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Die nachfolgende Darstellung benennt die wesentlichen Problembereiche, die eine,<br />

möglichst unmittelbar in die neurologische Rehabilitation integrierte<br />

psychotherapeutische Maßnahme erforderlich machen können.<br />

Im Folgenden wird (im Text neben den Folien) zugleich mit Aufgabenstellungen und<br />

möglichen Problembereichen (in Fett hervorgehoben) die Terminologie (in kursiv<br />

hervorgehoben) dargestellt, die bei der Antragstellung verwendet werden kann.<br />

Die Folien sind - leider - ohne Abbildungen um allfällige Copyrightprobleme zu<br />

vermeiden.<br />

Die Verwechslung von Rehabilitation mit Kur (=Tang/Fango) kann Ursache für die<br />

Ablehnung indizierter Heilverfahren sein. Die Folie zeigt weshalb es sich bei<br />

Rehabilitation um eine hoch spezialisierte und differenzierte Medizin handelt, die in<br />

dem Maße wichtiger wird, je mehr eine erfolgreiche Akutmedizin zur Prävalenz<br />

anhaltender Krankheiten und Behinderungen beiträgt.


Komorbide psychische Störungen bei neurologisch Kranken sind weit verbreitet.<br />

Zwar variieren die Angaben zur Prävalenz teilweise sehr stark. Über die<br />

Unterschiede hinweg sind die Prävalenzen für depressive und andere psychische<br />

Störungen bei stationär und zum Teil auch bei ambulant behandelten neurologisch<br />

Kranken jedoch höher als in der Allgemeinbevölkerung. Nach Schätzungen kommt<br />

es bei einem Drittel bis zur Hälfte neurologisch Kranker und Behinderter im Verlauf<br />

der Erkrankung zu einer psychischen Störung.<br />

Bei Schlaganfall ist lt einer noch aktuellen Übersicht von Robinson etwa in 1/3 der<br />

Fälle mit depressiven Störungen zu rechnen, bei anderen Störungen noch häufiger,<br />

etwa bei MS (50%), bei Parkinson<br />

Auftreten zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf: im Akutstadium als mehr<br />

organisches, später als zunehmend psychosozial bestimmtes<br />

Krankheitsgeschehen.


Nicht alle komorbid psych Kranken brauchen intensivere psychiatrischpsychotherapeutische<br />

Maßnahmen<br />

Vieles lässt sich durch eine oder einige wenige Interventionen oder ärztliche<br />

Führung auflösen<br />

Beobachtungen: PT als Chronifizierungsfaktor, wenn zu sehr auf Bestätigung des<br />

Leids ausgerichtet, eine Gefahr besonders von medizinisch unerfahrenen<br />

Therapeuten (auch dass PT nicht stattfindet )<br />

Andererseits erforderlich: Immerhin <strong>10</strong>%!<br />

Verflechtung somatischer und psychosozialer Störungsanteile ist zum einen schon<br />

in der besonderen Funktion des ZNS selbst begründet<br />

Angesichts der bio-psycho-sozialen Aufgaben des Gehirns ist eine Schädigung<br />

immer schon auch bio-psycho-sozial von Gewicht.<br />

Eigentlich ist es nicht erstaunlich, dass die psych. Komorbidität bei neurologische<br />

Kranken hoch ist, eher stellt sich die Frage, warum nicht noch höher<br />

(Kompensation, Plastizität).


Heute gibt es immer überzeugendere Hinweise, dass sich komorbide psychische<br />

Störungen auf Compliance, Länge des Krankenhausaufenthaltes, erreichbares<br />

funktionelles Ergebnis, Lebensqualität und insbesondere: auch Überlebenszeit!<br />

auswirken.<br />

Das aber heißt: Psychosomatische/psychotherapeutische Maßnahmen können<br />

auch unter einem rein medizinisch-somatischen Blickwinkel (Behandlung der<br />

neurologischen Funktionsbeeinträchtigung, Unterstützung der Behandlung des<br />

Grundleidens) indiziert sein.<br />

Es lohnt sich die diagnostische Fragestellung zu ändern:<br />

Es geht nicht allein um „entweder körperlich oder psychisch“, sondern auch um das<br />

Maß, in dem organische und funktionell psychische Störungsanteile im jeweiligen<br />

Fall beteiligt sind.<br />

Depression und Angst sind führend, wobei sich akut endogene oder organisch<br />

imponierende Bilder zeigen, mit zunehmenden Verlauf mehr „neurotische“ Bilder.


In der Rehabilitation neurologisch, also körperlich Kranker ist es wesentlich,<br />

somatische Aspekte und die Zieldimension der Aktivität und Teilhabe von<br />

vorneherein mit zu berücksichtigen. Zum einen spielt der kranke Körper für das<br />

Erleben des Kranken und seine psychische Verfassung naturgemäß eine zentrale<br />

Rolle: der somatische Befund bestimmt Möglichkeiten und Grenzen<br />

psychotherapeutisch erzielbarer Veränderungen, der kranke Körper oft genug die<br />

individuelle lebenswirklichkeit des Kranken. Zum anderen können psychosoziale<br />

Problemstellungen besonders im sozialen Umfeld des Kranken Ausdruck finden<br />

bzw. von dort aus wesentlich mitgestaltet werden.<br />

Somatoforme nicht seltener, sondern vielleicht sogar häufiger


Bild verändert sich durch Copingstrategien - Bild des optimalen Bewältigers -<br />

bestreitet jede psychische Beeinträchtigung<br />

Per se nicht negativ: akute / progredient chronische Erkrankungen. Wenn dieses<br />

Bewältigungsverhalten jedoch überhand nimmt und unflexibel immer gleich<br />

eingesetzt wird, kann es zu Symptombildungen kommen (nächste Folie):<br />

Somatisierung: Erschöpfung,, mental-kognitive Beeinträchtigungen, chronischer<br />

Schmerz, depressiver Zusammenbruch<br />

nach Schlaganfall von Vorteil?! - Schutz vor Angst und Schmerz, Zeit zur<br />

Entwicklung adaptiver Verarbeitungsstrategien (Herrmann 1992)<br />

Ausgleich Funktionsstörung/Handicap // Eigen-Attribution seelischer Probleme<br />

korreliert mit depressiver Verarbeitung (Riehl-Emde 1989) // Problem of lost<br />

normality<br />

(Prigatano, 1984) // Verhinderung „Katastrophenreaktion“ (Goldstein 1939, 1948)


Noch Klärung erforderlich<br />

F 38.<strong>10</strong> meist symptomfrei - Zürich Studie von Gewicht<br />

Erklärung: Modifikation klinischer Bilder durch die Art der Krankheitsbewältigung<br />

Die Ziele („Zieldimensionen“) einer rehabilitativen Maßnahme lassen sich nach ICF<br />

grundsätzlich auf somatischer Ebene (Gesundheitszustand, Körperfunktion und –<br />

strukturen), auf edukativer Ebene (Gesundheitsinformation und –verhalten), auf<br />

psychosozialer Ebene (Bewältigungsprozess, psychische und soziale Ressourcen)<br />

formulieren; hinzu kommt die Zieldimension der Aktivität und Teilhabe<br />

(Leistungsanforderungen, Funktionsfähigkeit und Funktion im Beruf und Alltag).


Evidente: Reduktion der spezifischen psychischen Symptomatik<br />

Stabilisierung – v.a. bei chronische, Behinderungen, zum Erhalt des erzielten<br />

Funktionsniveaus<br />

Sexualität: v.a. bei jungen Menschen, zB Schlaganfall, MS ....& Beziehung<br />

Für die Frage, inwieweit bei einer neurologischen Erkrankung auch<br />

psychosomatische oder psychiatrisch-psychotherapeutische<br />

Rehabilitationsmaßnahmen indiziert sind, gilt darüber hinaus: „Psychotherapie hilft<br />

bei allem, was über eine Auflösung von Hemmnissen und eine Mobilisierung von<br />

Ressourcen verbessert werden kann“ (Alexander 1951).


Folien so aufgebaut, dass jeweils die Probleme/Aufgabenstellungen den<br />

therapeutischen Ansätzen gegenübergestellt sind.<br />

Die Formulierungen sind so gewählt, dass sie hoffentlich direkt bei Antragstellung<br />

als Steinbruch hilfreich sein können.<br />

Edukation ist besonders wichtig bei noch frischer Erkrankung: Umgang mit<br />

Krankheit / Beeinträchtigung lernen. Ein Bedarf kann aber auch erst nach<br />

Abschluss Akut-Phase zum Vorschein kommen, da bis dahin oft Überzeugung<br />

entlastet, es wird alles wieder gut. Auch bei chronischer Erkrankung / Behinderung<br />

kann ein Intervention erforderlich werden, weil im Verlauf Bewältigungsstrategien<br />

verloren gehen bzw. mangelnde Flexibilität bei bleibenden Behinderungen und<br />

eingespielten Bewältigungsstrategien Anpassung an neue Anforderungen<br />

verhindert - sekundäre Anpassungsstörung. Ziel edukativer Interventionen ist es,<br />

dem Kranken eine bestmögliche Bewältigungskompetenz zu vermitteln, in dem er<br />

aktiv lernt, Informationen zu nutzen und entsprechende Techniken und Strategien<br />

einzusetzen. Mögliche Problembereiche, die sich auf die psychische Verfassung<br />

neurologisch Kranker auswirken können, sind Wissensstand, Risikoverhalten,<br />

Möglichkeiten der Selbstkontrolle, der Selbstverantwortung, die Fähigkeit zur<br />

Stressbewältigung und die individuelle Bewältigungskompetenz allgemein. Ziel der<br />

Interventionen ist neben der Vermittlung von Informationen über die Krankheit ein<br />

Erklärungsmodell für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptomatik<br />

(Symptomauslösende/-aufrechterhaltende Bedingungen) und die Vermittlung eines<br />

psychosomatischen Krankheitsverständnisses, d. h. des biopsychosozialen<br />

Krankheitsmodells im Allgemeinen und des je speziellen psychodynamischen


Auch bei schwer körperlich Kranken/Behinderten – im Sinne einer Erweiterung von<br />

Handlungsspielräumen – hilfreich, die für eine psychosomatische Sichtweise offen<br />

sind: in welchen Bereichen kann ich etwas tun, habe ich ungenutzte Ressourcen,<br />

kann ich mir wieder den Rücken für Krankheits- und Lebensbewältigung stärken<br />

zB: Überzeugung nicht mehr gesund werden zu können = nichts mehr vom Leben<br />

haben können,<br />

... weil möglicherweise progrediente Erkrankung<br />

.... Schuld an Krankheit zu sein<br />

.... Alles richtig gemacht und doch erkrankt zu sein<br />

Bei neurologisch Erkrankten sind Beeinträchtigungen der Emotionalität häufig.<br />

Neben der organischen (Mit-)Verursachung ist zu prüfen, inwieweit Schuld- und<br />

Schamgefühle, ein unvollständiger Trauerprozess, Versagensängste, (im Rahmen<br />

der bisherigen Behandlungen erlebte) Kränkungen, und ungenügende Fähigkeiten<br />

zum Umgang mit Ärger, Wut und Aggression die Störung mitgestalten.<br />

Therapeutische Ansatzpunkte sind die Verbesserung der Affektdifferenzierung und<br />

–wahrnehmung, von Affekttoleranz, Affektausdruck und Impulskontrolle.


Gerade kognitive Störungen verbergen oft emotionale Probleme bzw.<br />

bringen sie verdeckt zum Ausdruck.<br />

In solchen Fällen ist eine integrierte neuropsychologischpsychotherapeutische<br />

Intervention indiziert! Für Pat. mit solcherart<br />

„doppelten“ Störungen wird ambulant nur wenig angeboten<br />

... Angstblockaden<br />

.... Innere Ablenkung<br />

.... Nicht mehr erfassen können = was einem existentiell passiert ist,<br />

nicht fassen können/Fassungslos in emotionaler Hinsicht<br />

Liegen kognitive Beeinträchtigungen vor sind neben<br />

neuropsychologischen Maßnahmen im eigentlichen Sinne – am besten<br />

direkt integrierte – psychotherapeutische Interventionen erforderlich, die<br />

auf die Auflösung dysfunktionaler Kognitionen, die Verbesserung der<br />

Problemlösefähigkeiten und die Verbesserung der Fremdwahrnehmung<br />

abzielen.<br />

Anpassungsstörungen machen eine Stärkung der Bewältigungskompetenzen<br />

erforderlich. Inhaltlich geht es meist darum, dass individuell bestmögliche<br />

Gleichgewicht zwischen Hinnahme und Überwindung der (Tatsache der)<br />

Erkrankung bzw. der resultierenden Funktionsstörungen und Behinderungen zu<br />

finden. Häufige psychische Begleiterscheinungen, die es dabei<br />

psychotherapeutisch aufzugreifen gilt sind Angst, Verlust, Trauer und Depressivität,<br />

dann aber auch Vermeidung, Defizite im Antriebsverhalten und in der<br />

Eigenstrukturierung, Rückzugstendenzen und (sekundäres) Suchtverhalten. Neben<br />

der Bewältigung im engeren Sinne geht es um eine Aktivierung von Ressourcen<br />

und eine Neuorientierung. Optimal ist wenn die Bewältigung der Erkrankung<br />

konstruktiv in ein Mehr an Lebensqualität und eine vertiefte Sinnfindung übergeht.


Gerade nach einer Erkrankung und bei anhaltenden Behinderungen ist eine gute<br />

soziale Kompetenz eine wichtige Hilfe. Zugleich können gerade das<br />

Kommunikationsverhalten und die Beziehungsgestaltung durch die neurologische<br />

Schädigung beeinträchtigt sein. Therapeutisch wird es dementsprechend darum<br />

gehen, die Fähigkeiten des Patienten zu stärken, eigene Anliegen zu verbalisieren<br />

und durchzusetzen – und eine angemessene Kritikfähigkeit zu entwickeln. Dabei<br />

kommt dem Erkennen und Bearbeiten dysfunktionaler Beziehungsmuster eine<br />

wesentliche Bedeutung zu. Der Fähigkeit Kontakte aufzunehmen, steht die<br />

Fähigkeit gegenüber sich abzugrenzen und eine eigene Unabhängigkeit zu<br />

bewahren, dazu ist Konfliktfähigkeit erforderlich.<br />

Zwickmühle:realistisches Selbstbild nicht möglich ohne Abstriche von<br />

Idealbild von sich selbst // Abstriche mit Blick auf Selbst-wirksamkeit /-<br />

vertrauen /-wertgefühl nicht ohne weiters möglich<br />

Neurologische Erkrankungen können mit einer weitgehenden<br />

persönlichen Infragestellung einhergehen. Selbstwert und Identität,<br />

Selbst- und Weltverständnis können erschüttert sein und entsprechende<br />

Interventionen erfordern. Im Mittelpunkt steht oft die Entwicklung eines<br />

realistischen Selbstbildes mit Verbesserung der Selbstwahrnehmung und<br />

der Introspektionsfähigkeit. Dabei konstelliert sich nicht selten die<br />

paradoxe Situation, dass der Kranke, der doch verzweifelt versucht,<br />

„wieder der Alte“ zu werden, zunächst den Verlust akzeptieren muss,<br />

bevor er neues Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entwickeln kann. In<br />

diesem Zusammenhang geht es therapeutisch um eine Verbesserung der<br />

Introspektionsfähigkeit und der Selbstwahrnehmung, um die<br />

Wiederherstellung der Selbstwirksamkeit, um die Steigerung der<br />

Selbstverantwortung und der Eigenmotivation, das alles über eine<br />

Stärkung und Förderung entsprechender Ich-Funktionen.


Im Rahmen einer neurologischen Erkrankung können existenzielle<br />

Herausforderungen auftreten, die auch zu intrapsychischen Konflikten<br />

führen; gegebenenfalls auch solchen, die biographisch weit<br />

zurückreichen. Häufige Konstellationen sind Autonomie-<br />

Abhängigkeitskonflikte, Schuldkonflikte und Konflikte, die um das<br />

Verhältnis zwischen Geben und Nehmen kreisen. Noch bevor eine<br />

Konfliktbearbeitung möglich ist kann es erforderlich sein, den Patienten<br />

entsprechende Kompetenzen zu vermitteln, etwa auf der Ebene des<br />

Kommunikationsverhaltens (Erleben, Emotionen), der Kompetenzen in<br />

der Konfliktbewältigung, der Konflikttoleranz und der<br />

Konfliktwahrnehmung.<br />

Bei MS, Maysthenie, schwerer körperlicher Behinderung der Autonomie<br />

Klärung Selbstwertfrage oftmals Voraussetzung für Akzeptanz<br />

Auch Realitätsprüfung und Kritikfähigkeit können beeinträchtigt sein, und<br />

sich in irrealen Heil(ungs)erwartungen und auch Störungen der<br />

Körperwahrnehmung niederschlagen. Es kann erforderlich sein, mit dem<br />

Patienten zunächst an Krankheitseinsicht und der Anerkennung eines<br />

Behandlungsbedarfs zu arbeiten. Die Wahrnehmung und die Akzeptanz<br />

von Belastungsgrenzen, die Akzeptanz des kranken Körpers, der Abbau<br />

von Tendenzen zur Selbstüberforderung und zu Perfektionismus und die<br />

Förderung der Akzeptanz der Krankheit und der Symptome sind<br />

entsprechende Teilziele der therapeutischen Intervention.


Gelegentlich kann es im Rahmen einer neurologischen Erkrankung zum<br />

Auftreten einer regelrechten posttraumatischen Belastungsstörung<br />

kommen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, stellt eine neurologische<br />

Erkrankung oftmals eine psychisch sehr belastende Lebenserfahrung dar,<br />

zu deren Bewältigung der Kranke therapeutischer Unterstützung bedarf.<br />

Dabei ist zu beachten, dass es im Rahmen der körperlichen Erkrankung<br />

immer wieder zu einer Reaktivierung biographisch früherer traumatischer<br />

Erfahrungen kommen kann, die bis zur Manifestation der Erkrankung<br />

(und der damit verbundenen Erfahrung existentieller Hilflosigkeit) hatten<br />

kompensiert werden können. Neben der Bearbeitung der traumatischen<br />

Erfahrung, die mit der Erkrankung verbunden ist, können andere<br />

Trennungs- und Verlusterlebnisse, sexuelle Gewalterlebnisse und andere<br />

traumatische Lebensereignisse in den Fokus der Therapie rücken. In<br />

vielen Fällen eröffnet die Bearbeitung der biographischen Hintergründe<br />

der Symptomatik und die Bearbeitung der Beziehungen zur<br />

Herkunftsfamilie weitere mögliche Ansatzpunkte der Therapie.<br />

Könnte am Anfang stehen, macht sich aber an dieser Stelle ganz gut, da es zumal<br />

bei chronischen Beeinträchtigungen darum geht<br />

Behandelbarkeit herstellen und längerfristig sichern<br />

Zielklärung immer wieder notwendig


Gerade bei schweren Erkrankungen oder anhaltenden Behinderungen<br />

kommt der Einbeziehung des sozialen Kontextes, zumal der Familie oder<br />

anderer naher Bezugspersonen große Bedeutung zu. Die Interventionen<br />

werden dabei zum einen mit Blick auf den Kranken erfolgen, etwa um<br />

seine Integration zu sichern oder um die Ressourcen des Systems für ihn<br />

optimal nutzbar zu machen. Zum anderen wird es aber auch darum<br />

gehen, allfällige Belastungen der Angehörigen möglichst gering zu<br />

halten.<br />

Eine eigene therapeutische Aufgabenstellung ist die Sicherung der sozialen Integration, v.a.<br />

ins Berufsleben. Ein Beispiel: MS-Kranke sind durch Arbeitsplatzverlust gefährdet und<br />

scheiden oft vorzeitig aus dem aktiven Leben aus. Eine durch psychotherapeutische<br />

Maßnahmen ergänzte berufstherapeutische Intervention, die den Krankheitsverlauf begleitet<br />

und Lösungen für die sich nach und nach einstellenden Probleme erarbeitet, bleibt aber leider<br />

die Ausnahme . Krankheitsbedingte ökonomische Schwierigkeiten können zusätzliche<br />

Belastungen – und psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsanforderungen - mit sich<br />

bringen . Neben der Familie und der primären sozialen Lebenswelt nehmen mit zunehmender<br />

Krankheitsdauer medizinische Institutionen und Patientenorganisationen immer mehr Raum<br />

im sozialen Leben des Patienten ein. So unverzichtbar die medizinische Behandlung auch ist,<br />

und so hilfreich gerade bei der MS die Mitarbeit in Selbsthilfegruppen, so sehr kann sich über<br />

die Jahre eine Ausrichtung des gesamten (Er-) Lebens auf die MS und ihre Folgen einstellen,<br />

in der Behandlungskontext und individuelles Krankheitsverhalten im Sinne einer<br />

fortschreitenden Medizinalisierung des Alltags selbst zu einem Problem werden . Unter<br />

Umständen ist eine Behandlung nicht nur für den Kranken, sondern auch für die Angehörigen,<br />

etwa die Kinder oder den Ehepartner indiziert .


Angehörige können oft ebenfalls ein wesentliches Problem darstellen, sodass die<br />

Intervention auch familientherapeutische Maßnahmen einbeziehen sollte.<br />

• Barolin, GS: Psychotherapie in der (Neuro-)Rehabilitation. Neurol Rehabil 2008:<br />

14: 41 – 49<br />

• Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation. Medizinischer Dienst der<br />

Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS) 2005. http://www.mds-ev.de/<br />

Rehabilitation_Zugang.htm<br />

• Henningsen, P, Gündel, H und Ceballos-Baumann, A (Hrsg.): Neuro-<br />

Psychosomatik. Schattauer, Stuttgart, New York 2006<br />

• *<br />

Schmidt, R und Berger, M: Psychotherapeutische Ansätze bei neurologischen<br />

Erkrankungen und neurologischer Behinderung. In: Wallesch, C-W (Hrsg.):<br />

Neurologie. Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis. Elsevier, Urban und<br />

Fischer, München, Jena 2005, <strong>10</strong>65-73<br />

• *<br />

Schmidt, R, Krauß, B, Schörner, K und Lütgehetmann, R: Vom »entweder –<br />

oder« zum »sowohl als auch«: Die integrierte Versorgung komorbider<br />

neurologischer und funktionell psychischer Störungen im neurologischen Fachund<br />

Rehabilitationskrankenhaus. Neurol Rehabil 2007: 13: 51 – 60<br />

• Therapieziel-Katalog für das Peer Review - Verfahren der Indikationsbereiche<br />

Psychische Erkrankungen und Abhängigkeitserkrankungen. http://<br />

www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/


Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es im Rahmen der<br />

Rehabilitation neurologischer Erkrankungen und Behinderungen eine<br />

Vielzahl von Indikationen für psychosomatische und<br />

psychotherapeutische Maßnahmen gibt – die viel zu häufig nicht in<br />

Anspruch genommen werden. Sie zu nutzen ist umso indizierter, als sie<br />

nicht nur die psychische Gesundheit und die Lebensqualität verbessern<br />

können, sondern auch wesentlichen Einfluss auf den Verlauf und den<br />

Ausgang der neurologischen Störung nehmen können.<br />

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