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Von der Affi frisch auf den Tisch<br />
Hamburg im Sommer 1980. Im Rahmen<br />
routinemäßiger Lebensmitteluntersuchungen<br />
von Pflanzen wurden<br />
stark erhöhte Gehalte an Cadmium gefunden<br />
(siehe ~bb. ,591 Dje Pflanzen<br />
stammten von ehemaligen Spülflächenl,<br />
die seit mehreren Jahren durch<br />
Privatbetriebe landwirtschaftlich oder<br />
erwerbsgartenbaulich genutzt werden.<br />
Bei 77 Oh der Getreideproben wurde der<br />
Cadmium-Richtwert des Bundesgesundheitsamtes<br />
(BGA) überschritten,<br />
47 % der Proben lagen sogar über dem<br />
doppelten Richtwert. Woher kommen<br />
die hohen Gehalte in den Pflanzen und<br />
was hat die Affi damit zu tun? Ober die<br />
Vergiftung von Pflanzen durch Luft-<br />
schadstoffe haben wir irn KapiteI "Never<br />
treat a soil like dirt" berichtet. Die hohen<br />
Schwermetallgehalte in den Böden ent-<br />
stehen durch den Eintrag aus der Luft,<br />
aber es gibt noch einen weiteren Pfad für<br />
die Belastung von öden und Pflanzen:<br />
den Schlamm des Hamburger Hafens.<br />
Dazu müssen wir einen Ausflug in die<br />
Geschichte machen.<br />
Getreide nicht als Lebemmittel<br />
"uarUr Harburg :<br />
&eIder' 14 Felder<br />
%? '* caW - verseucht<br />
~401 *&e<br />
- Kadmium übersteigt I1öchstgrenzt<br />
/ w>eldep<br />
"G;*<br />
e'se~C4C<br />
Vor etwa 100 Jahren wurde in Hamburg<br />
der Freihafen gegründet. Damit begann<br />
der systematische Ausbau des Hafens<br />
und die Ausbaggerung der Elbe. Die na-<br />
türliche Tiefe der Elbe betragt nCimlich<br />
nur zwischen 2 und 4 Meter! Durch die<br />
Verwitterung der Gebirge am Oberlauf<br />
der Flüsse und durch ~odenabspülun-<br />
gen enthalten unsere Gewässer eine er-<br />
hebliche Menge von Schwebstoffen, zu<br />
denen auch organische Substanzen ge-<br />
hören. Die Strömung hält diese Teilchen<br />
in der Schwebe, während größere Teil-<br />
chen, wie Sandkörner und Steine, am<br />
Grund der Flüsse vorwärts geschoben<br />
werden. Die natürliche Schwebstoff-<br />
Fracht der Elbe beträgt eine Million Ton-<br />
nen pro lahr. Abgelagert werden diese<br />
Stoffe dort, wo die Transportkraft des<br />
Wassers nicht mehr ausreicht, weil die<br />
Strömungsgeschwindigkeit abnimmt:<br />
2.B. an der Innenseite von Flußmäan-<br />
dern (Kurven), an seichten Ufern und in<br />
stillen Nebenarmen. Die abgelagerten<br />
Schwebstoffe und Sande heißen Sedi-<br />
<strong>ment</strong>, der Vorgang der Ablagerung<br />
heifit Sedi<strong>ment</strong>ation. Wird nun ein Flug<br />
künstlich vertieft, also ausgebaggert, so<br />
wirkt diese Vertiefung wie eine Fallgni-<br />
be für die transportierten Stoffe, und die<br />
Vertiefung wird schnell wieder aufge-<br />
füllt (zusedi<strong>ment</strong>iert).<br />
I Sptilfltichen (auch Spulfelder) sind durch Dämme um-<br />
schlossene, meist niedrig gelegene Landschaftsteile, in<br />
die durch ~ohrieitungen z.B. ein Sand/WasserGernisch<br />
gespült wird. Der Sand kann sich absetzen. das Wasser<br />
laDt man ablaufen.<br />
~bb.<br />
69: Schlagzeilen Hamburger 2eitungen im Som-<br />
mer 1980
NO Norderelbbrücken<br />
LA Landungsbrücken<br />
AR Argent'nienbrÜcken<br />
KO Köhlbrandbrücke<br />
RE Refhe Hubbrücke<br />
KA Kaf:wykkHubbr2cke<br />
SO 5üderelbbrucken<br />
--- Eisenbahn<br />
(5tond 1981 /1982)<br />
Finkerwerder<br />
lm Hofsn lagern sich ab:<br />
~bb. 70: Verteilung der zwei Hauptsedi<strong>ment</strong>typen<br />
Sand und Schlick irn Bereich des Hamburger Hafens<br />
(aus UMWELTSCHUTZGRUPPE, 19831<br />
Im Hamburger Hafen treffen wir diese<br />
für die Sedi<strong>ment</strong>ation günstigen Bedin-<br />
gungen an. Das weitverzweigte Netz der<br />
Hafenbecken und Kanäle führt zu einer<br />
starken Wasserberuhigung. Feinste<br />
Stoffe wie Ton werden nur bei unbeweg-<br />
tem oder ganz langsam fließendem<br />
Wasser abgelagert, während z.B. Sand<br />
schon bei höheren Fließgeschwindig-<br />
keiten zu Boden sinkt. So kommt es, daß<br />
in der Elbe fast nur Sand abgelagert<br />
wird, in den Hafenbecken und Kanälen<br />
dagegen die feinen Bestandteile, der<br />
Schlick2. Aber auch hier gibt es Unter-<br />
schiede, da einige Hafenbecken und Ka-<br />
näle nur durchströmt werden, andere<br />
aber geschlossen sind und sich das<br />
Wasser dort stauen kann. DieVerteilung<br />
von Schlickund Sand im Hamburger Ha-<br />
fen zeigt Abbildung 70.<br />
2 sedirnente, die aus besonders feinem, tonigem Mate-<br />
nal und einem großen Anteil an organischer Substanz<br />
bestehen, heißen Schlick
Sedi<strong>ment</strong>e werden<br />
Baggergut<br />
Da sich die Schwebstoffe im Hambur-<br />
ger Hafen ablagern, würden die Hafen-<br />
becken bald zu flach für die Schiffahrt<br />
sein. Daher werden die Hafenbecken re-<br />
gelmäßig ausgebaggert. Seit dem Aus-<br />
bau des Hafens und der Vertiefung für<br />
immer größere Schiffe wuchs auch die<br />
Menge der zu baggernden Sedi<strong>ment</strong>e,<br />
besonders nach den letzten Elbvertie-<br />
fungen auf 12 m bzw. 13.5 m unter<br />
MTnw (Mittleres Tiden-Niedrigwasser)<br />
Da das Baggergut an Land unterge-<br />
bracht wird, sind sehr große Flächen nö-<br />
tig. Die gesamte Baggernenge im Be-<br />
reich des Hamburger Hafens beträgt pro<br />
Jahr 2.5 Mio. m3, davon Ca. 800000 m3<br />
Schlick3. Der aus der Elbe geuaggerte<br />
Sand ist als Baugrund gut geeignet und<br />
wurde daher auf Flächen gespült, die für<br />
Hafenerweiterungen vorgesehen wa-<br />
ren. Auf den mit Schlick aufgespülten<br />
Flächen wurde hingegen oft Landwirt-<br />
schaft betrieben, da der Schlick große<br />
Mengen natürlicher Düngestoffe ent-<br />
hielt4 und auch heute noch enthält5. Von<br />
einer Verbesserung der Böden kann<br />
heute aber niemand mehr sprechen, im<br />
Gegenteil: wegen der hohen<br />
Schwermetallgehalte im Boden, die von<br />
den Pflanzen aufgenommen werden,<br />
muß die Produktion von Nahrungsmit-<br />
teln auf diesen Flächen unterbleiben<br />
oder die Auswahl der Pflanzen rnuß ent-<br />
sprechend dem Schwermetall-<br />
CHRISTIANSEN et af., 1982<br />
' MANSHARDT, 1948<br />
j HERMS et al., 1984<br />
-<br />
aufnahmeverhalten erfolgen. Deshalb<br />
hat das Amt für Ernährung den betroffe-<br />
nen Landwirten Anbauempfehlungen<br />
für ihre Felder zugeschickt6.<br />
Wie kommen die<br />
Schwermetalle ins Sedi-<br />
<strong>ment</strong>?<br />
Schwermetalle und andere Schadstoffe<br />
kommen im Wasser in verschiedenen<br />
Formen vor: gelöst, an Feststoffe wie<br />
Ton oder organische Substanzen ange-<br />
lagert oder durch sogenannte Komplex-<br />
bildner gebunden7. Nur die Feststoffe<br />
können zur Sedi<strong>ment</strong>ation gelangen.<br />
Die gelösten Schadstoffe bleiben so lan-<br />
ge im Wasser, bis sie an sedi<strong>ment</strong>ations-<br />
fähige Teilchen angelagert werden. Da-<br />
bei sind die feineren Feststoffe in der La-<br />
ge, relativ zu ihrer Masse sehr viel mehr<br />
gelöste Stoffe aus dem Wasser aufzu-<br />
nehmen als sandkorngroße TeiIchen,<br />
die nur relativ wenig Schwermetalle an-<br />
lagern können. Die Menge der von den<br />
Schwebstoffen aufgenommenen<br />
Schwermetalle hängt auch von der Kon-<br />
zentration der gelösten Schwermetalle<br />
ab: Bei einem großen "Angebot" werden<br />
relativ mehr Schwermetalle angelagert8,<br />
d.h. ein Teil der in gelöster Form in ein<br />
"chreiben des Amtes fur Ernahrung an betroffene<br />
Landwirte<br />
' Komplexbildner sind bestimmte organische Substan-<br />
zen wie z.B. das als Phosphatersatzstoff für Waschmittel<br />
diskutierte NTA INitrilotnacetat). Diese Stoffe konnen<br />
auf Grund ihres speziellen Baus hervorragend Metallio-<br />
nen aufnehmen. Bei Versuchen mit Hafenschlick wurde<br />
eine starke Kupfer-Mobilisierung durch Komplexbildner<br />
festgestellt (DEHNAD & SALECKER, 1983).<br />
Gewässer eingeleiteten Schwermetalle<br />
wird sogleich an die Schwebstoffe ge-<br />
bunden und damit sedi<strong>ment</strong>ierfähig.<br />
Die angelagerten Schwermetalle kön-<br />
nen aber auch wieder in Lösung gehen,<br />
z.B. wenn das Wasser salziger wird (wie<br />
im Unterlauf der Elbe) oder wenn Kom-<br />
plexbildner im Wasser vorhanden sindg.<br />
Immissionen im Sedi-<br />
<strong>ment</strong> der Kanäle rund<br />
um die Affi<br />
In den Kanälen, die an das Affi-Gelände<br />
grenzen, herrschen unterschiedliche<br />
Sedi<strong>ment</strong>ationsbedingungen. In<br />
Abb. 71 ist die Lage dieser Kanäle zu er-<br />
kennen. Der Peutekanal stellt eine Ver-<br />
bindung zwischen der Norderelbe und<br />
dem Miiggenburger Kanal, dem Hove-<br />
und dem Moorkanal dar. Eine weitere<br />
Verbindung besteht über den Müggen-<br />
burger Zollhafen zum Spreehafen und<br />
weiter zur Elbe. Von dort kann Wasser<br />
bei Flut in den Bereich der Kanäle um die<br />
Affi eindringen. Das führt im Müggen-<br />
burger Kanai zu einer zunehmenden<br />
Wasserbemhigung in Richtung auf die<br />
Schleuse. Mitgeführte Schwebstoffe<br />
werden nun sedi<strong>ment</strong>iert - und damit<br />
auch die an ihnen "klebenden" Schad-<br />
stoffe (z.B. Schwermetalle). Wegen der<br />
beschriebenen Sedirnentations-<br />
bedingungen finden wir im Müggenbur-<br />
ger Kanal von West nach Ost zunehmen-<br />
de Gehalte von feinsten Teilchen im Se-<br />
di<strong>ment</strong>. Daher müssen wir im östlichen<br />
Teil auch mit den größten Gehalten an<br />
Schwermetallen rechnen.<br />
DEHNAD & SALECKER, 1983<br />
@
-- -<br />
Abb. 71 ~trömungsverhältni~~e im östlichen Teil des<br />
Hamburger Hafens mit der Norddeutschen Affinerie<br />
Über die Schwermetallbelastung der<br />
Sedi<strong>ment</strong>e des Müggenburger , Kanals<br />
und der angrenzenden Gewässer wurde<br />
zum erstenmal 1977 von dem Kieler Bo-<br />
denkundler R.LichtfußZo berichtet. Ein<br />
bereits drei Jahre vorher erschienenes<br />
Buch über Schwermetalle in den Sedi-<br />
<strong>ment</strong>en deutscher gab erste<br />
Strömungsverhäl<br />
-<br />
tni sse<br />
Ebbstrom<br />
Flutstrom Hinweise auf die starke Belastung der<br />
Gewässer mit diesen Stoffen. Da für den<br />
~ortbestand des Hamburger Hafens die<br />
Baggergutunterbringung besonders<br />
wichtig ist, wurde vom. Senat im Juni<br />
1979 ein Baggergutuntersuchungs-<br />
Programm beschlossen, das Lösungen<br />
fur die Baggergutprobleme bringen sollte.<br />
Dazu gehörte auch eine Untersuchung<br />
der Sedi<strong>ment</strong>e, deren Ergebnisse<br />
inzwischen ~orliegen'~.<br />
l2 PFlTZMANN, 1983
Gift"bergew im Müggen-<br />
burger Kanal<br />
Auch wir hahen den Hamburger Hafenschlick<br />
untersucht. Nachdem wir die extrem<br />
hohen Schwermetallgehalte in den<br />
Abwässern der Affi festgestellt hatten13,<br />
wollten wir natürlich auch wissen, wo<br />
diese Schwermetalle bleiben. lm Februar<br />
1981 konnten wir mit Hilfe eines Tauchers<br />
unsere ersten Schlickproben vom<br />
Grund des Müggenburger Kanals holen.<br />
Die Untersuchung auf Blei, Cadmium,<br />
Kupfer und Zink brachte extreme Gehalte<br />
ans Tageslicht (Abb. 72). Auffällig<br />
sind die Riesenwerte direkt unter<br />
den Einlaufrohren der Affi. Ein Teil der<br />
Affi-Schwermetalle wird also gleich unterhalb<br />
der Einlaufrohre im Schlick abgelagert.<br />
.<br />
In Abb. 72 ist eine Zunahme der<br />
~chwennetallgehalte im Müggenburger<br />
Kanal in Richtung Schleuse festzustellen:<br />
hier wurde wegen der geringen Strömungsgeschwindigkeit<br />
feinkörniges Sedi<strong>ment</strong><br />
mit hohem Schadstoff-Gehalt Sedi<strong>ment</strong>iert.<br />
Im September 1981 starteten<br />
wir unser Hafenschlickuntersuchungsprogramm<br />
und untersuchten<br />
den Schlick auf weitere Ele<strong>ment</strong>e.<br />
Ober die Bestimmung des Rubidium-<br />
Gehaltes konnte auf den Tonanteii geschlossen<br />
werden.14 Um die Meßergebnisse<br />
mit anderen Werten (z.B. mit den<br />
'3 UMWELTSCHUTZGRUPPE PHYSlK/GEOWISSEN-<br />
SCHAflEN, 1982<br />
l4 UCHTFUSS hat gezeigt, da& in schleswig-holsteini-<br />
schen Gewassern der Tongehait deutlich mit dem Rubi-<br />
dium(Rb1Gehalt korreliert ist. Da Rb durch menschliche<br />
AktivitClten nicht in die Umwelt gelangt. ist es als Maß<br />
für den Tongehalt einer Sedirnentprobe geeignet.<br />
Schwermetalle vor der Norddeutschen Affinerie<br />
Cadmium<br />
T +<br />
ScF-ber<br />
-/L" Eiilouf 40<br />
Norddeutsche<br />
Affinerie<br />
~bb. 72: Cadmiumgehaite im Schlamm des Miiggenburger<br />
Kanals. Die Berge entstehen, wenndas Cadmium,<br />
welches im Sedi<strong>ment</strong> enthalten ist, auf einer ebenen Fläche<br />
aufgeschüttet würde (aus: UMWELTSCHUTZGRUP-<br />
PE, 1983)<br />
natürlichen Schwermetaiigehaiteni vergleichen<br />
zu können, muß der Anteil feinster<br />
Teilchen berücksichtigt werden.<br />
Diese Teilchen können bei gleicher Masse<br />
mehr Schwermetalle binden als grobkörnige<br />
Sedi<strong>ment</strong>e. Die Ergebnisse der<br />
Analysen waren wieder umwerfend15.1n<br />
~bb. 73 sind die Anreicherungsfaktoren<br />
gegenüber den natürlichen Schwermetall-Gehalten<br />
als entsprechend hohe<br />
Säulen für die Ele<strong>ment</strong>e Blei, Cadmium,<br />
Arsen und Kupfer dargestellt. Um den<br />
EinfluR der Affi auf die angrenzenden<br />
Kanäle zu zeigen, wurde ein Längsprofil<br />
der Anreicherungsfaktoren vom Spree<br />
l5 UMWELTSCHUTZGRUPPE PHYSlK/GEOWISSEN-<br />
SCHAFTEN, 1983<br />
hafen zum Müggenburger Kanal erstellt<br />
(~bb. 74). Deutlich sind die höchsten<br />
Werte unter den Rohren der Affi auszumachen.<br />
Auch in Abb.74Aist der Einflug der Affi-<br />
Einleitungen, aber auch der anderer Betriebe<br />
zu erkennen. "Zur Unterscheidung<br />
der Herkunft bestimmter, das Sedi<strong>ment</strong><br />
belastender Schwermetalle können<br />
auch Korrelationen der Schwermetallgehalte<br />
mit einem Referenzwert dienen.<br />
... Besonders der Vergleich mit einem<br />
Referenzele<strong>ment</strong>, das nicht oder<br />
nur minimal durch die örtlichen Gegebenheiten<br />
beeinfluXt wird, ist hierbei<br />
nützlich. Für das Ele<strong>ment</strong> Chrom kann,<br />
auf den Hamburger Hafen bezogen,<br />
eventuell diese Bedingung unterstellt<br />
werden."16 Da der Chromgehalt keine
I Kupfer<br />
20-fache Anreicherung<br />
Abb. 73 : Anreichemng der Ele<strong>ment</strong>e Arsen, Blei, Cad- wieviel mal mehr von den ~le<strong>ment</strong>en irn ~chl'idc enthal- schen Raum hatte Lichtfussermittelt (LlCHTFUSS. 19771<br />
mium und Kupfer im Sedi<strong>ment</strong> der Gewässer und um ten ist im Vergleich zu natürlichen Sedi<strong>ment</strong>en. Die nadie<br />
Norddeutsche Affinerie. Die Höhe der Säulen gibt an, türlichen Gehalte für Sedi<strong>ment</strong>e aus dem norddeut-
Profil der Schwerrnetallanreicherung<br />
in Sedi<strong>ment</strong>en des Hamburger Hafens<br />
Anreicherungsfoklor<br />
U0 -<br />
30 -<br />
7 Arsen X - - -<br />
Blei<br />
- CadrniumD -- - - - - -<br />
~bb. 74: Anstieg der Schwermetallanreicherung vom<br />
Spreehafen bis zur Norddeutschen Affinerie. Deutlich ist<br />
der starke Anstieg aller Ele<strong>ment</strong>e erkennbar. Für die<br />
Kupferanreicherung mußte ein von den anderen abweichender<br />
Maßstab gewählt werden. da die Werte sonst<br />
nicht in die Zeichnung hineingepaßt hätten.<br />
besonders extremen Werte annimmt,<br />
weist ein Abweichen von dem sonst<br />
konstanten Verhältnis Chrom zu Kupfer<br />
bzw. Blei auf mögliche Einleitungen von<br />
Kupfer oder Blei hinT7. Die Werte aus<br />
dem Müggenburger Kanal haben wir be-<br />
sonders gekennzeichnet (eine andere<br />
Methode zur Feststellung einer aktuel-<br />
len Schwermetall-Einleitung wird im Ka-<br />
pitel "Wie man auch anders messen<br />
kann" beschrieben). Die Meßwerte un-<br />
l7 Die Chrom-Gehalte der BUP-Untersuchungen weisen<br />
im Hamburger Bereich nur auf einjge wenige Quellen<br />
hin. Würde in Hamburg kein Kupfer oder Bleieingeleilet,<br />
so wäre das Verhältnis der Metalle konstant.<br />
serer Untersuchung und der BUP-untersuchung<br />
sind in ~bb. 73 den natürlichen<br />
SchwermetallgehaltenT8 gegenübergestellt.<br />
Da auch der Müggenburger Kanal regelmäßig<br />
ausgebaggert werden muß (die<br />
Affi erhält ihre Erze u.a. per Schiff), werden<br />
die von der Affi eingeleiteten<br />
Schwermetalle mit dem Schlick auf die<br />
Spülfelder gebracht: Die Affi verteilt ihre<br />
Gifte so gut es geht.<br />
7-<br />
'8 nach LICHTFUSS. 1977<br />
Spülfelder<br />
und Landwirtschaft<br />
Von der ca. 2000ha großen Fläche, die<br />
Hamburg in den letzten hundert Jahren<br />
aufgespült hat, sind 700 ha landwirtschaftlich<br />
nutzbare Schlickspülfelder.<br />
Davon werden Ca. 400 ha durch private<br />
~andwirtschafts- oder Gartenbaubetnebe<br />
genutzt19. Früher war der Schlick bei<br />
Landwirten beliebt, die ihre auf Grundwassemiveau<br />
liegenden Weideflächen<br />
'' HERMS & TENT, 1982
CHROM !MG/KG TSI<br />
~bb. 74 A Zusammenhang zwischen dem Chromgehalt<br />
und dem Bleigehalt sowie dem Kupfergehalt der sedjrnente<br />
des Hamburger Hafens. Jeder Punkt stellt eine<br />
Probe dar, die Proben im Müggenburger Kanal sind eingekreist.<br />
Die eingezeichnete Gerade zeigt die Grundbelastung<br />
der Elbe an. Alle Punkte oberhalb bedeuten, daß<br />
im Wasser mehr Kupfer bzw. Blei enthalten war als im<br />
Durchschnitt in der Elbe ist. Die vier am höchsten mit<br />
Blei belasteten Proben stammen allerdingsnichtvon der<br />
Affi, es gibt noch andere Umweltsäue in Hamburg (aus<br />
PFITZMANN, 1983: ergänzt).<br />
durch Aufhöhung in Ackerland venvan-<br />
deln wollten. Auch zur Verbesserung<br />
von sandigen, nährstoffarmen Böden<br />
wurde der Schlick eingesetzt. Doch das<br />
ist lange her. Heute ist der Schlick so gif-<br />
tig, daß darauf wachsende Pflanzen<br />
nicht mehr verzehrt werden dürfen. Die<br />
im Rahmen der Lebensmittel-<br />
Überwachung festgestellten Cadmiurn-<br />
Gehalte in den Pflanzen werden auch<br />
durch andere Untersuchungen bestä-<br />
tigt.20 ES wurden auch Bodenproben der<br />
Spülfelder untersucht. Die mittleren Ge-<br />
halte der Schwermetalle in den Böden<br />
zeigt Abb. 75, sie liegen bei allen Ele-<br />
<strong>ment</strong>en sehr hoch.<br />
Okologicch wirksam werden die<br />
Schwermetalle erst, wenn sie aus stabi-<br />
"' HERMS ei al., 1984<br />
0 80 160 240 320<br />
CHROM IMG/KG TSI<br />
len Verbindungen gelöst werden. Dies<br />
ist - ähnlich wie im FluBsedi<strong>ment</strong> - vom<br />
Milieu abhängig. Die Pflanzenwurzeln<br />
erzeugen in ihrer Umgebung eine Ver-<br />
sauerung des Bodens: Co können die<br />
Pflanzen Nährstoffe, die an die Boden-<br />
teilchen angelagert sind,freisetzen und<br />
aufnehmen.Aber genau wie die Nähr-<br />
stoffe können auch Schadstoffe mit auf-<br />
genommen und in das Pflanzengewebe<br />
eingelagert werden. Auf Spülfeldem an-<br />
gebautes Getreide wies in den Jahren<br />
1980 bis 1983 je nach Getreidesorte<br />
mittlere Cd-Gehalte von 0.1.5 bis 0.55
mg/kg (bezogen auf 16% FeuchtigkeitZ1)<br />
auf, der Richtwert des BGA liegt<br />
bei 0.1 rng/kg. Für Gemüse lagen die<br />
Mittelwerte zwischen 0.02 und 0.29<br />
mg/kg (~rischmasse~~)~~. Am stärksten<br />
belastet war Spinat, gefolgt von Grün-<br />
kohl, Porree, Schnittlauch und Salat. Der<br />
Richtwert liegt auch fur GemUse bei 0.1<br />
mg/kg.Nur die Schwermetall-Gehalte in<br />
Rosenkohl, Wirsingkohl, Blumenkohl,<br />
WeiB- und Rotkohl sowie Bohnen lagen<br />
unter dem Richtwert. Bedenkt man, daß<br />
beim Garen ein Teil des Wassers aus<br />
dem Gemüse entweicht, so werden die<br />
Schwermetalle im Kochtopf sogar noch<br />
angereichert!<br />
Ein Teil der Affi-Schwermetalle landet al-<br />
so im Kochtopf. Selbst wenn wir auf be-<br />
sonders vergiftete Nahrungsmittel ver-<br />
zichten, bleiben wir nicht völlig ver-<br />
schont. Da die Grenzwerte für Viehfutter<br />
erheblich höher liegen als für Lebens-<br />
mittel, können die Behörden nämlich<br />
"etwas weniger vergiftete" pflanzliche<br />
Produkte für die Verwertung als Viehfut-<br />
ter freigeben, anstatt ein generelles Ver-<br />
marktungsverbot auszusprechen - ein<br />
Schildbürgerstreich, denn viele Schwer-<br />
metalle reichem sich in der Nahrungs-<br />
kette an (vgl. Kapitel "Schwermetalle -<br />
die Langzeitgifte") und gelangen mit<br />
dem Fleisch in noch konzentrierterer<br />
Form zum Menschen. Der einzige "Vor-<br />
teil": Zusammenhänge zwischen<br />
SchwermetaH-Vergiftung und "unerklär-<br />
lichen" Krankheiten werden so ver-<br />
schleiert.<br />
?. Getreide wird mit 16% Feuchtegehalt gelagert. Daher<br />
wird dieser Wert bei Analysen benutzt.<br />
22 Gemüsepflanzen bestehen zum großen Teil aus Wasser.<br />
Der Wacsergehalt kann Iiber 90 % erreichen.<br />
23 HERMS et al., 1984<br />
Probe Orl Ksrngrone C U In Pb Cd C * Hg . A<br />
ur. '20,' 21,<br />
i<br />
1.1 77<br />
1.9 llb<br />
11 291<br />
I9 511<br />
16 118<br />
10 5L
Abf allbeseitigung<br />
durch Wortspiele<br />
Industrie und Kommunen leiten ihre<br />
Produktionsabfälle und "geklärten" Ab-<br />
wässer in die Gewässer ein. An den<br />
Schlick gebunden werden die darin ent-<br />
haltenen Schwermetalle anschlieBend<br />
wieder ausgebuddelt. Da die Abwasser<br />
"AbfälIe" sind, müßte es sich auch beim<br />
Baggergut eigentlich um Abfall handeln.<br />
Allein die Schwermetalle - von anderen<br />
Giften ganz abgesehen - machen den<br />
Hamburger HafenschIick zum Giftmüll.<br />
Der Hamburger Senat sieht das aber an-<br />
ders: Wäre nämlich der Hafenschlick Ab-<br />
fall, so rnüßten auch die für Abfallbesei-<br />
tigung geltenden Gesetze und Vorschrif-<br />
ten bei der Deponierung angewandt<br />
werden (Abfallbeseitigungsgesetz,<br />
WasserhaushaItgesetz, Bundesbauge-<br />
setz u.a.). Dann hätten die Burger aber<br />
auch die Möglichkeit, sich gegen die<br />
Landschaftszerstörung durch Spülfel-<br />
der und Spülbetrieb zu wehren. Deshalb<br />
machte der Senat kurzerhand aus dem<br />
Abfall Hafenschlick das Wirtschaftsgut<br />
Hafenschlick - die Landschaft kann zu-<br />
gespült werden.<br />
~bb. 75: Mittlere Schwerrnetallgehal te in Böden auf Hafenschlick-<br />
Spülf eldern und geogene Ausgangsgehal te+ (in mg/ kg)'<br />
Cu Zn Cd Pb N i Cr Co As Hg<br />
rni ttl erer Gehal t<br />
in Spulfeldern<br />
(0-20 cm Tiefe) 237 1238 9,O 268 45 90 21 122 8,7<br />
geogener<br />
Ausgangsgehal t 16 94 0,4 30 21 59 8 10 (0,2)<br />
+ natürl<br />
i che Schwermetal lgehal te in norddeutschen Sedi<strong>ment</strong>en nach LICHTFUSS/<br />
BRUMMER 1981<br />
aus HERMS et al. 1984<br />
Literaturverzeichnis:<br />
HERMS,U. & L.TENT (1 982):<br />
Cadmium Gehalte in Spulfeldern aus Hafenschlick und<br />
CHRISTIANSEN,H.; G.~HLMANN & L.TENT (1 982). in darauf angebauten Kulturpflanzen eine<br />
Probleme im Zusammenhang mit dem Anfall von Bag Felderhebungsuntersuchung<br />
gergut im Hamburger Hafen<br />
Landwirtsch Forsch, Sonderh 39, Kongreßband, S 448<br />
Wasserwirtschaft 72 S 385 389<br />
456<br />
DEHNAD,F. & M. SALECKER (1983):<br />
Beitrag zur Untersuchung der aquatischen Umweltver.<br />
träglichkeit von Nitrilotriessigsaure Remobilisierung<br />
von Schwermetalten aus Feststoffen von Oberflächenge-<br />
wässern durch Nitriintriessigsäure.<br />
Bericht des Instituts für Radiochernie/Abt. Wassertech-<br />
nologie,<br />
Universität und Kernforschungczentrum Karlruhe, 83 C.<br />
F~RSTNER,U.( 1984):<br />
Mobilität von toxischen Metallen in Baggerschlamm.<br />
in. Fachseminar Baggergut. Ergebnisse aus dem<br />
Baggergutuntersuchungsprogramm.<br />
5.67-88. Harnburg<br />
FORSTNER,~. B GMOLLER (1 974):<br />
~chwerrnetalle in Flussen und Seen als Ausdruck der<br />
Umweltverschmutzung<br />
255 C., Beriin<br />
HERMS,U.; B.SCHEFFER & R.BARTELS (1 984):<br />
Schwerrnetallgehalte in Boden und Pflanzbn von Hafen-<br />
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in: Fachseminar Baggergut. Ergebnisse aus dem<br />
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S.143-166, Hamburg<br />
LICHTFUSS,R.(1977):<br />
Schwermetalle in den Sedi<strong>ment</strong>en schleswig-holsteini-<br />
scher fließgewässer - Untersuchnungen zu Gesamtge-<br />
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Dissertation, Kiel. 173 C.<br />
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PFITZMANN,N.(1983):<br />
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UMWELTSCHUTZGRUPPE PHYSIKIGEOWYSSEMSCHAF-<br />
TEN (Urig.. 1982):<br />
Wasser In Hamburg.<br />
Selbstverlag Hamburg<br />
UMWELTSCHUTZGRUPPE PHYSIK/GEOWISSENSCHAF-<br />
TEN (Wsg., 1983):<br />
Wasser in Hamburg 2. .<br />
Selbstverlag llamburg, 170 S