Text zu Erikson - Ploecher.de
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Fach: Pädagogik Erik <strong>Erikson</strong> LK 12<br />
Als die Nazis die Macht übernahmen, verließ die Familie Wien<br />
und zog erst nach Kopenhagen, dann nach Bosten. <strong>Erikson</strong> wur<strong>de</strong><br />
eine Stelle an <strong>de</strong>r Harvard Medical School angeboten, und privat<br />
150 praktizierte er als Kin<strong>de</strong>rpsychoanalytiker. Während dieser Zeit<br />
traf er Psychologen wie <strong>zu</strong>m Beispiel Henry Murray und Kurt Lewin,<br />
sowie Anthropologen wie Ruth Benedict, Margaret Mead und<br />
Gregory Bateson. Ich <strong>de</strong>nke, man kann sagen, dass diese Anthropologen<br />
einen ebenso großen Einfluss auf <strong>Erikson</strong> hatten wie<br />
155 Sigmund und Anna Freud!<br />
Später dann unterrichtete er in Yale, und darauf an <strong>de</strong>r University<br />
of California at Berkeley. Während dieser Zeit entstan<strong>de</strong>n auch<br />
seine berühmten Untersuchungen <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Lebens unter<br />
<strong>de</strong>n Lakota und <strong>de</strong>n Yurok.<br />
160 Als er die Amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, än<strong>de</strong>rte er<br />
seinen Namen offiziell um in Erik <strong>Erikson</strong>. Niemand scheint <strong>zu</strong><br />
wissen, woher er diesen Namen hatte!<br />
1950 schrieb er Childhood and Society, worin Zusammenfassungen<br />
seiner Untersuchungen unter <strong>de</strong>n amerikanischen Ureinwoh-<br />
165 nern enthielt, daneben auch Analysen <strong>zu</strong> Maxim Gorki und Adolf<br />
Hitler, eine Diskussion <strong>de</strong>r American personality und ein Abriss<br />
seiner Version <strong>de</strong>r Freudschen Theorie. Diese Themen – <strong>de</strong>r Einfluss<br />
<strong>de</strong>r Kultur auf die Persönlichkeit und ie Analyse historischer<br />
Gestalten – wie<strong>de</strong>rholten sich in an<strong>de</strong>ren Werken, von <strong>de</strong>nen ei-<br />
170 nes, Gandhi's Truth, ihm <strong>de</strong>n Pulitzer Prize sowie <strong>de</strong>n National<br />
Book Award einbrachte.<br />
1950 verließ <strong>Erikson</strong> während <strong>de</strong>r Terrorherrschaft <strong>de</strong>s Senators<br />
Joseph McCarthy Berkeley, weil die Professoren aufgefor<strong>de</strong>rt<br />
wur<strong>de</strong>n, sogenannte loyalty oaths <strong>zu</strong> unterzeichnen. Er verbrachte<br />
175 zehn Jahre in Massachussets, wo er an einer Klinik arbeitete und<br />
unterrichtete, dann zehn weitere Jahre wie<strong>de</strong>r in Harvard. Nach<strong>de</strong>m<br />
er sich 1970 <strong>zu</strong>r Ruhe gesetzt hatte, schrieb und forschte er<br />
weiterhin <strong>zu</strong>sammen mit seiner Frau. Erik <strong>Erikson</strong> starb 1994.<br />
Theorie<br />
180 <strong>Erikson</strong> ist ein freudianischer ego-psychologist (Ichpsychologe).<br />
Das be<strong>de</strong>utet, dass er davon ausgeht, dass Freuds Theorien<br />
grundsätzlich korrekt sind, eingeschlossen <strong>de</strong>r eher kontroversen<br />
I<strong>de</strong>en wie etwa <strong>de</strong>r Ödipuskomplex, aber er akzeptiert auch die<br />
Theorien über das Ich, welche an<strong>de</strong>re Freudianer wie etwa Heinz<br />
185 Hartmann und, natürlich Anna Freud hin<strong>zu</strong>gefügt haben.<br />
Doch <strong>Erikson</strong> orientiert sich weit mehr an <strong>de</strong>r Gesellschaft und <strong>de</strong>r<br />
Kultur als die meisten Freudianer, wie von einem Forscher mit<br />
anthropologischen Interessensschwerpunkten auch nicht an<strong>de</strong>rs<br />
<strong>zu</strong> erwarten, und oft schiebt er die Instinkte und das Unbewusste<br />
190 gera<strong>de</strong><strong>zu</strong> aus <strong>de</strong>m Bild hinaus. Vielleicht aber liegt hierin <strong>de</strong>r<br />
Grund dafür, dass <strong>Erikson</strong> sowohl unter Freudianern als auch unter<br />
Nicht-Freudianern außeror<strong>de</strong>ntlich populär ist!<br />
Das epigenetische Prinzip (The epigenetic principle)<br />
<strong>Erikson</strong> ist berühmt dafür, dass er Freuds Theorie <strong>de</strong>r Entwick-<br />
195 lungsstadien neu <strong>de</strong>finiert und erweitert hat. Die Entwicklung läuft<br />
ihm <strong>zu</strong>folge nach <strong>de</strong>m epigenetischen Prinzip ab. Dieses Prinzip<br />
besagt, dass wir uns durch eine festgelegte Entwicklung unserer<br />
Persönlichkeit in acht Stadien entwickeln. Das Fortschreiten von<br />
einem Stadium <strong>zu</strong>m an<strong>de</strong>ren ist <strong>zu</strong>m Teil durch unseren Erfolg,<br />
200 o<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Mangel an Erfolg, in allen vorangegangenen Stadien<br />
bestimmt. Ähnlich wie das Entfalten einer Rosenknospe, öffnet<br />
sich je<strong>de</strong>s Blatt <strong>zu</strong> einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten<br />
Reihenfolge, wie sie die Natur durch Genetik vorbestimmt hat.<br />
Wenn wir in die natürlichen Ordnungsprinzipien <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
205 eingreifen, in<strong>de</strong>m wir ein Blütenblatt <strong>zu</strong> früh hervorziehen, zerstören<br />
wir die Entwicklung <strong>de</strong>r ganzen Blume.<br />
Je<strong>de</strong> Stufe umfasst bestimmte Entwicklungsaufgaben psychosozialer<br />
Natur. Obwohl <strong>Erikson</strong> Freuds Theorie darin folgt, dass er<br />
diese als Krisen bezeichnet, sind sie doch ausge<strong>de</strong>hnter und we-<br />
210 niger spezifisch als <strong>de</strong>r Begriff nahe legt. Zum Beispiel muss ein<br />
Kind im Gymnasium lernen, <strong>zu</strong> dieser Phase eifrig <strong>zu</strong> sein, und<br />
dieser Eifer wird durch die komplexen sozialen Interaktionen in<br />
Schule und Familie erlernt.<br />
Die verschie<strong>de</strong>nen Aufgaben wer<strong>de</strong>n mit zwei Begriffen bezeich-<br />
215 net. Die Aufgabe <strong>de</strong>s Kleinkinds wir <strong>zu</strong>m Beispiel als trustmistrust,<br />
Vertrauen-Misstrauen bezeichnet. Zunächst scheint es<br />
offenkundig, dass ein Kleinkind Vertrauen, und nicht Misstrauen<br />
erlernen muss. Doch <strong>Erikson</strong> machte <strong>de</strong>utlich, dass wir eine Balance<br />
lernen müssen: Wir müssen sicherlich <strong>zu</strong>meist Vertrauen<br />
220 lernen; doch wir müssen auch Misstrauen erlernen, damit wir nicht<br />
<strong>zu</strong> leichtgläubigen Idioten wer<strong>de</strong>n!<br />
Je<strong>de</strong> Stufe hat ihre optimale Zeit. Es ist sinnlos, Kin<strong>de</strong>r <strong>zu</strong> früh ins<br />
Erwachsenenalter <strong>zu</strong> treiben, wie es bei Menschen vorkommt, die<br />
vom Erfolg gera<strong>de</strong><strong>zu</strong> besessen sind. An<strong>de</strong>rsherum ist es nicht<br />
225 möglich, das Entwicklungstempo <strong>zu</strong> drosseln, um die Kin<strong>de</strong>r von<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Lebens <strong>zu</strong> beschützen. Für je<strong>de</strong> Entwicklungsaufgabe<br />
gibt es eine Zeit.<br />
Wenn eine Stufe gut abgeschlossen wur<strong>de</strong>, behalten wir eine gewisse<br />
Tugend o<strong>de</strong>r psychologische Stärke, die uns durch die fol-<br />
230 gen<strong>de</strong>n Stufen unseres Lebens begleitet. Schließen wir dagegen<br />
eine Stufe weniger gut ab, kann es vorkommen, dass wir Fehlanpassungen<br />
(maladaptions) und Malignitäten (malignities) entwickeln<br />
und auch unsere weitere Entwicklung gefähr<strong>de</strong>n. Eine Malignität<br />
ist die schlimmere Auswirkung von bei<strong>de</strong>n, weil <strong>zu</strong> wenig<br />
235 positive und <strong>zu</strong> viele negative Aspekte <strong>de</strong>r jeweiligen Aufgabe gezogen<br />
wur<strong>de</strong>n; wie <strong>zu</strong>m Beispiel bei einer Person, die an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen nicht vertrauen kann. Eine Verhaltensstörung ist nicht<br />
ganz so gravierend, und umfasst <strong>zu</strong> viel <strong>de</strong>r guten und <strong>zu</strong> wenige<br />
schlechte Aspekte; wie bei einer Person, die an<strong>de</strong>ren <strong>zu</strong> sehr ver-<br />
240 traut.<br />
Kin<strong>de</strong>r und Erwachsene<br />
Eine <strong>de</strong>r vielleicht größten Innovationen war es, dass <strong>Erikson</strong><br />
nicht fünf Entwicklungsstufen postulierte, wie Freud es tat, son<strong>de</strong>rn<br />
acht. <strong>Erikson</strong> führte Freuds genitale Phase bis in die Adoles-<br />
245 zenz plus drei Phasen <strong>de</strong>s Erwachsenseins weiter. Mit Sicherheit<br />
hören wir nicht auf, uns – insbeson<strong>de</strong>re psychologisch – auch<br />
nach unserem zwölften o<strong>de</strong>r dreizehnten Geburtstag weiter <strong>zu</strong><br />
entwickeln; es scheint also logisch, je<strong>de</strong> Theorie <strong>de</strong>r Entwicklungsstadien<br />
auch auf spätere Entwicklungen aus<strong>zu</strong><strong>de</strong>hnen!<br />
250 <strong>Erikson</strong> hat sich <strong>zu</strong><strong>de</strong>m auch über die Interaktion <strong>de</strong>r Generationen<br />
geäußert, er bezeichnete diese Interaktion als Gegenseitigkeit<br />
(mutuality). Freud hat sehr <strong>de</strong>utlich herausgestellt, dass die Eltern<br />
einen dramatischen Einfluss auf die Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s haben.<br />
<strong>Erikson</strong> fügte hin<strong>zu</strong>, dass auch die Kin<strong>de</strong>r die Entwicklung<br />
255 <strong>de</strong>r Eltern beeinflussen. Zum Beispiel än<strong>de</strong>rn Kin<strong>de</strong>r das Leben<br />
eines bislang kin<strong>de</strong>rlosen Paares nachhaltig und führt die neuen<br />
Eltern weiter auf ihrem Entwicklungspfad voran. So ist es auch<br />
angemessen, eine dritte (und in manchen Fällen auch vierte) Generation<br />
ins Licht <strong>zu</strong> rücken: Viele von uns wur<strong>de</strong> von ihren Groß-<br />
260 eltern beeinflusst und umgekehrt.<br />
Ein beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utliches Beispiel <strong>de</strong>r Gegenseitigkeit kommt in<br />
<strong>de</strong>n Schwierigkeiten einer sehr jungen Mutter <strong>zu</strong>m Tragen. Obwohl<br />
Mutter und Kind ein schönes Leben führen, ist die Mutter<br />
noch immer mit <strong>de</strong>n Entwicklungsaufgaben <strong>de</strong>r Adoleszenz be-<br />
265 schäftigt, sie muss herausfin<strong>de</strong>n, wer sie ist und wie sie ihren<br />
Platz in <strong>de</strong>r großen Gesellschaft fin<strong>de</strong>t. Die Beziehung, die sie mit<br />
<strong>de</strong>m Vater <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s hat o<strong>de</strong>r hatte, mag auf bei<strong>de</strong>n Seiten eher<br />
unreif gewesen sein, und wenn sie nicht heiraten, wird die Mutter<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s sich auch mit <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen, eine Beziehung<br />
270 auf<strong>zu</strong>bauen und <strong>zu</strong> pflegen auseinan<strong>de</strong>rsetzen müssen. Das Kind<br />
hat hingegen die klaren und ein<strong>de</strong>utigen Bedürfnisse, die Kin<strong>de</strong>r<br />
eben haben, von diesen Bedürfnissen ist das wichtigste das Bedürfnis<br />
nach einer Mutter, mit <strong>de</strong>n reifen Fähigkeiten und <strong>de</strong>r sozialen<br />
Unterstüt<strong>zu</strong>ng, die eine Mutter haben sollte. Wenn die Eltern<br />
275 <strong>de</strong>r jungen Mutter unterstützend eingreifen, wie man das vielleicht<br />
erwarten wür<strong>de</strong>, dann wer<strong>de</strong>n auch sie auf ihrem Entwicklungspfad<br />
durcheinan<strong>de</strong>rgeraten und <strong>zu</strong>rück in eine Lebensweise geführt,<br />
die sie bereits hinter sich hatten, und die sie möglicherweise<br />
als unglaublich anstrengend empfin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Und so weiter....<br />
280 Die Leben <strong>de</strong>r Menschen sind in hochkomplexer Weise miteinan<strong>de</strong>r<br />
verwoben, was für <strong>de</strong>n Theoretiker sehr frustrierend sein kann.<br />
Doch wenn wir diese Verwobenheit nicht beachten, ignorieren wir<br />
einen lebenswichtigen Bestandteil unserer Entwicklung und unserer<br />
Persönlichkeit.<br />
285 Die erste Stufe<br />
Die erste Stufe, infancy o<strong>de</strong>r die oral-sensorische Phase, umfasst<br />
etwa das erste Jahr o<strong>de</strong>r die ersten an<strong>de</strong>rthalb Jahre <strong>de</strong>s Lebens.<br />
Die Aufgabe ist die Entwicklung von Vertrauen, ohne die Fähigkeit<br />
<strong>zu</strong> misstrauen völlig <strong>zu</strong> eliminieren.<br />
290 Wenn Mutter und Vater <strong>de</strong>m Neugeborenen ein gewisses Maß an<br />
Vertrautheit, Konsistenz und Kontinuität vermitteln können, wird<br />
das Kind das Gefühl entwickeln, dass die Welt – insbeson<strong>de</strong>re die<br />
soziale Welt – ein sicherer Ort ist, dass die Menschen verlässlich<br />
und liebevoll sind. Das Kind lernt durch das Verhalten <strong>de</strong>r Eltern<br />
295 ihm gegenüber auch, <strong>de</strong>m eigenen Körper und <strong>de</strong>n da<strong>zu</strong> gehören<strong>de</strong>n<br />
biologischen Bedürfnissen <strong>zu</strong> vertrauen.<br />
Sind die Eltern nicht verlässlich und inadäquat, wenn sie das Baby<br />
ablehnen o<strong>de</strong>r ihm etwas antun, wenn an<strong>de</strong>re Interessen da<strong>zu</strong><br />
<strong>Erikson</strong>-gesamt.doc Erik <strong>Erikson</strong> Seite 2 von 6