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BILDUNG SCHWEIZ 12 I 2011 .................................................... REPoRTAGE<br />

teres als eine Tänzerinnenkarriere <strong>beim</strong><br />

Fernsehen vorstellen. Die Jungs träumen<br />

davon, Fussballprofi zu werden. So<br />

realitätsfern die Träume sein mögen, die<br />

Aussicht auf einen gutbürgerlichen Beruf<br />

ist für die meisten Jugendlichen aus<br />

dieser Gegend genauso weit weg. Selbst<br />

Hochschulabgänger haben nur minimale<br />

Chancen auf einen Job.<br />

Diese Zukunftsangst und die Wut auf die<br />

unfähige Politikerkaste treibt die Studierenden<br />

regelmässig auf die Strasse, um<br />

lauthals gegen die unhaltbaren Zustände<br />

zu demonstrieren. Bei einer<br />

Jugendarbeitslosigkeit von circa 60 Prozent<br />

bleibt den meisten Schulabgängern<br />

nichts anderes übrig, als zeitlich befristete,<br />

miserabel bezahlte Jobs anzunehmen<br />

oder der Stadt den Rücken zu<br />

kehren.<br />

So sagt auch Francesca, dass Neapel<br />

eine wunderbare Stadt sei, die man jedoch,<br />

soll aus einem etwas werden, verlassen<br />

muss.<br />

Die Seele und Gründerin des «Centro<br />

Sociale», Anna Stanco, hat ihr Büro in<br />

einem Basso, einer der zahlreichen Einzimmerwohnungen<br />

des Spanischen<br />

Viertels. Die zierliche Frau mit schlohweissem<br />

Haar und schnarrender Stimme<br />

kam 1980, nach dem verheerenden Erdbeben<br />

in die «Quartieri Spagnoli», um<br />

der leidgeprüften Bevölkerung zu helfen.<br />

Die ersten zwei Jahre lebte sie auch<br />

gleich in der engen, düsteren Behausung,<br />

um am eigenen Leib zu spüren,<br />

wie es ist, der Unterschicht anzugehören.<br />

Anna kümmert sich vor allem um die<br />

Frauen des Quartiers. Viele von ihnen<br />

sind alleinerziehend und noch sehr<br />

jung. Teenagermütter sind in den ärmeren<br />

Vierteln Neapels keine Seltenheit.<br />

Wohl auch deshalb ist Neapel die<br />

einzige Stadt Italiens, welche ein Bevölkerungswachstum<br />

aufweist. In erster<br />

Linie geht es darum, für die Mütter einen<br />

Arbeitsplatz zu finden. Das ist in letzter<br />

Zeit ein beinahe aussichtsloses Unterfangen,<br />

der Wirtschaftskrise wegen.<br />

Die meisten Frauen haben kaum Bildung.<br />

Es ist ihnen daher auch nicht<br />

möglich, ihren Kindern bei den Hausaufgaben<br />

zu helfen. Sind die Eltern arbeitslos,<br />

haben sie ohnehin drängendere<br />

Probleme als mit ihrem Nachwuchs das<br />

Einmaleins zu üben. So dreht sich die<br />

Spirale weiter. Ein Entkommen aus diesen<br />

Verhältnissen ist sehr schwierig.<br />

«E un desastro!» antwortet Anna Stanco<br />

auf die Frage nach der aktuellen Situa­<br />

Jungschauspielerin Francesca: Schule? Ja, vielleicht...<br />

Piazza Garibaldi. Jugendliche versammeln sich zu einer Kundgebung.<br />

tion in Neapel. Vor einigen Jahren sei so<br />

etwas wie Hoffnung aufgekommen. Bassolino,<br />

der damalige Bürgermeister,<br />

ging die Probleme der Stadt mit Taten<br />

statt Worten an. Neapel wurde herausgeputzt<br />

und renoviert, der Bau der Metro<br />

vorangetrieben, Korruption und Kriminalität<br />

bekämpft. Doch ein altes Problem<br />

Neapels konnte auch er nicht beseitigen,<br />

das der Arbeitslosigkeit.<br />

In Zeiten der Wirtschaftskrise kämpfen<br />

gar die «Centri Sociali» ums Überleben,<br />

da sie von den Kommunen immer weniger<br />

Geld bekommen. Manchmal sehen<br />

sie während Monaten keinen Euro von<br />

der Stadt.<br />

19<br />

Neapel ist von alters her eine Stadt der<br />

Emigration. Zwischen 1950 und 1970,<br />

der bislang letzten grossen Auswanderungswelle,<br />

verliessen 800000 Bewohner<br />

die Heimat. Und wer kann, sucht<br />

auch heute noch das Weite. So träumt<br />

auch Francesca davon, mit Hilfe ihres<br />

Filmdebüts, an einer Schauspielschule<br />

im nördlichen Italien unterzukommen.<br />

Das Mädchen, das sie im Film spielt,<br />

möchte sie nie werden.<br />

Weiter im Netz<br />

www.rogerwehrli-fotografie.ch

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