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Auszüge aus dem Wortprotokoll - Archiv - SPD Berlin

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Die Gründungsversammlung<br />

Die Gründung des <strong>Berlin</strong>er Bezirksverbandes der SDP<br />

am 5. 11. 1989 in der Sophienkirche in <strong>Berlin</strong><br />

Gekürztes <strong>Wortprotokoll</strong> nach einer Abschrift von einer achtstündigen<br />

Videoaufzeichnung<br />

Anläßlich einer Öffentlichen Veranstaltung der <strong>Berlin</strong>er Historischen Kommission und der<br />

<strong>SPD</strong> <strong>Berlin</strong> (mit Unterstützung des Freundeskreise des Willy-Brandt-H<strong>aus</strong>es) am zehnten<br />

Jahrestag der Gründung am 5. November 1999 im Willy-Brandt-H<strong>aus</strong> veröffentlicht<br />

von Martin Gutzeit und Siegfried Heimann


2<br />

Begrüßung<br />

Herbert Hoffmann: Wir leben in einer Zeit, die wir lange, viel zu lange ersehnt haben. Wir<br />

leben in einer Zeit, die wir vor wenigen Tagen noch nicht wagten zu träumen. Wir erleben<br />

Tage, wir erlebten gestern einen Tag, um diesen zu begreifen, werden wir sehr viel Zeit<br />

brauchen. Zeit die wir nicht haben. Deswegen sind wir hier. Ich begrüße uns hier in dieser<br />

Kirche. Daß wir in dieser Kirche sind, liegt an der Zeit und an den Umständen dieser Zeit.<br />

Wir sind angetreten, diese Umstände in dieser Zeit zu verändern. Es ist trotz<strong>dem</strong> gut, noch ein<br />

Mal darauf hin zu weisen, daß wir Gäste, oder besser gesagt, Mieter in diesem H<strong>aus</strong> sind; und<br />

wir der Sophien-Kirchgemeinde dankbar sind, daß sie uns ihre Kirche für diesen heutigen Tag<br />

zur Verfügung stellt.<br />

Ich will die Gelegenheit nutzen, um die Personen des Präsidiums vor zu stellen: Da ist Frau<br />

Uta Forstbauer, da ist Fräulein Carola Gabler, da ist Dr. Konrad Elmer, da ist unser<br />

Versammlungsleiter für den heutigen Tag, Stefan Finger ,und da bin ich, Herbert Hoffmann.<br />

Wir begrüßen unter uns den Geschäftsführer des Parteivorstandes Herrn Böhme, er wird zu<br />

uns jetzt ein paar Worte des Grußes sagen.<br />

Ibrahim Böhme: Ich ergänze die Begrüßung und begrüße unter uns den ersten Sprecher des<br />

Vorstandes, Stefan Hilsberg. Ich bitte um Entschuldigung, liebe Freunde, ich begehe den<br />

ersten Verstoß gegen die innerparteiliche Demokratie, wenn ich Sie im Namen des<br />

Vorstandes, des geschäftsführenden Vorstandes der SDP als liebe Freunde ganz herzlich<br />

begrüße. Ich meine, liebe Freunde, wenn ich das sagen darf, sowohl zu denen die bereits sich<br />

in ihrer Mitgliedschaft als Sozial<strong>dem</strong>okraten erklärt haben, und die die es <strong>dem</strong>nächst tun<br />

werden und die lieben Freunde, die uns nahe bleiben werden ohne der SDP bei zu treten. Die<br />

Freunde oder die Personen, die dienstlich hier sind, möchte ich nicht als liebe Freunde<br />

anreden, sie sind trotz<strong>dem</strong> willkommen. Liebe Freunde wäre eine Vereinnahmung, die sie<br />

zumindest jetzt noch nicht gern akzeptieren würden. Wir haben gestern mindestens 25 Jahre<br />

1. Mai nachgefeiert, und es war gleichzeitig ein erhebendes Ereignis an Kreativität, was da<br />

auf Plakaten plötzlich alles entstand und was an Denksubstanz in den Menschen alles noch<br />

drin ist. Ein erhebendes Ereignis, das keiner oder nur die wenigsten, die Mehrzahl auf jeden<br />

Fall ist gekommen, friedlich ihre Meinung zu akzentuieren. Das wollen wir beibehalten in der<br />

nächsten Zeit. Es ist erstaunlich, ja es ist fast ein Wunder, wie Menschen ihren angestauten<br />

Frust wegdrücken und nun bereit sind, nicht nur emotional mit der Wirklichkeit umzugehen.<br />

Es ist ein Anfang für <strong>Berlin</strong>, aber wir Sozial<strong>dem</strong>okraten, auch wenn uns die Situation keine<br />

Zeit läßt, wir haben Zeit, uns zu strukturieren, uns inhaltlich zu streiten in der nächsten Zeit.<br />

Ich möchte als alternativer Marxist etwas in eigener Sache sagen und schließe mich hier den<br />

Worten des Vorredners an. Ich bedanke mich bei den Kirchenleitungen in diesem Lande, bei<br />

den Gemeindekirchenräten und bei den Kirchengemeinden insgesamt, die in den letzten<br />

Jahren es uns ermöglicht haben, in einem gesellschaftlichen Freiraum, den sie uns zur<br />

Verfügung gestellt haben, bei allen gegensätzlichen Auffassungen, uns diesen Weg und diese<br />

Bresche in die Wirklichkeit schlagen zu dürfen. Ich glaube, daß Kirchgemeinden oft ihre<br />

entgegengesetzten Auffassungen ... oft so weggedrückt haben, eine Stellvertreterfunktion<br />

wahrgenommen haben, ihr Evangelium so weit geöffnet haben für uns, hat uns diesen Weg<br />

hier möglich gemacht. Wenn ich gesagt habe, als alternativer Marxist, so möchte ich gleich


3<br />

erklären, daß die Initiatoren dieser Partei, die Gründer von Schwante und die vielen bereits<br />

Zugestoßenen keine Partei aufzubauen gedenken in sozialer, weltanschaulicher oder religiöser<br />

Begrenzung. Das ist etwas, was wir <strong>aus</strong> der Geschichte gelernt haben, daß der<br />

weltanschauliche Meinungsstreit uns nicht der Gemeinsamkeit enthebt, die die Wirklichkeit in<br />

Verantwortung von uns abfordert. Wir wollen eine Volkspartei sein, die jeden in seiner<br />

sozialen oder in seiner religiösen Einbindung in der Gesellschaft aufnimmt. Das wollen wir<br />

uns als einen Eid, ich sag das so deutlich, als einen Eid für die Zukunft, als die wichtigste<br />

Zielstellung für die innerparteiliche Demokratie festschreiben.<br />

Verehrte Anwesende, am 7. Juni war ich eigentlich das letzte Mal hier in <strong>dem</strong> Kirchgelände<br />

und in der Kirche, und da waren es 200 oder 250 oder vielleicht auch 300, mit Zahlen bin ich<br />

immer sehr vorsichtig, die mit sich rangen, die stritten, ob wir jetzt einen Monat nach der<br />

Wahlfälschung auf die Straße gehen, mit den ersten zwei Transparenten, die getragen wurden.<br />

Und hier sagte es in mir, es ist unsinnig bei der Bedrohung, die sich um das Kirchgelände<br />

aufgebaut hatte. Und viele Freunde sagten: Das geht nicht! Wem nützt es, wenn 150 Mann in<br />

die Magdalenenstraße oder nach Rummelsburg gebracht würden. Aber hier sagte ich mir, wir<br />

sind uns jetzt im Wort. Und zu große geistige Sterilität, alles nur von der Vernunft her<br />

bestreiten, begreifen oder <strong>aus</strong>tragen zu wollen, das tötet manchmal die Kreativität des<br />

Aufbruchs. Und es waren 200, die auf die Straße gegangen sind. Und wir wollen ehrlich sein,<br />

keiner von uns hätte sich träumen lassen, daß der Druck, der friedlich auf den Straßen<br />

Leipzigs, Dresdens, <strong>Berlin</strong>s und sonstwo Demonstrierenden das erzwingt, was wir gestern<br />

erleben konnten.<br />

Wir wollen auch all den Freunden, ob sie bei den Vereinigten Linken stehen, ob sie bei uns<br />

stehen, ob sie im Demokratischen Aufbruch stehen, bei Demokratie Jetzt, bei der<br />

Demokratischen Initiative oder bei den langjährig streitenden Freunden der Initiative für<br />

Frieden und Menschenrechte oder ob sie sich noch nicht fest gemacht haben, Dank sagen für<br />

das, was sie in <strong>dem</strong> friedlichen Widerstand in den letzten Monaten erreicht haben.<br />

Ich habe die Freunde vom Forum bewußt vergessen. Zu denen suchen wir nicht das, was uns<br />

in Diskussionen eventuell schon wieder trennt, sondern das, was uns gemeinschaftlich in<br />

Verantwortung zwingt.<br />

Verehrte Freunde, die Zielsetzung für die Gesellschaft, eine ökologisch orientierte soziale<br />

Demokratie auf <strong>dem</strong> Boden der Pluralität und des Demokratischen Parlamentarismus zu<br />

erreichen, wird ein langer Weg sein. Ich betone noch einmal, wir Sozial<strong>dem</strong>okraten bauen<br />

keine Partei auf mit der Vorstellung oder unter <strong>dem</strong> Druck hundertt<strong>aus</strong>ender Unterschriften<br />

sofort einzufangen. Hundertt<strong>aus</strong>ende Unterschriften heißen hundertt<strong>aus</strong>enden Menschen die<br />

Hemmschwelle zu nehmen, den ersten Schritt sich mit Namen und Adresse zu erklären.<br />

Diesen Hundertt<strong>aus</strong>enden könnten wir unter Umständen eine erzeugte, von uns<br />

her<strong>aus</strong>geforderte Erwartungshaltung nicht bedienen. Was wir wollen, ist ein Anwachsen auf<br />

<strong>dem</strong> Boden inhaltlicher Programmatik, die wir erst in Ansätzen erarbeitet haben. Und die es<br />

gilt, in einem geduldigen, langwierigen Meinungsstreit und immer in der Auseinandersetzung<br />

mit den Problemen der Wirklichkeit zu entwickeln und festzuschreiben.<br />

Unsere innerparteiliche Demokratie wird sich messen lassen müssen an der Möglichkeit des<br />

ständigen Korrektivs, der ständigen Korrektur, die <strong>aus</strong> der Basis gefordert wird, und die die<br />

strukturellen Leitungsgremien, die Vorstände zu beachten haben. Wir werden heute vielleicht<br />

schon erleben, daß wir alle, die wir hier sitzen, außer vielleicht den älteren Freunden, die noch<br />

in Erinnerung haben, was sozial<strong>dem</strong>okratische Tradition ist, werden wir alle zu lernen haben<br />

innerparteiliche <strong>dem</strong>okratische Strukturen.<br />

Ich begrüße unter uns vor allem jene älteren Freunde, die gern als Genossen angesprochen


4<br />

werden, die bis 1961 die Fahne der Sozial<strong>dem</strong>okratie im geteilten <strong>Berlin</strong> hoch gehalten haben.<br />

Ich bitte jeden von uns, die Freunde, die das rote Tuch zusammen gefaltet haben 1961 und<br />

zum Teil 1945, um es in die Herztasche zu stecken und warm zu halten, ans Herz zu nehmen<br />

dort wo sie sich melden. Bei allem vielleicht noch vorhandenem Unverständnis, daß wir uns<br />

nicht <strong>SPD</strong>-Ostberlin, sondern SDP für die ganze Republik nennen. Ich bitte überall, wo wir<br />

diesen Freunden begegnen, ihnen deutlich werden zu lassen, daß wir sie ernst nehmen.<br />

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.<br />

Ich habe eine Frage: Eingeladen waren auch die Massenmedien der Deutschen<br />

Demokratischen Republik. Kann sich jemand fair ein Massenmedium melden, daß wir sehen,<br />

daß sie die Einladung angenommen haben? Daß nicht die Falschmeldung rüber kommt, wie<br />

vor 14 Tagen, wir hätten sie nicht eingeladen und hätten ihnen das Interview verwehrt. Keiner<br />

da, Danke.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich möchte mich kurz vorstellen, mein Name ist Stefan Finger, ich bin Mitglied der<br />

Initiativgruppe zur Gründung des Bezirksverbandes <strong>Berlin</strong> und Mitglied des Vorstandes der<br />

SDP.<br />

Gestatten Sie mir einige Bemerkungen bevor wir hier mit der Arbeit beginnen.<br />

Tief bewegt habe ich den gestrigen Tag erlebt. Dieser 4. November wird Eingang finden in<br />

die Geschichtsbücher unseres Landes. Er läßt uns berechtigter Weise stolz sein auf das Volk<br />

in der DDR, aber angesichts der T<strong>aus</strong>enden, die auch in den letzten Stunden unser Land<br />

verlassen haben, können wir nicht stolz sein auf den Staat in der DDR. Deutlich wird: die Zeit<br />

drängt. Lassen Sie uns heute unsere Verantwortung gegenüber der einzigen Autorität im<br />

Lande, <strong>dem</strong> Volk, heute in allen Entscheidungen dieser Autorität gerecht werden.<br />

Als erstes möchte ich darauf hinweisen, daß alle diejenigen, die sprechen wollen, bitte hier<br />

nach vorne kommen, ihren Namen nennen und vielleicht auch nochmal dazu sagen, <strong>aus</strong><br />

welchem Stadtbezirk sie kommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese<br />

Gründungsversammlung elektronisch aufgezeichnet wird und protokolliert wird. Als<br />

Protokollantin möchte ich benennen: Carola Gabler. Ich möchte jetzt zum Verlesen der<br />

Geschäftsordnung als Entwurf kommen. Ich hoffe, sie liegt Ihnen allen vor....<br />

Stefan Finger verliest die Geschäftsordnung und fragt:<br />

Ich möchte Sie bitten, wer einen Antrag zur Geschäftsordnung hat, möchte bitte beide Arme<br />

heben.<br />

Tina Maier von Roudden:<br />

Mein Name ist Tina Maier von Roudden, ich spreche hier für die Basisgruppe 1 <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Prenzlauer Berg. Wir haben bereits in einem Schreiben an den Vorstand mitgeteilt, daß, wir<br />

der Auffassung sind, daß wir hier zu dieser Versammlung nicht einen Parteirat wählen<br />

können, einen Bezirksvorstand wählen können, sondern wir machen den Vorschlag, daß<br />

dieser Bezirksvorstand sich bis zum Parteitag 1990 kommissarisch im Amt befindet, denn, ich<br />

glaube da spreche ich im Namen mehrerer Mitglieder der Partei, wir sind nicht in der Lage,<br />

die einzelnen Personen einzuschätzen auf ihre Eignung, auf ihren Charakter und das sollte uns<br />

möglich sein zu berücksichtigen. Danke.<br />

Konrad Elmer:<br />

Ich nehme an, daß hierzu eine längere Aussprache nötig ist. Und wir kommen in zeitliche


5<br />

Schwierigkeiten, deswegen mein Vorschlag, ob wir die Abstimmung über §15 und § 16, wo<br />

es also um diese Wahldinge geht, zu <strong>dem</strong> Tagesordnungspunkt verweisen, der dann noch<br />

kommen wird, nämlich "Wahlen" und dann werden wir dort die Entscheidung fällen, die hier<br />

ansteht. Vielleicht hat sich bis dahin auch noch ergeben, daß man noch einige Leute näher<br />

kennen lernen konnte. Ich will nur jetzt schon sagen, ein Hauptargument für uns, diese<br />

Wahlen heute schon vorzuschlagen, ist eben das Zeitargument und das arbeitsfähig sein<br />

Müssen, und ob es besser ist, nun einfach daß der Vorstand, der genau so wenig bei den hier<br />

Anwesenden bekannt ist, daß er nun die Sache hier übernimmt, halte ich auf keinen Fall für<br />

<strong>dem</strong>okratischer, auch erwarte ich keine besseren Ergebnisse, als wenn Sie alle die Diskussion<br />

hier verfolgen, wie Leute sich erklären und geben. Natürlich bleibt das alles provisorisch bis<br />

zu <strong>dem</strong> ersten DDR-weiten Parteitag, den wir uns irgendwann möglichst bald erhoffen, aber<br />

damit, denke ich, müssen wir leben. Aber ich möchte nicht der Diskussion, die hier noch,<br />

denke ich, weiter geführt werden muß, vorgreifen. Jetzt nur mein Geschäftsordnungsantrag,<br />

diese zwei Punkte zu vertagen zu <strong>dem</strong> späteren Zeitpunkt, damit wir mit den inhaltlichen<br />

Dingen erst einmal beginnen können.<br />

Es folgt eine längere Diskussion zur Geschäftsordnung und zu der Frage, ob ein anwesender<br />

Jugendlicher teilnehmen darf Rederecht und das Recht zur Abstimmung hat. Letzteres wird<br />

verweigert, die Teilnahme und das Reden werden erlaubt.<br />

Jugendlicher:<br />

Ja, ich möchte jetzt mal dafür danken, daß ich erst mal das Rederecht habe, und wir hatten<br />

uns, also wir waren zwei gewesen, die erst 17 waren, und noch ein paar Monate auf die<br />

Vollendung des 18. Lebensjahres warten, und hatten uns an sich schon überlegt, daß wir<br />

eventuell, das hört sich vielleicht jetzt dumm an, einen Jugendverband gründen könnten, für<br />

alle die Leute, die eben noch nicht in die SDP eintreten können, die sich aber für die Ziele und<br />

für die Interessen der SDP interessieren, und auch für Leute oder wollen auch Leute<br />

gewinnen, die eben sich bisher politisch passiv verhalten haben. Und wir haben also<br />

bestimmte Themenkomplexe, hätten wir also genauer behandelt. Dabei vor allen Dingen<br />

Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in der DDR, Naturschutz, wäs jeder<br />

einzelne bei sich anfangen kann, und dann eben auch über politische Dinge zu reden, über<br />

aktuell-politische Dinge, Veränderungen oder Sachen, die wir dagegen unternehmen können,<br />

was uns nicht gefällt. Und wir würden dabei hoffen auf die Unterstützung der SDP.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich möchte den Entwurf zur Tagesordnung verlesen:<br />

1. Begrüßung und Vorstellung des Versammlungsleiters<br />

2. Benennung der Protokollantin<br />

3. Verlesen der vorläufigen Geschäftsordnung, Diskussion und Beschluß der<br />

Geschäftsordnung<br />

4. Verlesen der vorläufigen Tagesordnung, Ergänzung, Beschluß der Tagesordnung<br />

5. Einsetzen der Redaktionskommission<br />

6. Programmatischer Teil<br />

6.1. Inhaltliche Grundsätze der SDP<br />

6.2. Programmatische Arbeit (vorstellen der Arbeitsgruppen)<br />

7. Diskussion zu den Grundsätzen und zur programmatischen Arbeit danach: P<strong>aus</strong>e 15<br />

Minuten


6<br />

8. Vorstellung des Strukturaufb<strong>aus</strong> des Landesverbandes <strong>Berlin</strong>, Diskussion und<br />

Beschluß<br />

9. Grußworte und Erklärungen<br />

10. Gründungsakt mit Verlesen des Entwurfs der Gründungsurkunde, Diskussion und<br />

Beschluß, Verlesen der Gründungsurkunde und Unterschriftsleistung der Versammlung<br />

11. Wahl der Wahlkommission<br />

12. Wahl des Bezirksparteirates<br />

13. Wahl des geschäftsführenden Ausschusses<br />

14. Mitteilung an die <strong>Berlin</strong>er Bevölkerung<br />

15. Presseerklärung<br />

16. Sonstiges, wo Anträge, Finanzen etc. diskutiert werden können Ich bitte um<br />

WorWortmeldungen zur Tagesordnung.<br />

N.N...<br />

Ich habe das dumme Gefühl, daß wenn wir diese Tagesordnung beschließen, erst morgen früh<br />

zur Arbeit kommen. Das ist zu viel.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich möchte dazu sagen, zu den einzelnen Punkten liegen konkrete Entwürfe der<br />

Initiativgruppe vor. D.h., es liegen konkrete Dinge vor, so daß wir nicht anfangen darüber zu<br />

diskutieren....<br />

Stephan Hilsberg:<br />

Wir dürfen heute abend hier nicht her<strong>aus</strong>gehen, ohne daß, und wenn es ein provisorischer<br />

Bezirksparteirat von <strong>Berlin</strong> ist, gewählt wurde. Das ist mein Antrag: Wenn wir bis 18.00 Uhr<br />

noch nicht zu Ende gekommen sind, die Tagesordnung abbrechen und mit der Wahl zu<br />

beginnen.<br />

Thomas Krüger:<br />

Ich bin dafür, jetzt zur Tagesordnung überzugehen und appelliere hier an die Disziplin aller<br />

hier Teilnehmenden, diese Tagesordnung mit zu unterstützen, daß wir hier vorwärts kommen,<br />

und uns nicht in lauter Anträgen uns verzetteln.<br />

Stefan Finger:<br />

Nächster Punkt ist die Einsetzung der Redaktionskommission. Es liegen dazu Vorschläge vor.<br />

Also die Redaktion hat zu leisten:<br />

Die Mitteilung an die Bevölkerung und die Presseerklärungen, dazu hatte sich schon eine<br />

provisorische Redaktionskommission gebildet durch Johannes Richter und Tjark Völker. Ich<br />

möchte diese beiden auch vorschlagen für die Redaktionskommission und zwei Weitere<br />

bitten, dort in der Redaktionskommission mitzuarbeiten. Ich bitte um weitere Vorschläge zur<br />

Redaktionskommission.<br />

Nach einer längeren Diskussion über das Wahlverfahren und einer Vorstellung der<br />

Kandidaten werden allen fünf vorgeschlagenen Kandidaten in die Redaktionskommission<br />

gewählt. Danach beginnt die Programmdiskussion mit einem längeren Beitrag von Stephan<br />

Hilsberg.


7<br />

Stephan Hilsberg:<br />

Ich möchte als erstes sagen, daß ich mich sehr freue hier dazu Stellung nehmen zu können,<br />

programmatische Sachen zu sagen. Jeder, wahrscheinlich je<strong>dem</strong> von euch geht es so, liebe<br />

Freunde, ich hätte vor vier Wochen nicht geglaubt, daß es in dieser Runde in solchen<br />

Größenordnungen möglich ist über sozial<strong>dem</strong>okratische Sachen und Programme zu reden.<br />

Bevor ich zu den eigentlichen programmatischen Sachen komme, möchte ich bitte folgendes<br />

auch zu bedenken geben. Ich gebe zu, das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, an<br />

Demonstrationen, an Wenden, an Schlachten, Reden und Gegenreden, Zugeständnissen und<br />

Forderungen und auch Zerwürfnissen, das hat nicht nur mich angefaßt, berührt, manchmal<br />

glücklich, manchmal mutlos gemacht; man war geneigt, das unglaublich hoch zu bewerten,<br />

was nun um einen herum geschah und geschieht, sozusagen die Gegenwart <strong>aus</strong> ihrem<br />

Zusammenhang von Vergangenheit und Zukunft zu reißen. Es fällt gelegentlich schwer, an<br />

das zu halten, was Realität ist, woher sie rührt und wohin wir sie bringen. Am 7. Oktober<br />

eskalierte auf Befehl die staatliche Gewalt gegen den sich anstauenden Druck der friedlichen<br />

Demonstrationsbewegung. Diese war durch Polizeimaßnahmen schon nicht mehr aufzuhalten,<br />

und die Menschen griffen sich den Freiraum, um ihn bis heute nicht mehr los zu lassen.<br />

Dieser 7. Oktober war gleichzeitig, Zufälligkeit der Geschichte, der Gründungstag der SDP in<br />

Schwante. Heute, fast einen Monat später, bilden wir hier den <strong>Berlin</strong>er Ortsverband mit<br />

vielleicht, wenn ich das so schätzen kann, 300 / 400 Mitgliedern. Auch wenn wir stolz<br />

darüber sein könnten, Stolz ist unsere Sache nicht, darf sie nicht sein. Es ist zu viel an<br />

Schmerzlichem, was in den vergangenen Jahrzehnten sich angesammelt hat. Und was uns<br />

erwartet, sieht auch nicht gerade rosig <strong>aus</strong>. Die ständige Flüchtlingswelle, wirtschaftliche<br />

Schwierigkeiten nur als Beispiele. Und doch ist diese Gründung des <strong>Berlin</strong>er Ortsverbandes<br />

der SDP genau unser Teil der Antwort, wie wir sie zum jetzigen Zeitpunkt als die adäquate<br />

finden. Wir streben, und das dokumentieren wir schon in unserem Namen als Partei, eine<br />

Gesellschaft in der DDR an, die sozial und <strong>dem</strong>okratisch ist. Demokratie, das ist die Staatsform<br />

eines Volkes freier Menschen. Untertan und Hierarchie das paßt zusammen, aber<br />

Freiheit, die bedarf der Demokratie. Und wir wollen Freiheit nicht nur für Einzelne oder<br />

einzelne Schichten, wir wollen die Solidarität, wir wollen sie für alle Schichten. Wir wollen<br />

die Solidarität der gesamten Sozietät im Schlechten, wie im Guten, unter Wahrung der<br />

Menschen- und Bürgerrechte. Das nennen wir sozial<strong>dem</strong>okratisch. Wir haben erlebt und<br />

erleben, wie ein Staat Schiffbruch erleidet, weil er auf Untertanen und bürokratische<br />

Herrschaftsformen baut. Dennoch ist dieser Staat zwar angeschlagen, noch immer mächtig.<br />

Und die Psyche vieler Bürger ist diesem real existierenden Sozialismus angepaßt. Um <strong>aus</strong><br />

diesem Sozialismus einen <strong>dem</strong>okratischen zu machen, bedarf es der Anstrengung vieler, und<br />

wir glauben, und deshalb sind wir heute hier, es bedarf einer zutiefst <strong>dem</strong>okratischen Partei,<br />

die stark werden wird, die die Demokratie vorführt, die wir für unser Land erhoffen und die<br />

sich eines Tages, und wir hoffen bald, als sachliche auch im Detail, als personelle Alternative<br />

präsentieren kann.<br />

Dafür bewegt sich unsere Arbeit auf drei Schienen:<br />

Die erste wäre die interne Parteiarbeit. Die strukturelle Gliederung, Informationsstrukturen<br />

schaffen. Das hat damit zu tun, daß wir Demokratie üben müssen, und mir sei vielleicht ein<br />

kurzes Wort dazu gestattet. Es fällt schwer, Demokratie zu lernen, es fällt schwer, es zu<br />

erleben, und ich sage dazu immer, auch Demokratie ist Kampf, und man kann auch bei<br />

Demokratie Herzinfarkte bekommen, aber es ist immer noch besser, man macht es auf die Art<br />

und Weise, als sich von einer Minderheit vordiktieren zu lassen, was für die gesamte<br />

Mehrheit gilt. Es ist auch deshalb so sehr wichtig, weil wir z.Z. Freiraum haben, den sich das<br />

Volk geschaffen hat. Wir müssen jetzt die Punkte besetzen, späterhin, wenn es vielleicht nicht


8<br />

mehr ganz so wichtig ist, nicht mehr wett gemacht werden können. Wir brauchen<br />

Verbindlichkeiten.<br />

Die zweite Schiene, ist die Arbeit der Ausschüsse. Das heißt in erster Linie thematische<br />

Analysen, dessen, was wir zur Zeit haben, wie es entstanden ist, und wir brauchen, und dazu<br />

sind die Ausschüsse sehr wichtig, neue konzeptionelle, gesellschaftliche Modelle. Und die<br />

dritte Schiene, und das ist auch etwas sehr Wichtiges, und das besteht darin, vernünftig und<br />

mit <strong>dem</strong> klaren Blick auf das Erreichbare der Zukunft sich der Politik des Tages zu widmen.<br />

Man soll sich nicht täuschen, auf allen drei Schienen gleichzeitig müssen unsere Züge in<br />

Richtung Demokratie fahren.<br />

In dieser Demokratie soll die Ökologie ihren Platz haben, wie er ihr für die Bewahrung<br />

unserer natürlichen Umwelt, dessen Teil auch wir Menschen sind, zukommt. Sonst wird es<br />

uns als Gesellschaft bald nicht mehr geben. Als Wirtschaftsform streben wir die soziale<br />

Marktwirtschaft an. Ein Wort, das leicht zu Widersprüchen reizt. Aber man mag es wenden,<br />

wie man will. Der Markt muß wieder in seine Rechte eingesetzt werden. Er muß der Maßstab<br />

für wirtschaftliche Rentabilität sein. Dafür aber müssen alle Teilhaber am Markt mit Rechten<br />

<strong>aus</strong>gestattet sein, die ihnen die ungehinderte Teilnahme sichert, aber nicht anderen Gliedern<br />

nicht ungehindert <strong>aus</strong>liefert. Insbesondere müssen die Rechte der Konsumenten gestärkt<br />

werden. Die Monopolstrukturen, die die SED in den letzten anderthalb Jahrzehnten stark<br />

forcierte, müssen, wo es geht, aufgebrochen werden und der faire Wettbewerb muß wirken<br />

können. Viele Betriebe müssen wieder leistungsfähig werden. Hier ist es nicht nur nötig, die<br />

SED <strong>aus</strong> den Betrieben zu verbannen, um eindeutige Verantwortlichkeiten zu gewinnen, die<br />

Belegschaft muß auch über Mitbestimmung an den Entscheidungen beteiligt werden, sowie<br />

,an den Gewinnen ihres Betriebes. Sie sollte jetzt die Chance nutzen, durch unabhängige<br />

Gewerkschaften ihre Interessen zu stärken. Das genossenschaftliche Eigentum sollte gefördert<br />

werden, und die private Initiative darf nicht mehr gehemmt werden, sie kann ein wesentlicher<br />

Motor auch im privaten wirtschaftlichen Sektor sein. Wahrscheinlich muß man sich schon<br />

jetzt überlegen, wie man ihre Expansion an irgend einer Stelle vernünftig begrenzt. Für das<br />

Funktionieren dieser Wirtschaft bedarf es der strikten Trennung von Staat und Gesellschaft,<br />

eines wirksamen Kartellrechts, sowie generell rechtlicher Sicherheit für alle Mitglieder der<br />

Gesellschaft. Freiheit und Rechtssicherheit, soziale Marktwirtschaft und parlamentarische<br />

Demokratie sind unteilbare Bestandteile eines künftigen Demokratischen Sozialismus.<br />

Außenpolitisch, nur ein kurzes Wort, wollen wir uns <strong>dem</strong> Nord-Süd-Konflikt stellen und<br />

Beiträge zu seiner Lösung suchen, anstatt weiterhin an ihm zu partizipieren. Wir unterstützen<br />

weiterhin das europäische H<strong>aus</strong>, nicht nur deshalb, weil hierin eine Lösung für die offene<br />

deutsche Frage liegt, sondern weil wir dies als historische Chance für den Abbau der<br />

Militärblöcke und das Zusammenrücken der europäischen Staaten begreifen und unterstützen<br />

wollen.<br />

All dies wollen wir als Volkspartei erreichen, wir wollen einen Staat, in <strong>dem</strong> die Menschen<br />

ihre Interessen selber vertreten und umsetzen können. Wir wollen uns an den Wünschen,<br />

Hoffnungen und Erwartungen der Menschen unseres Landes orientieren und an<br />

<strong>dem</strong>okratischen Prinzipien festhalten und dabei immer das politisch Machbare im Blick<br />

behalten. Leicht ist das nicht, aber die Sozial<strong>dem</strong>okratie hat sich in ihren guten Zeiten nie am<br />

bequemen Weg orientiert, sondern angestrebt, was sie für richtig hielt. Für uns sind<br />

Schwierigkeiten eine Her<strong>aus</strong>forderung. Wir schaffen ein Klima, wo sich Engagement lohnt.<br />

Ich danke Ihnen.


9<br />

Torsten Hilse: Sie haben schon mitbekommen, es gibt eine kleine Unsicherheit. Wir wollten<br />

eigentlich an anderer Stelle in kleinen kurzen Vorträgen programmatische Ausrichtungen<br />

geben für unsere spätere Arbeit in Arbeitsgruppen. Die inhaltliche Arbeit unserer Partei ist ja<br />

mindestens genau so wesentlich, wie unsere Strukturierung sind, bestimmt im wesentlichen in<br />

Zukunft vor allem die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit. Ich würde nun um Verständnis<br />

bitten, wenn das nicht so ganz reibungslos abläuft, wie ich mir es vorgestellt habe. Ich würde<br />

mal ganz kurz die Punkte nennen und bitte jetzt die einzelnen Referenten um das<br />

Handzeichen, um zu sehen, ob sie auch da sind, denn in der Hektik konnte ich mich noch<br />

nicht vergewissern. Frank Bogisch hab ich gesehen, Udo Eisner, Frau Gabler, ich erfahre<br />

soeben, Frau Küntscher ist krank. Die Gruppe Recht und Staat wird damit also inhaltlich nicht<br />

vorgestellt, das setzt aber trotz<strong>dem</strong> die Möglichkeit frei, sich links und rechts auf diesen<br />

gelben Blättern später ein-zuschreiben, wenn man Interesse hat in dieser Gruppe inhaltlich<br />

mitzuarbeiten. Frau Könke, Herr Scheffler, Frau Leger, Herr Richter - 2/3 Welt, und Herr<br />

Thron, dann Stephan Hilsberg und Herr Scherfling, gut, ich beginne gleich mit meinem<br />

Beitrag.<br />

Ich möchte die Arbeitsgruppe vorstellen Kommunalpolitik, Denkmalpflege, ein weites Feld.<br />

Alles was jetzt gesagt wird, ist nur schlaglichtartig angerissen. Über die Folgen der vierzigjährigen<br />

Alleinherrschaft der SED kann sich jeder Fremde hier im Lande innerhalb von 15<br />

Minuten in Kenntnis setzen. Hierzu reicht ein kleiner Spaziergang. Jahrzehnte vernachlässigt,<br />

verfallen ganze Stadtteile, geht unwiderbringliches historisches Erbe verloren. Die Gesichter<br />

der Städte wandeln sich zur Unkenntlichkeit. Durch tätiges Nichtstun hat ein Heer von<br />

Verwaltungsangestellten, gestützt durch entsprechende Strukturen, mehr Altb<strong>aus</strong>ubstanz<br />

zerstört, als das der zweite Weltkrieg vermochte. Das ist nur ein Bruchteil der Bilanz. Vor<br />

welchen Aufgaben stehen wir? Das Feld der Kommunalpolitik geht über das äußere Bild der<br />

Städte hin<strong>aus</strong>. Es ist wahrhaftig ein weites Feld. Es gilt nachzudenken und her<strong>aus</strong>zuarbeiten,<br />

welche Regulationsmechanismen eine Kommune benötigt, um mit minimaler administrativer<br />

Steuerung soziales Siedeln zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang muß unser Interesse<br />

auch den Mieten gelten. Neben wirtschaftlichen Erwägungen sollten die Mieten die<br />

finanziellen Aufwendungen decken. Um ein Gebäude zu erhalten, muß die Höhe der Miete<br />

von sozialen Überlegungen in Zukunft nach wie vor bestimmt sein. Nachzudenken wäre<br />

ferner, wie Städtebaukonzeptionen der Zukunft <strong>aus</strong>sehen. Satellitenstädte werden<br />

ebensowenig eine Lösung sein wie die extensive Bebauung des Weichbildes einer Stadt mit<br />

der Folge der Zersiedelung der Natur. Unsere Überlegungen sollten verstärkt auch <strong>dem</strong><br />

innerstädtischen Bauen gelten, <strong>dem</strong> Sanieren und <strong>dem</strong> Retten von Altb<strong>aus</strong>ubstanzen sowie der<br />

Bebauung vorhandener Lücken. Viel muß es sein, um Infrastrukturen zu errichten, die nicht<br />

nur die elementarsten Infrastrukturen abdecken. Eine Identifikation mit der Stadt muß <strong>dem</strong><br />

Bürger wieder möglich sein. Dieses Ziel ist erreichbar, wenn die Gestaltung der Bürger, sowie<br />

die gesamte Öffentlichkeit einbezogen wird. Dem fühlen wir uns verpflichtet. Kommunale<br />

Verwaltung muß alle Generationen gleichermaßen wieder in den Blick bekommen. Hier sei<br />

das altersgerechte Bauen genannt. Das Verhältnis Mensch / Kraftfahrzeug muß neue<br />

Prioritäten erfahren. Der Vorrang in den Städten sollte den Fußgängern gehören. Alle<br />

Verkehrsplanung wäre danach <strong>aus</strong>zurichten und sinnvoll neu und <strong>aus</strong>zugestalten. Darüber ist<br />

nachzudenken. Das Nahverkehrsnetz muß betrachtet werden. Ist es angemessen? Wird es den<br />

Erfordernissen gerecht? Zu überlegen wären Dichte und Folge der Verkehrsmittel.<br />

Überlegungen zum Tarif. Soll er so gestaltet sein, daß er Kostendeckend ist? Oder soll er so<br />

gestaltet sein, daß er <strong>aus</strong>schließlich nur anregt, eigene Fahrzeuge stehen zu lassen? Wir<br />

müssen darüber nachdenken. Den Gesellschaftsbau gilt es anzudenken. Ich erinnere daran,<br />

daß viele Instanzen und Ämter in Wohnungen sitzen und in Wohnhäusern. Das Kommunika-


10<br />

tionsnetz muß in das Blickfeld geraten. Telefone sind für eine moderne Gesellschaft wichtig.<br />

Dort wo es nicht möglich ist, müßten flächendeckend andere Möglichkeiten da sein. Das ist<br />

alles einzubringen vor Ort. Die Entsorgung der Städte muß prüfend überlegt werden. Sie darf<br />

nicht länger auf Kosten der Umwelt geschehen. Ein Gedanke zur Denkmalspflege: Hier sind<br />

neue Akzentuierungen zu setzen. Es muß für die Zukunft nicht nur das einzelne,<br />

bewahrungswürdige Gebäude im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Es gilt, diese Gebäude<br />

in ihrer Einbindung in das Umfeld zu sehen, sowie großflächig Altes und Schönes zu erhalten.<br />

Eine Liste der vom Verfall bedrohten denkmalswürdigen Gebäude wäre kurzfristig zu<br />

erarbeiten. Diese Gedanken nur als programmatische Anregung für das, was uns später<br />

erwartet, und ich denke, jeder Redner wird das nicht immer betonen müssen. Wer Interesse<br />

hat, in diesem Feld mitzuarbeiten, der hat die Möglichkeit, sich in irgend einer Liste, Spalte<br />

einzutragen.<br />

Christian Scherfling:<br />

Ich möchte hier ganz kurz die Arbeitsgruppe Gesundheitswesen und Sozialwesen vorstellen.<br />

Übrigens, mein Name ist Christian Scherfling, ich bin auch unter den Kontaktadressen zu<br />

finden, für jemanden, der da mitmachen will. Eine Sache ist mir noch der Betonung wert: In<br />

den Arbeitsgruppen können auch Leute mitmachen, die nicht Mitglied der SDP sind. Wir sind<br />

also alle aufgerufen, auch in unserem Bekanntenkreis vielleicht nachzufragen, ob es Leute<br />

gibt, die Interesse haben und die vor allen Dingen die nötige Sachkenntnis haben, die nötige<br />

Kompetenz haben, in bestimmten Arbeitsgruppen mitzuarbeiten.<br />

Also, wir haben ja im Gesundheitswesen viele Probleme. Ich glaube, ich brauch die nicht alle<br />

aufzuzählen. Es sind über 1 000 Ärzte <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong> weggegangen, also Ärzte und<br />

Pflegepersonal. Wir haben nur mangelhafte technische Ausstattungen. Ich habe selber auch<br />

lange im Gesundheitswesen gearbeitet und spreche hier <strong>aus</strong> eigener Erfahrung. Uns geht es<br />

darum, den Verwaltungsapparat rigoros abzubauen. Es gibt zu viele Mediziner in<br />

nichtmedizinischen Bereichen, wie z.B. als Kreishygienearzt usw. Wir müssen weg kommen<br />

von diesen großen Polikliniken. Wir sind der Meinung, daß eine Poliklinik zentral für den<br />

Stadtbezirk reicht. Wir müssen uns mehr auf das H<strong>aus</strong>arztprinzip wieder berufen. Wenn man<br />

allein davon <strong>aus</strong>geht, daß allein im Jahre 1955 2300 Allgemeinmediziner als H<strong>aus</strong>arzt in<br />

<strong>Berlin</strong> tätig waren und es heute noch 500 sind, dann kann man sich vorstellen, wie das<br />

Gesundheitswesen vernachlässigt wurde. Der Bezirksarzt von <strong>Berlin</strong>, Dr. Dellers, hat<br />

behauptet, daß in den nächsten Jahren die Zahl der H<strong>aus</strong>ärzte auf 800 steigen wird. Wir sind<br />

der Meinung, daß das nicht reichen wird - auf keinen Fall. Als weitere Linie dieser<br />

Arbeitsgruppe: Wir müssen uns unbedingt um Alkoholiker und andere Problemgruppen<br />

besser kümmern. Die jetzige Versorgung ist einfach unzureichend. Gen<strong>aus</strong>o ist es beim<br />

Pflegepersonal in Altersheimen. Es herrschen zum Teil so unhaltbare Zustände, daß man<br />

selber seine Angehörigen nicht dort hinein geben möchte. Wir müssen sehen, daß wir<br />

Probleme lösen, die die Pflege der Bedürftigen in den Wohnungen gewährleistet. Es muß ein<br />

soziales System geschaffen werden. Da bin ich der Meinung, daß es möglich sein muß, ein<br />

privates System zu schaffen, wie es auch in der Bundesrepublik geht, daß private Hilfs- und<br />

Pflegedienste die Leute in den Wohnungen pflegen, so daß nicht alle in diese zentralen<br />

Altersheime aufgenommen werden müssen. Wir denken, daß es günstig ist, daß man neben<br />

den staatlichen Arztpraxen, die sicherlich sein müssen, auch andere Formen wählt, und da ist<br />

nicht nur der private Sektor, wo man sägt, es müssen private Ärzte sein, denn dabei ist immer<br />

zu beachten, daß der Arzt daran eigentlich sehr gut verdient, aber die Schwestern und das<br />

Pflegepersonal immer noch benachteiligt sind, und deswegen denken wir, daß eine<br />

genossenschaftliche Form von Arztpraxen auch ein gangbarer Weg wären. Aber darüber<br />

müßte man sich dann unterhalten. Ich glaube das reicht jetzt erst mal nur als kleine<br />

Vorstellung.


11<br />

Frank Bogisch:<br />

Guten Tag. Mein Name ist Frank Bogisch. Ich bin auch im Vorstand der Partei und<br />

beschäftige mich sehr stark mit ökologischen Fragen und kann dazu auch nochmal aufs Statut<br />

verweisen. §9 verpflichtet uns ja förmlich dazu, die Umwelt mit einzubeziehen in unsere<br />

Denkprozesse, wenn wir uns sozial<strong>dem</strong>okratisch und verantwortlich fühlen. Ich vertrete hier<br />

zwei Gruppen, die thematisch nicht unbedingt zu trennen sind - inhaltlich und im Detail<br />

schon. Und eigentlich auch die Gruppe Wirtschaft. Deswegen hatte ich eigentlich<br />

vorgeschlagen, daß die vorher redet, ist ja da mit drin. Also die Gruppe Ökonomie und<br />

Ökologie und die Gruppe Ökologie in der Praxis. Meine Meinung ist, Ökonomie muß sich<br />

langfristig der Ökologie unterordnen, ansonsten sind entweder territoriale bzw. globale<br />

Probleme nicht mehr zu lösen. Ich möchte also auch vorweg schicken, daß ich also nur<br />

Probleme anreißen möchte, also hier eine Lösung überhaupt nicht möglich ist. Ich habe mich<br />

deswegen zur Sozial<strong>dem</strong>okratie entschieden, nach <strong>dem</strong> Statut und <strong>dem</strong> Programm, weil die<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratie aufgrund der sozialen Marktwirtschaft und der Gewinnumverteilung auf<br />

ökologischen Gebieten die größten Möglichkeiten im Moment bietet, da keine grüne Partei<br />

oder so etwas Ähnliches in Sicht ist, dieses Moment wesentlich zu bedenken. Also, wir<br />

müssen bei diesen Gruppen Ökonomie / Ökologie die Gewinnabschöpfung <strong>aus</strong> den Betrieben<br />

auf ökologische Gebiete verlagern und zielgerichtet einsetzten, z.B. auch durch<br />

Dezentralisierung der Betriebe, Eigenverantwortlichkeit in den Betrieben schaffen. Damit<br />

wären wir gleich wieder im Territorium von <strong>Berlin</strong>, hier sind ja drei große Chemiebetriebe,<br />

<strong>Berlin</strong>chemie, Kalichemie und die Lackfabrik, die dann also Umweltgerechter produzieren<br />

müssen, oder sollten, in <strong>dem</strong> sie diese Sachen mit einbeziehen, um ein größeres Konzept zu<br />

nennen, z.B. Energiepolitik. Hierbei möchte ich mal ganz kurz anreißen, wie global und<br />

eigenstrukturell die Sache ist. Also die Infrastruktur spielt dort eine wesentliche Rolle, also<br />

z.B. beim Tagebau, wie sich die Infrastruktur dort verändert, da muß von Ausstieg <strong>aus</strong> der<br />

Braunkohlentechnologie geredet werden, das ist die Schwierigkeit, welche Energieform<br />

bieten wir dann an? Alternative Energien wie Windenergie oder Sonnenenergie ist heute<br />

schon klar, daß die absolut nicht <strong>aus</strong>-reichen. Also Europäisches H<strong>aus</strong>, internationaler<br />

Energieverbund, dort spielen Sachen hinein, wie französische Atomenergie, wollen wir<br />

Atomenergie - Ja ? - Ausstieg - Nein? Alles solche Fragen. Dann, wie rüsten wir Kraftwerke,<br />

die heute bestehen, effektiver <strong>aus</strong>? Dann, die Sicherheitsfragen, solche Sachen, es ist<br />

sicherlich etwas lächerlich, aber Energiefragen sind nur international zu lösen, z.B.<br />

Ökoterrorismus oder Sonnenenergieübertragung <strong>aus</strong> Afrika. Damit sind wir gleich bei<br />

technologischen Problemen, die Leiter, dazu müßte man ökologisch/ökonomisch sagen, die<br />

Energieübertragung spielt dort eine wichtige Rolle und nicht zuletzt der Energieverbrauch der<br />

DDR. Damit sind wir wieder am höchsten in Europa, d.h. hier müßte also wieder die Gruppe<br />

Ökonomie / Ökologie in der Praxis eingehen auf den Energieverbrauch und Alternativformen<br />

finden, wie wir Energie weniger verbrauchen in der Bevölkerung.<br />

Dann noch ein paar Punkte zu der Gruppe Ökologie in der Praxis. Der Vorredner hatte schon<br />

Sachen angeschnitten. Das sind also wesentliche Fragen der Stadtbauökologie, also<br />

Altb<strong>aus</strong>anierung, wie, warm. Auch die Energieformen dort, welche Heizungsarten werden<br />

dort eingesetzt. Dann Radwegebau, Begrünung der Stadt. Auch möchte ich noch daran<br />

erinnern, daß in <strong>Berlin</strong> gerade auch sehr große Randgebiete mit landwirtschaftlichen Formen<br />

sind, d.h. also die ganze Frage der Gülle, der Düngemittel, der schweren Technik, also<br />

Landwirtschaftsfragen, also auch die <strong>Berlin</strong>er Struktur ist dort gerade sehr gefragt.<br />

Noch eine Sache: Auch der Vorredner hat es schon angeschnitten, ich bin der Meinung, wir<br />

sollten nicht engstirnig sein und jetzt sozial<strong>dem</strong>okratische Momente, gerade bei den<br />

Ökologiefragen, ich bin der Meinung, jeder, jeder ob Mitglied der SDP oder anderer Parteien,<br />

auch


12<br />

SED, auch sie bieten Programme jetzt an <strong>aus</strong> ökologischer Sicht, wir sollten mit je<strong>dem</strong><br />

zusammen arbeiten und dort ganz offen sein, ob international oder territorial, um diese<br />

Probleme zu lösen und tatsächlich dieses sozial<strong>dem</strong>okratische Programm in den Dienst der<br />

Ökologie stellen, ansonsten haben unsere Kinder auf lange Sicht keine Chance über<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratie oder ähnliche Fragen zu reden.<br />

Udo Eisner:<br />

Werte Anwesende, mein Name ist Eisner, ich komme <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Stadtbezirk Friedrichshain und<br />

möchte Ihnen die Arbeitsgruppe Wirtschaft, die wir ins Leben rufen wollen, vorstellen. Sie<br />

wissen, das Problem Wirtschaft drückt uns alle, und die Diskussionen in der Presse über<br />

Wirtschaftsprobleme und Leitungsprozesse sind in vollem Gange. Wir können uns diesen<br />

Diskussionen nicht verschließen. Diese Arbeitsgruppe wird sicherlich eine komplizierte<br />

Aufgabe haben, ein für alle verständliches Konzept der zukünftigen Wirtschaftspolitik der<br />

DDR darzustellen. Im programmatischen Vortrag zur Gründung der SDP in Schwante wurde<br />

ein einfacher Begriff geprägt: soziale Marktwirtschaft mit ökologischer Orientierung.<br />

Dahinter verbirgt sich jedoch ein komplizierter Wirtschaftsmechanismus, der von uns mit<br />

Hilfe vieler Wirtschaftsexperten klar definiert werden muß. Fragen sind zu beantworten, die<br />

Einfluß auf Konsum, Ökologie, Wohnungspolitik, Verkehrs- und Energiepolitik und den<br />

Zusammenhang von Chemie und Landwirtschaft haben werden. Wir werden darüber beraten,<br />

welche Strukturen in der Industrie zweckmäßig sind. Viele Kombinate sind zu reorganisieren.<br />

Die Zulieferindustrie ist durch die Bildung unabhängiger Klein- und Mittelbetriebe, die<br />

elastisch auf die Bedürfnisse der Kunden, auch international beherrschender Großbetriebe<br />

bzw. Kombinate reagieren, zu stärken. Den Betrieben ist mehr Eigenständigkeit zu gewähren.<br />

Staatliche Vorgaben sollten die Rahmenbedingungen fixieren und nicht die betrieblichen<br />

Entscheidungen hinein administrieren. Die Hauptorientierung der Betriebe ist Markt, Absatz,<br />

die Befriedigung der Kunden und nicht bloßes Erfüllen der Kennziffer industrieller<br />

Warenproduktion. Eine neue Form der Besteuerung der Betriebe ist zu entwickeln. Dabei sind<br />

über die Abschaffung der Produktionsfondsabgabe und der Produktionsabgabe nachzudenken.<br />

Der Anteil der Mittel für die gesellschaftliche Konsumtion ist offen darzulegen, und<br />

Vorschläge für Einsparungen in diesem Sektor zur Stärkung der Investitionskraft der Industrie<br />

zu erarbeiten. Die Gewinne in den Betrieben sind so zu organisieren, daß sie dort verbleiben<br />

und zur eigenständigen Bildung von Fonds für die Investitionen, soziale Versorgung der<br />

Beschäftigten zu verwenden. Die selbständige Bildung der Fonds Lohn, Instandhaltung,<br />

Bildung von Rücklagen usw. ist von den Kombinaten ohne dirigistische Eingriffe zu<br />

ermöglichen. Zur Erhöhung der Effizienz unserer Wirtschaft ist über die Bildung von<br />

Betrieben und Kombinaten mit <strong>aus</strong>ländischer Kapitalbeteiligung nachzudenken. Alle<br />

Eigentumsformen sollten möglich werden. Dabei ist die Kontrolle der in Gemeineigentum<br />

verbleibenden Banken und Kreditinstitute von <strong>aus</strong>schlaggebender Bedeutung. Jede<br />

Eigentumsform muß nach ihrem Nutzen für die Gesellschaft beurteilt werden. Wir können<br />

uns Formen vorstellen von Betrieben und Kombinaten in Gemeinschaftseigentum, Betriebe<br />

mit halbstaatlichen Charakter, private Unternehmen im kleinen und mittleren Bereich,<br />

Betriebe in Gemeineigentum mit <strong>aus</strong>ländischer Kapitalbeteiligung, internationale Handelsund<br />

Produktionkooperation, Stärkung des Handwerks und der privaten<br />

Dienstleistungsbetriebe durch Aufhebung der Beschäftigungsgrenze und Liberalisierung des<br />

Steuersystems. Bei allen Formen sind Fragen der Mitbestimmung und Selbstverwaltung nicht<br />

zu vergessen. Zu untersuchen ist die Problematik "sozialistischer Wettbewerb", Prämien,<br />

Neuererwesen, MMM sowie weiterer formalistischer Aktivitäten der Bürokratie. Wir sind<br />

dafür, daß Forschung, Entwicklung, Konstruktion entbürokratisiert werden. Wir sind z.Z., Sie<br />

wissen das <strong>aus</strong> den Betrieben, heute so weit gekommen, daß die Bürokratie Innovationen


13<br />

hemmt. Nachzudenken ist über die Formen der Bilanzierung. Die Bilanzierung ist z.Z. nur ein<br />

typischer Ausdruck der Mangelwirtschaft. Der Investitionspolitik ist besonderes Augenmerk<br />

zu schenken, sie entscheidet letztlich über die Entwicklung unserer Wirtschaft. Administrative<br />

und politische Prestigeobjekte und Vorhaben haben zur Deformierung der Wirtschaft<br />

maßgeblich beigetragen. Betriebe, Kombinate, Genossenschaften, Handwerks- und<br />

Dienstleistungsbetriebe sind nur nach ökonomischen, technischen, ökologischen und<br />

volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu leiten. Wir fordern Tarifautonomie, sogenannte<br />

politische Entscheidungen haben in unseren Betrieben nichts zu suchen. Nicht der<br />

Parteisekretär, sondern der staatliche Leiter, der Betriebsleiter oder das Kollegium, die<br />

Fachdirektoren entscheiden über das Wohl und Wehe eines Betriebes. Lassen Sie mich zum<br />

Abschluß Prof. Siegfried Schiller vom Forschungsinstitut "Manfred von Ardenne" zitieren,<br />

der in der Wochenpost vom 3. 11., und er möge mir verzeihen, daß ich ihn hier zitiere,<br />

vorlesen: "Durch Kontrolle und durch Überkontrolle wurde immer wieder versucht, das<br />

Problem zu fassen. Das Ergebnis ist mehr als mager. Die Rückkopplung über Kontrollorgane<br />

und Planauflagen ist viel zu starr. Sie konnte oftmals nicht verhindern, daß am wirklichen<br />

Bedarf vorbei produziert wird. Im Kapitalismus wird ein solches Verhalten mit <strong>dem</strong> Konkurs<br />

bestraft. Bei uns aber heißt es "Friß Vogel oder stirb", das ist Kapitalismus im Quadrat." Ich<br />

bedanke mich.<br />

Marlit Könke:<br />

Ich bin gebeten worden, ein Diskussionsangebot für die Arbeitsgruppe Kultur <strong>aus</strong>zuarbeiten.<br />

Ich bin also nicht Leiter der Arbeitsgruppe, das Amt ist also noch zu vergeben, aber ich würde<br />

natürlich auch mitarbeiten und fordere hier alle Basisgruppen auf, die Mitglieder der<br />

Basisgruppen auf, wer mitarbeiten möchte, trage sich dort ein. Wir haben eigentlich eine<br />

ganze Menge zu tun, und ich kann nur sagen, hier so ein Vortrag hier des Vorredners, da kann<br />

man vor Neid nur erblassen. Also wie gesagt, jetzt zur Arbeitsgruppe Kultur einige Probleme.<br />

Das kulturelle Leben in der DDR ist durch verkrustete zentralistische Strukturen und<br />

parteipolitische Eingriffe bestimmt, die wenig bzw. keinen Raum für die publikumswirksame<br />

Arbeit vom künstlerischen Rand- und Einzelprojekten, Basistheatergruppen und alternativen<br />

Unterhaltungs- und Freizeitunternehmen bieten. Den Künstlern, die mit kritischer<br />

Schöpferkraft die veränderungswürdige Realität dieses Landes darstellen und beschreiben in<br />

der Literatur, mit Mitteln des Filmes oder in der bildenden Kunst, ist es ohne Protektion durch<br />

bereits etablierte Künstler oder staatliche Förderinstitutionen nicht möglich, ihre Arbeit<br />

öffentlich zur Diskussion zu stellen. Denn es gibt keine parteipolitisch unabhängigen Verlage,<br />

Filmproduktionsstätten, Theater, Zeitungen etc. Wir übersehen nicht die Bemühungen von<br />

Kulturinstitutionen und kommunalen Behörden, <strong>dem</strong> Kulturleben in den Städten ein<br />

differenzierteres Gesicht zu verleihen, fair Nachwuchskünstler und unabhängige Gruppen die<br />

Bühnen frei zu machen und neue Freizeitmöglichkeiten anzubieten. Wir müssen jedoch<br />

feststellen, ein zentralistisch organisiertes Kulturleben und die finanzielle Abhängigkeit der<br />

Kunstproduktionen von Staat und Partei machen eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen<br />

in Gruppen und Projekten, in Stadtteilen und neuen Wohngebieten unmöglich. Die<br />

Massenwirksamkeit von Kultur kann nicht daran gemessen werden, daß wenige und<br />

manchmal gute Unterhaltungs- und Kunstproduktionen für die breite Bevölkerung zu<br />

Billigpreisen unter ihrem Wert verkauft werden, sondern erst, wenn die in der Bevölkerung<br />

entstehenden unter-schiedlichen Kulturbedürfnisse in hoher Qualität zum Selbstkostenpreis<br />

angeboten und von den Kulturinteressierten aufgenommen werden, kann man von einer<br />

tatsächlichen Befriedigung kultureller Bedürfnisse, von einer Identität des Volkes mit seiner<br />

Kultur sprechen. Auf


14<br />

der Basis von Selbstfinanzierung und kommunaler Unterstützung wird sich kulturelles Leben<br />

<strong>aus</strong> staatlicher Finanz- und letztlich <strong>aus</strong> parteipolitischer Abhängigkeit lösen. Wir fordern:<br />

Schluß mit der seit 1951, seit der Formalismusdiskussion begonnenen Unterordnung von<br />

Kunst und Kultur unter die parteipolitischen Interessen der SED. Wir fordern die weitere<br />

Aufarbeitung der DDR-Geschichte und Kulturgeschichte, so wie es mit der Janka-Lesung am<br />

Deutschen Theater begonnen hat. Schluß mit der Unterordnung der Arbeit des Ministeriums<br />

für Kultur unter die Weisung des Leiters der Abteilung Kultur beim ZK der SED. Wir fordern<br />

eine Umstrukturierung des Ministeriums für Kultur und eine öffentliche Diskussion seiner<br />

Projekte und seines H<strong>aus</strong>haltsplanes. Wir fordern die Dezentralisierung der Kulturpolitik<br />

durch die Schaffung finanziell und politisch unabhängiger Kulturbehörden in den Bezirken<br />

der Republik. Kunst und Kultur brauchen Orte, an denen sie sich unabhängig darstellen<br />

können. Die Vor<strong>aus</strong>setzungen dafür zu schaffen ist Sache der Politik. Kulturpolitik ist eine<br />

Pflichtaufgabe der Kommunen. Der Staat darf nicht Vormund der Kultur, er muß Garant<br />

kultureller Vielfalt sein. Ich danke.<br />

Helmut Scheffler:<br />

Ja, mein Name ist Helmut Scheffler, ich bin in der Gruppe Prenzlauer Berg, Basisgruppe 2<br />

aktiv. Und habe mich bereit erklärt, in der Gruppe Bildung und Erziehung mitzuarbeiten. Ich<br />

muß sagen, daß wir ganz am Anfang stehen, wir sind also im Prinzip drei Leute, die sich<br />

bereit erklärt haben, dort mitzuarbeiten. Und meine Meinung ist die, daß wir jetzt eine<br />

Bildungsreform brauchen, die von unten kommt, und die viele verhärtete Strukturen aufbricht<br />

und zu einer Erziehung beiträgt, die die Demokratie aufbaut. Ich kann dazu nur sagen, daß es<br />

in Potsdam ein pädagogisches Seminar gab, wo sich Alternativgruppen getroffen haben. Da<br />

waren ehemalige Lehrer dabei, Pädagogikstudenten, Eltern, die haben sich zusammengesetzt<br />

und haben schon angefangen zu arbeiten in diese Richtung. Dort wurde schon ziemlich klar<br />

formuliert, was wir jetzt brauchen, was wir verändern wollen. Es wurde ein Papier erstellt, wo<br />

ganz klare Forderungen drauf waren. Z.B. brauchen wir freie Lehrergewerkschaften, freie<br />

Schülerorganisationen, Wiedereingliederung von Behinderten ins normale Leben. Das waren<br />

so die wichtigsten Forderungen. Wie gesagt, wir stehen noch ganz am Anfang, es ist wichtig,<br />

daß es jetzt los geht. Ich habe mich dort eingetragen in diese Liste und ich bitte darum, daß<br />

Leute, die daran interessiert sind, seien es Lehrer, seien es Eltern, dort mitzumachen. Schönen<br />

Dank.<br />

Sabine Leger:<br />

Mein Name ist Sabine Leger, ich bin Mitglied des Vorstandes der SDP und ich möchte eine<br />

kleine Werbeaktion für die Arbeitsgruppe Land- und Forstwirtschaft starten. Während meiner<br />

Studentenzeit war ich im Ernteeinsatz in Wusow, das ist so ein kleines Kaff im Bezirk<br />

Frankfurt/Oder. Die meiste Zeit verbrachten wir mit der Ernte von Gurken, die letztendlich an<br />

anderer Stelle als Gründüngung wieder untergepflügt wurden. Aber das erfuhren wir zum<br />

Glück erst später. Das Kurioseste war, daß wir auf einem Feld Tomaten ernten sollten, auf<br />

<strong>dem</strong> viel üppiger Möhren wuchsen. Man hatte die Tomaten, auf das mit Möhren angesäte<br />

Feld, gepflanzt. Tja, weil der Platz nicht reichte, oder weil man zu viele Pflanzen bestellt<br />

hatte, ich weiß es nicht mehr ganz genau und eigentlich ist es ja auch egal. Geerntet jedenfalls<br />

wurden nur die Tomaten, weil man in den Planunterlagen der LPG die Möhren <strong>aus</strong>radiert und<br />

dafür Tomaten eingetragen hatte, und weil die Tomaten sicherlich mehr Geld bringen. Es gibt<br />

viele Gründe. Das also ist die Planwirtschaft. Erst kam der Plan mit den Möhren und dann die<br />

Wirtschaft mit den Tomaten. Warum ich die Geschichte nicht vergessen habe? Vielleicht war<br />

es die Gleichgültigkeit der Bauern, es war ihnen egal, daß da Lebensmittel auf <strong>dem</strong> Feld<br />

vergammeln. Wenn allen alles gehört, dann gehört es nieman<strong>dem</strong> richtig. Das war nicht


15<br />

immer so, wenn man auf ein altes Sprichwort hört, das besagt, "Wer einen Bauern betrügen<br />

will, der muß einen Bauern mitbringen". Hierin liegt wohl der Fehler der Bodenreform: Vater<br />

Staat brachte nicht den Bauern mit, sondern den Parteisekretär mit <strong>dem</strong> Megaphon und die<br />

FDJ und überhaupt alle, die nichts auf <strong>dem</strong> Land zu suchen hatten. Das ging dann auch<br />

gründlich ins Auge, denn so sagt ein anderes Sprichwort, "Wer mit fremden Ochsen pflügt,<br />

hat eine magere Ernte." Die Landwirtschaft wurde von nun an nicht mehr allein von den<br />

Bauern bestimmt, sondern auch von den Städtern, die an ihren Schreibtischen die industrielle<br />

Großproduktion vor Augen hatten. Was dabei her<strong>aus</strong>gekommen ist, kann jeder sehen, riechen<br />

und schmecken. Eine aufgeräumte Landschaft ohne Baum, Strauch, Feuchtbiotop,<br />

technokratisch und eigentlich beliebig. Der Geruch von Gülle <strong>aus</strong> der Massentierhaltung ist<br />

zum Erkennungszeichen ganzer Landstriche geworden. Der Verzehr eines Schnitzels hat<br />

immerhin den Vorteil, daß man mit ihm soviel Antibiotika aufnimmt, daß man in den<br />

nächsten acht Wochen keinen Schnupfen bekommen kann. Die Industrie schließlich bläst eine<br />

Luft ab, die den Wald um 40% seines Bestandes gebracht hat, sie hat dafür das<br />

Wohnungsproblem des Borkenkäfers gelöst, schon vor 1990 und noch weit darüber hin<strong>aus</strong>.<br />

Das Chaos ist groß und die Komplexität der Probleme fast erdrückend. In der Arbeitsgruppe<br />

Land- und Forstwirtschaft wollen wir versuchen, die Knoten etwas zu entwirren, in <strong>dem</strong> wir<br />

zu folgenden Themen arbeiten:<br />

1. Dokumentation der Bodenreform und ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />

Folgen.<br />

2. Analyse der gegenwärtigen Situation, unter anderem auch durch Befragung der in diesen<br />

Branchen arbeitenden Menschen, sowie die Diskussion der bestehenden Eigentumsformen.<br />

3. Die Publikation konzeptioneller Überlegungen und Diskussion dieser, sowie vielleicht die<br />

Erarbeitung von Gesetzesvorlagen. Grundlage dafür muß die Zuarbeit einer Arbeitsgruppe<br />

sein, die sich mit den Varianten eines ökologischen Umb<strong>aus</strong> der Landwirtschaft beschäftigt.<br />

Ich danke für die Aufmerksamkeit.<br />

Christian Richter:<br />

Christian Richter, Kunsttöpfermeister in Hohenschönh<strong>aus</strong>en. Ich glaube nicht, daß ich heute<br />

viel Appl<strong>aus</strong> bekomme, aber darauf kommt es nicht an. Mich begleiten täglich zwei<br />

Hungernde. Weltweit wird jeder begleitet von zwei Hungernden. Jeder von ihnen. Und wer<br />

für eine Familie zu sorgen hat, sagen wir mal mit fünf Köpfen, der wird also von zehn<br />

Hungern-den begleitet. Ich mach seit etwa 30 Jahren in meiner Töpferei diese Brote "Brot für<br />

die Welt". 18 Jahre habe ich sie verschenkt, da gingen sie nicht gut. Jetzt nehme ich einen<br />

Unkostenbeitrag von 3 Mark, da gehen sie besser. Und das ist typisch für unsere Gesellschaft.<br />

Es ist auch typisch für unsere Gesellschaft, daß die Angst so gewachsen ist, daß man<br />

rüstungsmäßig für jeden den t<strong>aus</strong>endfachen Tod auf dieser Erde an Rüstungskapazität<br />

vorgesorgt hat, aber daß nur ein Drittel der Menschheit satt zu essen hat. Und dieses eine<br />

Drittel schmeißt die Stulle weg, wenn es zu trocken geworden ist und man sieht das Brot auf<br />

der Straße oder als Viehfütterung, weil es ja subventioniert ist. Früher hat man gesagt, "wer<br />

Brot weg wirft, ist ein sündiger Mensch". Ich möchte folgendes sagen: man hat auch früher<br />

gesagt, "Wir geben einen Zehnten den Armen". Heutzutage geben wir gezwungener Maßen<br />

30% <strong>dem</strong> Staat, ohne daß wir genau wissen, wohin es kommt oder einen Einfluß darauf<br />

haben. Wenn wir zum Thema Finanzen kommen, werde ich ebenfalls den Vorschlag machen,<br />

daß ein Zehntel der SDP-Gelder, Spendengelder einbezogen, auch für "Brot für die Welt"<br />

gehen. Zumindest würde ich meinen Austritt erklären, wenn nicht mindestens 2% dabei r<strong>aus</strong><br />

kommen, was die Mindestforderung auch an alle Kirchen ist. Ich habe also an je<strong>dem</strong> 3.<br />

Freitag im Monat in meiner Werkstatt ein paar Leute zu sitzen, die so kleine Minikeramik für<br />

Setzkästen machen, und die verkaufen wir dann so als kleine Souveniers für "Brot für die


16<br />

Welt" als Spendenanreiz. Diese Leute sind noch nicht in der SDP, aber ich nehme auch alle<br />

anderen Leute dafür auf. Wir müßten dann Gruppen bilden. Es werden sackweise gute<br />

Kleidungssachen in den Müllcontainer geschmissen, und bis auf die, von meiner Lieben<br />

gestrickten Pullover, habe ich also größtenteils nur getragene Kleidung, die ich trage und ich<br />

sehe darin auch gut <strong>aus</strong>. Und man soll mal überlegen, wieviel Menschen versuchen, sich in<br />

Lumpen zu hüllen und trotz<strong>dem</strong> frieren müssen. Man könnte also vielmehr Pakete in andere<br />

Länder packen. Es gibt die Aktion Lepradorf, es gibt überhaupt 10 Aktionen in der DDR, die<br />

sich um die 2/3-Welt kümmern. Ich sagte 2/3-Welt. Ich spreche nicht abwertend von der 3.<br />

Welt, sondern 2/3 sind es. Danke.<br />

Udo Thron:<br />

Erlauben sie mir zunächst ein Wort in eigener Sache. Auf dieser Liste mit Kontaktadressen<br />

bin ich auch zu finden, so zirka in der Mitte in 1090. Nun hat man aber bei der angegebenen<br />

Telefonnummer die letzte Ziffer vergessen. Ich bitte doch, vielleicht könnten Sie hinter der 33<br />

07 55 noch die 4 setzen. Name Thron. Udo Thron in der Mitte, 1090 ist die Postleitzahl. Also<br />

als letzte Ziffer noch die 4, das ist eine Dienstnummer. Sonst landet derjenige beim Direktor<br />

oder sonstwo, das ist vielleicht nicht so günstig.<br />

Thema: Medien und Werbung. Ich will vorweg schicken, ich bin dazu kein Fachmann und mit<br />

<strong>dem</strong> Begriff Werbung konnte ich erst mal nichts anfangen, ich habe ihn erstmal einfach<br />

untern Tisch fallen lassen. Ich möchte also erst einmal etwas zu Medien sagen, zu <strong>dem</strong>, was<br />

Inhalt dieser Arbeitsgruppe sein könnte. Erklärtes Ziel der SDP ist es, für eine<br />

parlamentarische Demokratie mit Parteienpluralität einzutreten. Im gleichberechtigtem<br />

Wettbewerb werden Parteien um die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ringen. Mündige<br />

Wähler ;entscheiden in <strong>dem</strong>okratischen Wahlen, welchen Programm- und<br />

Personalvorschlägen sie Eignung und Vertrauenswürdigkeit zuerkennen....<br />

So wird dann auch eine an den international vereinbarten Menschenrechten orientierte<br />

Verfassung in <strong>dem</strong>okratischer Handhabung ohnehin einen Codex nach sich ziehen, der den<br />

Rahmen journalistischer Freiheit absteckt. Und dennoch kann es, und das auch in unserer<br />

Partei, unterschiedliche Standpunkte bei der konkreten Grenzziehung bezüglich des Erlaubten<br />

geben. Beispielsweise bei solchen Fragen wie: Wann verletzt Öffentlichkeit die Würde des<br />

Einzelnen? Oder: Wann wuchert Journalismus in spekulative Sensationsheischerei <strong>aus</strong>? Oder:<br />

Wann gebietet die Wahrung äußerer und innerer Sicherheit den Verzicht auf öffentliche<br />

Information. Anderes mehr ließe sich nennen. Auch in solchen Fragen ist eine<br />

Standortbestimmung unserer Partei vonnöten . Abschließend ein spezielles Wort zu den<br />

elektronischen Medien. Die wahrscheinlich erst langfristig zum Tragen kommende<br />

Möglichkeit privater Rundfunk- und Fernsehanbieter außer acht lassend, wenngleich auch<br />

hier zukunftsorientiert gedacht werden sollte, stellt sich zunächst die Frage nach <strong>dem</strong><br />

Vorhandenen. Ein Modell könnte sein: Rundfunk- und Fernsehanstalten in öffentlich<br />

rechtliche Körperschaften umzuwandeln mit wähl- und abwählbaren Intendanten und mit<br />

Verwaltungsräten als gesellschaftliche Kontrollorgane. In diesen Verwaltungsräten müssen<br />

die verschiedensten gesellschaftlichen Interessengruppen, wie Parteien, Gewerkschaften,<br />

Kirchen und andere eine Stimme erhalten, um zu garantieren, daß ein <strong>aus</strong>gewogenes, den<br />

gesellschaftlichen Gegebenheiten adäquates Informations- und Unterhaltungsangebot<br />

gesendet wird. Ich bin ans Ende meiner Ausführungen gelangt, die aufgrund des<br />

vorgegebenen Zeitlimits und sicher auch als Folge ungenügender Sachkenntnis keinesfalls<br />

Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik erheben. Meine Absicht war es, mögliche<br />

Arbeitsthemen einer in unserem Bezirk zu bildenden Arbeitsgruppe Medien anzudeuten. Es<br />

konnte sicher nicht Ziel dieses Beitrages sein, jetzt schon verbindlich <strong>aus</strong>zuloten, was einmal<br />

Programm wird. Das zu tun ist Aufgabe der Arbeitsgruppe selbst. Ich danke für Ihre<br />

Aufmerksamkeit.


17<br />

Andreas Röhl:<br />

Also, mein Name ist Röhl, ich komme <strong>aus</strong> Marzahn. Ich möchte Ihnen hier ein paar eigene<br />

Gedanken nur vortragen, <strong>aus</strong> denen sich die Notwendigkeit ergibt, daß man sich mit der Rolle<br />

der Gewerkschaften intensiv beschäftigen muß. Wir haben in den letzten Tagen in bedrückend<br />

eindrucksvoller Weise erleben können, wie hoch aktuell diese Auseinandersetzung ist. Der<br />

Bundesvorstand des FDGB, des "Freien" Deutschen Gewerkschafts Bundes, ich betone hier<br />

<strong>aus</strong>drücklich das Wort "frei" im Sinne des FDGB, versteht sich, <strong>aus</strong>gedrückt durch ein<br />

überwältigendes Abstimmungsergebnis mit 176 zu 5 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen, als<br />

<strong>aus</strong>führendes Organ der SED, in <strong>dem</strong> er die Fortführung seiner am 31. 10. 89 begonnenen<br />

Tagung auf einen Termin nach der bereits anberaumten ZK-Tagung der SED verschob. Diese<br />

findet vom 8. bis 10. 11. statt. Dies ist ein satzungsgemäßes Verhalten, denn sie will die<br />

Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz eng um die Partei<br />

zusammenschließen. Das ist nachzulesen in der Präambel der Satzung des FDGB. Aber ich<br />

denke, dieses Verhalten ist im Verständnis der SDP über die Rolle der Gewerkschaften<br />

vollständig entgegenstehend. Die inzwischen fortgesetzte Tagung des Bundesvorstandes und<br />

der Aust<strong>aus</strong>ch des Vorsitzenden ändert nach meiner Auffassung an dieser Einschätzung<br />

nichts. "Freie", und hier sage ich noch einmal, hier meine ich das Wort im eigentlichen Sinn<br />

dieses Wortes, und qualitativ starke Gewerkschaften spielen sowohl für die Demokratisierung<br />

des Wirtschaftslebens, als auch für die soziale und rechtliche Absicherung der Arbeitenden<br />

und die Solidarität zwischen ihnen eine wesentliche Rolle. Gewerkschaften sind keine<br />

Transmissionsriemen von Parteien, sondern Interessenvertretungen arbeitender Menschen. Sie<br />

können ihre Aufgaben im Lande und international nur erfüllen, wenn sie unabhängig von<br />

Staat, Parteien, Kirchen und anderen Interessengruppen auf der Grundlage <strong>dem</strong>okratischer<br />

Prozesse entstanden sind, in diesem Sinne arbeiten und ihre Vertreter nur den Interessen der<br />

Gewerkschaften gegenüber verantwortlich sind. Nach meinen Vorstellungen sollten sich<br />

voneinander unabhängige Einzelgewerkschaften in einem Dachverband organisieren. Es muß<br />

dabei sichergestellt werden, daß eine Ämterverquickung der Funktionäre <strong>aus</strong>geschlossen ist,<br />

und jeder unabhängig von seiner politischen Gesinnung und Konfession, nur den Regeln der<br />

Gewerkschaft selbst verpflichtet, Mitglied werden kann.<br />

Die Gewerkschaften müssen über Kampfmittel verfügen, zu denen das Streikrecht gehört. Das<br />

Streikrecht stärkt die Position der Gewerkschaften, verlangt aber, und da möchte ich<br />

<strong>aus</strong>drücklich darauf hinweisen, ein außerordentliches Verantwortungsbewußtsein bei seiner<br />

Anwendung. Ich persönlich wünsche mir, daß Streiks nie erforderlich werden. Aber ohne um<br />

das Wissen, die Gefahr des Streiks und seiner ökonomischen Konsequenzen wird das<br />

gedankenlose Administrieren der Vergangenheit nicht überwunden und für die Zukunft nicht<br />

<strong>aus</strong>geschlossen werden können. Da ich der letzte Redner in Sachen Arbeitsgruppen bin,<br />

möchte ich noch etwas hinzufügen: Seit gestern, so glaube ich, müssen wir uns auch beeilen<br />

Konzepte zu erarbeiten, klare Vorstellungen zu entwickeln, um gewappnet zu sein für eine<br />

Zeit, in der nur die besten Ideen und überzeugendsten Argumente eine Chance haben<br />

Mehrheiten zu gewinnen. Mir fällt in diesem Zusammenhang Egon Krenz ein, den ich hier<br />

zitieren möchte, wenn er sagt: "Gehen wir an die Arbeit." Ich muß hinzufügen: Für eine<br />

wirklich bessere DDR. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

Anne-Kathrin Pauk:<br />

Mein Name ist Anne-Kathrin Pauk, ich komme <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong>-Marzahn. Ich würde den Vorschlag<br />

machen, daß wir uns zu einer nicht allzu <strong>aus</strong>geweiteten, aber dennoch zu einer<br />

Diskussion kommen, weil es vielleicht zu den programmatischen Punkten noch einiges zu<br />

sagen gibt und wenn es auch nur die Gewichtung der einzelnen Punkte betrifft. Mich würde


18<br />

z.B. die Rolle der Gewerkschaften noch interessieren und die Verantwortung, die die SDP bei<br />

der Unterstützung der unabhängigen Gewerkschaften zu spielen hat. Aus ihrem Statut geht<br />

das hervor. Dazu wäre meiner Meinung nach etwas zu sagen. Ich möchte den Antrag<br />

einbringen, daß eine ganz kurze Diskussion noch erfolgt.<br />

Konrad Elmer:<br />

Ich würde das auf eine viertel Stunde begrenzen... Wer ist dafür? Wer ist dagegen?<br />

Enthaltungen. Damit ist jetzt die inhaltliche Diskussion für eine viertel Stunde bis halb vier<br />

eröffnet. Wer möchte nun inhaltlich etwas sagen?<br />

Joachim Stoltzenburg:<br />

Mein Name ist Joachim Stoltzenburg, ich komme <strong>aus</strong> Pankow, und ich hätte eigentlich einen<br />

organisatorischen Vorschlag zu machen, daß die beiden Gruppen Ökologie und Wirtschaft<br />

zusammengelegt werden, einfach <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Grunde, weil wir uns in den nächsten Jahren das<br />

Ziel gestellt haben, wesentliche Grundsätze zur Bildung einer sozial orientierten<br />

Marktwirtschaft her<strong>aus</strong>zuarbeiten. Und es besteht die Gefahr, daß beide Gruppen aneinander<br />

vorbei arbeiten. Die Gefahr besteht <strong>aus</strong> der Darlegung der inhaltlichen Zielstellung, und es ist<br />

unbedingt erforderlich, daß diese beiden Gruppen zusammengelegt werden.<br />

Gerd Weis:<br />

Die Partei möchte ja gesellschaftsverändernd wirken, und ich glaube, daß sie dann an den<br />

grundsätzlichen Problemen unserer Gesellschaft arbeiten muß, d.h. an verfassungsrechtlichen<br />

Fragen, an Rechtsfragen, und sofern man dort nicht erfolgreich ist, hat man gar keine<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung zu einer sachlichen Arbeit. Die Hoffnung, die dabei besteht, ist, daß<br />

verfassungsändernd der Mensch frei wird, ganz andere Leute zur Partei zustoßen. Ich glaube,<br />

das grundsätzliche Problem heute ist nicht, jetzt in Arbeitsgruppen mit Leuten, die die<br />

Fähigkeit noch nicht haben Sachprogramme <strong>aus</strong>zuarbeiten. Wir müssen die Leute erst frei<br />

machen, damit die Fachleute kommen, die heute in Bereichen arbeiten, wo es ihnen<br />

unmöglich ist, zu uns zu kommen.<br />

Peter Schlafen:<br />

Mein Name ist Peter Schlafen, ich komme <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong> Hohenschönh<strong>aus</strong>en, ganz kurz. Hier<br />

sind ja vorgestellt worden 10 Arbeitsgruppen. Eine ist ja nicht vorgestellt worden von meinem<br />

Vorredner. Eine Frage hätte ich: Familie, Jugend und Sport; gibt es ja einen Senator auf der<br />

anderen Seite. Das Problem Sport und Jugend sehe ich als wichtiges Problem noch an. Wir<br />

haben ja hier viele Olympiasieger, aber wenige Nobelpreisträger in der DDR und ein<br />

gesunder Geist sollte in einem gesunden Körper sein. Denn es ist ein ganz wesentliches, auch<br />

politisches, Problem, was mit in eine Arbeitsgruppe aufgenommen werden müßte. Soweit<br />

Danke.<br />

Frank Bogisch:<br />

Ich möchte zu <strong>dem</strong> Redner davor etwas sagen. Unsere Meinung oder unsere Intention zu drei<br />

Gruppen, also "Wirtschaft", "Ökonomie/Ökologie" und "Ökologie in der Praxis" gingen<br />

dahin, daß sich die Wirtschaftsgruppe, und da gibt es eine bestehende, und die Partei besteht<br />

noch nicht lange, so daß eine Doppelung im Moment noch besteht, die abgeschafft werden<br />

sollte, oder innerhalb der Themen abgeschafft wird, sich mit grundsätzlichen Fragen, mit<br />

thematischen also auch mit Sachfragen, mit begrifflichen Fragen beschäftigt. Und da arbeitet<br />

eine Gruppe. Von daher gibt's also etwas. Und die ökologisch/ökonomische Gruppe sich dann<br />

mehr doch mit in die Praxis hineingehenden Fragen intensiv beschäftigt. Das ist natürlich


19<br />

überhaupt nicht voneinander zu trennen. Und deswegen wollte ich auch nochmal bei der<br />

Gruppenvielfalt und doch bei den recht wenigen Leuten, die da sind jetzt, darauf hinweisen<br />

und einen Appell richten, ich hab das auch in den Jahren davor bei anderen Gruppen gesehen,<br />

wir dürfen uns jetzt natürlich auch nicht thematisch zerfaseln, daß jeder zu allem und alle und<br />

jeder drauf los, also eine unbedingte Absprache und Koordinierung der Gruppen<br />

untereinander und Sachkompetenz sind tatsächlich erforderlich. Nicht, daß wir uns jetzt ins<br />

Uferlose <strong>aus</strong>arbeiten wollen. Das kann ich nur nochmal als Appell sagen. Und dann noch eine<br />

Frage: Warum wollen wir als <strong>Berlin</strong>er gerade nicht eine Gruppe bilden, die sich so mit diesen<br />

ganzen Grundwerten, also <strong>SPD</strong>, bis '61 gab es ja eine, die haben einfach aufgehört zu<br />

existieren durch die Mauer, und Geschichte und Sozial<strong>dem</strong>okratie usw. und so fort. Also ein<br />

Antrag, daß sich dort noch eine Gruppe bildet.<br />

Dieter Kaiser:<br />

Dieter Kaiser, Pankow. Drei Punkte, der erste ist mir der wichtigste. Ich hab Anfragen an den<br />

Begriff soziale Marktwirtschaft ökologisch orientiert. Es kam in den Ausführungen bei der<br />

Arbeitsgruppe auch zwei Stichworte als Hauptkriterien. Einmal: Bedürfnisbefriedigung<br />

reguliert durch den Markt, zum anderen, was die Gesellschaft braucht, ich denke, das Zweite<br />

ist das Wichtige und darf nicht nur in <strong>dem</strong> Ersten bestehen, also in Bedürfnisbefriedigung.<br />

Die Gesellschaft braucht mehr. Meine Frage: Muß es nicht eine dritte Größe geben zwischen<br />

Marktwirtschaft und Plan, Staat nämlich die Gesellschaft, eine gesellschaftliche Institution<br />

<strong>aus</strong> kompetenten Leuten, die dann an den Staat Vorschläge macht, damit er<br />

Rahmenbedingungen gesetzlich festlegen kann, die an die Wirtschaft Vorschläge macht, wie,<br />

was, wo ökonomisch sinnvoll, ökologisch sinnvoll und auf den Menschen zu gedacht<br />

produziert. Das gebe ich zu bedenken. Das Zweite ist nur eine Anfrage. Vielleicht<br />

merkwürdig, wenn ich die mache. Frauen fehlen völlig in den Arbeitsgruppen, ist mir<br />

aufgefallen, als Arbeitsgruppe. Und das Dritte ist mehr eine organisatorische Frage: Wie<br />

kommen dann die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammen, wie gewährleisten wir das, daß<br />

auch über Zwischenergebnisse berichtet wird?<br />

Stefan Finger:<br />

Ich wollte ganz kurz sagen zu <strong>dem</strong>, was Herr Christian Richter gesagt hatte, zu der 2/3 Welt.<br />

Ich habe ihn sehr verstanden und ich stelle mich dazu zu den emotionalen Dingen, ich denke,<br />

was wir als Partei zu leisten haben, ist aber zusätzlich zu analysieren, wie unsere DDR-<br />

Wirtschaft verflochten ist in diesen ganzen Prozeß der Ungerechtigkeit auf unserer Welt. Ich<br />

denke, das müßte wohl diese Arbeit leisten. Dann denke ich, wenn wir schon diese einzelnen<br />

Gruppen anfragen nach sozialen Gruppen, also sprich Frauengruppe, dann müßte es auch eine<br />

Gruppe Jugend geben, ich denke, das Problem haben wir vorhin schon gesehen, was dort<br />

besteht. Und dann zu einer Bemerkung von vorhin, daß wir erst mal in den Vordergrund<br />

stellen sollten nicht die inhaltliche Arbeit, sondern die Arbeit auf einen Zustand, daß alle<br />

Leute mitarbeiten können, ich möchte nur meine Erfahrung von Polen mitteilen, wir sollten<br />

jetzt schon programmatisch arbeiten, nicht, daß wir in eine Situation kommen, wo wir<br />

politische Verantwortung übernehmen müssen oder können und dann nicht dieses Amt<br />

<strong>aus</strong>füllen. Ich denke, das ist ja das, was uns als Partei jetzt <strong>aus</strong>macht, daß wir jetzt schon in<br />

der Programmatik uns kümmern, daß wir dann auch wirkliche politische Verantwortung in<br />

diesem Land tragen können.<br />

Rabenhorst:<br />

Mein Name ist Rabenhorst, ich komme <strong>aus</strong> Lichtenberg. Ich möchte mal kurz was zu<br />

Gewerkschaften sagen: In der momentanen Situation, und ich denke, das ist auch in der


20<br />

nächsten Zeit der Fall, bin ich erstmal dafür, Vor<strong>aus</strong>setzung: Ich bin für ein Streikrecht. Aber<br />

in der momentanen Situation sollte man sich genau überlegen, bei den fehlenden<br />

Arbeitskräften überall, daß man so weit geht. Das sind meine Ausführungen dazu.<br />

Dankward Brinksmeier:<br />

Ich bin Dankward Brinksmeier, <strong>Berlin</strong>-Mitte. Ich möchte gerne wissen, ob die Bildung der<br />

Arbeitsgruppen bedeutet, daß die Ortsgruppen von den inhaltlichen Arbeiten entlastet werden.<br />

Ich habe Sorge, daß, wenn die Ortsgruppen Konzeptionsarbeit und Arbeit vor Ort machen<br />

sollen, im Statut steht, daß wir vor Ort am besten wissen, was dran ist, daß wir uns einfach zu<br />

viel vorgenommen haben, die meisten von uns machen das nebenamtlich und nebenher. Ich<br />

sehe einfach, das wird zu dicke. Ich möchte, daß das mal klarer <strong>aus</strong>gesprochen wird, das hat<br />

mir noch nicht gereicht. Ich bin Studentenpfarrer und möchte einige Fragen weiter geben, die<br />

ich hier vor mir liegen habe. Es gibt unter Studenten viel Diskussionen um die SDP. Die erste<br />

Frage, die <strong>aus</strong> diesem Bereiche immer wieder kommt: Wann stellt ihr euch endlich mal<br />

öffentlich vor? Gibt's da Konzepte und Leute, die so etwas bringen? Ich kriege bloß immer<br />

spontane Informationen, wann irgendwann wieder irgend etwas ist. Dann möchte ich einfach<br />

berichten und die Frage weiter geben. Die Studenten, die links denkenden Studenten, ich sag<br />

das mal so p<strong>aus</strong>chal, möchten gerne wissen, ob wir für den Sozialismus sind oder nicht? Und<br />

eine klare Definierung dessen, was wir mit Sozialismus meinen, da reicht mir einfach das<br />

Statut noch nicht. Da ist ein Manko angemeldet. Eine zweite Frage <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> offenen Brief der<br />

Studenten ist: Wie stellt Ihr Euch eigentlich Zusammenarbeit und Konsensfähigkeit im<br />

Rahmen der Nationalen Front vor. Könntet Ihr Euch vorstellen, daß Ihr da mitarbeitet oder<br />

nicht. Also, wir werden klar angefragt: Wollt Ihr alles alleine machen oder mit wem wollt Ihr<br />

eigentlich Zusammenarbeiten und was erwartet Ihr von denen? Diese zwei Fragen wollte ich<br />

mal weitergegeben haben, weil ich denke, das ist auch der Stand von <strong>dem</strong>, was Jugendliche<br />

von uns mitgekriegt haben, zum Großteil bewegt.<br />

Jürgen Jakobs:<br />

Jürgen Jakobs, ich gehöre zur Gruppe Friedrichshain. Zum Vorredner nochmal gesagt, die<br />

Arbeitsgruppen verstehe ich als Stamm nach oben zusammengefaßt. Es wird dann sicher die<br />

Problematik bestehen, ob man dann die anderen Regionen dazu nimmt. Ich bitte jetzt mal<br />

festzuhalten, weil das mehrmals fiel, daß man noch zu Arbeitsgruppen kommt: vielleicht<br />

Grundwerte, Ethik, daß das Wort "Frauen" hier fiel, daß wir das von vorn herein mit drin<br />

haben und hier drüben stand Kultur, die Frage ist, ist da Geschichte mit drin. Also, daß man<br />

sagt: Geschichte und Kultur, einmal daß wir jetzt auf ein Geschichtsbild zurückgreifen<br />

können, und daß die Älteren von früher noch, die jetzt zu uns stoßen, da hat man<br />

Herzbewegendes erlebt, daß die da ihre Erfahrungen, die ja doch bald verloren gehen, daß wir<br />

die noch festhalten können. Zur Jugend nochmal zu sagen: Mir wäre es ein Anliegen, das<br />

habe ich auch heute gemerkt, ob der Jugendliche da oben sitzt oder unten, das hat mit <strong>dem</strong><br />

Paragraphen nichts zu tun, warum sollen wir Vertreter der Jugend nicht unten sitzen lassen?<br />

Ich würde sagen, wenn hier Jugendliche schon sind, dann sollten wir die eine Jugendgruppe<br />

bilden lassen. Nun aber zum Hauptanliegen, das fiel auch schon zweimal: Wir müssen uns<br />

einen Rechtsstaat machen. In nächster Zeit liegen hier Strafgesetz, Zivilgesetz,<br />

Gerichtsprozeßordnung, Verfassung, neue Wahlordnung an. Da werden manche schon mit<br />

einer Vereinsfestlegung zufrieden sein, wir müssen aber auf Partei drängen und hier gibt es<br />

noch vieles, für was wir uns stark machen müssen, auch wenn wir Rechtsanwälte, die jetzt<br />

frei arbeiten, noch zu uns bekommen, dann haben wir auch gleich den Bogen zur<br />

Gewerkschaft, dort müssen wir uns im Arbeitsrecht stark machen, denn viele treten <strong>aus</strong> der<br />

Gewerkschaft <strong>aus</strong> und dann stehen sie da. Daß wir diese Kollegen vertreten können und selbst<br />

welche, die


21<br />

nicht drin sind. Dieser Punkt ist noch wichtig, daß wir einen Schutzmechanismus zu unser<br />

aller Schutz aufbauen. Danke<br />

Ulrich Scholz:<br />

Ulrich Scholz ist mein Name. Ich hab schon mal gesprochen. Ich unterstütze den Vorschlag,<br />

eine Grundwertekommission zur Geschichte des Sozialismus und Stalinismus in der DDR zu<br />

gründen. Mein wichtigstes Anliegen, ich habe versucht im Stadtbezirk Hellersdorf mit <strong>dem</strong><br />

Neuen Forum zusammen zu arbeiten, wir wollten eine Informationsveranstaltung durchführen<br />

in der Kirche in Kaulsdorf, weil wir anders an die Leute in Hellersdorf nicht herankommen.<br />

Das hat nicht geklappt. Ich bin da als SDP-Mitglied <strong>aus</strong>gebootet worden. Das Neue Forum<br />

führt jetzt da in dieser Kirche wöchentlich mittwochs eine Informationsveranstaltung durch.<br />

Der SDP wurde das nicht gestattet, wir wurden da <strong>aus</strong>gebootet. Ich war sehr traurig darüber<br />

und ich habe auch gemerkt, daß in der letzten Zeit das Neue Forum erheblich mehr Zulauf<br />

hatte als die SDP, und daß die SDP auch nicht überall freundlich aufgenommen wird, wenn<br />

andere Mitglieder ähnliche Erfahrungen gemacht haben sollten, dann sollten wir uns heute<br />

dazu äußern und dazu auch Beschlüsse fassen, ich glaube, das ist ganz wichtig. Danke.<br />

Thomas Krüger.<br />

Erstens zur wichtigen Gewerkschaftsfrage. Ich denke, wir müssen, was das Streikrecht<br />

betrifft, unterscheiden zwischen den ökonomischen und den politischen Belangen. Die<br />

Werktätigen spüren das selber ganz genau, daß die derzeitigen politischen Probleme nicht mit<br />

einem Streik zu lösen sind und gehen deshalb nach der Arbeit oder am Wochenende auf die<br />

Straße und stimmen mit den Füßen ab.<br />

Ein anderer Gesichtspunkt: Ich denke, hierzu sollten wir uns auf die Streikfrage<br />

konzeptionelle Überlegungen machen und die auch mit den Werktätigen selber diskutieren.<br />

Mein zweites Anliegen betraf die Arbeitsgruppe Frauen. Ich bin also durch<strong>aus</strong> dafür, bestehe<br />

dann aber darauf, daß es auch eine Arbeitsgruppe Männer gibt. Danke.<br />

Gerd Weis:<br />

Ich wollte nur sagen, daß eine Zeitung gemacht werden muß, damit solche Diskussionen, wie<br />

sie hier <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Stehgreif gemacht werden mit Überlegung unter die Mitglieder gebracht<br />

werden kann.<br />

Peter Mulnke:<br />

Mein Name ist Peter Mulnke, ich komme <strong>aus</strong> der Ortsgruppe Pankow. Ich habe mich<br />

entschlossen, in der Arbeitsgruppe Europäische Sicherheit / Deutschland mitzuwirken, weil<br />

mir diese Probleme seit Jahren, möchte ich sagen, dringend unterm Nagel brennen. Die SED<br />

sagt, es gibt keine offene deutsche Frage. Ich bin der Auffassung, und jetzt mehr den je, sie ist<br />

offen, so offen wie noch nie. Über hundertt<strong>aus</strong>end Bürger haben unsere Republik verlassen,<br />

und wir müssen uns überlegen, wie wir schnellstens Perspektiven aufzeigen für die beiden<br />

deutschen Staaten, wie es weiter gehen soll. Ich schließe da auch die Partnerpartei <strong>SPD</strong> mit<br />

ein, daß wir auch von drüben eventuell mit Antworten kriegen, und daß wir hier gemeinsam<br />

vielleicht irgendwelche Konzeptionen erarbeiten können. Ziel muß sein, daß die Bürger hier<br />

bleiben. Und ich habe große Befürchtungen, wenn wir uns nicht bald etwas ein-fallen lassen,<br />

sitzen hier in ein paar Monaten noch viel weniger. Und das wäre schade drum.


22<br />

Torsten Hilse:<br />

Torsten Hilse, Pankow. Ich möchte ganz kurz zu der Zahl der vorgestellten Arbeitsgruppen<br />

etwas sagen. Wir können hier nicht inhaltlich diskutieren. Die Zeit und der Rahmen dafür ist<br />

nicht vorhanden. Wer auch immer eine Lücke jetzt spürt, der möge sich irgendwo<br />

einschreiben in einer Gruppe, die ihm am nächstliegendsten scheint, und je mehr es sind, und<br />

je mehr sachkompetente Mitarbeiter in einer Gruppe sind, desto schneller kann die Gruppe<br />

wieder zerfallen in Untergruppen und flächendeckend werden. Sollte wirklich eine Lücke sein<br />

- eine ganz große, dann bitte schreiben Sie Ihren Namen hin und stellen sich als eigene<br />

Gruppe vor, das ist das allereinfachste. Danke.<br />

Anne-Katrin Pauk:<br />

Ganz kurz zur Arbeitsgruppe Frauen: Wenn es Probleme der Frauen gibt, dann können die<br />

Frauen sich in dieser Hinsicht selbst artikulieren und diese Gruppe bilden. Zweitens zu den<br />

Medien: In die Reihe solcher Wörter wie Chauvinismus, Nationalismus usw. heutzutage darf<br />

in der DDR niemand in dieser Reihe das Wort Stalinismus vergessen. Als nächstes: Ich<br />

glaube, Informationspolitik kann in der SDP durch jedes Mitglied selbst betrieben werden.<br />

Statute liegen hier massenhaft <strong>aus</strong>, Gespräche allenthalben sind möglich. Ich habe gestern<br />

festgestellt, daß z.B. die Studenten der Filmhochschule, die zukünftigen Leute, die an der<br />

Spitze der Medien überall stehen werden, so die Situation noch eine Weile so bleibt, wie sie<br />

jetzt ist, wissen nichts über die SDP. Ich wurde gefragt, ob die SDP noch immer ein Verein<br />

von 48 oder 49 Mitgliedern sei. Da kann man sicherlich eingreifen und sich vielleicht mal an<br />

diese Filmhochschule wenden. Das Problem der Gewerkschaften, das ich vorhin<br />

angesprochen hatte. Ich glaube, es kann niemand eine soziale Marktwirtschaft verantworten,<br />

wenn es keine Gewerkschaften gibt, wenn es keine unabhängigen freien Gewerkschaften gibt.<br />

Dazu muß es ein Streikrecht geben, d.h. nicht, daß das die Vernunft der<br />

Gewerkschaftsmitglieder <strong>aus</strong>schließt einzusehen, daß ein Streik zu einem gewissen Zeitpunkt<br />

nur Schaden bringt. Das Recht muß vorhanden sein. Das ist eine <strong>dem</strong>okratische<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung. Zur aktuellen Situation: Gestern auf dieser Demonstration war Heiner Müller<br />

der einzige, der diesen unabhängigen Gewerkschaften Gehör verschafft hat. Ich halte das für<br />

symptomatisch für die Situation, die derzeit besteht, in den Medien hüben wie drüben ist<br />

dieser Aufruf zur Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft sehr schnell untergegangen.<br />

Das wird verschiedene Gründe haben auf dieser Seite und auf der anderen Seite. Wenn es<br />

perspektivisch solche Sachen wie Joint venture hier in der DDR geben wird, aufgrund der<br />

katastrophalen Situation in der Wirtschaft, dann wird es sicherlich auch für mögliche<br />

Investoren sehr günstig sein, eine Belegschaft zu haben, die zehn Tage weniger Urlaub hat als<br />

es z.B. in der BRD der Fall ist. Das ist eine günstige Möglichkeit der Kapitalverwertung. Wir<br />

müssen gegen dieses Interesse rechtzeitig vorgehen. Deshalb unsere Informationspolitik<br />

daraufhin, und das auch als Anregung für die Redaktionskommission, die heute arbeitet,<br />

deutlich die Unterstützung der SDP für diese unabhängigen Gewerkschaften her<strong>aus</strong>arbeiten.<br />

So, ich will jetzt nicht die Zeit weiter stehlen.<br />

Christa Sammler:<br />

Christa Sammler, Bildhauerin. Ich möchte zum Verfall der Städte kurz sagen, daß<br />

Altstadtsanierung, Stadt und Umfeld nicht <strong>aus</strong>schließlich ein Problem der<br />

Kommunalwirtschaft ist, sondern daß es in Ökologie und Geschichte geradezu eng übergreift<br />

und das sollte berücksichtigt werden, dieses Spartendenken bringt da eine Abgrenzung mit<br />

sich, die ich für etwas problematisch halte.


23<br />

Alexander Wiesemann:<br />

Ich heiße Alexander Wiesemann, Chemiearbeiter. Ich bin dafür, die beiden<br />

Arbeitsgemeinschaften "Ökologie und Ökonomie" und Wirtschaft nicht zusammen zu legen<br />

auf Grund der Bandbreite. Der thematischen Verflechtung der beiden kann man durch eine<br />

engere Zusammenarbeit gerecht werden. Und ich bin weiterhin dafür, eine<br />

Arbeitsgemeinschaft Wissenschaft und Philosophie zu gründen, die sich mit<br />

Wissenschaftspolitik und mit all-gemeinen gesellschaftlichen und weltanschaulichen<br />

Problemen <strong>aus</strong>einandersetzt.<br />

Stephan Hilsberg:<br />

Es sind in der P<strong>aus</strong>e einige Leute zu mir gekommen. Und es zeigte sich, daß es zu einigen<br />

Punkten Mißverständnisse gab. Wir haben große Schwierigkeiten, die Informationen in der<br />

Partei durchzugeben. Das liegt an der Öffentlichkeit vor allen Dingen. Wir haben jetzt in der<br />

letzten Woche die erste Zeitung gemacht. Das wird eine Möglichkeit sein, dieses<br />

Informationsdefizit etwas aufzuholen, völlig aufholen werden wir das nicht können. Wir<br />

müssen daran arbeiten. Auch das ist ein wesentlicher Grund, daß wir zu inneren Strukturen<br />

kommen müssen, um die Frage der Information schneller angehen zu können.<br />

Aber jetzt möchte ich zu einigen Punkten etwas ganz deutlich sagen. Erstens, was die<br />

Wiedervereinigung betrifft. Die SDP ist derzeit, darüber kann man diskutieren, aber derzeit<br />

nicht der Meinung, daß wir eine Wiedervereinigung anstreben, die die Angliederung der DDR<br />

an die Bundesrepublik bedeutet, das steht nicht zur Debatte. Wiedervereinigung ist, wenn<br />

überhaupt, nur im Rahmen einer gemeinsamen Europäischen Friedensordnung möglich, und<br />

dann eventuell als Konföderation oder solche Sachen. Darüber kann man später diskutieren.<br />

Z.Z. müssen wir darauf halten, daß wir die konsequente Zweistaatlichkeit Deutschlands<br />

wahren. Das ist die Bedingung dafür. Dementsprechend sieht unser Verhältnis zur <strong>SPD</strong> <strong>aus</strong>.<br />

Wir sind oder wir werden Mitglied der Sozialistischen Internationale sein, insofern haben wir<br />

Beziehungen zu allen sozial<strong>dem</strong>okratischen Parteien, die existieren, also auch zur <strong>SPD</strong>.<br />

Unsere Beziehungen werden nicht die sein, daß wir in eine Rechtsnachfolge der ehemaligen<br />

Ostberliner <strong>SPD</strong> eintreten, was ich schon erläutert hatte, sondern wir haben gleichberechtigte<br />

Beziehungen zu ihnen, wir werden Kontakte aufbauen, von der <strong>SPD</strong> sind Wünsche an uns<br />

herangetragen worden. Dialog kann nie schaden, man kann nur voneinander lernen. Das sind<br />

die Grundlagen unserer Beziehungen zur <strong>SPD</strong>.<br />

Der nächste Punkt betrifft die Frage des Verhaltens, was wir jetzt als Forderungskatalog<br />

anstreben. Wir sind sehr glücklich gewesen, wir haben in der letzten Woche gemeinsam mit<br />

den Bürgerbewegungen Demokratie Jetzt, des Demokratischen Aufbruchs, <strong>dem</strong> Grünen<br />

Netzwerk Arche, der Initiative für Frieden und Menschenrechte, der Initiativgruppe der<br />

Vereinigten Linken <strong>Berlin</strong>s, des Neuen Forums und uns natürlich eine gemeinsame Erklärung<br />

verabschiedet, die das ziemlich genau faßt, und zwar nicht nur für uns alleine, sondern im<br />

Schulterschluß mit sämtlichen oppositionellen Gruppen, die es zur Zeit in der DDR gibt, die<br />

lautet:<br />

"Für eine <strong>dem</strong>okratische Umgestaltung von Staat und Gesellschaft in der DDR fordern wir<br />

eine Verfassungsreform, die eine <strong>dem</strong>okratische Willensbildung ohne festgeschriebene<br />

Führungsrolle der SED ermöglicht, freie und geheime Wahlen auf der Grundlage eines<br />

<strong>dem</strong>okratischen Wahlrechts, und für alle <strong>dem</strong>okratischen Kräfte fordern wir, Versammlungsund<br />

Vereinigungsfreiheit, Pressefreiheit, einschließlich der Zulassung unabhängiger<br />

Zeitungen und gleichberechtigten Zugang zu den elektronischen Medien. Wir bitten die<br />

Bürgerinnen und Bürger der DDR, diese Forderungen mit eigenen Beiträgen und Aktionen zu<br />

unterstützen."<br />

Es ist für uns besonders wertvoll, daß das eine gemeinsame Erklärung ist, weil immer wieder


24<br />

der Vorwurf kommt: Warum diese Vielfalt? Und wir können an diesen Sachen<br />

dokumentieren, daß trotz der Vielfalt, die ich für notwendig halte, ein grundsätzlicher<br />

<strong>dem</strong>okratischer Grundkonsens besteht, der zeigt, daß trotz aller Vielfalt gemeinsame<br />

politische Ziele für die Jetztzeit möglich sind.<br />

Wir sind noch aufgefordert worden, Stellung zu nehmen zum Volksentscheidantrag der<br />

Initiative Demokratie Jetzt. Wir unterstützen diesen Volksentscheid eindeutig. Es müßte noch<br />

überlegt werden, oder vielleicht kann man das einfach machen, es ist ja im Grunde genommen<br />

eine Formfrage, eigene Formblätter dafür <strong>aus</strong>zulegen und Unterschriften zu sammeln.<br />

Grundsätzlich bedeutet das, alle Mitglieder werden aufgefordert, sich daran zu beteiligen, sie<br />

werden aufgefordert, Unterschriften einzuholen, und wir nehmen die Unterschriften, die<br />

schon entstanden sind auf Listen entgegen und leiten sie an die entsprechenden Initiatoren<br />

weiter. Danke.<br />

Stefan Finger:<br />

Wir kommen jetzt zum nächsten Punkt. Konrad Elmer wird einiges sagen zur Strukturierung -<br />

Vorstellungen zum Strukturaufbau des Bezirksverbandes <strong>Berlin</strong>. Im Anschluß gibt es dazu<br />

eine Diskussion. Wenn möglich, dann sollte es von dieser Gründungsversammlung einen<br />

Beschluß dazu geben.<br />

Jörg Hildebrandt:<br />

Jörg Hildebrandt, zugleich Mitglied von Demokratie Jetzt. Ich stelle die Frage, es war für<br />

einen späteren Zeitpunkt vorgesehen, daß sich die Formulierung des Aufrufs zum<br />

Volksentscheid verlese, ob das an dieser Stelle jetzt geschehen soll, weil es thematisch<br />

angesprochen wurde, oder erst, wenn das kurze Grußwort von Demokratie Jetzt erfolgt.<br />

Jörg Hildebrandt verliest den Aufruf zu einem Volksentscheid:<br />

„Die Zeit ist da, das Volk soll entscheiden, wir brauchen Demokratie für unser Land, jetzt.<br />

Wir fragen, gibt es für den Führungsanspruch der SED, auf den Egon Krenz schon wenige<br />

Minuten nach seiner Wahl zum Staatsratsvorsitzenden verwies, gibt es für diesen<br />

Führungsanspruch einen klaren Auftrag der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes? Wir<br />

meinen, Sozialismus sollte auf <strong>dem</strong> Mehrheitswillen der Bürger und Bürgerinnen und nicht<br />

auf der festgeschriebenen Führungsrolle der SED beruhen. Sozialismus hört mit <strong>dem</strong> Ende<br />

solcher Vorherrschaft nicht auf, er fängt mit lebendiger Demokratie erst richtig an. Wir<br />

fordern, <strong>dem</strong>okratische Willensbildung ohne festgeschriebene Führungsrolle der SED.<br />

Entweder SED führt an oder wer es am besten kann.”<br />

Stefan Finger:<br />

Ich würde vorschlagen, daß wir mit den Grußworten gleich fortfahren...<br />

Jörg Bandmann:<br />

Ich hätte sonst gesagt: Genossinnen und Genossen, ich hab gehört, das ist unter Euch noch<br />

umstritten. Ich heiße Jörg Bandmann, ich bin Sozial<strong>dem</strong>okrat <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong>-Tiergarten. Ich<br />

möchte vorab betonen, ich bin hier als Gast, ich fühle mich hier als Gast und mit Interesse<br />

beobachte ich das, was heute stattfindet auch mit Solidarität, mit Gefühlen von Freude. Ich<br />

bin nicht beauftragt, hier eine offizielle Grußadresse an Euch weiterzugeben, aber ich denke,<br />

ein persönliches Grußwort von unserem Landesvorsitzenden Walter Momper, vom Regierenden<br />

Bürgermeister von <strong>Berlin</strong>-West kann ich hier ruhig wiederholen, das er auf unserem<br />

Landesparteitag in diesem Monat gesagt hat. Er hat gesagt, uns bewegt natürlich das, was hier


25<br />

in <strong>Berlin</strong> passiert, uns bewegen die Aktivitäten, die Menschen, die hier frei ihre Meinung<br />

sagen. Und es erfreut uns mit ganz besonderer Freude, daß Sozial<strong>dem</strong>okratinnen und<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten auch in <strong>Berlin</strong>, auch hier im Stadtbezirk Mitte sich formieren, und es ist<br />

eine große Freude, daß es hier wieder eine sozial<strong>dem</strong>okratische Partei gibt, und daß ich die<br />

Ehre hab, hier an der Gründungsversammlung der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei in <strong>Berlin</strong> in<br />

der Deutschen Demokratischen Republik teilzunehmen. Ich denke, es ist hier schon<br />

wiederholt gesagt worden, es kann auch <strong>aus</strong> unserer Sicht weiß Gott nicht darum gehen, die<br />

Tradition der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, die es ja bis 1961 auch in den östlichen<br />

Stadtbezirken gab, hier fortzusetzen, oder Euch unsere Hilfe aufzudrängen. Ihr müßt Euren<br />

Weg ganz alleine finden. Wir wollen uns nicht einmischen. Wir können uns hohe Solidarität<br />

vorstellen, menschliche Solidarität, politische Solidarität, gen<strong>aus</strong>o wie Solidarität mit allen<br />

kämpfenden Demokraten und Sozial<strong>dem</strong>okraten, ob in Nikaragua, in Ungarn oder ob in<br />

anderen Ländern Europas uns vorstellen können. Natürlich ist das Verhältnis trotz<strong>dem</strong> ein<br />

bißchen ein anderes, allein durch die räumliche Nähe. Michael Gorbatschow hat vor wenigen<br />

Tagen am 7. Oktober gesagt im Palast der Republik hier in <strong>Berlin</strong>:" Die Veränderung, die sich<br />

hier in der DDR vollziehen werden, werden nicht in Moskau entschieden, sondern sie werden<br />

in <strong>Berlin</strong> entschieden". Und ein bißchen betrifft uns das in <strong>Berlin</strong>-West natürlich auch. Ich<br />

denke auch, daß es Euch vielleicht interessiert, daß wir uns darüber Gedanken machen über<br />

unser Verhältnis auf der einen Seite zur SED, was durch die Existenz einer neuen<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei hier in <strong>Berlin</strong> natürlich ein anderes ist. Ich habe Ibrahim Böhme<br />

vorhin erzählt und berichtet, daß wir am 20. November in einem Bezirksrath<strong>aus</strong> in <strong>Berlin</strong>-<br />

West in Tiergarten eine Diskussion haben unter Sozial<strong>dem</strong>okraten, was es für uns bedeutet,<br />

daß es ein neues Verhältnis gibt zur SED durch die Existenz, durch die Gründung der SDP,<br />

die wir sehr begrüßen, und ich würde mich sehr freuen, wenn Ibrahim Böhme oder ein<br />

anderer Vertreter Eurer sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei hier in der DDR an dieser Diskussion<br />

teilnehmen könnte. Ich denke, eine entsprechende Einladung werden wir nächste Woche an<br />

Euch schicken. Es wäre schön, wenn bereits jetzt die Möglichkeit zum Dialog auch nach<br />

<strong>Berlin</strong>-West bestehen würde. Ich denke weiter, wenn es eine starke sozial<strong>dem</strong>okratische<br />

Partei hier in <strong>Berlin</strong> in der DDR geben wird, vielleicht können wir die Fahne der <strong>SPD</strong> von<br />

<strong>Berlin</strong> Pankow, die heute das Eingangsgebäude des Landesverbandes der <strong>SPD</strong> in <strong>Berlin</strong> in der<br />

Müllerstraße immer noch schmückt, vielleicht können wir sie Euch bald stolz zurückgeben in<br />

Eure Hände, damit ihr Eure eigene Tradition fortsetzt. Wir selbst sind sehr froh, daß in dieser<br />

Zeit des politischen Wandels hier in Europa, wir in <strong>Berlin</strong>-West seit <strong>dem</strong> Januar im<br />

Schöneberger Rath<strong>aus</strong> die Christ<strong>dem</strong>okratische Union und die anderen ewig Gestrigen in der<br />

Regierung abgelöst haben und daß Sozial<strong>dem</strong>okraten in <strong>Berlin</strong>-West die Regierung stellen<br />

und bestimmen. Meine Hoffnung ist, daß im nächsten Januar oder im Januar darauf<br />

Sozial<strong>dem</strong>okraten auch ins Rote Rath<strong>aus</strong> einziehen. Ich grüße Euch herzlich.<br />

Lorenz:<br />

Mein Name ist Lorenz, ich bin nicht Mitglied der SDP. Ich war bis vor drei Jahren noch<br />

Mitglied der SED. Damals bin ich <strong>aus</strong>getreten, weil ich es für nicht mehr akzeptabel hielt, daß<br />

nach den Lehren von 1968 die durch Gorbatschow <strong>aus</strong>gelöste Bewegung einer<br />

Demokratisierung des Sozialismus weiterhin blockiert wird. Ich halte die pluralistische<br />

Demokratie für die Existenzform des Sozialismus, die die historische Mission des<br />

Gesamtarbeiters und nicht nur der Arbeiterklasse erfüllt. Aus diesem Grunde versuche ich, sie<br />

auch zu unterstützen. Es hat sich ein Zufall ergeben, ein ganz verblüffender Zufall, der mich<br />

vor dieses Mikrofon führt. Ich habe führende Genossen, unter anderem Gunar Stenvar von der<br />

Schwedischen Sozialistischen Arbeiterpartei getroffen anläßlich einer Verwandtenreise, und<br />

wir kamen in ein Gespräch. Und er zeigte sich <strong>aus</strong>gesprochen interessiert über die<br />

Entwicklung in der


26<br />

DDR. Die Sozial<strong>dem</strong>okraten, und nicht nur die Sozial<strong>dem</strong>okraten Schwedens, sehen mit<br />

großer Aufmerksamkeit und mit Hoffnung das Entstehen einer sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Bewegung in ganz Osteuropa. Das ist zum einen Ausdruck von Pluralismus für die<br />

schwedischen Sozial<strong>dem</strong>okraten als Kehrseite einer funktionierenden und funktionsfähigen<br />

Demokratie. Demokratische Formen der Führung einer Gesellschaft sehen sie auf der anderen<br />

Seite als die sicherste Form einer Friedensgarantie. Einen Krieg zwischen <strong>dem</strong>okratisch<br />

regierten Staaten hat es nach ihren historischen Beobachtungen in der Weltgeschichte nicht<br />

gegeben. Somit ist die Entstehung der Sozial<strong>dem</strong>okratie auch als Ausdruck eines Prozesses<br />

friedenssichernder politischer Strukturen zu betrachten, zum anderen sehen sie ihn auch als<br />

ein Anknüpfen an die deutsche sozial<strong>dem</strong>okratische Tradition, und sie haben mich gebeten,<br />

den Sozial<strong>dem</strong>okraten der DDR die herzlichsten Grüße zu übermitteln, auch anläßlich dieser<br />

Gründungsversammlung und wünschen Erfolg und Gedeihen an alle Genossen, wie sie gesagt<br />

haben. Das wäre es, was ich zu sagen habe, des weiteren haben sie Angebote zu informeller<br />

und anderer Kooperation, die in keiner Weise mit Einmischung verbunden sein soll,<br />

angeboten.<br />

Stefan Finger: Gibt es noch weitere Grußworte? Dann Konrad Elmer.<br />

Konrad Eimer: Es wurde gesagt: Die Strukturen vom <strong>Berlin</strong>er Verband, den wir hier gründen<br />

wollen ... Ich muß es zunächst noch ein bißchen erweitern. Wir haben die Strukturdiskussion<br />

in Schwante ja leider <strong>aus</strong> Zeitgründen nicht durchführen können. Deswegen ist alles, was auf<br />

der zweiten Seite des Statuts steht, zunächst nur ein Vorschlag, aber ein doch gewichtiger<br />

Vorschlag. Es wäre gut, wenn für die Verhandlung jeder dies vor sich hätte. Vielleicht bitte<br />

ich mal dort hinten die, die schon aufgestanden sind, noch Exemplare zu holen, für die, die<br />

noch kein Statut vor sich liegen haben. Strukturfragen sind abstrakt und quälend hier am<br />

Anfang, aber sie sind entscheidend. Strukturfragen sind Machtfragen. Das haben uns ja auch<br />

die Reden gestern auf <strong>dem</strong> Alex noch einmal deutlich vor Augen geführt. Deswegen ist es ein<br />

sehr gewichtiger Punkt, den wir hier verhandeln, und wir sollten uns mal eine Stunde lang<br />

nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Es wäre wichtig, daß wir zu einem wirklichen Beschluß<br />

kommen. Einmal, weil wir eine wirkliche Struktur für unseren Verband brauchen, und<br />

zweitens, weil es auch für den Vorstand selbst interessant ist, wie sich die Bezirksverbände in<br />

Strukturfragen entscheiden, damit wir dann den ersten Landesparteitag entsprechend solchen<br />

schon auf den Bezirksparteitagen gefaßten Beschlüssen vorbereiten können. Welchen<br />

Geltungsbereich hätte unser Beschluß? Natürlich nur für den Bezirk <strong>Berlin</strong>. Nur für die, die<br />

daran mitwirken. Aber 'es wäre ja durch<strong>aus</strong> ein sehr basis<strong>dem</strong>okratischer Beschluß, weil alle,<br />

die bisher Mitglied sind, bis auf die, die die Information nicht erreicht hat, was es sicher auch<br />

gegeben haben wird - leider -, hier anwesend sind.<br />

Was sind die Grundsätze dieser Struktur, die hier vorgeschlagen wurde von einer<br />

Arbeitsgruppe? Es ist eine repräsentative Demokratie. Der Grundsatz ist, daß nicht an allen<br />

Entscheidungen immer alle mitwirken können. Das ist nun einfach einmal eine praktische<br />

Frage. Es soll also durch<strong>aus</strong> zu Delegierungen kommen und zu leitenden Gremien, so wie wir<br />

ja heute auch ein solches wählen. Aber, das ist das, worauf Sie heute Ihr Augenmerk richten<br />

möchten, ob man das vielleicht noch besser machen kann. Wir wollen eine Struktur, in der ein<br />

für allemal abgesichert ist, daß sich die leitenden Gremien nicht abheben können, sowie wir<br />

das bei der SED ja jahrelang beobachten konnten und mußten. Sind genügend Sicherungen<br />

dagegen eingebaut? Das wäre die eine wichtige Frage. Um das nun praktisch werden zu<br />

lassen, haben wir gewissermaßen zwei Säulen in dieser Struktur. Einmal, eine<br />

Parteitags<strong>dem</strong>okratie und eine innerparteiliche Rätestruktur. Ich habe dazu etwas aufgemalt,<br />

das muß ich jetzt schnell noch holen. Es ist natürlich viel zu klein für diesen Raum. Oder es<br />

halten


27<br />

jetzt einfach mal Zwei, damit man hier beginnen kann. Auf der rechten Seite von mir ist also<br />

die Parteitagsebene rot gezeichnet und links sozusagen die Rätestruktur grün, die wie Sie<br />

sehen, vernetzt ist.<br />

Wie soll es funktionieren? Unten den Basisgruppen, von denen gewissermaßen alle Macht<br />

<strong>aus</strong>geht. Diese sollen Gesprächsfähigkeit behalten, also doch der Rätestruktur entsprechen.<br />

Diese wählen einmal zwei Vertreter in einen zusammenfassenden Rat. Also, sagen wir sieben<br />

Basisgruppen wählen dann 14 Leute, und das ist wieder so ein gesprächsfähiges Gremium,<br />

meinetwegen auf Kreisebene zunächst, später, wenn wir mehr werden, muß man<br />

wahrscheinlich noch eine Zwischenebene einschalten. Die wählen wieder die nächsthöhere<br />

Ebene, die Bezirksebene, und von dort den Landesparteirat. Aber hier haben wir ja die<br />

Erfahrung, daß es da gewissermaßen Verselbständigungseffekte geben könnte. Nicht wahr,<br />

das ZK wählt das Politbüro und niemand an der Basis hat eine Mitsprachemöglichkeit,<br />

deswegen ist nun die Parteitagsebene parallel geschaltet. Wo all diese Kandidaten, die von<br />

unten nach oben gewählt werden in dieser Rätestruktur noch einmal zur Wahl stehen sollen<br />

und durch weitere Kandidaten, die der Parteitag oder die Vollversammlung, wollen wir das<br />

auf Ortsebene bescheidenerweise nennen, noch hinzufügen kann. Und dann wird gewählt.<br />

Und die Wahl ist ein bißchen kompliziert, weil hier ja nun auch die Rätestruktur nicht einfach<br />

wieder verschwinden soll. Deswegen heißt es, und dazu sehen Sie sich mal den Paragraphen<br />

16 an: Die <strong>aus</strong> diesen Delegierten sich zusammensetzenden Leitungsgremien, also in<strong>dem</strong> <strong>aus</strong><br />

dieser Rätestruktur immer zwei Delegierte werden gewählt, werden auf den jeweiligen<br />

Parteitagen durch weitere Kandidaten entsprechend den unterschiedlichen Mitgliederzahlen<br />

[ergänzt], ein Rat kann ja nur 20 Leute haben, der andere bloß 10, da kann man einen<br />

Ausgleich schaffen. Durch solche weiteren Kandidaten werden sie also ergänzt und<br />

gemeinsam zur Wahl gestellt. Dabei muß im neu gewählten Rat <strong>aus</strong> jeder delegierenden<br />

Gruppe wenigstens ein Delegierter vertreten sein. Das ist ja schon wegen <strong>dem</strong><br />

Informationsfluß wichtig. Dar<strong>aus</strong> ergibt sich folgende Wahlstruktur, die ein bißchen<br />

kompliziert ist: Gewählt ist dann also der Kandidat der delegierenden Gruppe, der die meisten<br />

Stimmen auf sich vereinigen konnte, also der mehr hat als ein Zweiter, der ja mit dahin<br />

delegiert wurde, sowie, unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit, die Kandidaten mit den<br />

meisten Stimmen bis zur vom Parteitag bestimmten Vollzähligkeit der Leitungsgruppe. Ich<br />

möchte hier gleich zwei Präzisierungen einfügen. Dann wird es vielleicht noch etwas<br />

verständlicher, wenn Sie das mal als einen Antrag von mir sehen und erst mal mit einfügen.<br />

Ob wir's nachher beschließen, liegt ja an Ihnen. Ich würde hinter den letzten Satz: "Gewählt<br />

ist dann also der Kandidat...", dann noch "einer jeden delegierenden Gruppe" [einfügen], dann<br />

wird es in meinen Ohren noch etwas deutlicher, ich weiß nicht, ob auch in Ihren. "... der die<br />

meisten Stimmen auf sich vereinen konnte, sowie unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit,<br />

die" - und jetzt würde ich hinter das "die" noch ein "weiteren" einfügen - "die weiteren<br />

Kandidaten" mit den meisten Stimmen bis zur vom Parteitag bestimmten Vollzähligkeit"....<br />

Konrad Elmer erläutert im folgenden die einzelnen Paragraphen des Statutenentwurfs, danach<br />

schließt sich noch einmal eine längere Diskussion über einzelne Fragen des Statuts an. Es<br />

kommt zu <strong>dem</strong> Antrag, die Diskussion abzubrechen, um aufgrund der vorgeschrittenen Zeit<br />

die Gründung der SDP in <strong>Berlin</strong> zu vollziehen und anschließend auch noch die Wahlen für<br />

den Bezirksparteirat (Vorstand) durchzuführen. Der Antrag wird angenommen.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich denke, wir kommen jetzt zu <strong>dem</strong> Teil, der an sich der Wichtigste ist - zum Gründungsakt.


28<br />

Verlesen der Gründungsurkunde:<br />

„Gründungsurkunde des Bezirksverbandes <strong>Berlin</strong> der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei in der<br />

DDR<br />

Hiermit gründen die Unterzeichnenden den Bezirksverband <strong>Berlin</strong> der Sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Partei in der Deutschen Demokratischen Republik. Sie erklären ihre Übereinstimmung mit<br />

den im Statut verankerten Grundsätzen einer ökologisch orientierten sozialen Demokratie. Die<br />

Mitglieder des Bezirksverbandes <strong>Berlin</strong> suchen die Zusammenarbeit mit allen <strong>dem</strong>okratischen<br />

Initiativen, Gruppen, Parteien und Personen, ungeachtet ihrer weltanschaulichen und sozialen<br />

Bindung. Angesichts des sich seit <strong>dem</strong> 7. Oktober stark entwickelnden politischen<br />

Bewußtseins der Bürgerinnen und Bürger, sowie der wachsenden Mitgliederzahl der SDP,<br />

halten wir es für erforderlich, die Gründung des <strong>Berlin</strong>er Bezirksverbandes jetzt zu<br />

vollziehen. Der Fortgang der Diskussion über die vorgelegten Grundsätze bestärkt uns in der<br />

Überzeugung, mit inhaltlichen und strukturellen Verbindlichkeiten einer<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei an der <strong>dem</strong>okratischen Erneuerung unseres Landes mitzuwirken.<br />

<strong>Berlin</strong>, den 5. November 1989. Die Mitglieder der Gründungsversammlung.”<br />

Ich bitte um Wortmeldungen. Bitte.<br />

Udo Eisner:<br />

Ich möchte den Antrag machen, auf das Wort "soziale Demokratie" zu verzichten, und dafür<br />

einzusetzen "sozialistische Demokratie". Wir haben sicherlich mit diesem Wort "soziale<br />

Demokratie" Schwierigkeiten, viele Kreise der Bevölkerung und viele Kreise der Studentenund<br />

Arbeiterschaft zu gewinnen, wir sollten nicht vergessen, daß das Wort "Sozialismus"<br />

nach wie vor in der Tradition der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei enthalten ist, und sollten das<br />

auch formulieren.<br />

Ibrahim Böhme:<br />

Ich bin ja nicht so ein großer Kenner der sozial<strong>dem</strong>okratischen Entwicklungsbewegung, aber<br />

ich muß dazu sagen, nicht nur weil das Wort "sozialistische Demokratie" sehr eng gebunden<br />

ist an den Begriff des <strong>dem</strong>okratischen Zentralismus in der DDR, den ich nicht mittragen kann,<br />

und an eine Verballhornisierung von Volksherrschaft, wie ich sie auch nicht tragen könnte,<br />

bin ich für die soziale Demokratie, zumindest kann man sagen <strong>aus</strong> der Tradition der deutschen<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratie, daß die Parteitage von Erfurt 1891 und von 1905 in Jena eindeutig den<br />

Begriff der sozialen Demokratie als Umsetzung des Sozialismus benutzen.<br />

Stefan Finger:<br />

Uns liegt jetzt hier ein Antrag vor, über den jetzt abgestimmt werden muß. Wer dafür ist, daß<br />

wir statt "ökologisch orientierte soziale Demokratie" "ökologisch orientierte sozialistische<br />

Demokratie" setzen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenprobe. Enthaltungen.<br />

Damit bleibt es bei <strong>dem</strong> Begriff "ökologisch orientierte soziale Demokratie". Weitere<br />

Wortmeldungen. Das ist nicht der Fall. Damit möchte ich jetzt zum Gründungsakt kommen.<br />

Folgendes Verfahren: Ich bitte die Versammelten während des Verlesen der<br />

Gründungsurkunde, wenn ich das tue, das ist noch nicht gleich, sich von den Plätzen zu<br />

erheben. Ich denke, wir sollten diesen ganzen Teil wirklich würdig begehen. Ich frage jetzt<br />

nach <strong>dem</strong> Alter. Wer ist älter als 70? Es ist folgendes: Ich denke, wir sollten den Ältesten<br />

unter uns als ersten unterzeichnen lassen. Danach haben alle in der P<strong>aus</strong>e die Möglichkeit, die<br />

Gründungsurkunde zu unterschreiben. Ich bitte die Versammlung, sich von den Plätzen zu<br />

erheben.


29<br />

Der Vorschlag, beim Gründungsakt aufzustehen, findet erst nach einer kurzen Diskussion und<br />

mehreren Geschäftsordnungsanträgen Zustimmung. Danach wird die Gründungsurkunde<br />

erneut verlesen. Der älteste Gründer unterschreibt und hält danach eine kurze Ansprache:<br />

Walter Förster:<br />

Werte Freunde und Gäste ich bin glücklich, ich glaube, es ist ein ganz besonderer glücklicher<br />

Tag in meinem Leben. Ich bin 70 Jahre alt, und in der Weimarer Zeit habe ich schon das<br />

Kleid der roten Falken getragen. Und daß ich heute nochmal hier Mitglied werden kann der<br />

sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, das zeichnet mich durch Ihren Beifall ganz besonders <strong>aus</strong>. Ich<br />

danke schön.<br />

Konrad Eimer:<br />

Der Gründungsakt wird fortgeführt durch alle weiteren Unterschriften, die die Mitglieder jetzt<br />

leisten....<br />

Während einer längeren P<strong>aus</strong>e unterschreiben die meisten in der Kirche Anwesenden die<br />

Gründungsurkunde. Danach entspinnt sich eine Diskussion, ob der nun noch zu wählende<br />

Vorstand nur kommissarisch eingesetzt ist oder bis zum ersten Bezirksparteitag alle Rechte<br />

eines Vorstandes hat. Letztere Auffassung setzt sich durch.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich möchte von vornherein noch was sagen: Wir haben extra diesen Passus eingesetzt, daß<br />

dieses Gremium [der Bezirksparteirat) eine begrenzte Amtszeit hat, damit wollten wir an sich<br />

dieser Diskussion <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Wege gehen, ob kommissarisch oder nicht. Damit ist klar definiert,<br />

wie lange er wirksam ist und nicht auf Ewigkeiten nun dort fest steht. Zu dieser Frage: Wir<br />

haben auch darüber diskutiert, sind dann aber zu der Meinung gekommen, da nicht in allen<br />

Stadtbezirken schon Basisgruppen drin sind oder in anderen Stadtbezirken sind zwei<br />

Basisgruppen oder mehr, wäre es jetzt schwierig zu sagen, die einen Delegieren und die<br />

anderen nicht. Ich denke, der Weg wäre, falls es so ist, daß nicht alle Stadtbezirke vertreten<br />

sind in diesem Gremium, daß über die Kooptierung auf jeden Fall gewährleistet ist, daß alle<br />

Stadtbezirke vertreten sind. Ich denke, das ist natürlich wichtig, daß das gewährleistet ist.<br />

Wenn wir das anstreben, kann es passieren, daß Basisgruppen delegieren, und diese<br />

Delegierten kommen, dadurch, daß sie schon eine gewisse Zahl von Leuten hinter sich haben<br />

schnell durch und andere Stadtbezirke, die jetzt nicht über das Delegierungsprinzip hier ihre<br />

Kandidaten vorbringen, keine Chance haben.<br />

Dankward Brinksmeier:<br />

Also, ich finde das Humbug und unrealistisch, den Zwang, daß jede Gruppe und jeder<br />

Stadtbezirk dabei sein muß, wo die Gruppen sich noch nicht einmal kennen, ist Quatsch. Und<br />

zweitens ich bin der Meinung, daß jeder der bereit ist, in den Vorstand zu gehen und ungefähr<br />

eine Ahnung hat, was auf ihn zukommt, sowieso schon alle Achtung von mir <strong>aus</strong> hat.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich stelle den Antrag jetzt zur Abstimmung. Wer dafür ist, daß sich die Basisgruppen jetzt<br />

nochmal kurz treffen und über den Delegierten beraten, wer dafür ist, daß dann die<br />

Kandidaten zur Verfügung stehen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenprobe.<br />

Enthaltungen. Ich stelle fest, der Antrag wurde nicht befürwortet.


30<br />

Konrad Eimer:<br />

Ich bitte die Wahlkommission nach vorn.<br />

Ich verlese jetzt die Vorschläge, die wir auf der Liste haben, und ich bitte jeden mit "ja" zu<br />

antworten, wenn er zur Verfügung steht.<br />

Carola Gabler ja<br />

Udo Eisner ja<br />

Alfons Schlappa ja<br />

Walter Förster a<br />

Gerhard Weis nein<br />

Dietrich Jakob ja<br />

Eva Kunz ja<br />

Christian Tscherpling ja<br />

Dankward Brinksmeier ja<br />

Franke nein<br />

Olaf Schurig ja<br />

Johannes Richter ja<br />

Torsten Hilse nein<br />

Fasbinder ja<br />

Tjark Völker ja<br />

Frank Bogisch nein<br />

Annekatrin Pauk ja<br />

Maja von Rooge ja<br />

Ulrich Schoppe ja<br />

Brücke nein<br />

Thomas Krüger ja<br />

Udo Mohn ja<br />

Herbert Hoffmann ja<br />

(Name unverständlich) ja<br />

Arne Grimm ja<br />

Eike Kl<strong>aus</strong> nein<br />

Günter Hans ja<br />

Joachim Görtz nein<br />

E. Kraft ja<br />

(Name unverständlich) ja<br />

Damit wäre die Liste durch, und wir kommen nun zur Vorstellung der Kandidaten. Ich bitte,<br />

jeweils nach vorn zu kommen und ein paar Dinge zu sich zu sagen.<br />

Carola Gabler:<br />

Ich heiße also Carola Gabler, bin 23 Jahre alt. Ich arbeite in der Evangelischen Kirche der<br />

Union und bin auch hier von der SDP Kontaktadresse im Prenzlauer Berg. Fragen?<br />

(Verheiratet?)<br />

Nein ledig, Kinder auch nicht.<br />

Udo Eisner:<br />

Mein Name ist Udo Eisner Ich bin 52 Jahre alt, verheiratet, 5 Kinder, davon sind nur noch


31<br />

zwei im H<strong>aus</strong>halt. Ich bin Diplomingenieur und z. Z. Direktor für Technik in einem <strong>Berlin</strong>er<br />

Betrieb.<br />

(Welchen politischen Organisationen gehören Sie an?)<br />

Ich habe bis zum 30. Oktober <strong>dem</strong> FDGB angehört.<br />

(In welchem Betrieb?)<br />

In <strong>dem</strong> Betrieb "VEB <strong>Berlin</strong>er Schokoladenfabrik Elfe" in <strong>Berlin</strong> - Weißensee in der Gustav<br />

Adolf Straße.<br />

Alfons Schlappa:<br />

Ich bin 37 Jahre alt, wohnhaft in Pankow, bin verheiratet, habe zwei Kinder, und ich bin<br />

Autodidakt in der Malerei / Graphik seit ungefähr 7 Jahren. Ich habe vorher ein Studium als<br />

Bauingenieur absolviert in Cottbus an der Ingenieurhochschule, habe knapp meine<br />

Absolventenbindung eingehalten, und habe diesen Beruf dann an den Nagel gehängt und<br />

artfremd gearbeitet.<br />

(Mitgliedschaften?)<br />

Während des Studiums, das bis 1978 währte, war ich noch Mitglied der FDJ, mehr oder<br />

weniger gezwungen. Solange ich voll gearbeitet habe als Projektant, das war bis 1980, war ich<br />

FDGB - Mitglied und seit<strong>dem</strong> bin ich bar jeder Gruppen oder Parteien gewesen bis heute.<br />

Walter Förster:<br />

Mein Name ist Walter Förster. Ich bin geboren am 2. 4. 1919. Ich komm' <strong>aus</strong> einer echten<br />

Arbeiterfamilie mit Funktionärstätigkeit in der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei. Nach '45, dort<br />

mußte man ja an sich anfangen, das andere war ja nicht - in der Hitlerjugend war ich nicht,<br />

also von uns Geschwistern keiner, die einzigen im Ort bei uns zu H<strong>aus</strong>e Schwepnitz im<br />

Bezirk Dresden. Was kann ich noch sagen? Nach 1945, als ich <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Krieg nach H<strong>aus</strong>e<br />

gekommen bin, habe ich mitgeholfen, die Freie Deutsche Jugend aufzubauen. Differenzen<br />

haben sich gleich eingefunden, weil mein Gedankengut ein anderes war, aber der Anfang<br />

bestand darin - entschuldigen Sie bitte, daß ich mal drei Worte sag - der Anfang bestand<br />

darin, eine Freie Deutsche Jugend mit aufzubauen und ich habe mir gesagt, zu den<br />

Kapitalisten kannst du nicht gehen, die dir als jungen Menschen eine Knarre umgehangen<br />

haben, haben gesagt renne los, erobere Europa und was sich dir in den Weg stellt, legst du<br />

um. Dahin kann ich nicht gehen, also ich muß hier bei der Arbeiterklasse meine Fähigkeiten<br />

und meine Kraft einsetzen, um etwas besseres entstehen zu lassen, daß ein Krieg nie wieder<br />

passieren darf, und das ist ja auch an unsere Fahne geheftet, hier in dieser neuen<br />

sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, daß so etwas nie wieder passieren darf. Ich muß sagen, ich bin<br />

kein gewähltes Mitglied im Zentralrat gewesen, obwohl mir bei der Gründung oder am<br />

Anfang nur 10 Mann waren, aber wir wurden von Anfang an gleich geteilt. Diese Freunde in<br />

der FDJ, die <strong>aus</strong> der Sozial<strong>dem</strong>okratie gekommen sind, darunter gehörte auch die Edith<br />

Baumann und bei ihr war ich, und die kommunistische Seite, die war im Zentralkomitee der<br />

KPD und SED in der Wallstraße. Und meine Differenzen, die gingen so weit, daß ich eben<br />

1951 r<strong>aus</strong>geflogen bin, ich hab Kulturarbeit da betrieben, habe einige Jahre keine Arbeit<br />

gekriegt, hatte ein fingiertes Arbeitsverhältnis bei einem Dr. Kemnitz in Pankow und nach<br />

diesen zwei, zweieinhalb Jahren hat sich das wieder ergeben, daß ich in den normalen<br />

Arbeitsprozeß einsteigen konnte, ich bin Funktechniker von Beruf, habe einen Sohn, der ist<br />

43 Jahre alt, und einen Enkelsohn mit 21.


32<br />

Dietrich Jackobs:<br />

So, der Name ist schon gesagt, ich sag's aber nochmal, Dietrich Jackobs. Von der Ausbildung<br />

her bin ich Ingenieurökonom Maschinenbau und Diplomökonom Mathematik -<br />

Datenverarbeitung. Praktisch gearbeitet habe ich über 20 Jahre in einem<br />

Maschinenbaubetrieb, mehr die Strecke Organisation in Verbindung mit Datenverarbeitung,<br />

bin dann <strong>aus</strong> gesundheitlichen Gründen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Beruf r<strong>aus</strong>, und bin seit<strong>dem</strong> frei tätig. Ich bin<br />

gesellschaftlich nirgends gebunden, habe zwei Kinder, und mein Ziel ist, daß ich meinen<br />

Kindern einen <strong>dem</strong>okratischen Pluralismus hinterlasse und dafür ein bißchen die Kraft gebe.<br />

Sind noch Fragen bitte?<br />

Eva Kunz:<br />

Ja, ich bin Eva Kunz. Ich bin 42 Jahre alt. Ich habe Psychologie und<br />

Bibliothekswissenschaften studiert, auch einige Jahre da gearbeitet und bin dann<br />

<strong>aus</strong>gestiegen, und bin dann H<strong>aus</strong>meisterin in der Französischen Kirche geworden. Ich hab<br />

zwei Kinder, die ich alleine groß gezogen habe. Ich bin eigentlich von meiner politischen<br />

Biographie her den Idealen von 1968 von den Prager Bewegungen verpflichtet gewesen und<br />

hab jetzt eigentlich so ein bißchen das Gefühl, daß man jetzt die uneingelösten Hoffnungen<br />

von damals vielleicht ein Stück verwirklichen kann und daran möchte ich, und dabei möchte<br />

ich unbedingt dabei sein.<br />

(Aus welchem Stadtbezirk?)<br />

Mitte.<br />

Christian Scherfling:<br />

Mein Name ist Christian Scherfling, ich bin 26 Jahre alt, bin als Buchhändler in einer <strong>Berlin</strong>er<br />

Buchhandlung tätig, lebe in wilder Ehe mit einer Frau zusammen, bin in keinen<br />

gesellschaftlichen Organisationen. Ich denke, daß die SDP die einzige Möglichkeit ist, hier<br />

was aktiv zu tun in diesem Land.<br />

Dankward Brinksmeier:<br />

Ich bin Dankward Brinksmeier, 32 Jahre alt, verheiratet, habe drei Kinder. Ich war bis<br />

September Jugendpfarrer in Aschersleben für den Kirchenkreis Aschersleben und bin seit<br />

September hier in <strong>Berlin</strong> Studentenpfarrer. Ich war freiwillig in der FDJ, ich glaube, auch ich<br />

habe kommunal einiges Sinnvolle tun können, war in der GOL-Leitung im Dresdener<br />

Kreuzchor, habe damals schon gewußt und heute noch deutlicher gemerkt, damit erreicht man<br />

nicht viel, heute will ich entscheidendes tun, in entscheidenden Zeiten, deswegen war ich, ich<br />

denke in der SDP so ziemlich von Anfang an dabei. Mitte.<br />

Thomas Schurig: Ich bin Thomas Schurig <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong> Müggelheim. Ich bin verheiratet, habe<br />

zwei Kinder, hab BMSR-Mechaniker gelernt, bin nach 15 Betriebsjahren <strong>aus</strong>gestiegen, bin<br />

jetzt H<strong>aus</strong>meister in einer Kinderkrippe und Küster bei der evangelischen Kirche. 34 Jahre.<br />

Uta Forstbauer: Mein Name ist Uta Forstbauer. Ich bin 39 Jahre alt, verheiratet, hab zwei<br />

Kinder und hab Bibliothekarin studiert und arbeite auch immer noch in diesem Beruf.<br />

Stadtbezirk Friedrichshain.<br />

(Mitgliedschaften?)<br />

Keine, außer jetzt SDP.


33<br />

Johannes Richter:<br />

Ja, mein Name ist Johannes Richter. Ich bin 23 Jahre alt, arbeite in einem<br />

Rationalisierungsmittelbau, der sich mit Alternativ-Energien beschäftigt, und engagiere mich,<br />

wie gesagt, hier in der SDP seit Schwante. Ich habe vorher keiner politischen Institution<br />

angehört oder keiner Vereinigung oder keiner Organisation, weder Pionieren noch FDJ.<br />

Meine politische Bildung erfolgte zum großen Teil durchs Elternh<strong>aus</strong> bzw. wurde dort<br />

gefördert, weil ich mich von klein an mit <strong>dem</strong> politischen Gegner <strong>aus</strong>einandersetzen mußte<br />

und wollte dann auch. Ich habe die Hoffnung hier in der DDR noch nicht aufgegeben, das ist<br />

auch einer der Gründe, warum ich das Land noch nicht verlassen habe, und denke, daß man<br />

durch aktive Einbringung seines Wissens und Vermögens wirklich noch was ändern kann.<br />

Daß es die Chance gibt, die reale Chance gibt, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, daß es die<br />

reale Chance gibt, den Leuten ein gewisses Vertrauen zu geben, den Leuten wieder das<br />

Stimmrecht zuzuführen und sie von den Entmündigungen und Bevormundungen durch diesen<br />

Staat zu befreien. Und das habe ich mir selber zum Ziel gemacht. Ich will für einen<br />

<strong>dem</strong>okratischen Rechtsstaat kämpfen und stelle mich zur Wahl. Stadtbezirk Pankow.<br />

Tjark Völker:<br />

Also mein Name ist Tjark Völker, und um einer entsprechenden Rückfrage gleich mal<br />

vorzubeugen: Ich bin auch mit in der Redaktionsgruppe, die jetzt nebenan etwas mit vorbereitet.<br />

Dazu im Zusammenhang vielleicht eine ganz kleine Kritik. Die vier Leute, die von<br />

dort kandidieren, hätten sich vielleicht am Ende vorstellen können, dann hätten wir im<br />

Zusammenhang arbeiten können, gut. Ich bin 25 Jahre alt, also '64 geboren. Ich bin<br />

verheiratet, habe zwei Kinder, und bin seit einem Jahr, reichlich einem Jahr in <strong>Berlin</strong>. Ich<br />

arbeite in der Geschäftsstelle der Evangelischen Studentengemeinden, das hatte ich vorhin<br />

schon mal gesagt. Meine Frau studiert Musik. Ich hab, bevor ich hier in <strong>Berlin</strong> angefangen<br />

hab zu arbeiten, in Rostock drei Jahre Musik studiert, und ein Jahr als Kraftfahrer gearbeitet.<br />

Und ich möchte ab nächstes Jahr Theologie studieren, ob das klappt, weiß ich natürlich noch<br />

nicht. Ja, wie ich zur SDP gekommen bin? Interesse an politischen Engagement hatte ich<br />

eigentlich schon relativ lange, im Prinzip seit der Armeezeit, da hat dann irgendwas geklickt,<br />

daß das so an sich nicht weiter geht, wie das dort war, und wie ich das dort erfahren habe, und<br />

habe mich dann erst mal im Rahmen der Studentengemeinden politisch engagiert, und naja im<br />

Rahmen der ganzen Vorgänge der letzten Wochen und Monate, ganz besonders natürlich der<br />

Ausreisewelle ist mir klar geworden, daß wir noch viel, viel mehr tun müssen, als bisher<br />

überhaupt getan wurde, und da ich relativ gut bekannt mit Konrad Eimer bin, habe ich mich<br />

viel mit ihm darüber unterhalten. Ja, das war's eigentlich. Ich bin eigentlich Prenzlauer Berg,<br />

aber im Moment noch in der Gruppe von Mitte.<br />

Anne-Kathrin Pauk:<br />

Ich heiße Pauk wie Pauke. Ich bin auch Lehrerin. Ich bin 23 Jahre alt, ich wohne in <strong>Berlin</strong><br />

Marzahn. Ich wohne erst seit einem halben Jahr in <strong>Berlin</strong>. Ich hab vorher in Schwerin<br />

gewohnt und vorher fünf Jahre in Leipzig Pädagogik studiert. Ich bin in keiner anderen<br />

Organisation als in der SDP, ach, ich bin noch im DTSB, das hatte ich noch vergessen. Wenn<br />

sie das interessiert: Ich habe eigentlich einen ganz normalen Entwicklungsweg genommen.<br />

Ich war 8 Jahre an der POS, dann war ich an der EOS, dann hab ich studiert, bin jetzt wieder<br />

an einer Schule. Ich werde also vor<strong>aus</strong>sichtlich mein ganzes Leben in der Schule verbringen<br />

und hoffe trotz<strong>dem</strong>, etwas vom Leben mitbekommen zu haben. Ich habe einen ziemlich<br />

schmerzhaften Desillusionierungsprozeß mitmachen müssen, weil ich zwar immer schon


34<br />

ziemlich kritisch mich mit allem, was mir begegnet ist, <strong>aus</strong>einandergesetzt habe, andererseits<br />

aber entdecken mußte, das ist vornehmlich während des Studiums passiert, wie furchtbare<br />

Schäden diese Strukturierung der Gesellschaft hier hinterläßt in der ganzen Art und Weise des<br />

Herangehens. Und deshalb möchte ich auch in der Zukunft niemanden befreien, ich möchte<br />

nicht, daß die Menschen sich ändern und so was alles, ich möchte nur daran mitarbeiten, daß<br />

man zeigen kann, daß man sagen kann: Ich will, ich will das und das machen, daß man<br />

daraufhin nicht mehr angeblickt wird wie ein armer Irrer, wie es ja teilweise noch ist. Ich<br />

arbeite in der Volksbildung, da ist das der Fall und das ist sehr traurig. Ich hab vorhin über die<br />

Gewerkschaften gesprochen. Z. B. da sehe ich ziemlich schwarz. Ich kann mir nicht<br />

vorstellen, daß die Lehrerschaft dazu zur Zeit in der Lage ist und ob sie das überhaupt will.<br />

Das war's.<br />

(Welche Fächer?)<br />

Deutsch und Russisch.<br />

Tina Maier von Roudden:<br />

Ich sage meinen Namen heute nicht zum ersten Mal, er lautet Tina Maier von Roudden, bin<br />

30 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder und bin H<strong>aus</strong>frau, komme <strong>aus</strong> <strong>Berlin</strong>, Stadtbezirk<br />

Prenzlauer Berg. Ganz kurz möchte ich noch dazu sagen: Bei mir hat's auch klick gemacht,<br />

wie wahrscheinlich bei allen, die hier sind und in die SDP eingetreten sind, und ich möchte<br />

meine Kraft und die Zeit, die ich habe, dieser Partei zur Verfügung stellen. Gesellschaftliche<br />

Mitgliedschaft habe ich seit '85 keine mehr, davor FDGB und FDJ. Der erlernte Beruf ist<br />

Baufacharbeiter mit Abitur, anschließend Architektur- und Formgestaltungsstudium, was ich<br />

abgebrochen habe.<br />

Annette Bassenge:<br />

Annette Bassenge heiße ich. Ich bin 35 Jahre alt, habe zwei Kinder, bin verheiratet, gelernte<br />

Audiologisch-phoniatische Assistentin für Stimm- und Sprachtherapie, arbeite zur Zeit im<br />

Betriebsgesundheitswesen. Gesellschaftlich habe ich mich vorher nur im Nein-sagen betätigt.<br />

Ich freue mich, daß ich jetzt was eventuell zum Ja-sagen finde, und da möchte ich dann gerne<br />

hier arbeiten. Für Mitte.<br />

Ulrich Scholz:<br />

Ich heiße Ulrich Scholz, komme <strong>aus</strong> Hellersdorf, bin 23 Jahre alt, Lehrer für Deutsch und<br />

Russisch, zur Zeit allerdings im Babyjahr mit meinem Sohn, bin verheiratet habe einen Sohn,<br />

möchte, daß er wie die andern Schüler, die ich unterrichten werde, in einem Land<br />

aufwachsen, das sie nicht krank macht. Gesellschaftliche Organisationen: Ich bin noch im<br />

Kulturbund, wo ich auch noch bleiben werde, und seit einigen Wochen Kontaktadresse der<br />

SDP.<br />

Thomas Krüger:<br />

Mein Name ist Thomas Krüger, bin 30 Jahre, gelernter Reifenmacher, Mitgliedschaft bis '76<br />

in der FDJ, seit <strong>dem</strong> in nichts mehr, und arbeite jetzt seit November als Theologe im Kunstdienst<br />

im Bund. Ich bin für Lichtenberg Kontaktadresse fürs Neue Forum und habe da<br />

Strukturarbeit geleistet, die wird in der nächsten Woche vorläufig abgeschlossen sein. Seit<br />

Schwante dabei.<br />

Udo Thron:<br />

Stadtbezirk Hohenschönh<strong>aus</strong>en, habe eine Ausbildung als Diplomlehrer für Mathematik und<br />

Physik, bin aber seit 1982 nicht mehr im Schuldienst, es war nicht meine Entscheidung,


35<br />

arbeite jetzt beim VEB Wasserbehandlungsanlagen <strong>Berlin</strong> als Investitionsvorbereiter. Wir<br />

sind Ausrüstungsbetrieb für wassertechnische Anlagen. Ich bin 35 Jahre alt, geschieden, lebe<br />

aber mit einer Frau und drei Kindern zusammen. Mitgliedschaft bis 1981 SED und bis 1988<br />

FDGB.<br />

Herbert Hoffmann:<br />

Ich bin 43 Jahre alt, bin verheiratet, habe 4 Kinder, zwei davon essen ihr Brot heute noch zu<br />

H<strong>aus</strong>e. Ich arbeite zur Zeit an einer theologischen Ausbildungsstätte als Studentenbegleiter,<br />

habe 10 Jahre in der Landwirtschaft irgendwie auch als leitender Mitarbeiter mitgearbeitet.<br />

Ich will sagen, mir ist jede Partei verdächtig, dieses Mißtrauen habe ich auch in diese Partei<br />

mit hineingenommen und ich möchte es behalten. Ich denke, es ist sehr nötig, denn alle, die<br />

sich in einer Partei groß tun und manchmal groß tun wollen, müssen hinterfragt werden. Das<br />

sehe ich als eine wesentliche Aufgabe, die ich in dieser Partei leisten möchte.<br />

Peter Schlafen:<br />

Mein Name ist Peter Schlafen, Stadtbezirk Hohenschönh<strong>aus</strong>en. Ich bin 46 Jahre, verheiratet,<br />

drei Kinder. Ich bin Hauptabteilungsleiter im Werkzeugmaschinenkombinat 7. Oktober,<br />

zuständig für Investitionen. Ich war Mitglied der SED bis vor zwei Jahren, bin derzeit noch<br />

im FDGB.<br />

Arne Grimm:<br />

Mein Name ist Arne Grimm, bin 1969 hier in <strong>Berlin</strong> geboren, von H<strong>aus</strong>e <strong>aus</strong> eigentlich ,<br />

Reprofotograph, seit einem Jahr in der evangelischen Verlagsanstalt als Hersteller tätig, war<br />

bis vor anderthalb Jahren in gesellschaftlichen Organisationen, also FDJ und FDGB. Diese<br />

Sachen habe ich gestern noch gemacht mit einem Freund zusammen. Seit <strong>dem</strong> 12. Oktober in<br />

der SDP. Bin für Prenzlauer Berg Kontaktadresse.<br />

Günter Herms:<br />

Günter Herms, 58 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, komme <strong>aus</strong> Niederschönh<strong>aus</strong>en, von<br />

Beruf bin ich Ingenieur für Heizungs-, Lüftungs-, Sanitärtechnik, seit 1946 mit der <strong>SPD</strong>, wie<br />

ich vorhin schon andeutete, verbunden, war einer der ersten, der für die <strong>SPD</strong> damals den Sieg<br />

erringen konnte, damals in <strong>Berlin</strong>. Wir sind damals Trepp auf Trepp ab gelaufen und haben<br />

Wahlzettel verteilt, Erklärungen den Leuten gegeben, wie also zu wählen ist. Leider konnte<br />

ich dann meine Mitgliedschaft nicht antreten, weil ich noch zu jung war. Mir gings damals so,<br />

wie's heute <strong>dem</strong> jungen Mann um 12.00 Uhr ging, er wollte gern, durfte aber nicht. Ich habe<br />

im <strong>Berlin</strong>er Bauwesen Führungstätigkeiten <strong>aus</strong>geübt, konnte mich aber nie entschließen,<br />

Mitglied der Partei zu werden, weil mir deren ideologisches Verständnis nicht klar war. Ich<br />

bin lediglich Mitglied des FDGB gewesen.<br />

Marco Pawlik:<br />

Also, mein Name ist Marco Pawlik, bin 21 Jahre alt, ledig, keine Kinder, meine soziale<br />

Herkunft ist ein Elternh<strong>aus</strong>, wo man sagt "Intelligenz" also Lehrer, und ich war bis vor 5<br />

Jahren in der FDJ gewesen, bin dort dann während der Lehrzeit r<strong>aus</strong> geflogen wegen meiner<br />

recht offenen und kritischen Position auch als, na ich sag mal Funktionär in der FDJ, bin im<br />

vergangenen November von meinem Wehrdienst zurückgekommen, habe ein kleines bißchen<br />

in den anderthalb Jahren, denke ich, auch hinter die Kulissen unserer NVA gucken können,<br />

weil ich die anderthalb Jahre im Stab einer Division gedient habe, und hatte auch immer<br />

schon vorher was dagegen, die Worte Ehrendienst und Ehrenpflicht in den Mund zu nehmen.


36<br />

Ich hatte nach der Dienstzeit <strong>aus</strong> ideologischen und politischen Gründen einige Monate lag,<br />

wie man sagt, große Daseinszweifel hier in der DDR, was auch durch Verwandtschaft in der<br />

Bundesrepublik verstärkt wurde, habe diese dann überwunden. Auf der Suche nach einer<br />

Alternative, die ich heute hier gefunden habe, damals hatte sie sich nur bestätigt in kleinen<br />

Diskussionsgruppen im Freundes- und im Familienkreis und unter Kollegen. Ich bin<br />

Nichtwahlgänger der letzten Kommunalwahl und ich möchte noch ganz kurz sagen, wenn ich<br />

darf, warum ich mich heute zu dieser Partei verpflichtet fühle und warum ich mich von mir<br />

her<strong>aus</strong> auch verpflichtet fühle, in dieser Partei in einer Leitungsfunktion meine Kraft und<br />

meine Fähigkeiten für diese Partei einzusetzen. In unserer Familie geht eigentlich die<br />

sozial<strong>dem</strong>okratische Tradition bis ins vergangene Jahrhundert, mein Urgroßvater, mein<br />

Großvater und mein Großonkel, die letzten beiden Jahrgänge 1898 und 1917 waren<br />

Jahrzehnte lang Mit-glieder der Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei, im Faschismus auch verfolgt.<br />

Woll'n wir's nur ganz kurz noch machen. Ich möchte hier, das könnte man als Versprechen<br />

oder als Gelöbnis sagen, falls ich gewählt werde oder falls ich nicht gewählt werden sollte:<br />

Ich werde meine gesamte Kraft und Fähigkeit auch als junger Mensch dafür einsetzen für<br />

diese Partei, für die breite Massenwirksamkeit der Partei, und daß ich in diesem Land auf<br />

<strong>dem</strong>okratischen friedlichem Weg helfen werde, daß sich etwas ändert. Dankeschön. Pankow.<br />

Gelernt bin ich Mechaniker für medizinische Geräte, aber seit zwei Jahren im<br />

Backwarenkombinat als stellvertretender Abteilungsleiter. Politische Organisationen z. Z. nur<br />

noch bis morgen im FDGB.<br />

Joachim Rabenhorst:<br />

Also mein Name ist Rabbenhorst. Ich komme <strong>aus</strong> Lichtenberg, bin geschieden, lebe mit einer<br />

Frau und ihrem Kind zusammen und habe einen großen Bogen gemacht bei meiner<br />

Entwicklung. Ich habe alle schulischen Dinge erst über die Volkshochschule abends<br />

nachholen müssen, habe dann Facharbeiter auf Abendschule nachgeholt, bin jetzt dabei,<br />

Schichtmeister zu machen, bin seit ca. 15 Jahren im Deutschen Roten Kreuz tätig, was immer<br />

meine Ersatzpartei war, da ich ja in der DDR keine sozial<strong>dem</strong>okratische Partei vorher gehabt<br />

habe, in die ich eintreten konnte. Und ich denke, daß ich auch sehr aktiv sein könnte in den<br />

Reihen der SDP. Ich hoffe es nicht nur, sondern ich habe ja Aktivitäten wo anders schon<br />

reichlich gezeigt. Der humane Gedanke beim roten Kreuz ist eigentlich Ausdruck dafür. Ich<br />

bin 34 Jahre alt. Lichtenberg.<br />

Konrad Elmer:<br />

Sie haben jetzt die Qual der Wahl. 12 Leute sollten in den Vorstand gewählt werden von den<br />

Kandidaten. Hat jeder, der hier Mitglied der SDP ist, einen grünen Wahlzettel? Wenn nicht,<br />

möchte man sich noch draußen an den Tischen welche holen, aber wie gesagt, nur einen. Dort<br />

möchten Sie bitte bis zu 12 Namen eintragen. Nicht ja oder nein.<br />

Nach nochmaliger Namensnennung erfolgt die Stimmabgabe<br />

Konrad Elmer:<br />

Ich möchte jetzt noch sagen, was heute unbedingt noch sein muß: Es muß noch sein die<br />

Verkündigung der Wahlergebnisse. Dann müssen die Gewählten kurz zusammentreten und<br />

für die wesentlichen Funktionen 1. Sprecher, 2. Sprecher, Geschäftsführer und Kassenwart<br />

vorschlagen, und die müssen wir dann noch wählen. Die Mitteilung an die Bevölkerung wird<br />

noch geschrieben. Und das ist dann alles. Eine Presseerklärung wird dann noch geschrieben.<br />

Über den Wortlaut der Presseerklärung entspinnt sich noch einmal eine längere Diskussion.


37<br />

Schließlich verliest Eva Kunz den Wortlaut in der endgültigen Fassung.<br />

Eva Kunz:<br />

„Bekanntmachung über die Gründung des <strong>Berlin</strong>er Bezirksverbandes der<br />

Sozial<strong>dem</strong>okratischen Partei in der Deutschen Demokratischen Republik<br />

Liebe <strong>Berlin</strong>erinnen und <strong>Berlin</strong>er!<br />

Am 5. November 1989 haben wir in der <strong>Berlin</strong>er Sophienkirche den Bezirksverband <strong>Berlin</strong><br />

der SDP gegründet, und werden nun das politische Leben unserer Stadt mitbestimmen. Die<br />

Demonstration am 4. 11. in der <strong>Berlin</strong>er Innenstadt und das Meeting auf <strong>dem</strong> <strong>Berlin</strong>er<br />

Alexanderplatz bestärkten uns erneut in unserem Willen, direkt in die Politik unseres Landes<br />

einzugreifen. Die Gründungsurkunde wurde feierlich verlesen und von den anwesenden Mitgliedern<br />

unterzeichnet. In den <strong>Berlin</strong>er Bezirksparteirat wurden gewählt: - ... - Alle Bürger<br />

unserer Stadt, die sich mit unserem im Statut erklärten Zielen <strong>dem</strong>okratischer Sozialismus<br />

Rechtsstaatlichkeit und Parteienpluralität, ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft mit<br />

Eigentumsvielfalt identifizieren können, rufen wir zur Mitarbeit in der Sozial<strong>dem</strong>okratischen<br />

Partei auf. Wir sind davon überzeugt, daß der am 4. November auf <strong>dem</strong> Alexanderplatz<br />

geäußerte Wille der Menschen durch das politische Engagement vieler unserer Gesellschaft<br />

ein neues Gesicht geben wird. Über Statut und Programm der SDP sowie über die Arbeit der<br />

Basisgruppen können Sie sich bei folgenden Kontaktadressen informieren.”<br />

Stefan Finger: Wir kommen jetzt also zur Abstimmung über diesen Brief. Wer also mit<br />

diesem Brief oder Aufruf, wie man es auch immer nennen will, den bitte ich jetzt um das<br />

Handzeichen. Gegenprobe. Enthaltungen. Damit ist der Brief so im Wortlaut verabschiedet.<br />

Ich bitte jetzt Ibrahim um das Wort.<br />

Ibrahim Böhme:<br />

Liebe Freunde, es gehört zu einer alten sozial<strong>dem</strong>okratischen Tradition, daß die Mitglieder<br />

des Landesparteirates, Vorstandes und dergleichen oder des Bezirks- oder Kreisvorstandes, so<br />

sie an der Basis, also einer etwas, nicht geistig, sondern niederen Strukturebene zu Gast sind,<br />

sich zu verabschieden haben, wenn sie gehen, vor den gesamten Delegierten oder<br />

Anwesenden. Ich möchte nur wenig sagen. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken, und ich<br />

glaube, ich spreche in Euer aller Namen, für die immense Arbeit, die die Freunde in<br />

Vorbereitung der heutigen Gründungsversammlung geleistet haben. Wer Parteiarbeit, egal in<br />

welchen bisherigen Parteien oder noch existierenden Parteien bisher getan hat, weiß, was<br />

dazu gehört, das so sauber vorzubereiten. Als zweites stelle ich einen Antrag: Unter den<br />

vielen Transparenten, Fahnen, Plakaten und dergleichen, die von der Kreativität, der geistigen<br />

Kreativität der Menschen zeugten, die gestern getragen wurden, war eins das einfallsreichste,<br />

das von unserer Sabine dieses Transparent, das jetzt gerade verdeckt ist, mit der "<strong>SPD</strong>" und<br />

<strong>dem</strong> "E" das gerade nach unten gezogen wird. Ich möchte vorschlagen, daß dieses<br />

Transparent bei allen Umzügen, hoffentlich gibt's nicht zu viele, wir gewöhnen uns. sonst zu<br />

sehr daran, mitgetragen wird, als eines unserer Gründungsdokumente in <strong>Berlin</strong> zumindest. So<br />

daß es irgendwann mal in einem Parteih<strong>aus</strong> einen würdigen Platz bekommt. Liebe Freunde,<br />

und dann würde ich mich freuen, ich weiß, das "Du" macht nicht das Vertrauen und das "Sie"<br />

macht nicht den Respekt, ich bin auch gegen jegliche Vereinsmeierei, aber ich würde mich<br />

freuen, wenn wir, das ist kein Antrag, in der Zukunft zu <strong>dem</strong> vertrauensvollen "Du" finden<br />

würden. Ich bedanke mich und wünsche Euch alles Gute in Euern Stadtbezirksverbänden.


38<br />

Konstantin Brotmann:<br />

Mein Name ist Konstantin Brotmann. Ich bin <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Prenzlauer Berg. Ich möchte zu diesem<br />

Antrag nochmal zu bedenken geben: Dieses Auswechseln dieses einen Buchstaben, ob wir<br />

uns da nicht mit der SED nicht zu sehr vergleichen oder so was. Wir wollen doch eine Partei<br />

werden, die frei gewählt wird, und nicht, die durch irgendwelche Auswechselungen an die<br />

Macht kommt oder so etwas. Das wollte ich nur nochmal zu bedenken geben.<br />

Stefan Finger:...<br />

Ich stelle das jetzt zur Abstimmung. Wer dafür ist, daß dieses Plakat jetzt immer mitgeführt<br />

wird bei Demonstrationen und dergleichen, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe.<br />

Enthaltungen. Ich stelle fest, der Antrag von Ibrahim Böhme ist nicht angenommen.<br />

Konrad Elmer :<br />

Ich bitte alle Gruppen, einen Vertreter nach vorn zu schicken, um Termine bekannt zu geben.<br />

N.N..<br />

Treptow trifft sich am 16. 11. um 19.30 Uhr bei Ulf Menzel, 1193 <strong>Berlin</strong>, Karl Kunger Straße<br />

64.<br />

N.N.:<br />

Friedrichshain trifft sich am Dienstag, jetzt am Dienstag, um 20.00 Uhr bei Biback in der<br />

Richard Sorge Straße 78.<br />

N.N.:<br />

Friedrichshain, Basisgruppe 2: Ruft morgen Herrn Eisner an, und dort wird bekanntgegeben,<br />

wann wir uns genau treffen können. Der Raum dafür ist noch unklar und die Zeit.<br />

Telefonnummer ist im Statut drin als Kontaktadresse.<br />

N.N.:<br />

Hohenschönh<strong>aus</strong>en trifft sich am Dienstag, den 7. 11. um 19.30 Uhr bei mir Peter Schlafen,<br />

Privatstraße 6 Nr. 12.<br />

N.N..<br />

Am Mittwoch um 19 Uhr trifft sich die Basisgruppe Mitte I bei Dankward Brinksmeier in der<br />

Invalidenstraße 4. Telefonnummer ist im Statut, ich weiß sie nicht <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Kopf.<br />

Anette Bassenge:<br />

Am Mittwoch, den 8. November um 20 Uhr die Basisgruppe II von Mitte in der Rosa<br />

Luxemburg Straße 3, 4. Etage, Wohnung Bassenge.<br />

Ulrich Scholz:<br />

Stadtbezirke Marzahn und Hellersdorf am Mittwoch bei Scholz, Schneeberger Straße 9. Und<br />

zwar treffen wir uns im U-Bahnhof Cottbusser Platz unten, weil die Wohnung nicht so leicht<br />

zu finden ist, um 19.30 Uhr. Ahrensfelde würde auch dazugehören.<br />

Tina Maier von Roudden:<br />

Prenzlauer Berg, ich sage alle drei Basisgruppen an. Die Basisgruppe I trifft sich am Montag,<br />

den 6. 11. um 20.00 Uhr in der Lychener Straße 22 bei Maier von Roudden, Vorderh<strong>aus</strong>. Die<br />

Basisgruppe II trifft sich am 6. 11. um 20.00 Uhr in der Buchholzer Straße 16 bei Katrin


39<br />

Schneider. Kleine Änderung: Die Basisgruppe III sagt sich gleich selbst an. Ich sage jetzt die<br />

Basisgruppe IV an. Die trifft sich am 7. 11. um 19.30 Uhr bei Venske in der Winzstraße 46.<br />

N.N.:<br />

Basisgruppe III trifft sich bei Brotmann in der Lettestraße 7 morgen um 19.00 Uhr, das ist<br />

linker Seitenflügel drei Treppen rechts.<br />

N.N.:<br />

Pankow, die Basisgruppe II trifft sich am Donnerstag um 19.00 Uhr bei Olaf Grill,<br />

Pestalozistraße 37, Seitenflügel.<br />

N.N.:<br />

Pankow, die Basisgruppe I hat leider Schwierigkeiten bei der Raumbeschaffung. Den genauen<br />

Treffpunkt unter der Telefonnummer 48 30 909 bei Piel ab morgen 18.00 Uhr zu erfragen.<br />

N.N..<br />

Die Basisgruppe Köpenick trifft sich am Dienstag, den 14. 11. um 20.00 Uhr in der Kirche<br />

Müggelheim. Und dann ist noch eine Veranstaltung jetzt am Dienstag, also am 7. 11. um<br />

20.00 Uhr auch in der Kirche Müggelheim, da trifft sich die Basisgruppe Köpenick zusammen<br />

mit den anderen Gruppen vom Neuen Forum und Demokratie jetzt und was es da noch alles<br />

so gibt.<br />

Ekkhard Kraft:<br />

Die Basisgruppe Lichtenberg trifft sich am 7. 11. um 19.30 Uhr in der Kirche Ho-Chi-Min-<br />

Straße Ecke Leninallee in Richtung Rödernplatz. Die Kirche ist der Neubau mit Kupferdach.<br />

Frank Bogisch:<br />

Am 14. 11. in der Invalidenstraße 4 auch bei Dankward Brinksmeier, aber nicht in der<br />

Wohnung, sondern in den Räumen der ESG treffen sich die Ökologen der beiden<br />

Arbeitsgruppen zu ihrem ersten Kontaktgespräch, 18.00 Uhr.<br />

Stefan Finger:<br />

Es ist folgendes Problem: Sie merken, der Vorgang mit der Wahl geht ziemlich lange, es<br />

macht sich ein zweiter Wahlgang erforderlich, und danach müssen noch die Ämter gewählt<br />

werden. Wir haben uns in der Geschäftsordnung zu einer geheimen Wahl verpflichtet, ich<br />

sehe aber eine große Schwierigkeit, zeitlich gesehen, wenn wir die einzelnen Kandidaten<br />

wieder in so einem Wahlgang wählen, daß wir noch bis um 10.00 Uhr (22.00 Uhr) hier sitzen.<br />

Ich möchte das jetzt hier in die Runde geben, wie wir verfahren. Mein Vorschlag ist bei der<br />

Wahl der Ämter, auch wenn das im Gegensatz steht jetzt zum Statut, daß wir die Kandidaten<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Raum her<strong>aus</strong> bitten und per Handzeichen über die Kandidaten abstimmen. Ich denke,<br />

das wird das Verfahren beschleunigen, daß wir heut noch nach H<strong>aus</strong>e kommen, das steht aber<br />

im Widerspruch zur Geschäftsordnung.<br />

N.N..<br />

Die Basisgruppe Rosenthal und Wilhelmsruh, das heißt <strong>aus</strong> Pankow, die trifft sich am<br />

Donnerstag um 19.00 Uhr in der Gaststätte Dittmann in Rosenthal, in der Hauptstraße. Es gibt<br />

in Rosenthal drei Gaststätten, die eine davon ist diese. Also, wir haben es geschafft, eine


40<br />

Gaststätte zu bekommen, also einen öffentlichen Raum. Früher wurden Parteien in Gaststätten<br />

gegründet. Wir haben leider nicht die Möglichkeit. Danke.<br />

Stefan Finger:<br />

Ich denke, wir sollten jetzt über die beiden Anträge abstimmen. Der weitestgehende Antrag....<br />

Wer für den Vorschlag von Konrad Elmer ist, daß die Wahl der einzelnen Mitglieder des<br />

Bezirksparteirates an das Gremium selbst geht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich denke,<br />

das müssen wir zählen. 75. Gegenprobe. Das sind wohl weniger. 27 Enthaltungen. Ich stelle<br />

fest, der Antrag von Konrad Elmer ist angenommen. Die Wahl der einzelnen Ämter wie<br />

Geschäftsführer, 1. und 2. Sprecher, Kassenwart usw. werden im Gremium selbst durchgeführt.<br />

Damit warten wir jetzt auf das Ergebnis der Wahl und eventuell einen zweiten<br />

Wahlgang.<br />

Christian Richter:<br />

Erstmal wollte ich hier meinen Fotoapparat nehmen, und dann wollte ich noch sagen, daß<br />

Gruppe 2/3 Welt sich immer jeden 3. Freitag im Monat um 18.30 Uhr in Niederschönh<strong>aus</strong>en,<br />

Kurt-Fischer-Platz 6 in meiner Töpferei trifft.<br />

N.N.:<br />

Ich wollte vorschlagen, noch eine Arbeitsgruppe zu gründen, der Vorschlag kam vorhin schon<br />

mal: Geschichte. Und da dachte ich speziell einmal als Thematik "Geschichte vor 1945 -<br />

Deutsche Arbeiterbewegung" und ähnliches "Deutsche Sozial<strong>dem</strong>okratie" und als zweite<br />

Hauptthematik "Deutsche Geschichte nach 1945" und da konsequente Einbeziehung des<br />

Stalinismus in der DDR. Ich würde mich anbieten, wenn Interesse besteht, daß wenn es keine<br />

anderen Vorschläge gibt oder andere Ideen gibt, daß ich jetzt meinetwegen als Sammelbecken<br />

für diese Arbeitsgruppe, falls sie ins Leben gerufen wird, zur Verfügung stehe.<br />

Stefan Finger:<br />

Da es keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Punkt gibt, denke ich, sollten wir in die<br />

Diskussion treten...<br />

In der folgenden Diskussion geht es um Für und Wider einer SDP-Jugendorganisation. Da die<br />

Zahl der Teilnehmer immer kleiner wird und die Wahlen endlich abgeschlossen werden<br />

sollen, wird dieser Tagungsordnungspunkt vertagt.<br />

Arne Grimm:<br />

Antrag zur Geschäftsordnung: Ich muß sagen: So langsam werde ich ein bißchen beleidigt.<br />

Wir sehen wieviel Leute hier noch sind, und jetzt noch irgend etwas abstimmen zu wollen ist<br />

eine Farce, das ist äußerst peinlich.<br />

Konrad Elmer:<br />

Wer will uns nun das Geheimnis lüften <strong>aus</strong> der Wahlkommission? Ehe wir zur Verkündigung<br />

kommen, ist folgendes Problem zu lösen: Dadurch, daß es so viele Kandidaten waren, haben<br />

sich natürlich zwangsläufig die Stimmen verteilen müssen, und es haben nicht zwölf 50% der<br />

Stimmen bekommen. Ich denke, angesichts der Zahl, die wir sind, werden wir nicht mehr<br />

repräsentativ nochmal einen Wahlgang durchführen können. Deswegen mein Vorschlag:<br />

können wir beschließen, daß wir im Blick auf alles, was hier so provisorisch war, wir auch<br />

sagen, daß wir für dieses Mal die Regelung zulassen: Die 12 sind gewählt, die die meisten<br />

Stimmen haben. Ich möchte doch noch darüber abstimmen. Wer ist dafür, so zu verfahren,


41<br />

der hebe die Hand. Das ist die Mehrheit. Wer ist dagegen? Mit einigen Stimmen, sagen wir<br />

ruhig 5. Enthaltungen? Zwei. Dann hören wir jetzt einfach die zwölf, welche die meisten<br />

Stimmen haben. Die möchten sich doch nochmal hier vorne dann für ein Foto zur Verfügung<br />

stellen.<br />

Christian Richter verliest das Wahlergebnis:<br />

Anne-Katrin Pauk Marzahn 108 Stimmen<br />

Udo Eisner Weißensee 97 Stimmen<br />

Eva Kunz Mitte 93 Stimmen<br />

Dankward Brinksmeier Mitte 93 Stimmen<br />

Uta Forstbauer 93 Stimmen<br />

Herbert Hoffmann 80 Stimmen<br />

Johannes Richter 75 Stimmen<br />

Schlafen 75 Stimmen<br />

Annette Bassenge [unverständlich]<br />

Knut Herbst 70 Stimmen<br />

Carola Gabler 64 Stimmen<br />

Thomas Krüger 64 Stimmen<br />

Ich bitte dann alle nach vorn.<br />

Konrad Elmer: Ich bitte alle, hier vorn kurz Aufstellung zu nehmen für ein Foto.<br />

Ich hätte noch einen Wunsch: Können sich die, die bis zuletzt <strong>aus</strong>geharrt haben, noch zu<br />

einem Foto versammeln?<br />

Für die Gewählten ist noch nicht Schluß, die müssen sich noch zusammensetzen und den<br />

geschäftsführenden Ausschuß wählen.<br />

Nun wollte Herr Hoffmann noch zwei Sätze sagen, aber nur zwei.<br />

Herbert Hoffmann:<br />

Einmal weiß ich, daß wir einen langen Tag hinter uns haben, und ich möchte mir und Euch<br />

gegenüber barmherzig sein und möchte allen ein großes Dankeschön sagen, für das, was wir<br />

heute geleistet haben, es hat mich so ermutigt, und wir können voller Hoffnung und Willenskraft<br />

in die nächste Zeit gehen und dennoch weitermachen.<br />

Mit diesen Worten war die Gründungsversammlung des <strong>Berlin</strong>er Bezirksverbandes der SDP<br />

am 5. November 1989 in der Sophienkirche nach acht Stunden zu Ende.

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