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Seite 4 Modernes Leben Konkurse 3<br />

Als Tiger gestartet - als Bettvorleger gelandet<br />

Am 14.3. 1982 schließen sich in<br />

Hamburg AL (Alternative Liste,<br />

hervorgegangen aus der Bunten<br />

Liste) und Grüne zur GAL zusammen.<br />

Es sollte Schluss sein mit<br />

dem üblichen Politikablauf. Es<br />

sollte ein neuer Stil ins Parlament<br />

einziehen. Die GAL sollte den<br />

Interessen der Basis, also Initiativen<br />

und Verbände, im Parlament<br />

Gehör verschaffen, um so dringend<br />

erforderliche Veränderungen,<br />

insbesondere im<br />

Umweltschutz, zu erzwingen.<br />

Hinzu kam die Feststellung,<br />

Macht müsse besser<br />

kontrolliert werden, so<br />

daß innerhalb der GAL neue<br />

Instrumente der Politik entwickelt<br />

und angewandt wurden:<br />

Trennung von Amt<br />

und Mandat, Rotationsprinzip<br />

und ähnliches. Es<br />

sollten also Inhalte und<br />

nicht Personen im Mittelpunkt<br />

des Handels stehen.<br />

16 Jahre später sitzen 3<br />

GALierInnen im Senat, einer<br />

davon zuständig für die<br />

Umwelt. Was ist nun aus<br />

den Forderungen und Verfahren<br />

von einst geworden?<br />

Eine kurze Bilanz anhand<br />

der Themen “Atomkraft”<br />

und “Altenwerder” zeigt,<br />

daß der Titel dieser “Konkurse”<br />

auch dieser Entwicklung gerecht<br />

wird.<br />

1982: Mit festen Positionen an<br />

den öffentlichen Tisch<br />

Wie der Zufall es wollte, ergab sich<br />

bei der Bürgerschaftswahl 1982 eine<br />

rechnerische Mehrheit für Rot-Grün.<br />

Die Alternativen dazu waren Neuwahlen<br />

oder eine große Koalition.<br />

SPD-Bürgermeister von Dohnany<br />

begann Gespräche mit der GAL.<br />

Was der SPD zunächst überhaupt<br />

nicht in die geheimen Pläne passte,<br />

war die GAL-Forderung nach Öffentlichkeit<br />

bei den Verhandlungen.<br />

Alle sollten sehen, wie die Gespräche<br />

abliefen und wie mögliche Kompromisse<br />

zustande kämen oder warum<br />

nicht. Als nächstes mussten die<br />

Sozialdemokraten, unterstützt von<br />

ihren Experten aus den Behörden,<br />

Mitglieder von Stadtteilgruppen oder<br />

Umweltinitiativen als Experten auf<br />

Seiten der GAL treffen, die mit eben<br />

diesen Behörden-Experten schärfste<br />

Auseinandersetzungen führten.<br />

Neben den Verhandlungsmodalitäten<br />

war es bei den Inhalten ebenfalls die<br />

GAL, welche die Themen setzte: ”Erweiterung<br />

des Hamburger Hafens,<br />

Eine kurze Geschichte der Hamburger Grünen auf dem Weg zur Macht<br />

Energieversorgung, Sozialpolitik,<br />

Frauen, Wohnen, Demokratie und<br />

Recht, Frieden” 1 . Alles Themen,<br />

wegen derer die GAL in die Bürgerschaft<br />

gewählt worden war. Es machte<br />

aus Sicht der damaligen GAL-<br />

UnterhändlerInnen nur Sinn den<br />

SPD-Senat zu unterstützen, wenn<br />

dieser seine Politik veränderte, d.h.<br />

wenn grüne Forderungen tatsächlich<br />

umgesetzt werden könnten. Dazu ge-<br />

hörte u.a. der Verzicht auf die Hafenerweiterung<br />

in Altenwerder und der<br />

sofortige Ausstieg aus der Atomkraft.<br />

Es finden diverse Verhandlungsrunden<br />

statt, alle geprägt von einem<br />

sturen Festhalten der SPD an ihrem alten<br />

Kurs des ”weiter so!”.<br />

Die „Zeit“ beschreibt das Ende der<br />

Verhandlungen so:<br />

”Die Mitgliederversammlung der<br />

GAL gibt eine Erklärung ab, die<br />

das Ende der Gespräche einläutet:<br />

‚Die SPD wird von der GAL keine<br />

Zustimmung zu einem Haushalt erhalten,<br />

der z.B. Sparpolitik festschreibt,<br />

an der Hafenerweiterung<br />

festhält und keine wirksamen Beschäftigungimpulse<br />

enthält.”<br />

Kurz darauf gibt es Neuwahlen zur<br />

Bürgerschaft, aus denen die SPD<br />

wieder als alleinige Regierungspartei<br />

hervorgeht.<br />

Bemerkenswert an diesen Verhandlungen<br />

waren neben der Tatsache,<br />

dass sie überhaupt stattfanden, Stil<br />

und Herangehensweise der GAL. Es<br />

wurden vor den Verhandlungen Positionen<br />

bestimmt, die es umzusetzen<br />

Boehringer zu alten Tagen: Dioxin-Direktberieselung der Vier- und Marschlanden<br />

galt. Eine Regierungsbeteiligung sollte<br />

nur dann eingegangen werden,<br />

wenn dies zur Durchsetzung entscheidender<br />

Punkte auf GAL-Seite beigetragen<br />

hätte. In der Opposition<br />

konnte mensch wenigstens die Verantwortlichen<br />

für den Stillstand benennen.<br />

In einer Koalition des Stillstandes<br />

wäre mensch aber vertraglich<br />

gebunden gewesen, diesen Still-<br />

Meilensteine Hamburger Umweltpolitik<br />

Gift bei C.H. Boehringer<br />

1979 HCH-Funde in der Kuhmilch und im Gemüse der<br />

Boehringer-Nachbarn sowie Dioxine im Grundwasser<br />

geraten an die Öffentlichkeit. Die ersten Reaktionen der<br />

1980 Behörden: „Es besteht keine akute Gesundheitsgefahr“<br />

oder „Alles Panikmache“. Jahrelang beobachtete<br />

auffällige Krankheitsbilder bei Boehringer-Angestellten,<br />

unerklärliche Todesfälle von Vieh auf den<br />

Nachbarweiden und die Seveso-Dioxin-Katastrophe (1976) waren offenbar<br />

noch nicht Grund genug für die gerade aus dem Ei geschlüpfte Umweltbehörde,<br />

sich von selbst mit dem Schadstoff- und Gefährdungspotential dieser Firma zu<br />

beschäftigen. Nun angekündigte Sofortmaßnahmen lassen monatelang auf sich<br />

warten oder versanden gänzlich.<br />

stand mitzutragen.<br />

Zwischen den Jahren 1982 und 1993<br />

machen die Grünen bundesweit, also<br />

auch die GAL in Hamburg, einen<br />

langsamen aber stetigen Wechsel ihrer<br />

Politik durch. Exponenten des linken<br />

Flügels wie Ebermann, Trampert<br />

und Ditfurth kehren der Partei den<br />

Rücken. Die sogenannten ”Realos<br />

und Realas” sind bald unter sich. Dies<br />

sollte Folgen haben, auch für Stil und<br />

Inhalte der GAL-Politik.<br />

Nach Außen jedoch stellten sich die<br />

Grünen weiterhin als Reformpartei<br />

dar. Michael Pollman, heute Staatsrat<br />

in der Umweltbehörde, äußerte<br />

sich noch 1991 radikal gegen Hafenerweiterung<br />

und Elbvertiefung,<br />

denn: ”Hafenerweiterung<br />

und Elbvertiefung sind<br />

eine Kampfansage an jegliche<br />

ökologische Entwicklungsplanung<br />

der Region.<br />

Und so werden sich Initiativen<br />

wie Rettet die Elbe, Naturschutzverbände<br />

und Parteien<br />

wie die Grünen auch<br />

jetzt nicht kampflos geschlagen<br />

geben. Es darf nicht angehen,<br />

daß unwiederbringliche<br />

Naturressourcen weiterhin<br />

auf dem Altar einer Wirtschaftspolitik<br />

geopfert werden,<br />

die in ihrer Fixierung<br />

auf die Belange des Hafens<br />

auch rein ökonomisch betrachtet<br />

immer unsinniger<br />

wird”. 2<br />

(Anmerkung d. V.: Heute ist<br />

Altenwerder vernichtet, die Elbe wird<br />

tiefer gelegt und dies alles mit Zustimmung<br />

der GAL, dem Umweltsenator<br />

Porschke und seinem Staatsrat<br />

Pollmann.)<br />

1993: Gewollt hätte man schon,<br />

gesollt hat man nicht<br />

Aus den Bürgerschaftswahlen 1993<br />

geht die SPD zwar wieder als stärkste<br />

Fraktion hervor, allein regieren<br />

kann sie aber nicht. Für Bürgermeister<br />

Henning Voscherau stellt sich die<br />

Frage, ob mit der grauen Stattpartei<br />

oder der GAL verhandelt werden<br />

soll. Taktiker Voscherau wählt folgende<br />

Strategie: Verhandeln mit der<br />

GAL und diese quälen bis sie nicht<br />

mehr kann. Denn solche fast geklappten<br />

Verhandlungen stellen die<br />

Linken in der SPD ruhig und senken<br />

den Preis für die Rot-Graue Koalition.<br />

Die GAL ging in die Falle und<br />

verhandelte sich politisch fast um<br />

Kopf und Kragen, wie die bekanntgewordenen<br />

Papiere zeigen.<br />

Das GAL Angebot an die SPD entsprach<br />

weitgehend den Wahlforderungen<br />

und sah folgendes vor: 3 ”Angesichts<br />

des nicht hinnehmbaren Risikos<br />

der Kernenergie betreiben die<br />

Koalitionspartner im Rahmen der<br />

Hamburger Möglichkeiten den

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