisch erzielbarer Veränderungen, der kranke Körper oft genug die<br />
individuelle lebenswirklichkeit des Kranken. Zum anderen können psychosoziale<br />
Problemstellungen besonders im sozialen Umfeld des Kranken Ausdruck finden<br />
bzw. von dort aus wesentlich mitgestaltet werden.<br />
Somatoforme nicht seltener, sondern vielleicht sogar häufiger
Bild verändert sich durch Copingstrategien - Bild des optimalen Bewältigers -<br />
bestreitet jede psychische Beeinträchtigung<br />
Per se nicht negativ: akute / progredient chronische Erkrankungen. Wenn dieses<br />
Bewältigungsverhalten jedoch überhand nimmt und unflexibel immer gleich<br />
eingesetzt wird, kann es zu Symptombildungen kommen (nächste Folie):<br />
Somatisierung: Erschöpfung,, mental-kognitive Beeinträchtigungen, chronischer<br />
Schmerz, depressiver Zusammenbruch<br />
nach Schlaganfall von Vorteil?! - Schutz vor Angst und Schmerz, Zeit zur<br />
Entwicklung adaptiver Verarbeitungsstrategien (Herrmann 1992)<br />
Ausgleich Funktionsstörung/Handicap // Eigen-Attribution seelischer Probleme<br />
korreliert mit depressiver Verarbeitung (Riehl-Emde 1989) // Problem of lost<br />
normality<br />
(Prigatano, 1984) // Verhinderung „Katastrophenreaktion“ (Goldstein 1939, 1948)
Noch Klärung erforderlich<br />
F 38.<strong>10</strong> meist symptomfrei - Zürich Studie von Gewicht<br />
Erklärung: Modifikation klinischer Bilder durch die Art der Krankheitsbewältigung<br />
Die Ziele („Zieldimensionen“) einer rehabilitativen Maßnahme lassen sich nach ICF<br />
grundsätzlich auf somatischer Ebene (Gesundheitszustand, Körperfunktion und –<br />
strukturen), auf edukativer Ebene (Gesundheitsinformation und –verhalten), auf<br />
psychosozialer Ebene (Bewältigungsprozess, psychische und soziale Ressourcen)<br />
formulieren; hinzu kommt die Zieldimension der Aktivität und Teilhabe<br />
(Leistungsanforderungen, Funktionsfähigkeit und Funktion im Beruf und Alltag).
Evidente: Reduktion der spezifischen psychischen Symptomatik<br />
Stabilisierung – v.a. bei chronische, Behinderungen, zum Erhalt des erzielten<br />
Funktionsniveaus<br />
Sexualität: v.a. bei jungen Menschen, zB Schlaganfall, MS ....& Beziehung<br />
Für die Frage, inwieweit bei einer neurologischen Erkrankung auch<br />
psychosomatische oder psychiatrisch-psychotherapeutische<br />
Rehabilitationsmaßnahmen indiziert sind, gilt darüber hinaus: „Psychotherapie hilft<br />
bei allem, was über eine Auflösung von Hemmnissen und eine Mobilisierung von<br />
Ressourcen verbessert werden kann“ (Alexander 1951).
Folien so aufgebaut, dass jeweils die Probleme/Aufgabenstellungen den<br />
therapeutischen Ansätzen gegenübergestellt sind.<br />
Die Formulierungen sind so gewählt, dass sie hoffentlich direkt bei Antragstellung<br />
als Steinbruch hilfreich sein können.<br />
Edukation ist besonders wichtig bei noch frischer Erkrankung: Umgang mit<br />
Krankheit / Beeinträchtigung lernen. Ein Bedarf kann aber auch erst nach<br />
Abschluss Akut-Phase zum Vorschein kommen, da bis dahin oft Überzeugung<br />
entlastet, es wird alles wieder gut. Auch bei chronischer Erkrankung / Behinderung<br />
kann ein Intervention erforderlich werden, weil im Verlauf Bewältigungsstrategien<br />
verloren gehen bzw. mangelnde Flexibilität bei bleibenden Behinderungen und<br />
eingespielten Bewältigungsstrategien Anpassung an neue Anforderungen<br />
verhindert - sekundäre Anpassungsstörung. Ziel edukativer Interventionen ist es,<br />
dem Kranken eine bestmögliche Bewältigungskompetenz zu vermitteln, in dem er<br />
aktiv lernt, Informationen zu nutzen und entsprechende Techniken und Strategien<br />
einzusetzen. Mögliche Problembereiche, die sich auf die psychische Verfassung<br />
neurologisch Kranker auswirken können, sind Wissensstand, Risikoverhalten,<br />
Möglichkeiten der Selbstkontrolle, der Selbstverantwortung, die Fähigkeit zur<br />
Stressbewältigung und die individuelle Bewältigungskompetenz allgemein. Ziel der<br />
Interventionen ist neben der Vermittlung von Informationen über die Krankheit ein<br />
Erklärungsmodell für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptomatik<br />
(Symptomauslösende/-aufrechterhaltende Bedingungen) und die Vermittlung eines<br />
psychosomatischen Krankheitsverständnisses, d. h. des biopsychosozialen<br />
Krankheitsmodells im Allgemeinen und des je speziellen psychodynamischen
Auch bei schwer körperlich Kranken/Behinderten – im Sinne einer Erweiterung von<br />
Handlungsspielräumen – hilfreich, die für eine psychosomatische Sichtweise offen<br />
sind: in welchen Bereichen kann ich etwas tun, habe ich ungenutzte Ressourcen,<br />
kann ich mir wieder den Rücken für Krankheits- und Lebensbewältigung stärken<br />
zB: Überzeugung nicht mehr gesund werden zu können = nichts mehr vom Leben<br />
haben können,<br />
... weil möglicherweise progrediente Erkrankung<br />
.... Schuld an Krankheit zu sein<br />
.... Alles richtig gemacht und doch erkrankt zu sein<br />
Bei neurologisch Erkrankten sind Beeinträchtigungen der Emotionalität häufig.<br />
Neben der organischen (Mit-)Verursachung ist zu prüfen, inwieweit Schuld- und<br />
Schamgefühle, ein unvollständiger Trauerprozess, Versagensängste, (im Rahmen<br />
der bisherigen Behandlungen erlebte) Kränkungen, und ungenügende Fähigkeiten<br />
zum Umgang mit Ärger, Wut und Aggression die Störung mitgestalten.<br />
Therapeutische Ansatzpunkte sind die Verbesserung der Affektdifferenzierung und<br />
–wahrnehmung, von Affekttoleranz, Affektausdruck und Impulskontrolle.
Gerade kognitive Störungen verbergen oft emotionale Probleme bzw.<br />
bringen sie verdeckt zum Ausdruck.<br />
In solchen Fällen ist eine integrierte neuropsychologischpsychotherapeutische<br />
Intervention indiziert! Für Pat. mit solcherart<br />
„doppelten“ Störungen wird ambulant nur wenig angeboten<br />
... Angstblockaden<br />
.... Innere Ablenkung<br />
.... Nicht mehr erfassen können = was einem existentiell passiert ist,<br />
nicht fassen können/Fassungslos in emotionaler Hinsicht<br />
Liegen kognitive Beeinträchtigungen vor sind neben<br />
neuropsychologischen Maßnahmen im eigentlichen Sinne – am besten<br />
direkt integrierte – psychotherapeutische Interventionen erforderlich, die<br />
auf die Auflösung dysfunktionaler Kognitionen, die Verbesserung der<br />
Problemlösefähigkeiten und die Verbesserung der Fremdwahrnehmung<br />
abzielen.<br />
Anpassungsstörungen machen eine Stärkung der Bewältigungskompetenzen<br />
erforderlich. Inhaltlich geht es meist darum, dass individuell bestmögliche<br />
Gleichgewicht zwischen Hinnahme und Überwindung der (Tatsache der)<br />
Erkrankung bzw. der resultierenden Funktionsstörungen und Behinderungen zu<br />
finden. Häufige psychische Begleiterscheinungen, die es dabei<br />
psychotherapeutisch aufzugreifen gilt sind Angst, Verlust, Trauer und Depressivität,<br />
dann aber auch Vermeidung, Defizite im Antriebsverhalten und in der<br />
Eigenstrukturierung, Rückzugstendenzen und (sekundäres) Suchtverhalten. Neben<br />
der Bewältigung im engeren Sinne geht es um eine Aktivierung von Ressourcen<br />
und eine Neuorientierung. Optimal ist wenn die Bewältigung der Erkrankung<br />
konstruktiv in ein Mehr an Lebensqualität und eine vertiefte Sinnfindung übergeht.
Gerade nach einer Erkrankung und bei anhaltenden Behinderungen ist eine gute<br />
soziale Kompetenz eine wichtige Hilfe. Zugleich können gerade das<br />
Kommunikationsverhalten und die Beziehungsgestaltung durch die neurologische<br />
Schädigung beeinträchtigt sein. Therapeutisch wird es dementsprechend darum<br />
gehen, die Fähigkeiten des Patienten zu stärken, eigene Anliegen zu verbalisieren<br />
und durchzusetzen – und eine angemessene Kritikfähigkeit zu entwickeln. Dabei<br />
kommt dem Erkennen und Bearbeiten dysfunktionaler Beziehungsmuster eine<br />
wesentliche Bedeutung zu. Der Fähigkeit Kontakte aufzunehmen, steht die<br />
Fähigkeit gegenüber sich abzugrenzen und eine eigene Unabhängigkeit zu<br />
bewahren, dazu ist Konfliktfähigkeit erforderlich.<br />
Zwickmühle:realistisches Selbstbild nicht möglich ohne Abstriche von<br />
Idealbild von sich selbst // Abstriche mit Blick auf Selbst-wirksamkeit /-<br />
vertrauen /-wertgefühl nicht ohne weiters möglich<br />
Neurologische Erkrankungen können mit einer weitgehenden<br />
persönlichen Infragestellung einhergehen. Selbstwert und Identität,<br />
Selbst- und Weltverständnis können erschüttert sein und entsprechende<br />
Interventionen erfordern. Im Mittelpunkt steht oft die Entwicklung eines<br />
realistischen Selbstbildes mit Verbesserung der Selbstwahrnehmung und<br />
der Introspektionsfähigkeit. Dabei konstelliert sich nicht selten die<br />
paradoxe Situation, dass der Kranke, der doch verzweifelt versucht,<br />
„wieder der Alte“ zu werden, zunächst den Verlust akzeptieren muss,<br />
bevor er neues Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entwickeln kann. In<br />
diesem Zusammenhang geht es therapeutisch um eine Verbesserung der<br />
Introspektionsfähigkeit und der Selbstwahrnehmung, um die<br />
Wiederherstellung der Selbstwirksamkeit, um die Steigerung der<br />
Selbstverantwortung und der Eigenmotivation, das alles über eine<br />
Stärkung und Förderung entsprechender Ich-Funktionen.
Im Rahmen einer neurologischen Erkrankung können existenzielle<br />
Herausforderungen auftreten, die auch zu intrapsychischen Konflikten<br />
führen; gegebenenfalls auch solchen, die biographisch weit<br />
zurückreichen. Häufige Konstellationen sind Autonomie-<br />
Abhängigkeitskonflikte, Schuldkonflikte und Konflikte, die um das<br />
Verhältnis zwischen Geben und Nehmen kreisen. Noch bevor eine<br />
Konfliktbearbeitung möglich ist kann es erforderlich sein, den Patienten<br />
entsprechende Kompetenzen zu vermitteln, etwa auf der Ebene des<br />
Kommunikationsverhaltens (Erleben, Emotionen), der Kompetenzen in<br />
der Konfliktbewältigung, der Konflikttoleranz und der<br />
Konfliktwahrnehmung.<br />
Bei MS, Maysthenie, schwerer körperlicher Behinderung der Autonomie<br />
Klärung Selbstwertfrage oftmals Voraussetzung für Akzeptanz<br />
Auch Realitätsprüfung und Kritikfähigkeit können beeinträchtigt sein, und<br />
sich in irrealen Heil(ungs)erwartungen und auch Störungen der<br />
Körperwahrnehmung niederschlagen. Es kann erforderlich sein, mit dem<br />
Patienten zunächst an Krankheitseinsicht und der Anerkennung eines<br />
Behandlungsbedarfs zu arbeiten. Die Wahrnehmung und die Akzeptanz<br />
von Belastungsgrenzen, die Akzeptanz des kranken Körpers, der Abbau<br />
von Tendenzen zur Selbstüberforderung und zu Perfektionismus und die<br />
Förderung der Akzeptanz der Krankheit und der Symptome sind<br />
entsprechende Teilziele der therapeutischen Intervention.
Gelegentlich kann es im Rahmen einer neurologischen Erkrankung zum<br />
Auftreten einer regelrechten posttraumatischen Belastungsstörung<br />
kommen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, stellt eine neurologische<br />
Erkrankung oftmals eine psychisch sehr belastende Lebenserfahrung dar,<br />
zu deren Bewältigung der Kranke therapeutischer Unterstützung bedarf.<br />
Dabei ist zu beachten, dass es im Rahmen der körperlichen Erkrankung<br />
immer wieder zu einer Reaktivierung biographisch früherer traumatischer<br />
Erfahrungen kommen kann, die bis zur Manifestation der Erkrankung<br />
(und der damit verbundenen Erfahrung existentieller Hilflosigkeit) hatten<br />
kompensiert werden können. Neben der Bearbeitung der traumatischen<br />
Erfahrung, die mit der Erkrankung verbunden ist, können andere<br />
Trennungs- und Verlusterlebnisse, sexuelle Gewalterlebnisse und andere<br />
traumatische Lebensereignisse in den Fokus der Therapie rücken. In<br />
vielen Fällen eröffnet die Bearbeitung der biographischen Hintergründe<br />
der Symptomatik und die Bearbeitung der Beziehungen zur<br />
Herkunftsfamilie weitere mögliche Ansatzpunkte der Therapie.<br />
Könnte am Anfang stehen, macht sich aber an dieser Stelle ganz gut, da es zumal<br />
bei chronischen Beeinträchtigungen darum geht<br />
Behandelbarkeit herstellen und längerfristig sichern<br />
Zielklärung immer wieder notwendig
Gerade bei schweren Erkrankungen oder anhaltenden Behinderungen<br />
kommt der Einbeziehung des sozialen Kontextes, zumal der Familie oder<br />
anderer naher Bezugspersonen große Bedeutung zu. Die Interventionen<br />
werden dabei zum einen mit Blick auf den Kranken erfolgen, etwa um<br />
seine Integration zu sichern oder um die Ressourcen des Systems für ihn<br />
optimal nutzbar zu machen. Zum anderen wird es aber auch darum<br />
gehen, allfällige Belastungen der Angehörigen möglichst gering zu<br />
halten.<br />
Eine eigene therapeutische Aufgabenstellung ist die Sicherung der sozialen Integration, v.a.<br />
ins Berufsleben. Ein Beispiel: MS-Kranke sind durch Arbeitsplatzverlust gefährdet und<br />
scheiden oft vorzeitig aus dem aktiven Leben aus. Eine durch psychotherapeutische<br />
Maßnahmen ergänzte berufstherapeutische Intervention, die den Krankheitsverlauf begleitet<br />
und Lösungen für die sich nach und nach einstellenden Probleme erarbeitet, bleibt aber leider<br />
die Ausnahme . Krankheitsbedingte ökonomische Schwierigkeiten können zusätzliche<br />
Belastungen – und psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsanforderungen - mit sich<br />
bringen . Neben der Familie und der primären sozialen Lebenswelt nehmen mit zunehmender<br />
Krankheitsdauer medizinische Institutionen und Patientenorganisationen immer mehr Raum<br />
im sozialen Leben des Patienten ein. So unverzichtbar die medizinische Behandlung auch ist,<br />
und so hilfreich gerade bei der MS die Mitarbeit in Selbsthilfegruppen, so sehr kann sich über<br />
die Jahre eine Ausrichtung des gesamten (Er-) Lebens auf die MS und ihre Folgen einstellen,<br />
in der Behandlungskontext und individuelles Krankheitsverhalten im Sinne einer<br />
fortschreitenden Medizinalisierung des Alltags selbst zu einem Problem werden . Unter<br />
Umständen ist eine Behandlung nicht nur für den Kranken, sondern auch für die Angehörigen,<br />
etwa die Kinder oder den Ehepartner indiziert .
Angehörige können oft ebenfalls ein wesentliches Problem darstellen, sodass die<br />
Intervention auch familientherapeutische Maßnahmen einbeziehen sollte.<br />
• Barolin, GS: Psychotherapie in der (Neuro-)Rehabilitation. Neurol Rehabil 2008:<br />
14: 41 – 49<br />
• Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation. Medizinischer Dienst der<br />
Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS) 2005. http://www.mds-ev.de/<br />
Rehabilitation_Zugang.htm<br />
• Henningsen, P, Gündel, H und Ceballos-Baumann, A (Hrsg.): Neuro-<br />
Psychosomatik. Schattauer, Stuttgart, New York 2006<br />
• *<br />
Schmidt, R und Berger, M: Psychotherapeutische Ansätze bei neurologischen<br />
Erkrankungen und neurologischer Behinderung. In: Wallesch, C-W (Hrsg.):<br />
Neurologie. Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis. Elsevier, Urban und<br />
Fischer, München, Jena 2005, <strong>10</strong>65-73<br />
• *<br />
Schmidt, R, Krauß, B, Schörner, K und Lütgehetmann, R: Vom »entweder –<br />
oder« zum »sowohl als auch«: Die integrierte Versorgung komorbider<br />
neurologischer und funktionell psychischer Störungen im neurologischen Fachund<br />
Rehabilitationskrankenhaus. Neurol Rehabil 2007: 13: 51 – 60<br />
• Therapieziel-Katalog für das Peer Review - Verfahren der Indikationsbereiche<br />
Psychische Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen. http://<br />
www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es im Rahmen der<br />
Rehabilitation neurologischer Erkrankungen und Behinderungen eine<br />
Vielzahl von Indikationen für psychosomatische und<br />
psychotherapeutische Maßnahmen gibt – die viel zu häufig nicht in<br />
Anspruch genommen werden. Sie zu nutzen ist umso indizierter, als sie<br />
nicht nur die psychische Gesundheit und die Lebensqualität verbessern<br />
können, sondern auch wesentlichen Einfluss auf den Verlauf und den<br />
Ausgang der neurologischen Störung nehmen können.<br />
Sonderdrucke unserer Arbeiten können angefordert werden.