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LORE - Piffl Medien | Filmverleih

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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong>


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

<strong>LORE</strong><br />

Deutschland/ Australien/ Großbritannien 2012<br />

Länge:<br />

109 Min.<br />

Format: 35mm/DCP, 1:1,85; Dolby Digital<br />

Regie:<br />

Cate Shortland<br />

Drehbuch: Cate Shortland, Robin Mukherjee, nach dem Roman „The Dark Room“<br />

(„Die dunkle Kammer“) von Rachel Seiffert<br />

Bildgestaltung: Adam Arkapaw<br />

Schnitt:<br />

Veronika Jenet<br />

Ausstattung: Silke Fischer<br />

Sound Design: Sam Petty<br />

Filmmusik: Max Richter<br />

Darsteller: Saskia Rosendahl (Lore), Kai Malina (Thomas), Nele Trebs (Liesel), Mika Seidel<br />

(Jürgen), André Frid (Günter), Ursina Lardi (Mutti), Hans-Jochen Wagner (Vati),<br />

Eva-Maria Hagen (Großmutter) u. a.<br />

Produktion: Rohfilm, Porchlight Films, Edge City Films<br />

<strong>Filmverleih</strong>: <strong>Piffl</strong> <strong>Medien</strong> GmbH, Berlin<br />

Auszeichnungen: Internationales Filmfestival Locarno 2012 (Piazza Grande): Publikumspreis –<br />

Offizielle australische Oscar®-Einreichung 2012: Bester fremdsprachiger Film –<br />

Filmfest Hamburg 2012: Preis der Hamburger Filmkritik –<br />

Hessischer Filmpreis 2012: Bester Spielfilm<br />

FBW:<br />

„besonders wertvoll“<br />

FSK: ab 16 J.<br />

Empfohlen: ab 10. Jahrgangsstufe<br />

Themen:<br />

(Deutsche) Geschichte, Nationalsozialismus, Familie, Kindheit, Rollenbilder, Rassismus,<br />

Erwachsenwerden, Erziehung, Menschenrechte/-würde, Vorurteile, Toleranz, Heimat<br />

Lehrplanbezug (fächerübergreifend):<br />

Deutsche Geschichte (Ideologie des Nationalsozialismus, Nachkriegszeit, Entnazifizierung,<br />

erste und zweite Generation der Täter) – Moral und Ethik (Umgang mit Schuld und<br />

Verantwortung) – Heimat und Natur (als Ideologie, als Refugium, als identitätsstiftendes<br />

Moment) – Filmisches Erzählen (Literaturverfilmung, <strong>Medien</strong>kunde) u. a.


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Inhalt<br />

Süddeutschland im Frühjahr 1945: Der Krieg ist vorbei, Hitler ist tot und die Alliierten haben<br />

Deutschland besetzt. Die 15-jährige Lore ist mit ihrer jüngeren Schwester Liesel und den<br />

Zwillingsbrüdern Günter und Jürgen im Nationalsozialismus aufgewachsen. Ihre Eltern sind<br />

ranghohe Vertreter dieser Partei. Den Glauben an Führer, Volk und Vaterland hat Lore wie<br />

die meisten ihrer Generation verinnerlicht. Nur Peter, erst wenige Monate alt, hat davon noch<br />

nichts mitbekommen. Der Vater sieht seinen jüngsten Sohn zum ersten Mal, als er auf der<br />

Flucht vor den Alliierten ist. Er war, wie sich später herausstellt, als Offizier in einem<br />

Konzentrationslager auch für die Ermordung von Juden mitverantwortlich. In einer Nachtund<br />

Nebelaktion werden belastende Unterlagen vernichtet, die Familie flieht in ein<br />

Wochenendhaus im Schwarzwald.<br />

Nach der Verhaftung des Vaters durch die amerikanische Militärregierung muss auch die<br />

Mutter in ein Lager. Da von den Bauern der Umgebung keine weitere Hilfe zu erwarten ist,<br />

macht sich Lore mit ihren Geschwistern zu Fuß auf den langen Weg zur Nordseeküste, wo<br />

ihre Großmutter auf einer Insel wohnt. Die beschwerliche Reise durch die vier Sektoren des<br />

zerstörten Deutschland findet fernab größerer Städte und Siedlungen statt, durch Wälder<br />

und über Wiesen und Äcker. Ohne einen Passierschein und wegen ausgedehnter Ausgangssperren<br />

müssen sie Militärposten meiden. Unterwegs schließt sich ihnen der wenig ältere<br />

Thomas an, der sich sehr geheimnisvoll gibt. Mit seinem Organisationstalent bewahrt er die<br />

Gruppe mehr als einmal vor dem Verhungern, ruft aber in Lore extrem ambivalente Gefühle<br />

hervor. Seine Papiere weisen ihn als Juden aus, der in einem Konzentrationslager überlebt<br />

hat. In der immer mehr zur Gewissheit reifenden Ahnung, dass ihre Eltern Verbrecher waren,<br />

keimen in Lore bald auch Zweifel an der von ihnen so überzeugend vertretenen Ideologie<br />

des Nationalsozialismus auf. Als sie nach großen persönlichen Verlusten Wochen später das<br />

Haus ihrer Großmutter erreicht, kann sie den Worten ihrer weiterhin vom Nationalsozialismus<br />

überzeugten Großmutter nicht mehr glauben.<br />

Der in Deutschland gedrehte und mehrfach preisgekrönte Film der australischen Filmemacherin<br />

Cate Shortland beruht auf der Novelle „Lore“ aus dem Booker-Price nominierten<br />

Roman „Die dunkle Kammer“ von Rachel Seiffert.


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Themenschwerpunkte<br />

Zu den Themen Nationalsozialismus, Judenverfolgung und Holocaust, sowie weiteren<br />

Gräueln der Nazis gibt es schon eine Vielzahl von Filmen, Büchern und Materialien, wobei<br />

jede Zeit und jede Generation ihren eigenen Zugang finden möchte. Schon anders sieht es<br />

mit der unmittelbaren Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland aus,<br />

insbesondere wenn es weniger um die deutlich sichtbaren äußeren Zerstörungen geht, als<br />

um die Gefühlslage der Bevölkerung in ihrem Alltag. Spielfilme mit Kindern und über Kinder,<br />

deren Eltern Täter waren, etwa Naziverbrecher oder ranghohe Parteimitglieder, sind noch<br />

seltener. Der Fokus jener Geschichten lag ohnehin eher bei der Empathie für die Opfer oder<br />

beim Widerstand. Wie aber erging es den unzähligen Täter-Kindern damals, als sie erkennen<br />

mussten, dass ihre geliebten Eltern Verbrecher waren? In den ersten Jahren nach dem<br />

Krieg war die Zeit noch nicht reif für solche Fragen. Gesellschaftlich angesagt waren der<br />

Aufbau von demokratischen Strukturen, der wirtschaftliche und moralische Wiederaufbau.<br />

Für Fragen nach Schuld und Sühne blieb da oft zu wenig Zeit. Vor allem aber schwiegen die<br />

Täter und mit ihnen ihre Kinder. Sie konnten oder wollten nicht über ihre Erlebnisse<br />

berichten. Dieses Schweigen wurde zum Teil erst Jahrzehnte später gebrochen. Der<br />

Generation der Täter erging es da nicht viel anders als der Generation der Opfer, sei es in<br />

Deutschland oder beispielsweise in Israel.<br />

Rachel Seiffert stellt in ihrer Novelle, die der australischen Filmemacherin Cate Shortland als<br />

Vorlage diente, andere Fragen, indem sie sich in die Perspektive von Täter-Kindern versetzt.<br />

Solche Fragen können der heutigen Generation vielleicht besser als Sachinformationen<br />

etwas über jene Zeit vermitteln, in der eine menschenverachtende alte Ordnung, die in fast<br />

jeden Winkel des Privatlebens drang, plötzlich zusammenbrach und eine neue noch nicht<br />

erkennbar war. Saskia Rosendahl, die Darstellerin der Lore im Film, äußerte in einem<br />

Interview (siehe Anlage) ihren Eindruck, dass der Film eine Menge an Hintergrundwissen<br />

voraussetzt. Tatsächlich setzt er Kenntnisse über den Nationalsozialismus, seine Ideologie,<br />

seinen Rassenwahn und die systematische Vernichtung der Juden voraus, ohne dass dies<br />

die Hauptthemen des Films wären. Andererseits gelingt es ihm, mit nonverbalen, rein<br />

filmsprachlichen Mitteln eine unglaublich dichte Atmosphäre zu erzeugen, die Empathie<br />

fördert, in ihren Sog zieht und damit eine wichtige Voraussetzung dafür schafft, sich eingehender<br />

mit jener Zeit auseinander zu setzen, um eigene Fragen zu stellen. Unter diesem<br />

Blickwinkel ist es vielleicht sogar kontraproduktiv, den Schülern vorab alles erklären zu<br />

wollen, was sie vielleicht noch nicht wissen oder „einordnen“ können. Besser ist es, ihnen<br />

zunächst die Möglichkeit zu geben, auf eigene emotionale Entdeckungsreise zu gehen.


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Der Zusammenbruch eines Weltbildes<br />

Das Kriegsende und die Auflösung einer rigiden Gesellschaftsstruktur aus der Perspektive<br />

von Kindern und jungen Menschen zu erzählen, bedeutet, die Ereignisse um sich herum<br />

sehr deutlich wahrzunehmen, teils anders als Erwachsene es tun würden, und vieles nur zu<br />

ahnen und zu spüren, meistens aber besser als die Erwachsenen. Es bedeutet zugleich,<br />

weniger zu wissen und nicht alles einordnen zu können, zumal die Erwachsenen dazu<br />

keinerlei Hilfestellung leisten. Sie geben allenfalls Anweisungen und sie antworten auf<br />

zaghafte Fragen, wenn überhaupt, nur ausweichend.<br />

Lore, aus deren Perspektive der Film weitgehend erzählt wird, erlebt den Zusammenbruch<br />

des angeblich „Tausendjährigen Reichs“ wie aus heiterem Himmel, zumal sie in einer<br />

Umgebung aufwächst, die von Wohlstand, Ansehen und Macht bestimmt ist, schließlich sind<br />

ihre Eltern ranghohe Parteimitglieder. Mit einem Schlag ist diese vergleichsweise „heile“ Welt<br />

vorbei. Der Vater, der monatelang nicht zuhause war und seinen jüngsten Sohn noch gar<br />

nicht kennt, erscheint mitten in der Nacht mit einem Armeelaster, die nervös eine Zigarette<br />

nach der anderen rauchende Mutter, die ihm später vorwirft, er sei ein Feigling, scheint mit<br />

seinen Plänen nicht einverstanden. Eiligst werden riesige Aktenberge zusammengetragen<br />

und verbrannt, darunter Unterlagen zur Euthanasie mit Gesetzen zur „Verhütung erbkranken<br />

Nachwuchses“, die Lore und ihren Geschwistern in der Hitlerjugend und im Bund Deutscher<br />

Mädel als Rassenlehre eingeimpft wurden. Der Vater erschießt nach einer Notlüge gegenüber<br />

Lore den Schäferhund. Damit scheint die bevorstehende Auflösung der Familie<br />

besiegelt. Die Vernichtung von belastenden Unterlagen geht auch im Wochenendhaus<br />

weiter, in das die Familie geflohen ist, noch bevor der Vater verhaftet wird. Die Mutter, die<br />

gerade noch vom Endsieg redete, wird vergewaltigt, wobei ihre Verzweiflung über den Tod<br />

Hitlers möglicherweise noch größer ist. Ein offenes Gespräch zwischen Mutter und Tochter<br />

findet nicht statt, Lore bleibt mit ihren Fragen und Ängsten auf sich allein gestellt. Mehr noch,<br />

sie muss sich nach dem Weggang der Mutter in ein Lager – „Nur Gefängnisse sind für<br />

Verbrecher!“ – von nun an auch ganz allein um ihre jüngeren Geschwister kümmern. Sie<br />

macht das nach dem Vorbild ihrer Mutter: streng, unnachgiebig, im Befehlston, mit<br />

Tröstungen und Drohungen aus dem Vokabular der Nazi-Ideologie, die ihr in diesem<br />

akkuraten Vorzeige-Elternhaus in Fleisch und Blut übergegangen ist. Denn das wurde<br />

sowohl in den einschlägigen Jugendorganisationen wie auch in der auflagenstarken<br />

Jugendpresse unablässig verbreitet.<br />

Hitlerjugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel (BDM)<br />

Die Hitlerjugend war die Jugend- und Nachwuchsorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen<br />

Arbeiterpartei (NSDAP). Sie wurde nach der Gleichschaltung aller Jugendverbände im Nationalsozialismus<br />

ab 1933 zum einzigen staatlichen Jugendverband mit bis zu 8,7 Millionen Mitgliedern<br />

ausgebaut, das sind 98 Prozent aller deutschen Jugendlichen. Sie sollte den gesamten Lebensbereich<br />

der jungen Deutschen erfassen. Dies galt seit Gründung des Bundes Deutscher Mädel<br />

(BDM) 1930 für beide Geschlechter. Die Indoktrination durch die Ideologie des NS-Regimes begann<br />

jedoch bereits im Kinderzimmer durch die Auswahl des Spielzeugs. Die junge Generation wurde<br />

systematisch zur Volksgemeinschaft erzogen, in der Aufopferungsbereitschaft, Wehrhaftigkeit und<br />

Vorrang von körperlicher Ertüchtigung gegenüber geistiger Bildung eine zentrale Rolle spielten. Wie<br />

perfide die Jugend damals geködert wurde, vermittelt beispielsweise der 1933 gedrehte Propagandafilm<br />

HITLERJUNGE QUEX, der über die Murnau-Stiftung heute als sogenannter Vorbehaltsfilm<br />

noch für Bildungszwecke zur Verfügung steht.<br />

Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hitlerjugend; www.dhm.de/lemo/html/nazi/alltagsleben/jugend/index.html<br />

Nationalsozialistische Rassenpolitik<br />

„‘Rassentheorien’ und ‘Rassenhygiene’ bildeten grundlegende Elemente der nationalsozialistischen<br />

Weltanschauung. Die meisten dieser Theorien basierten auf einem rassistisch motivierten<br />

Antisemitismus, der im ausgehenden 19. Jahrhundert in zahlreichen Publikationen seinen Ausdruck<br />

fand ... Besonderen Zuspruch fanden rassentheoretische und rassenhygienische Überlegungen in<br />

der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), die ‘Rasse’ mit ‘Volk’ gleichsetzte.<br />

Das deutsche Volk als biologische Gesamtheit sollte nicht nur vor genetischem Verfall durch<br />

‘Verunreinigung’ seines Erbguts bewahrt, sondern durch gezielte ‘Auslese’ zu Höherwertigem


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

gezüchtet werden. Nach ihrer Machtübernahme 1933 schritten die Nationalsozialisten dazu, ihren<br />

Rassenwahn in die Tat umzusetzen. Die Nürnberger Gesetze von 1935 machten politische Rechte<br />

vom Nachweis der ‘arischen Abstammung’ abhängig. Gleichzeitig verboten sie unter Androhung von<br />

Zuchthausstrafen Eheschließungen und außereheliche Beziehungen zwischen Juden und ‘Ariern’ als<br />

‘Rassenschande’ ... Die Reinhaltung der Rasse wurde als Sache der ‘Ehre’ und als Opfer für die<br />

‘Ewigkeit’ dargestellt ... Behinderte und unheilbar Kranke dagegen wurden – ähnlich den Juden, Sinti<br />

und Roma und anderen Gruppen – gezielt aus der Volksgemeinschaft ausgegrenzt.“<br />

Quelle: www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/rassenpolitik/index.html<br />

Jugendpresse im Nationalsozialismus<br />

„... zeichnete sich die NS-Jugendpresse durch wenig ideologiefreie Räume aus. An Themen stellte<br />

sie hauptsächlich Geschichtlich-Politisches, Militärisches sowie Nachrichten aus dem Dritten Reich,<br />

Berichte aus dem Alltag in HJ und BDM und in kleineren Dosen auch Wissenswertes aus aller Welt<br />

bereit. Speziell die Organe der HJ und des BDM traten als aggressive Schulungsblätter auf. Immer<br />

wieder forderten sie von den Jugendlichen Disziplin, Leistung und Kameradschaft. Den Mädchen<br />

legte man in ‘Das Deutsche Mädel’ ihre Verantwortung als zukünftige Mutter und ‘Reinerhalterin des<br />

Volkes’ nahe: Ein deutsches Mädel sei ein gesundes Mädel. Es sei von der Sehnsucht besessen,<br />

dereinst die Mutter eines neuen Menschen zu sein, der gesund und schön und voller Anstand sei.<br />

Das Augenmerk in ‘Das Deutsche Mädel’ lag also auf der weltanschaulichen Schulung, was letztlich<br />

bedeutete, dass die Mädchen fleißig sein und den Nationalsozialismus befürworten sollten. Die Rolle,<br />

die die Nazis den Jungen zudachte, war die von Soldaten. Um sie dafür fit zu machen, nutzten die<br />

Zeitschriften die technische Begeisterung und die Abenteuerlust vieler Jungen ...“<br />

Quelle: www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41726/hitlers-jugendpropaganda?p=2#bio0<br />

Die Eltern als Verbrecher<br />

Wie alle Kinder liebt auch Lore ihre Eltern. Aus ihren Fragen in Bezug auf den Vater klingt<br />

Bewunderung. Sie befürchtet gar, die Bemerkung der Mutter „er ist tot“ beziehe sich auf ihn<br />

und nicht auf Hitler. Umso schwerer ist es für Lore, zu erkennen und obendrein akzeptieren<br />

zu müssen, dass ihre Eltern unter dem Deckmantel der NS-Ideologie grauenhafte Verbrechen<br />

gebilligt oder gar selbst begangen haben. Das trifft insbesondere auf den Vater zu, den<br />

Lore als SS-Offizier auf einem der Plakatfotos wiedererkennt, die von den Amerikanern<br />

gemacht wurden, als sie die Konzentrationslager befreiten. Als erste Umerziehungsmaßnahme<br />

und zum Eingeständnis der Schuld soll nun jeder Deutsche mit eigenen Augen<br />

sehen, was viele von ihnen nicht wissen wollten, aber angesichts der unzähligen Deportationen<br />

und der vielen Außenlager überall in Deutschland zumindest geahnt hatten. Die<br />

Bevölkerung geht in dem Ort, in dem auch Lore mit ihren Geschwistern auf der Suche nach<br />

Essen eine Zwischenstation einlegt, schweigend an dieser Plakatwand vorbei, einige sind<br />

entsetzt, andere ungläubig und beschämt. Lore entdeckt auf einem der Fotos ihren Vater, in<br />

Zeitlupe streicht sie den frischen Kleister vom Bild, betrachtet ihre Fingerkuppen und wischt<br />

ihn am Kleid ab. Nachts in der Schlafbaracke klebt der Kleister wie die Manifestation eines<br />

schlechten Gewissens immer noch an ihren Fingern. Sie geht schließlich nach draußen und<br />

reißt das Foto aus dem Plakat. Es dauert, bis sie diese schreckliche Wahrheit annehmen<br />

kann, wobei in der Schlafbaracke eine Frau weiterhin davon überzeugt ist, dass der „Führer“<br />

davon sicher nichts gewusst habe. Erst Tage, vielleicht auch Wochen später entwendet Lore<br />

ein Erinnerungsfoto aus der Hosentasche eines der Jungen und hält das abgerissene<br />

Plakatfoto daneben. Das Bild des bewunderten guten Vaters und das des Verbrechers<br />

stehen unversöhnlich nebeneinander. Nur indem sie beide Fotos im Dreck vergräbt und sich<br />

anschließend die Hände wäscht, bringt sie beide Bilder zur Deckung und nimmt symbolisch<br />

zugleich Abschied von ihrem Vater. Eine starke Leistung für ein Mädchen ihres Alters!<br />

Deutschland im Jahre Null<br />

Das allgemeine Chaos der unmittelbaren Nachkriegszeit, die Verzweiflung vieler Menschen<br />

nach dem Zusammenbruch ihres Weltbildes und in Vorahnung einer wenig schmeichelhaften<br />

Zukunft, aber auch das trotzige Beharren auf der Ideologie dieses in Trümmern liegenden<br />

Weltbilds zeigt der Film nur exemplarisch, anhand von ausgewählten, eher abgelegenen<br />

Orten, ohne auf ausgebombte und zerstörte Stadtlandschaften wie sonst üblich zurückzugreifen,<br />

völlig undramatisch, fast beiläufig und doch sehr intensiv.


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Viele Szenen des Films wurden an historisch authentischen Drehorten gedreht, an denen<br />

das Grauen einst stattgefunden hat, wie eine alte Waffenfabrik, in der Zwangsarbeiter tätig<br />

waren. Solche Drehorte unterstreichen die beklemmende Atmosphäre, der sich die kleine<br />

Gruppe um Lore auf ihrer Reise permanent ausgesetzt fühlt.<br />

In mehreren, behutsam inszenierten, letztlich aber doch schockierenden Szenen streift der<br />

Film auch das Thema der Vergewaltigung vieler Frauen, nachdem die alte Ordnung<br />

zusammengebrochen und eine neue nicht erkennbar war. Davon sind sowohl Lores Mutter<br />

als auch eine Bäuerin betroffen, die im Hühnerstall mit blutverschmierten Beinen tot hinter<br />

einer Mauer liegt. Die Kinder bekommen das pars pro toto mit, darüber geredet wird aber<br />

nicht. Viel unmittelbarer erfahren sie am eigenen Leib die allgemeine Hungersnot, den<br />

täglichen Kampf ums Essen und Überleben, bei dem sie in ihrem Wegbegleiter Thomas eine<br />

wertvolle Hilfe erhalten. Das Stehlen von Nahrungsmitteln und Gegenständen, die als<br />

Tauschobjekt oder Hilfsmittel nützlich sein könnten, wird dabei zur Selbstverständlichkeit.<br />

Auch Lore nutzt die Gelegenheit, einem Toten die Uhr abzunehmen. Allseitiges Misstrauen<br />

ist die Folge. Günter bezahlt den Diebstahl von Nahrungsmitteln in der sowjetischen<br />

Besatzungszone durch Thomas am Ende gar mit dem Leben. Ein besonderes Gewicht legt<br />

der Film aber darauf, zu zeigen, wie die Menschen damals auf den totalen Zusammenbruch<br />

reagiert haben. Die einen begehen Selbstmord wie der Bauer, der sich mit der Pistole eine<br />

Kugel ins Auge geschossen hat. Andere wie die Bäuerin und Lores Großmutter hängen<br />

unverändert weiter der Nazi-Ideologie an, versuchen die Wahrheit zu ignorieren, sie zu<br />

vertuschen, verschleiern, verdrängen. Symbolisch besonders eindrucksvoll ist das an den<br />

schwarz gefärbten Kleidungsstücken auf dem Hof der Bäuerin zu sehen. Unberührt vom Tod<br />

ihres Mannes verlangt die Bäuerin kurze Zeit später von den Zwillingen, ihr ein NS-Lied<br />

vorzusingen, das Hitler-Porträt hängt weiter an der Wand, die Amerikaner erzählen ihrer<br />

Ansicht nach ohnehin nur Lügen. Diese fatale Ansicht wird viel später im Zug nach Hamburg<br />

von Mitreisenden wiederholt, die in den Fotos aus den Konzentrationslagern eine reine<br />

Inszenierung der Amerikaner wittern. In einem Interview (siehe Anhang) betonte die Regisseurin<br />

Cate Shortland, wie wichtig es ihr war, nicht nur das Nazi-Regime für alle Gräuel der<br />

NS-Zeit verantwortlich zu machen, sondern dass diese Ideologie tief in der Bevölkerung<br />

verwurzelt war und die Menschen selbst betraf.<br />

„Feind“-Begegnungen<br />

Lore, selbst ein Kind dieser Weltanschauung, distanziert sich auf der Reise zunehmend<br />

davon, weniger auf sprachlicher Ebene. Einen großen Anteil an ihrer zunehmenden Distanzierung<br />

hat Thomas, den sie schlafend im Haus der toten Bäuerin entdeckt und der sich<br />

später an ihre Fersen hängt. Es entsteht eine sehr ambivalente Beziehung, die zwischen<br />

Faszination und Ablehnung schwankt, lange bevor Lore in ihm einen Juden sieht, der er<br />

möglicherweise gar nicht ist – der Film lässt das offen. Ihre erste intensive Begegnung findet<br />

ohne die Geschwister im Wald statt, als Lore das Baby durch einen Spaziergang zu beruhi-


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

gen versucht. Thomas steht plötzlich vor ihr, sie summt das bekannte Volkslied „Der Mond<br />

ist aufgegangen“ von Matthias Claudius. Beide schauen sich lange an, Lore geht summend<br />

auf ihn zu, während er zögerlich in einige Takte einstimmt. Dann steht sie direkt vor ihm und<br />

wendet sich abrupt von ihm ab. Eine seltsame, fast poetische Begegnung, ganz ohne<br />

Dialoge, die auf literarische Weise den Erkenntnisprozess von Lore vorwegnimmt. Das<br />

kommt in der dritten Strophe des Liedes zum Ausdruck: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er<br />

ist nur halb zu sehen, Und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, Die wir<br />

getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht seh‘n.“ Filmsprachlich kommt dieser sich<br />

anbahnende Erkenntniswechsel durch einen Perspektivwechsel der Kamera zum Ausdruck,<br />

als Lore neben Thomas liegt und in die Baumkronen blickt. In dieser Einstellung wirkt<br />

Thomas und Lores Bild von ihm wie auf den Kopf gestellt. Das Motiv wird später noch<br />

verstärkt, als Thomas kopfunter an einem Baum hängt und Lore betrachtet, deren Kopf sich<br />

im Wasser spiegelt. Doch obwohl der Film auf der äußeren Ebene eine sich anbahnende<br />

Liebesbeziehung andeutet, hat Lore mit sich selbst zu kämpfen. Wie schon beim Vater kann<br />

sie zwei verschiedene Bilder von Thomas im ihrem Kopf nicht in Einklang bringen. Das eine<br />

ist die der sexuellen Anziehungskraft, die der junge Mann auf sie ausübt, das andere ist die<br />

eines Juden, eines Menschen, der ihr bisher nur als „Volksfeind“ und „minderwertig“ dargestellt<br />

wurde. In ihrer kognitiven Dissonanz fordert sie von ihm, die Geschwister nicht<br />

anzufassen, die weit weniger Probleme mit ihm haben als Lore. Sie mögen ihn, auch wenn<br />

sie ihn als „Parasit“ bezeichnet. Andererseits lässt sie es widerstandslos zu, dass er seine<br />

Hand zwischen ihre Schenkel legt. Ihre Ambivalenz trägt dazu bei, dass Lore sich später<br />

dem Fischer als Sexualobjekt anbietet, um über den Fluss zu gelangen, und Thomas ihn in<br />

einer Mischung aus Wut und Eifersucht mit einem Stein erschlägt. Dass sie sich dessen<br />

bewusst ist, lässt sich an ihrer rhetorischen Frage erkennen: „Was haben wir getan?“ Selbst<br />

nach diesem tragischen Ereignis gibt es zwischen den beiden immer wieder vorsichtige<br />

Gesten der Zärtlichkeit. Nach dem Tod ihres Bruders fleht Lore, bereits dem Zusammenbruch<br />

nahe, ihn mit Erfolg an, bei ihnen zu bleiben. Als Jürgen ihm die Brieftasche aus<br />

ähnlichen Motiven heraus entwendet und damit auch seine angenommene Identität, ist die<br />

Trennung unabänderlich. Thomas ist längst aus ihrem Leben verschwunden, als Lore über<br />

die Familienfotos des toten Juden ihre eingeimpften Vorurteile den Juden gegenüber<br />

endgültig überwindet.<br />

Lores „Entnazifizierung“<br />

Was vom Alliierten Kontrollrat als Gebot der Stunde vorgegeben war und zur gesellschaftlichen<br />

Herausforderung der Nachkriegszeit wurde, vollzieht sich in Lore ohne bürokratische<br />

Vorgaben fast unmerklich im Laufe der beschwerlichen Reise und in der finalen Konfrontation<br />

mit dem unveränderten Weltbild der Großmutter: ihre ganz persönliche Entnazifizierung<br />

– nicht dem Papier nach, sondern im Geiste. Damit ist sie den meisten Deutschen voraus,<br />

die diesen Schritt erst viele Jahre später gingen, teils erst unter dem Druck der 68er-<br />

Bewegung, die nach der Schuld der Väter zu fragen begann. Dieses Thema wird anhand<br />

eines subtilen literarischen Verweises bereits sehr früh im Film angedeutet – in dem<br />

Märchenbuch von „Aschenbrödel“, das die Gebrüder Grimm 1850 veröffentlichten. Dieses<br />

illustrierte Märchenbuch lassen die Kinder gleich zu Beginn ihrer Reise auf einem Acker<br />

zurück, weil es offenbar nur überflüssiger Ballast ist. Eine alte Bäuerin hebt es auf und<br />

blättert darin, während die Gruppe wie in einem Roadmovie ihre Reise der Erkenntnis antritt.<br />

Das in allen Weltkulturen beheimatete archetypische Märchen beruht auf Wurzeln, die vom<br />

alten Ägypten bis zu den nordamerikanischen Indianern reichen. Zentrale Motive sind die<br />

Tauben, einst die Begleiterinnen der Aphrodite, und die geknackte Nuss als Metapher der<br />

Erkenntnis. Sogar das Motiv der Stiefschwestern, denen im Märchen die Augen ausgehackt<br />

werden, findet sich im Film wieder: beim Selbstmörder, der sich ins Auge schießt, mehr noch<br />

bei den Mitreisenden im Zug, die sehenden Auges blind sind und argumentieren, die KZ-<br />

Fotos seinen gefälscht – schließlich zeige keines von ihnen, wie jemand umgebracht werde.<br />

Als am Ende die Großmutter von Lore verlangt, auch sie solle vergessen und nur das Gute<br />

in ihren Eltern sehen, verweigert Lore ihr die Gefolgschaft und zerstört demonstrativ die<br />

Porzellanfiguren als Sinnbild einer verlogenen heilen Welt.


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Besatzungszonen in Deutschland<br />

„Als am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa beendet war, wurden Deutschland und<br />

Österreich in je vier Besatzungszonen aufgeteilt und von den Siegermächten Sowjetunion, USA,<br />

Großbritannien und Frankreich besetzt. Die Zeit, in der die vier Mächte die beiden Länder besetzt<br />

hielten, in Deutschland 1945 bis 1949, in Österreich 1945 bis 1955, nennt man daher auch<br />

Besatzungszeit ... Die Besatzungszonen umfassten das Staatsgebiet des Deutschen Reiches in den<br />

Grenzen von 1937 ohne die zunächst okkupierten Gebiete ostwärts der Oder-Neiße-Linie – diese<br />

standen unter sowjetischer, später hauptsächlich polnischer Verwaltung – und waren durch<br />

Zonengrenzen voneinander getrennt ... Durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen war<br />

der preußische Staat zerrissen worden und hatte faktisch aufgehört zu bestehen. Am 25. Juli 1947<br />

wurde er durch den Alliierten Kontrollrat per Kontrollratsgesetz Nr. 46 auch staatsrechtlich aufgelöst.“<br />

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Besatzungszone<br />

Entnazifizierung und Re-Education<br />

Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren als unmittelbare Parteigänger und Mitglieder der NSDAP nach<br />

dem Krieg von der „Entnazifizierung“ betroffen, wobei die Bestimmungen ab Frühjahr 1948 nicht<br />

zuletzt durch die politischen Spannungen der Besatzungsmächte im Kalten Krieg deutlich an<br />

Stringenz einbüßten. Die noch während des Weltkriegs von den Allliierten beschlossene Prozedur<br />

wurde in den einzelnen Besatzungszonen trotz gemeinsam verabschiedeter Richtlinien auf<br />

unterschiedliche Weise vollzogen, am konsequentesten wohl in der sowjetischen Besatzungszone.<br />

Die Amerikaner taten sich mit Hilfe eines umfangreichen Fragebogens durch bürokratischen und<br />

moralischen Rigorismus hervor, um ehemalige Nazis aus dem öffentlichen und politischen Leben zu<br />

entfernen, während die Angelegenheit in der britischen und französischen Zone eher pragmatisch<br />

gesehen wurde. Die am höchsten belasteten Nazis wurden automatisch arrestiert und ihrer Ämter<br />

enthoben, viele minder schwere Fälle als Mitläufer eingestuft und in ihren Stellungen belassen.<br />

Proklamation Nr. 1 von General Dwight D. Eisenhower, Oberster Befehlshaber der Alliierten<br />

Streitkräfte, an das deutsche Volk im März 1945:<br />

„Die Alliierten Streitkräfte, die unter meinem Oberbefehl stehen, haben jetzt deutschen Boden<br />

betreten. Wir kommen als ein siegreiches Heer: jedoch nicht als Unterdrücker. In dem deutschen<br />

Gebiet, das von Streitkräften unter meinem Oberbefehl besetzt ist, werden wir den Nationalsozialismus<br />

und den deutschen Militarismus vernichten, die Herrschaft der Nationalsozialistischen<br />

Deutschen Arbeiter Partei beseitigen, die NSDAP auflösen sowie die grausamen, harten und<br />

ungerechten Rechtsätze und Einrichtungen, die von der NSDAP geschaffen worden sind, aufheben.<br />

Den deutschen Militarismus, der so oft den Frieden der Welt gestört hat, werden wir endgültig<br />

beseitigen. Führer der Wehrmacht und der NSDAP, Mitglieder der Geheimen Staats-Polizei und<br />

andere Personen, die verdächtigt sind, Verbrechen und Grausamkeiten begangen zu haben, werden<br />

gerichtlich angeklagt und, falls für schuldig befunden, ihrer gerechten Bestrafung zugeführt.“<br />

Quelle: www.hdg.de/lemo/html/dokumente/Nachkriegsjahre_erklaerungEisenhowerProklamationNr1/index.html<br />

Artikel 11a der Berliner Deklaration vom 5. Juni 1945:<br />

„Die hauptsächlichen Naziführer, die von den Alliierten Vertretern namhaft gemacht werden, und alle<br />

Personen, die von Zeit zu Zeit von den Alliierten Vertretern genannt oder nach Dienstgrad, Amt oder<br />

Stellung beschrieben werden, weil sie im Verdacht stehen, Kriegs- oder ähnliche Verbrechen<br />

begangen, befohlen oder ihnen Vorschub geleistet zu haben, sind festzunehmen und den Alliierten<br />

Vertretern zu übergeben.“<br />

Quelle: www.hdg.de/lemo/html/Nachkriegsjahre/DieAlliierteBesatzung/berlinerDeklaration.html<br />

Um in Deutschland möglichst bald ein demokratisches System etablieren zu können, mussten die<br />

Deutschen mit demokratischen Verhaltensweisen bekanntgemacht werden. Sie sollten nach dem<br />

Willen der Alliierten zu Demokraten umerzogen werden, wofür sich der englische Ausdruck Reeducation<br />

einbürgerte. Viele Deutsche wehrten sich allerdings dagegen, von der Besatzungsmacht<br />

umerzogen und belehrt zu werden. In den Schulen, die einen Teil dieser Umerziehung leisten sollten,<br />

dauerte es immerhin zwei Jahre, bis der Alliierte Kontrollrat allgemeine Grundsätze zur Demokratisierung<br />

des deutschen Erziehungssystems aufgestellt hatte. Um auf die Erwachsenen einzuwirken,<br />

bediente man sich vielfältiger kultureller Angebote und einer neu gestalteten <strong>Medien</strong>landschaft mit<br />

Spiel- und Dokumentarfilmen, in denen die pädagogische Botschaft klar zutage trat. Siehe hierzu:<br />

www.bpb.de/izpb/10067/demokratisierung-durch-entnazifizierung-und-erziehung?p=all


10<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Filmsprache und filmisches Erzählen<br />

Der Film <strong>LORE</strong> beruht auf der Adaption des Romans „Die dunkle Kammer“ von Rachel<br />

Seiffert, der auch in deutscher Sprache vorliegt. Wie bei jeder Literaturverfilmung muss ein<br />

Film die Sprache des geschriebenen Wortes in die Sprache des Films umsetzen, an einigen<br />

Stellen straffen, verdichten, dramatisieren, ohne den Geist der Vorlage zu verfälschen.<br />

Einige Unterschiede im Ablauf der Handlung fallen deutlich auf, insbesondere in der Figur<br />

von Thomas, der die Gruppe im Film nicht bis zur Großmutter begleitet, sondern vorher auf<br />

Nimmerwiedersehen verschwindet. Dadurch rückt der innere Wandlungsprozess von Lore<br />

umso deutlicher in den Mittelpunkt. Der größte Unterschied zur Vorlage besteht jedoch darin,<br />

die Gedanken und den Bewusstwerdungsprozess von Lore auf ihrer Reise durch ein zerstörtes<br />

Deutschland in Bilder und Töne, in eine rundum stimmige Atmosphäre umzusetzen. Cate<br />

Shortland ist das zusammen mit ihrem Kameramann Adam Arkapaw auf eine unverwechselbare<br />

und äußerst intensive Weise gelungen, was den Zuschauenden weniger ein logisches<br />

Verstehen als ein empathisches Mitfühlen abverlangt. Die Wahl der Schauplätze und eine<br />

sorgfältig abgestimmte Ausstattung (Requisiten und Bekleidung), sowie die meist blaustichigen<br />

dunklen Farben und einige „Lichtblicke“ tragen ebenfalls zu dieser Atmosphäre bei.<br />

Kameraarbeit und Cadrage<br />

In der Exposition eines Films werden üblicherweise die Figuren und der zentrale Konflikt<br />

eingeführt. Zugleich kommen bereits in den ersten Szenen die wichtigsten filmdramaturgischen<br />

Mittel zum Tragen, mit denen die Geschichte erzählt wird. Vor allem wird die<br />

Perspektive des Films gleich zu Beginn deutlich: Es ist Lores Perspektive und die ihrer<br />

Geschwister. Lore ist an einigen Stellen noch halb Kind, wie beispielsweise das Kinderhüpfspiel<br />

zeigt, und von der Aufgabe, die ihr abverlangt wird, restlos überfordert, an anderen<br />

Stellen wirkt sie schon fast erwachsen, ist im Verlauf der Reise zumindest reifer geworden.<br />

Diese Gespaltenheit kommt zum Ausdruck, in dem poetische Bilder einer von der gesellschaftlichen<br />

Realität noch weitgehend abgeschirmten Kindheit abrupt in schockierende<br />

Szenen übergehen, die das gewaltsame Ende einer Ära verkünden.<br />

Die Kamera bleibt dicht an den Figuren, zeigt sie häufig in Großaufnahmen oder gar<br />

Detailaufnahmen ihres Gesichts und anderer Körperteile, arbeitet mit der Verlagerung der<br />

Schärfentiefe wichtige Details heraus. Sie dienen der Information wie das HJ-Abzeichen oder<br />

die Beschriftung der vernichteten Akten, werden als Symbole oder Metaphern eingesetzt<br />

oder verdeutlichen die jeweiligen Gefühle. Viele Szenen sind mit einer bewegten Handkamera<br />

gedreht, die mit harten Schwenks und in bewussten Bildunschärfen gehalten, noch<br />

verstärkt durch eine schnelle Montage, die Unsicherheit und Orientierungslosigkeit der<br />

Figuren zum Ausdruck bringt, den Schrecken und das Chaos hervorhebt, sei es im<br />

Elternhaus bei der überraschenden Ankunft des Vaters oder später im Waschraum einer


11<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

umfunktionierten Schule, in der jede Form von Intimität unmöglich ist. Solche Szenen werden<br />

jedoch immer wieder durch Momente des Innehaltens und der Besinnung, gar des leisen<br />

Glücks im allgemeinen Unglück, abgelöst. Die Erwachsenen reden wenig, noch weniger<br />

antworten sie auf die Fragen der Kinder, was den Eindruck unterstreicht, dass die Kinder<br />

selten ernst genommen werden, ihre Gefühle wenig zählen, sie auch nur ansatzweise<br />

verstehen, was vor sich geht und wie die Lage einzuschätzen ist. Umso mehr wird ihnen<br />

später Thomas zur Leitfigur und zum Retter in schwierigen Situationen.<br />

Die Relativierung und finale Ablehnung der NS-Ideologie, die tief in Lore verankert war,<br />

kommt im Film ebenfalls vor allem nonverbal und visuell zum Ausdruck. Das beginnt mit<br />

Lores Blick auf den vermeintlichen Juden Thomas, als sie neben ihm liegt und die Kameraperspektive<br />

ihn buchstäblich auf den Kopf gestellt zeigt. Es setzt sich fort mit Lores Blick in<br />

die grünen Baumwipfel und schließlich mit einer Einstellung auf Lore und ihr Spiegelbild im<br />

Wasser, die wiederum aus der Perspektive von Thomas gezeigt wird, der kopfüber an einem<br />

Ast hängt. Wenn er dann behutsam mit seinen Händen über das Wasser streicht, wirkt das<br />

wie eine indirekte Zärtlichkeit gegenüber Lore.<br />

Natur und Landschaft<br />

Eine besondere dramaturgische Rolle spielt die Natur, die weit mehr als Schauplatz und<br />

Hintergrund der Geschichte ist. Sie wird zum Spiegel von Lores Befindlichkeiten, etwa wenn<br />

nach der Ankunft bei der Großmutter eine abziehende Gewitterfront das Ende der körperlichen<br />

Extremsituation visualisiert und die blauen Farben wärmeren Farbtönen weichen. Die<br />

Natur ist gleichermaßen Beschützer und Widersacher der Gruppe auf ihrer beschwerlichen<br />

Reise durch den Dreck. Sie schafft aber auch ein Gegengewicht zur Zerstörungswut der<br />

Menschen und wird auf einer Metaebene obendrein zum Korrektiv der Blut- und Boden-<br />

Ideologie der Nationalsozialisten und dem von ihnen für eigene Zwecke missbrauchten<br />

Begriff von Heimat. Der Unterschied zwischen Schein und Sein tritt besonders heftig zutage<br />

bei der verlassenen Waffenfabrik, auf deren Dach zur Tarnung Bäume gepflanzt wurden.<br />

Oft sind die mit blauen und grünen Schattierungen gezeigten Wälder nebelverhangen, die<br />

Wiesen und Felder in abweisenden stumpfen Grau- und Brauntönen gehalten. Diese<br />

Aufnahmen werden kontrastiert von einer so unschuldigen wie lebendigen Natur, die zum<br />

stummen Zeugen der menschlichen Dramen um sie herum wird. Regentropfen hängen an<br />

den Zweigen, eine kleine Schnecke zieht ihre Spur, Bienen fliegen von Blume zu Blume, die<br />

Vögel zwitschern, Ameisen krabbeln über das blutverschmierte Bein einer Leiche, neben<br />

einem ausgebrannten Panzer sprießen Pilze aus dem feuchten Boden, Krabben schaufeln<br />

sich ihren Weg durch das Watt. Einmal ist auch ein schwarzes Lamm im Gras zu sehen, als<br />

unschuldiges Pendant zum schwarzen Mann, dem die Kinder in symbolischer Form anhand<br />

der schwarz gefärbten Wäsche auf dem Bauernhof begegnen.


12<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Symbole und Metaphern<br />

Das schwarze Schaf ist längst nicht die einzige Metapher oder das einzige Symbol, die der<br />

Film verwendet und die hier ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistet sind. Die<br />

Holzgitterfenster, durch die Lore blickt oder selbst zu sehen ist, stehen für ihre vergitterte<br />

Welt, die zerbrochenen Fensterscheiben für das aus den Fugen geratene Weltbild, der<br />

Indianer, den Günter auf die Reise mitnimmt, für Freiheit und eine wesentlich konstruktivere<br />

Einstellung zur Natur und zu den Menschen. Die Funken, die vom brennenden Aktenberg<br />

aufsteigen und später als Ascheregen in der Natur landen, lassen sich sowohl mit der<br />

Bücherverbrennung der Nazis 1938 assoziieren, als auch mit dem Holocaust und der<br />

Vernichtung „unwerten“ Lebens. Der Kleister, mit dem die Fotos aus den Lagern an<br />

Plakatwände geklebt wurden, haftet zäh wie ein moralisches Gewissen an Lores Fingern,<br />

lässt sich bildhaft nicht einfach abwischen oder verdrängen. Und die Uhr, die Lore dem<br />

Soldaten abnimmt, der sich selbst gerichtet hat, ist kaputt und verweist damit überdeutlich<br />

auf die Stunde Null und das Ende einer Epoche, die der Propaganda nach 1000 Jahre<br />

währen sollte. Wie ein roter Faden zieht sich schließlich das Motiv des kleinen Porzellanrehs<br />

durch den Film, der besonders bildhaft Lores Entwicklung kommentiert. Zu Beginn des Films<br />

steht er für eine romantisierte heile Welt, die in keiner Weise dem wirklichen Leben in der<br />

Natur entspricht. Es ist Lores Mutter, die dieses Rehkitz in vorsichtig in ein Tuch wickelt,<br />

obwohl der Vater ausdrücklich gefordert hatte, nur das Nötigste mitzunehmen. Später lassen<br />

Lore und ihre Geschwister die viel zu schweren Koffer zurück, aber das Reh kommt mit, ist<br />

es für Lore doch ebenfalls der Inbegriff ihres Weltbildes, das sich als Trugbild erweisen wird.<br />

Es hat ausgedient, als Lore dem Angler die defekte Uhr und das Reh anbietet, um über den<br />

Fluss zu gelangen. Doch dieser winkt belustigt ab, für ihn haben beide Gegenstände keinen<br />

Wert. Lore wird das Reh bei der Großmutter schließlich zu den anderen Porzellanfiguren<br />

stellen. Doch damit lässt sich das zerbrochene Weltbild nicht mehr kitten. Nicht aus Enttäuschung<br />

darüber, sondern aus Wut über die ihr aufgetischten Lügen und die Uneinsichtigkeit<br />

der Erwachsenen stellt Lore am Ende jede Porzellanfigur einzeln auf den Boden, zertritt sie<br />

und legt die Scherben demonstrativ wieder zurück auf die Kommode, statt sie einfach zu<br />

entsorgen. Sie dienen nun der Mahnung und der Erinnerung.<br />

Ton und Musik<br />

Im gesamten Film gibt es zwei Passagen mit längeren Dialogen, die Szenen des möglichen<br />

Abschieds für immer vorwegnehmen. In der ersten Szene wird Lore von ihrer Mutter<br />

ausführlich angewiesen, mit ihren Geschwistern ohne fremde Hilfe zur Oma nach Norddeutschland<br />

zu fahren. In der zweien Szene bettelt Lore, längst dem Zusammenbruch nahe,<br />

Thomas an, er möge sie nicht verlassen. Ansonsten wird im Film nur wenig gesprochen,<br />

zumal sich fast jedes gesprochene Wort als Lüge herausgestellt hat. Aber auch der O-Ton<br />

wird häufig zurückgenommen oder ganz ausgeblendet, insbesondere das Geschrei von


13<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Baby Peter. Auch dadurch wird die Innenwelt der Figuren hervorgehoben, ganz abgesehen<br />

davon, dass das häufige laute Schreien des Babys von Lores innerem Konflikt unweigerlich<br />

abgelenkt hätte. Mehrfach werden solche Szenen auch von Klangfolgen begleitet, die auf die<br />

jeweilige Gefühlsebene von Lore und auf ihre innere Wahrnehmung hinweisen. Selbst als<br />

Lore nach dem Mord am Angler vor Thomas zurückweicht und ins Wasser fällt, ist der eher<br />

auf Action zielende O-Ton komplett ausgeblendet, eine Stimmung, die durch den Einsatz von<br />

Zeitlupe auf der Bildebene noch verstärkt wird.<br />

Nicht zuletzt unterstreicht auch die musikalische Begleitung Lores Entwicklung. Zu Beginn<br />

des Films sind Wehrmachtslieder und Lieder zu hören, die im Bund Deutscher Mädel<br />

gesungen wurden. Sie werden durch alte Volkslieder wie „Der Mond ist aufgegangen“ von<br />

Matthias Claudius abgelöst, die auch im Nationalsozialismus gesungen wurden, aber frei von<br />

dieser Ideologie sind. Zugleich konzentriert sich der Musikscore immer mehr auf Lores<br />

Gefühlswelt, gibt beispielsweise mit harten Trommelschlägen auch die Herzfrequenz wieder,<br />

als russische Soldaten auftauchen und Günter erschießen.<br />

Cate Shortland (Regie und Drehbuch)<br />

Geboren 1968 in Temora, Australien. Ihr Studium an der Sydney University schloss sie 1991 mit dem<br />

Bachelor of Fine Arts ab. Danach folgte bis 2000 ein Regiestudium an der Australian Film Television<br />

and Radio School. Bereits ihre vier ersten Kurzfilme STRAP ON OLYMPIA (1995), PENTUPHOUSE<br />

(1999), FLOWERGIRLS (2000, u. a. in Oberhausen als Bester Film gekürt) und JOY (2000) erhielten<br />

mehrere internationale Auszeichnungen. Ihr erster Langspielfilm folgte 2004 mit SOMERSAULT, der<br />

seine Premiere in der Sektion „Un Certain Regard“ in Cannes erlebte, neben mehreren internationalen<br />

Auszeichnungen allein 13 Preise in Australien selbst gewann und in über 15 Ländern in die<br />

Kinos kam, darunter auch in Deutschland. Es folgten mehrere Arbeiten für das Fernsehen, bevor sie<br />

mit <strong>LORE</strong> (2012) ihren zweiten Kinospielfilm drehte.<br />

Rachel Seiffert (Buchvorlage)<br />

Geboren 1971 in Oxford, Großbritannien. Sie stammt aus einer deutsch-australischen Familie und<br />

wurde zweisprachig erzogen. Ihr erster Roman „Die dunkle Kammer“ kam in englischer und in<br />

deutscher Fassung 2001 heraus. Er wurde für den Booker-Preis nominiert und gewann 2002 den<br />

Betty-Trask-Award. 2004 folgte mit „Feldstudien“ eine Sammlung von Kurzgeschichten, 2007 ihr<br />

zweiter Roman „Danach“.


14<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Didaktische Hinweise zum Einsatz des Films im Unterricht<br />

Im Kapitel zu den thematischen Schwerpunkten des Films wurde bereits darauf hingewiesen,<br />

dass es von Vorteil sein kann, die Schülerinnen und Schüler unmittelbar vor dem Film nicht<br />

allzu sehr zu „beeinflussen“, sondern sie zunächst ihre eigenen Seh- und Gefühlserfahrungen<br />

machen zu lassen. Es ist aber sinnvoll, vorab darauf hinzuweisen, dass <strong>LORE</strong> den<br />

ihnen insbesondere durch den amerikanischen Mainstream bekannten Seherfahrungen nicht<br />

entspricht und der Film mit vergleichsweise wenig Action versucht, die Innenwelt der Figuren<br />

zu visualisieren, Konflikte und Gefühle mehr durch Bilder und Töne, als durch Handlung und<br />

Dialoge zu vermitteln. Ähnlich wie Lore auf ihrer Reise müssen die Schüler nicht gleich alles<br />

verstehen und in die richtigen Zusammenhänge einordnen können. Dies ist der Nachbereitung<br />

vorbehalten, wobei auch hier von den Gefühlen und etwaigen Irritationen der Schüler –<br />

sei es durch mangelnde Kenntnisse der Historie, möglicherweise doch schockierende<br />

Szenen des Films oder die ästhetische Umsetzung – auszugehen ist.<br />

Die vorstehenden Ausführungen sollten nicht dahingehend missverstanden werden, dass bei<br />

der Rezeption des Films keinerlei historische Vorkenntnisse erforderlich wären. Ganz im<br />

Gegenteil erleichtern sie das Verständnis des Films erheblich, etwa durch Kenntnisse:<br />

• der literarischen Vorlage von Rachel Seiffert, sei es in der deutschen oder englischen<br />

Fassung,<br />

• der Jugendorganisationen des „Dritten Reichs“, insbesondere der<br />

• der Blut- und Boden-Ideologie und der Rassenideologie der Nationalsozialisten,<br />

• des Euthanasieprogramms „Aktion T4“ der Nazis und der Vernichtung der Juden<br />

(Holocaust),<br />

• des Kriegsendes mit dem Einmarsch der Alliierten in Deutschland, Hitlers Selbstmord<br />

und der bedingungslosen Kapitulation,<br />

• der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen durch die Alliierten und die<br />

unterschiedliche Vorgehensweise bei der Entnazifizierung der deutschen Bevölkerung<br />

(siehe auch Filme und Plakataktionen) sowie die Reorganisation des öffentlichen<br />

Lebens. Hilfreich ist hier die in den Literaturhinweisen vermerkte DVD-ROM<br />

der Bundeszentrale für politische Bildung zur Nachkriegszeit.<br />

Fächer:<br />

Deutsch:<br />

Englisch:<br />

Geschichte:<br />

Sozialkunde:<br />

Erdkunde:<br />

Psychologie:<br />

Politische Bildung:<br />

<strong>Medien</strong>kunde:<br />

Musik:<br />

Literaturverfilmung, filmisches Erzählen, Gedicht von Matthias<br />

Claudius, Aschenbrödel-Märchen der Gebrüder Grimm<br />

Literaturverfilmung<br />

Nationalsozialismus, Holocaust, Nachkriegszeit, Entnazifizierung<br />

Ideologien und Weltbilder, Propaganda<br />

Topografie von Deutschland<br />

Zusammenbruch von Weltbildern, Kognitive Dissonanz<br />

Re-Education und Demokratisierungsprozess, Auseinandersetzung<br />

mit der Vergangenheit, Propaganda<br />

Filmsprachliches Erzählen, Symbole und Metaphern<br />

Volkslieder, Propagandalieder, rechtsextreme Musikszene<br />

Die folgenden Arbeitsblätter berücksichtigen sowohl thematische als auch ästhetische/<br />

filmsprachliche Gesichtspunkte. Sie sind als Vorschläge und Arbeitsgrundlage zu verstehen<br />

und erheben nicht den Anspruch, alle wichtigen Aspekte des Films zu berücksichtigen.


15<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 1 – Der Zusammenbruch eines Weltbildes<br />

Nach dem Einmarsch der Alliierten in ganz Deutschland und dem Selbstmord Hitlers im April<br />

1945 reagieren die Menschen sehr unterschiedlich auf den Zusammenbruch des Regimes,<br />

die Auflösung ihres Weltbildes, das ihr Leben bis in die Privatsphäre hinein bestimmt hatte,<br />

und die Konfrontation mit ihrer Schuld. Die ganze Bandbreite dieser Reaktionen kann der<br />

Film zwar nicht zeigen, da er sich auf das unmittelbare Lebensumfeld von Lore konzentriert.<br />

Dennoch stehen die Figuren und Situationen für typische Verhaltensweisen jener Zeit.<br />

Beschreiben Sie in Stichpunkten die jeweiligen Reaktionen und machen Sie diese an einer<br />

konkreten Szene oder an einer Bemerkung fest:<br />

Lore (vor der Reise nach<br />

Norden)<br />

Lores Vater<br />

Lores Mutter<br />

Lores Nachbarn im<br />

Landhaus<br />

Die alte Frau auf dem<br />

Bauernhof<br />

Ihr Mann<br />

Der Angler am Fluss<br />

Lores Großmutter


16<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Der Film zeigt nur in Andeutungen, dass Lores Mutter auf der Suche nach Nahrung unweit<br />

des Landhauses vergewaltigt wurde und vermutlich auch die tote Bäuerin, von der nur ihre<br />

Beine ins Blickfeld rücken. Wer könnte diese Frauen vergewaltigt haben und welche Motive<br />

könnten dahinterstecken?<br />

Um den Menschen zu zeigen, was damals in den Konzentrationslagern geschehen ist,<br />

hängten die Amerikaner in der amerikanischen Besatzungszone u. a. Plakate mit Aufnahmen<br />

aus den befreiten Konzentrationslagern aus. Von dieser Maßnahme ist im Film mehrfach die<br />

Rede. Wie reagiert Lore darauf (a) und wie die Menschen um sie herum, auf dem Bauernhof<br />

und im Zugabteil (b)?<br />

a)<br />

b)<br />

Weiterführende Aufgabe:<br />

In ihrem Interview (siehe Anlage) betonte Cate Shortland, wie wichtig es ihr sei zu zeigen,<br />

dass nicht allein das NS-Regime für die begangenen Gräueltaten verantwortlich zu machen<br />

ist, sondern „wir alle“. Erörtern Sie in einem Aufsatz, wie sie das gemeint haben könnte.


17<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 2 – Die Beziehung zwischen Lore und Thomas<br />

32:53<br />

Die Szene zeigt Lores erste Begegnung mit Thomas. Es ist die einzige Szene des ganzen<br />

Films, die – bedingt durch einen roten Vorhang – rötlich eingefärbt ist. Wie lässt sich diese<br />

bewusste Farbgebung Ihrer Meinung nach interpretieren?<br />

59:46<br />

Vor dieser Szene hat Lore durch den Ausweis mit Judenstern erfahren, dass Thomas ein<br />

Jude ist. Dennoch lässt sie es zu, dass er sich ihr körperlich nähert, weist ihn kurz darauf<br />

aber wieder in die Schranken ihrer Ideologie. Beschreiben Sie in einem Satz den Konflikt, mit<br />

dem Lore zu kämpfen hat.<br />

Warum ist Lore in dieser Szene ausgerechnet beim Seilhüpfen zu sehen?


18<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Wie interpretieren und bewerten Sie die Szene, in der Thomas den Angler am Fluss<br />

erschlägt? Inwiefern halten Sie Lore an dieser Tat für mitschuldig?<br />

101:34<br />

Obwohl sich herausstellt, dass Thomas mit dem gestohlenen Ausweis eines Juden eine<br />

falsche Identität angenommen hat, hinterlassen die Familienfotos in seiner Brieftasche eine<br />

große Wirkung auf Lore. Was könnte Lore beim Betrachten der Fotos empfunden haben?<br />

Weiterführende Aufgaben (Erörterungen):<br />

Die Beziehung zwischen Lore und Thomas entwickelt sich im Film anders als in der<br />

Literaturvorlage. Das trifft insbesondere auf das Ende der Geschichte zu. Was könnte die<br />

Regisseurin dazu veranlasst haben, diese Änderung vorzunehmen, beziehungsweise<br />

inwiefern ändert sich damit auch der Fokus der Geschichte?<br />

Die erste intensive Begegnung zwischen Lore und Thomas findet im Wald statt. Dabei spielt<br />

das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius eine besondere Rolle.<br />

Beschreiben Sie, was in dieser Szene vor sich geht und finden Sie anhand der dritten<br />

Strophe des Liedes heraus, warum die Regisseurin gerade dieses Lied ausgesucht hat.<br />

Literarische Querverweise finden sich auch an anderer Stelle des Films. Lore und ihre<br />

Geschwister lassen gleich zu Beginn ihrer Reise ein Buch mit dem Märchen von „Aschenbrödel“<br />

(Aschenputtel) zurück, das von einer alten Bäuerin aufgeschlagen wird. Finden Sie<br />

heraus, was dieses Märchen mit Lores Geschichte und ihrer Entwicklung zu tun haben<br />

könnte.


19<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 3 – Lores doppelter Perspektivwechsel<br />

Die angedeutete Liebesbeziehung zu Thomas und die Erkenntnis, dass der von ihr<br />

bewunderte Vater zugleich ein Verbrecher ist, markieren die wichtigsten Wendepunkte in<br />

Lores ganz persönlicher „Entnazifizierung“. Beschreiben Sie kurz, wie der Film ihren<br />

jeweiligen Erkenntnisprozess visualisiert und berücksichtigen Sie dabei insbesondere die<br />

Kameraperspektive, die Einstellungsgrößen und den Symbolgehalt der Bildmotive.<br />

55:21 61:57<br />

64:10 67:25


20<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 4 – Landschaft und Natur<br />

Landschaft und Natur spielen in <strong>LORE</strong> eine besondere Rolle – und das gleich in mehreren<br />

Funktionen. Nennen Sie einige dieser Funktionen.<br />

74:23 91:53<br />

Die Natur bleibt bis zum Ende des Films allgegenwärtig, doch die Landschaft ändert sich auf<br />

der Reise vom Süden in den Norden sehr. Wie wird diese Landschaft zu Beginn der Reise,<br />

und wie am Ende der Reise dargestellt?<br />

Mehrfach zeigt der Film anhand von Schauplätzen und Ereignissen, wie trügerisch das Bild<br />

einer scheinbar unberührten Natur sein kann. Benennen und beschreiben Sie jeweils einen<br />

Schauplatz bzw. ein Ereignis, wo das besonders intensiv oder dramatisch zum Ausdruck<br />

kommt.


21<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Andere Aufnahmen – insbesondere von Blumen, von Insekten und anderen Tieren – könnten<br />

beinahe aus einem Lehrfilm für den Biologieunterricht stammen. Was hat die Regisseurin<br />

damit bezweckt?<br />

25:50<br />

Was bedeutet für Sie „Heimat“ (a) und wie geht der Film mit diesem Begriff um (b)?<br />

a)<br />

b)<br />

Weiterführende Aufgabe (Oberstufe):<br />

Recherchieren Sie, wie der Nationalsozialismus den Begriff von „Heimat“ und romantisierte<br />

Vorstellungen der Natur für die eigene Ideologie missbraucht hat und zeigen Sie auf, wie<br />

dieser Mythos im Film schrittweise entmythologisiert wird.


22<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 5 – Mit Bildern erzählen<br />

Viele Szenen im Film werden nur angedeutet und nicht ausgespielt. In den ersten Beispielen<br />

geschieht dies nach dem Pars-pro-toto-Prinzip, hat Symbolcharakter oder weckt Assoziationen<br />

zu anderen Ereignissen. In den Beispielen 3 und 4 steht das Ende einer Szene jeweils<br />

für das, was gerade geschehen ist, aber nicht gezeigt wurde. Beschreiben Sie, was mit<br />

diesen kurzen Einstellungen jeweils erzählt wird, und nennen Sie ein weiteres Beispiel aus<br />

dem Film, das dem gleichen Stilprinzip folgt.<br />

02:36<br />

05:32<br />

19:07<br />

29:18<br />

NN


23<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Arbeitsblatt 6 – Symbole und Metaphern<br />

14:25 30:34<br />

Im ersten Drittel des Films wird Lore häufig durch das Gitter eines Fensters gefilmt, oder sie<br />

blickt aus einem vergitterten Fenster, dessen Scheiben zerbrochen sind. Was wird mit<br />

diesen Einstellungen jeweils bildhaft zum Ausdruck gebracht?<br />

39:23 42:19<br />

Die Frage nach der Schuld wird ebenfalls in Metaphern gefasst. Was bedeutet in diesem<br />

Zusammenhang der Kleister und die schwarze Farbe, und für welchen (unterschiedlichen)<br />

Zweck wurden die beiden Stoffe im Film verwendet?


24<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

39:19 54:43<br />

In der Szene links im Bild hat Lore gerade erst das Foto ihres Vaters im KZ entdeckt, in der<br />

Szene rechts im Bild entdeckt sie ihre Zuneigung zu Thomas. Beschreiben Sie, wie die Natur<br />

jeweils zum Spiegel ihrer Gefühle wird.<br />

04:46 103:34<br />

Das Porzellanreh taucht als Bildmotiv mehrfach im Film auf, wird gar zum Leitmotiv. Wofür<br />

steht das Reh zu Beginn des Films und warum wird es am Ende von Lore zerstört?


25<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Anhang 1 – Interview mit Cate Shortland<br />

„Die Kinder von Mördern sind keine<br />

Mörder“ – Ein Gespräch mit Cate<br />

Shortland zu ihrem Film <strong>LORE</strong><br />

Sie hatten internationalen Erfolg mit<br />

Ihrem ersten Spielfilm SOMERSAULT,<br />

haben aber erst acht Jahre später einen<br />

neuen Kinofilm gedreht. Wieso?<br />

Nach SOMERSAULT war ich mir nicht<br />

sicher, ob ich weitere Filme drehen wollte.<br />

Dann ging ich mit meinem Mann nach<br />

Afrika, wo wir zwei Kinder adoptierten. Ich<br />

wollte keine öffentliche Aufmerksamkeit,<br />

fühlte mich nicht entspannt und wollte<br />

mich auch nicht zwischen den anstehenden<br />

Aufgaben aufreiben. Es war also eine<br />

ganz persönliche Entscheidung.<br />

In der Romanvorlage „The Dark Room“<br />

von Rachel Seiffert gibt es drei Kurzgeschichten.<br />

Sie haben sich aber nur<br />

für die mittlere namens Lore“ entschieden.<br />

Diese Geschichte weist die vollkommen<br />

ungewöhnliche Perspektive eines 14-jährigen<br />

Mädchens auf, das eines Morgens<br />

aufwacht und feststellen muss, dass der<br />

Vater beim Zubettgehen noch ein Kriegsheld<br />

war und bei ihrem Aufwachen ein<br />

Mörder ist. Daraus ergibt sich eine Reihe<br />

von moralischen Fragen, mit denen sie<br />

zurechtkommen muss. Das hat mich<br />

besonders interessiert.<br />

Sie schrieben das Drehbuch zusammen<br />

mit Robin Mukherjee. In welcher Weise<br />

haben Sie zusammengearbeitet?<br />

Robin schrieb zusammen mit mir die<br />

beiden ersten Entwürfe. Dann habe ich<br />

zwei weitere Drehbuchfassungen zu einer<br />

ganz persönlichen Geschichte weiterentwickelt,<br />

die sich auf die Hauptfigur Lore<br />

konzentriert.<br />

In der Buchvorlage bleibt Thomas bis<br />

zum Schluss bei Lore, nicht aber im<br />

Film. Wie kam es zu dieser Änderung?<br />

Als wir darüber mit der Autorin Rachel<br />

Seiffert sprachen, war sie sich über das<br />

Ende ihrer Kurzgeschichte auch nicht<br />

mehr sicher. Die angesprochenen Themen<br />

der Geschichte sind sehr stark. Als Lore in<br />

das Haus ihrer Großmutter kommt, fordert<br />

diese von ihr, dass sie nun alles vergessen<br />

müsse. Sie solle ihr Leben einfach<br />

weiterleben und dürfe auch nicht über ihre<br />

Erlebnisse reden. Ich wollte klar herausarbeiten<br />

und zeigen, dass Lore sich als<br />

starker Charakter den Dämonen in ihr<br />

stellen muss. Ich habe mich daher weniger<br />

auf die äußeren Details als auf den<br />

Sinngehalt des Buches konzentriert.<br />

Filme über diese dunkle Vergangenheit<br />

Deutschlands sind wichtig, um sich<br />

daran zu erinnern und sie im Bewusstsein<br />

zu behalten. War das auch der<br />

Hauptgrund für Sie als australische<br />

Filmemacherin?<br />

Nun, das ist seltsam. Ich habe einige Zeit<br />

im Südafrika der Nach-Apartheid gelebt<br />

und dort geht es ähnlich wie in Deutschland<br />

darum, sich der Vergangenheit zu<br />

stellen. In Australien geschieht dies jedoch<br />

nicht, obwohl es auch dort eine dunkle<br />

Vergangenheit gibt, wenn auch nicht im<br />

Ausmaß des Holocaust. Aber auch dort<br />

wurden schwere Verbrechen und Morde<br />

insbesondere in Bezug auf die indigene<br />

Bevölkerung begangen. Daher bin ich der<br />

Meinung, dass jede Kultur, nicht nur die<br />

deutsche, sich ihrer Verantwortung und<br />

der Frage nach der Menschlichkeit stellen<br />

muss.<br />

Bei den Recherchen zum Film sprachen<br />

Sie mit älteren Menschen in Deutschland,<br />

die einst in der „Hitlerjugend“<br />

beziehungsweise im „Bund Deutscher<br />

Mädel“ waren. Welche Erfahrungen<br />

machten Sie dabei?<br />

Zunächst hatten wir gemeinsam einen<br />

wunderbaren Tag. Erst langsam erzählten<br />

zunächst die Frauen, wobei sich ein<br />

Muster herausschälte: Die eigene Familie<br />

war eigentlich gar nicht so schlecht, half<br />

auch einem Juden. Ich fühlte, wie die Wut<br />

in mir aufstieg. Erst als die Leute merkten,<br />

dass ich kein Richter sein wollte, sondern<br />

nach möglichen Wahrheiten suchte,<br />

begannen sie offen zu werden. Sie erwähnten,<br />

wie sehr sie Hitler damals liebten,<br />

wie schlimm für sie sein Tod war, wie stark<br />

sie indoktriniert waren. HJ und BDM waren<br />

für sie fast so wichtig wie die eigene<br />

Familie. Ein Mann war besonders ehrlich<br />

und stellte sich offen der Konfrontation mit


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<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

der Vergangenheit. Damals wurde den<br />

Leuten eingeimpft, dass sie kein Mitgefühl<br />

haben durften, nicht einmal gegenüber<br />

den eigenen Eltern. Jede Form von<br />

Schwäche galt als krank und undeutsch.<br />

Ich habe aber auch Sätze gehört wie: „Der<br />

Nationalsozialismus war eine gute Idee,<br />

sie wurde nur schlecht umgesetzt“, oder:<br />

„Hitler hatte ein paar gute Ideen, er wurde<br />

nur ein bisschen verrückt“. In der dritten<br />

Novelle von Rachels Roman gibt es eine<br />

wunderbare Szene, in der ein Lehrer<br />

seinen Schülern in der Aula Filme über<br />

den Holocaust zeigt. Im Anschluss hält der<br />

Schulleiter einen Vortrag darüber, wie<br />

schrecklich das NS-Regime war.<br />

Daraufhin wird der Lehrer im Hintergrund<br />

wütend und betont, dass es nicht das<br />

verdammte Regime war, sondern wir<br />

selbst. Das ist eine wichtige Unterscheidung.<br />

Man darf nicht nur das Regime für<br />

alles verantwortlich machen.<br />

Die meisten Filme über diese Vergangenheit<br />

legen den Fokus auf die Opfer<br />

oder auf Formen des Widerstands. Ihr<br />

Film fokussiert ganz auf die Generation<br />

der Täter und sogar der Jude ist kein<br />

echter Jude. Warum ist diese andere<br />

Perspektive für Sie wichtig?<br />

Ich denke, dass man die Geschichte aus<br />

mehreren Perspektiven sehen muss, um<br />

sie besser zu verstehen. Wenn wir immer<br />

nur denken, dass Nazi-Monster diese<br />

Verbrechen begingen, vergessen wir, dass<br />

es normale Menschen waren, die andere<br />

normale Menschen töteten. Es waren<br />

Nazis aus ganz normalen Familien, die<br />

Juden, Sinti, Roma und Behinderte<br />

umbrachten. Daher sollte man immer<br />

genau hinschauen und nicht einfach<br />

verurteilen. Es geht auch um uns selbst.<br />

Es ist einfach zu sagen, „ich an ihrer Stelle<br />

hätte mich dagegen aufgelehnt und etwas<br />

dagegen getan“. Aber die meisten von uns<br />

wären vermutlich selbst Mitläufer und<br />

Mittäter gewesen. Sich das zu vergegenwärtigen,<br />

ist wirklich nicht einfach, das ist<br />

die Lektion der Geschichte.<br />

Es gibt schon Filme, die diese Vergangenheit<br />

aus der Perspektive von Kindern<br />

erzählen, aber bisher kaum einen<br />

über Kinder von Naziverbrechern.<br />

Ich glaube nicht an die Idee der kollektiven<br />

Schuld, denn die Kinder von Mördern sind<br />

keine Mörder, sondern Kinder. Darüber<br />

sollten wir uns immer im Klaren sein. Ich<br />

wollte zeigen, wie ein Kind reagiert, das<br />

1945 den totalen Zusammenbruch des<br />

„Dritten Reichs“ miterlebte, wie es die<br />

Eltern und die Gesellschaft wahrnahm und<br />

erkennen musste, dass sie korrumpiert<br />

waren. Die damalige Generation musste<br />

sich vor allem als Menschen wieder neu<br />

erfinden. Aus dieser Erinnerung heraus<br />

können wir heute deutlich sagen, dass wir<br />

eine derart grausame Gesellschaft nie<br />

mehr wollen – nirgendwo auf der Welt.<br />

In Ihrem Film geht es auch um Entnazifizierung.<br />

Was interessierte Sie an<br />

diesem „deutschen“ Aspekt?<br />

Vielleicht lag es an meinen Eltern, aber ich<br />

habe schon immer jede Form von Herrschaft<br />

in der Gesellschaft hinterfragt. Ich<br />

denke, dass diese Herrschaft im Nationalsozialismus<br />

für schreckliche Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit benutzt wurde.<br />

Aber ich hatte ja schon erwähnt, dass<br />

jeder Mensch sich erst einmal selbst im<br />

Spiegel betrachten muss. Lore im Film<br />

macht eine ganz persönliche Entnazifizierung<br />

durch und das zehn, zwanzig oder<br />

gar dreißig Jahre, bevor sie in Deutschland<br />

vollzogen wurde. Das hat mit ihrem<br />

Charakter zu tun. Ich denke, sie hat einen<br />

wirklich schönen Charakter, den eines<br />

Kindes. Die Erwachsenen erzählen ihr<br />

viel, aber in ihrem Herzen spürt sie, dass<br />

das keinen Sinn ergibt, weil es unmenschlich<br />

und eigennützig ist. Der Nationalsozialismus<br />

war sehr selbstsüchtig.<br />

Sie haben den Film in deutscher<br />

Sprache gedreht, obwohl das nicht Ihre<br />

Muttersprache ist. Für eine internationale<br />

Produktion ist das ungewöhnlich,<br />

allein schon wegen der Anforderungen<br />

des Marktes.<br />

Ich habe ihn in Deutsch gedreht, weil ich<br />

ihn so wahrhaftig wie möglich machen<br />

wollte. Die Sprache hat sehr viel mit der<br />

Realität zu tun, das gilt überall auf der<br />

Welt. Der Film, an sich ein Kunstprodukt,<br />

sollte so authentisch wie möglich sein.<br />

Hinzu kam, dass wir die Rollen nach<br />

Eignung besetzen wollten und nicht nach<br />

Sprache und Verwertbarkeit. Wir haben in<br />

Deutschland tolle Schauspieler gefunden,<br />

von denen einige aber kein Englisch<br />

sprechen.


27<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Die deutsche Landschaft spielt im Film<br />

ebenfalls eine wichtige Rolle. Was<br />

verbinden Sie mit dieser Landschaft?<br />

Sie hat tatsächlich einen großen Eindruck<br />

in meiner Psyche hinterlassen. Meine<br />

erste große Auslandsreise führte mich im<br />

Alter von 24 Jahren nach Deutschland, als<br />

ich mit meinem ersten Kurzfilm auf die<br />

Oberhausener Filmtage eingeladen war.<br />

Ich erinnere mich noch, dass ich im Zug<br />

saß und angesichts der grandiosen<br />

Schönheit dieser Landschaft weinen<br />

musste. Die Landschaft spielt in meinen<br />

Filmen immer eine große Rolle. Bei <strong>LORE</strong><br />

wollte ich auf die enge Verbindung der<br />

deutschen Landschaft mit der umfassenden<br />

Idee von Heimat hinweisen. Diese<br />

wurde von den Nationalsozialisten<br />

romantisiert und missbraucht, etwa durch<br />

den Begriff des Vaterlands oder der<br />

Überlegenheit von Schönheit. Gerade<br />

auch bei der HJ und im BDM spielte die<br />

Nähe zur Natur eine große Rolle. Diese<br />

Ideologie wollten wir im Film auflösen. Die<br />

Kinder beginnen ihre Reise auf festem<br />

Boden. Während sie von einem Ende<br />

Deutschlands zum anderen gehen,<br />

verschwindet die Landschaft zunehmend,<br />

bis sie im Watt angekommen sind. Das<br />

einzige, was Lore dort geblieben ist, ist<br />

ihre Erinnerung, sonst nichts.<br />

Wieso gibt es im Film so viele<br />

Zwischenschnitte mit Blumen, Pilzen,<br />

Insekten und anderen Tieren?<br />

Weil die Menschen so destruktiv sind. Wir<br />

fügen einander und der ganzen Welt viel<br />

Leid zu. Die Tiere und die Natur sind<br />

einfach nur da und beobachten uns.<br />

Selbst als der Junge erschossen wird,<br />

bleibt die Natur davon unberührt. Das<br />

wollten wir zeigen.<br />

Die Schauplätze des Films reichen vom<br />

Schwarzwald bis an die Nordseeküste.<br />

Stellte das besondere Anforderungen<br />

an die Dreharbeiten?<br />

Es war vor allem für die Kinder nicht<br />

einfach, die ständig draußen waren und<br />

bei Kälte auf dem Boden liegen mussten.<br />

Aber das Schlimmste waren die Dreharbeiten<br />

an historischen Drehorten mit<br />

einschlägiger Vergangenheit. Das erste<br />

Haus, in dem wir drehten, gehörte einer<br />

jüdischen Familie, die in den 1930ern<br />

enteignet wurde. Einige Außenaufnahmen<br />

fanden bei Görlitz statt, ganz in der Nähe<br />

eines ehemaligen Konzentrationslagers.<br />

Und die alte Waffenfabrik, in der wir<br />

drehten, war einst ein Zwangsarbeitslager.<br />

Überall fanden wir diese schrecklichen<br />

Überreste, die äußerst belastend waren.<br />

Hinzu kam, dass mein Ehemann aus einer<br />

deutschjüdischen Familie stammt und ein<br />

besonderes Gespür dafür hatte, was<br />

damals an diesen Orten geschah. Es war<br />

einfach schrecklich für uns beide.<br />

Wie lange dauerten die Dreharbeiten?<br />

Ziemlich lange, denn mit den Kindern<br />

durften wir maximal vier Stunden täglich<br />

drehen. Wir haben uns dann damit beholfen,<br />

dass wir mit insgesamt drei Jungen<br />

arbeiteten, die alle gleich angezogen<br />

waren. Dennoch drehten wir etwa zwei<br />

Monate. Davon waren etwa drei Wochen<br />

Proben, was in Deutschland eher unüblich<br />

ist.<br />

Im Film geht es vor allem um Gefühle<br />

und Atmosphäre, weniger um Handlungen<br />

und Dialoge. Für die Darsteller war<br />

das sicher nicht einfach. Wie haben Sie<br />

mit ihnen gearbeitet?<br />

Wir begannen nicht mit dem Text, sondern<br />

mit Liedern und Tänzen der HJ und des<br />

BDM, überlegten uns dann anhand der<br />

Geschichte, wie es in Lores Familie<br />

zugegangen sein könnte, wie sich die<br />

Menschen damals verhalten haben, etwa<br />

wie sie saßen und gingen. Die Beziehungen<br />

in der Familie, ihr Körpergefühl, alles<br />

war damals anders als heute. Als wir dann<br />

mit dem Drehen anfingen, verstanden die<br />

Kinder sehr genau, was wir wollten. Es<br />

war dennoch nicht einfach, denn die<br />

Darsteller hatten nicht zu agieren, sie<br />

mussten in ihrer Rolle präsent sein, ohne<br />

dies ständig zu reflektieren.<br />

Können Sie bitte etwas über das Licht<br />

und die Farbdramaturgie des Films<br />

sagen?<br />

Ich bin sehr stolz darauf, wie der Film<br />

geworden ist. Wir hatten ein wunderbares<br />

Team, vom Ausstattungsleiter bis zur<br />

Kostümbildnerin, die sich exakt an<br />

historische Vorgaben hielten. In der<br />

Farbgebung beginnt der Film mit lebendigen<br />

Farben, etwa einem satten Rot<br />

inmitten der grünen Natur. Am Ende bleibt<br />

Lore nur noch das alte Kleid ihrer


28<br />

<strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Großmutter, alles andere ist verschwunden.<br />

Dieses Kleid aus den 20er-Jahren<br />

steht metaphorisch für den festen Glauben<br />

der Großmutter, dass der Holocaust und<br />

der Krieg für sie gar nicht stattgefunden<br />

haben. Lore soll dieses Kleid anziehen<br />

und damit alles vergessen, aber das kann<br />

sie nicht.<br />

Die Filmmusik von Max Richter trägt<br />

wesentlich zur Atmosphäre des Films<br />

bei. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?<br />

Seine Filmmusik zu WALTZ WITH<br />

BASHIR war für den Oscar nominiert, eine<br />

wirklich bemerkenswerte Arbeit. Mein<br />

Produzent schlug ihn für die Filmmusik vor<br />

und ich traf ihn dann in Berlin. Wir<br />

sprachen nicht gleich über die Musik,<br />

sondern über die Idee des Films, über<br />

Propaganda, die Musik von Carl Orff zu<br />

den Olympischen Sommerspielen 1936<br />

und über andere Komponisten aus den<br />

30er-Jahren. Die Musik sollte Lores<br />

innerer Stimmung entsprechen, daher ist<br />

sie mitunter auch unharmonisch, etwa<br />

wenn Lore die Holocaust-Fotos betrachtet.<br />

Max war sehr mutig und hat einen großartigen<br />

Score geliefert.<br />

<strong>LORE</strong> ist qualitativ anspruchsvolles<br />

Arthouse-Kino. Denken Sie, damit auch<br />

die junge Generation erreichen zu<br />

können?<br />

Im Film entwickelt sich auch eine vorsichtige<br />

Liebesgeschichte zwischen Lore und<br />

einem Menschen, den andere ihr nur als<br />

Abschaum dargestellt hatten. Aber<br />

vielleicht hätte es dieser Liebesgeschichte<br />

gar nicht bedurft. Denn im Film geht es<br />

nicht um den Holocaust, sondern um das<br />

Kind eines Verbrechers. Ich glaube, dass<br />

diese Perspektive auch für junge Menschen<br />

von Interesse ist. Mir wurde in<br />

Deutschland erzählt, dass für die zweite<br />

Generation das Schweigen darüber am<br />

schlimmsten gewesen sei, was es<br />

bedeutete, das Kind eines solchen Verbrechers<br />

zu sein. Ich glaube, dass der Film<br />

darauf eine Antwort geben kann, oder<br />

besser gesagt, Fragen dazu stellt.<br />

Das Interview führte Holger Twele<br />

am 9. Oktober 2012 in Frankfurt am Main<br />

Anhang 2 – Interview mit Saskia Rosendahl<br />

„Es geht mehr ums Verstehen“<br />

Im Gespräch mit Saskia Rosendahl<br />

(Lore)<br />

Wie war es für Sie, die Filmtochter von<br />

Naziverbrechern zu spielen?<br />

Für mich war es nicht einfach, mich dieser<br />

Ideologie des Nationalsozialismus zu<br />

stellen, ohne die Person, die ich dargestellt<br />

habe, gleich zu verurteilen. Ich<br />

habe auch gemerkt, wie sich mein Körper<br />

dagegen gewehrt hat Aber man darf diese<br />

Figur nicht verurteilen, wenn man sie<br />

ehrlich darstellen möchte. Es war nicht<br />

leicht, zumal wir viel in der Natur waren,<br />

immer dreckig, und es war immer kalt.<br />

Verbinden Sie persönlich etwas mit der<br />

Figur?<br />

Ich habe viel über diese Figur nachgedacht,<br />

denn ich wollte sie nicht spielen,<br />

sondern sie selbst empfinden. Es war<br />

schwierig, sie nachzuempfinden, gerade<br />

auch wegen dieser Indoktrination, die sie<br />

erfahren hat. Ich wollte ihr eigentlich gar<br />

nicht nahe sein, aber ich habe natürlich<br />

ihre Motivationen verstehen können und<br />

müssen, warum sie so handelt oder denkt.<br />

Es war schwierig, mich direkt mit dieser<br />

Figur zu identifizieren. Deswegen habe ich<br />

nach Situationen in meinem Leben<br />

gesucht, die in mir ein ähnliches Gefühl<br />

hervorgerufen haben, wie Lore es wohl<br />

hatte, ohne dass ich das selbst erfahren<br />

habe, was sie fühlt und denkt. Vielleicht<br />

war ich ihr nach den Dreharbeiten ein<br />

bisschen ähnlicher, weil ich diese Stärke,<br />

die sie hat oder haben musste, gut nachvollziehen<br />

konnte.<br />

Wie haben Sie sich auf diese schwierige<br />

Rolle vorbereitet?<br />

Ich bin erst etwa zwei Wochen vor Drehbeginn<br />

hinzugekommen, hatte also für


29 <strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

mich persönlich keine lange Vorbereitungszeit.<br />

Vielleicht war das sogar gut,<br />

denn da ich so eine Rolle bisher noch nie<br />

gespielt hatte, wusste ich auch nicht, wie<br />

ich mich darauf vorbereiten konnte. Ich<br />

hatte gleich am Anfang zwei Wochen<br />

Proben und auch während der Drehzeit<br />

weitere Proben. Das hat auf jeden Fall viel<br />

geholfen. Wir sind die Szenen alle durchgegangen,<br />

haben viel improvisiert und<br />

konnten auch eigene Ideen einbringen.<br />

Auch die Novelle von Rachel Seiffert habe<br />

ich vorab gelesen. Geholfen hat mir<br />

schließlich noch, dass wir in den Proben<br />

die Lieder gesungen haben, die damals im<br />

BDM üblich waren, und Dokumentarfilme<br />

angeschaut haben. Am wichtigsten war<br />

mir jedoch, mit Cate Shortland über alles<br />

zu reden und die Sache mit Instinkt anzugehen.<br />

Der Film spielt vorwiegend in der<br />

Natur? Was für Erfahrungen waren<br />

das?<br />

So schwer das auch war, denn am Ende<br />

der Dreharbeiten hatte ich das Gefühl, die<br />

Hälfte meiner blauen Flecke und Kratzer<br />

ist echt, haben gerade diese Erfahrungen<br />

sehr geholfen, mich in diese Figur und ihre<br />

Erlebnisse hinein zu versetzen. Den<br />

Boden ständig unter uns zu spüren, die<br />

kalte Luft, den Wind und das Wasser, all<br />

das hat uns sehr unterstützt, die Gefühle<br />

dieser Figuren nachzuempfinden. Das hat<br />

allerdings sehr an den Kräften gezehrt.<br />

Wir sind abends immer ins Bett gefallen<br />

und am nächsten Morgen schwer wieder<br />

aufgestanden.<br />

Was war die größte Herausforderung<br />

beim Drehen?<br />

Da gab es mehrere Szenen. Nicht einfach<br />

war die Szene, als Lores Mutter nach ihrer<br />

Vergewaltigung zurückkommt und erzählt,<br />

dass Hitler gestorben sei. Diese Szene<br />

war heftig. Ich glaube aber, für mich war<br />

die größte Herausforderung die Szene, in<br />

der Thomas die Gruppe verlassen möchte<br />

und Lore mit allen Mitteln versucht, ihn<br />

aufzuhalten und ihm sogar das Baby<br />

anbietet, wenn er bleibt. Einesteils war das<br />

ein totaler Zusammenbruch von Lore,<br />

nachdem auch noch ihr Bruder gestorben<br />

ist, andernteils habe ich mir selbst Druck<br />

aufgebaut, diese Szene möglichst gut zu<br />

spielen.<br />

Ist dieser Film auch für die junge<br />

Generation von heute wichtig, obwohl<br />

er ihren gängigen Seherfahrungen nicht<br />

entspricht?<br />

Ich finde, es ist ein sehr wichtiger Film, der<br />

viele Gedanken anregt, gerade auch über<br />

die Sichtweise von Kindern zu diesem<br />

Thema, also das Kind von Verbrechern zu<br />

sein. Das hat vorher noch kaum ein Film<br />

gewagt. Das Thema ist also ohne Zweifel<br />

wichtig. Bei den Screenings habe ich<br />

allerdings gemerkt, dass dieser Film viel<br />

Hintergrundwissen verlangt. Es ist daher<br />

nicht nur wichtig, den Film zu sehen,<br />

sondern sich hinterher auch noch weiter<br />

damit zu beschäftigen. Geeignet für eine<br />

Auseinandersetzung ist er auf jeden Fall,<br />

weil er die persönliche Sichtweise von<br />

Kindern wiedergibt. Das ist sogar ein<br />

Anknüpfungspunkt für diejenigen, die sich<br />

mit dem Thema eigentlich nicht beschäftigen<br />

wollen. Die Naturaufnahmen und die<br />

intime Sichtweise von Kindern führen sehr<br />

schön an das Thema heran und bringen<br />

einen zum Nachdenken. Ich würde mir<br />

wünschen, dass die jungen Zuschauer<br />

sich danach fragen, warum Lore und ihre<br />

Geschwister sich so verhalten haben.<br />

Denn es geht mehr ums Verstehen und<br />

weniger ums schnelle Beurteilen.<br />

Das Telefoninterview führte Holger Twele<br />

am 15. Oktober 2012


30 <strong>Medien</strong>pädagogisches Begleitheft _ <strong>LORE</strong><br />

Literaturhinweise (Auswahl):<br />

Susan Campbell Bartoletti: Jugend im Nationalsozialismus. Zwischen Faszination und<br />

Widerstand, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, 2. Überarbeitete<br />

Auflage, Bonn 2008<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Deutschland 1945-1949, Informationen zur<br />

politischen Bildung Heft 259, Bonn 2005<br />

Bundeszentraler für politische Bildung: Damals nach dem Krieg. Deutschland 1945 bis 1949.<br />

Info-Programm auf DVD-ROM, Bonn 2011<br />

Max von der Grün: Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend im Dritten Reich, München 1996<br />

Arno Klönne: Jugend im Dritten Reich. Die Hitlerjugend und ihre Gegner, Köln 2003<br />

Rachel Seiffert: The Dark Room, Verlag William Heinemann, London 2001; bisherige<br />

deutsche Ausgaben: Die dunkle Kammer, Ullstein Verlag 2001, sowie List TB-Verlag 2002<br />

Gudrun Wilcke: Die Kinder- und Jugendliteratur des Nationalsozialismus als Instrument<br />

ideologischer Beeinflussung. Liedertexte – Erzählungen und Romane – Schulbücher –<br />

Zeitschriften – Bühnenwerke, in: Hans-Heino Ewers u. a. (Hg.): Kinder- und Jugendkultur, -<br />

literatur und -medien. Theorie – Gesellschaft – Didaktik, Band 40, Frankfurt am Main 2005<br />

Links (Auswahl):<br />

www.lore-der-film.de<br />

Website zum Film<br />

www.dhm.de/lemo/html/nazi/alltagsleben/index.html<br />

Daten und Dokumente des Deutschen Historischen Museums Berlin zum Alltagsleben im<br />

Nationalsozialismus<br />

www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/<br />

Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung zur Geschichte des Nationalsozialismus<br />

und des Zweiten Weltkriegs<br />

Silke Dürrhauer: Hitlers Jugendpropaganda – Nationalsozialistische Jugendzeitschriften als<br />

eine ideologische Wurzel rechtsextremer Jugendkultur. Bonn 2007, siehe auch unter:<br />

www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41726/hitlers-jugendpropaganda?p=2#bio0<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Piffl</strong> <strong>Medien</strong> GmbH<br />

Boxhagener Str. 18<br />

10245 Berlin<br />

Tel.: 030 – 293 616-0<br />

Fax: 030 – 293 616-22<br />

info@pifflmedien.de<br />

www.pifflmedien.de<br />

Fotonachweis: <strong>Piffl</strong> <strong>Medien</strong><br />

Autor und Layout:<br />

Holger Twele, www.holgertwele.de<br />

© Oktober 2012 (<strong>Piffl</strong> <strong>Medien</strong>)

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