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Text zu Erikson - Ploecher.de

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Fach: Pädagogik Erik <strong>Erikson</strong> LK 12<br />

Erlernen <strong>de</strong>r sozialen Fähigkeiten widmen, die die Gesellschaft<br />

von ihnen verlangt.<br />

Hier kommt eine viel breiter angelegte soziale Sphäre <strong>zu</strong>m Tragen:<br />

Zu <strong>de</strong>n Eltern und an<strong>de</strong>ren Familienmitglie<strong>de</strong>rn kommen nun<br />

455 auch die Lehrer und Peers sowie an<strong>de</strong>re Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

insgesamt. Sie alle machen ihren Beitrag: Eltern ermutigen,<br />

Lehrer kümmern sich, Peers akzeptieren. Kin<strong>de</strong>r müssen lernen,<br />

dass es nicht nur vergnüglich ist, sich einen Plan aus<strong>zu</strong><strong>de</strong>nken,<br />

son<strong>de</strong>rn ihn auch in die Tat um<strong>zu</strong>setzen. Sie lernen das Gefühl<br />

460 von Erfolg kennen, ob in <strong>de</strong>r Schule o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Spielplatz, aka<strong>de</strong>misch<br />

o<strong>de</strong>r sozial.<br />

Ein gutes Unterscheidungsmerkmal zwischen einem Kind in <strong>de</strong>r<br />

dritten und einem Kind in <strong>de</strong>r vierten Phase ist die Art, wie sie<br />

spielen. Vierjährige lieben das Spielen, doch sie haben nur ein<br />

465 vages Verständnis <strong>de</strong>r Regeln, sie än<strong>de</strong>rn die Regeln mehrfach<br />

während <strong>de</strong>s Spiels und wer<strong>de</strong>n das Spiel auch nicht unbedingt<br />

<strong>zu</strong>en<strong>de</strong> führen, es sei <strong>de</strong>nn sie been<strong>de</strong>n das Spiel, in<strong>de</strong>m sie ihre<br />

Mitspieler mit <strong>de</strong>n Spielsteinen bewerfen. Ein Siebenjähriger hingegen<br />

achtet auf die Regeln, halt sie sogar für gera<strong>de</strong><strong>zu</strong> heilig,<br />

470 und er wird sich auch furchtbar aufregen, wenn das Spiel gestört<br />

wird und nicht <strong>zu</strong> <strong>de</strong>m vorgesehenen Abschluss kommt.<br />

Wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Kind <strong>zu</strong> wenige Erfolgserlebnisse ermöglicht, etwa<br />

wegen grober Lehrer o<strong>de</strong>r ablehnen<strong>de</strong>r Peers, dann wird das Kind<br />

statt <strong>de</strong>ssen ein Gefühl <strong>de</strong>r Unterlegenheit o<strong>de</strong>r Inkompetenz ent-<br />

475 wickeln. Zusätzliche Quellen für Min<strong>de</strong>rwertigkeit sind <strong>Erikson</strong> <strong>zu</strong><br />

Folge Rassismus, Sexismus und an<strong>de</strong>re Formen <strong>de</strong>r Diskriminierung:<br />

Glaubt ein Kind nämlich, Erfolg hänge davon ab, wer man<br />

ist, statt davon, wie sehr man sich bemüht, warum sollte es sich<br />

dann noch bemühen?<br />

480 Zu viel Eifer führt <strong>zu</strong> <strong>de</strong>r Neigung, die als niedrige Virtuosität<br />

(narrow virtuosity) bezeichnet werd. Wir sehen so etwas bei Kin<strong>de</strong>rn,<br />

<strong>de</strong>nen es nicht erlaubt ist, "Kin<strong>de</strong>r <strong>zu</strong> sein", diejenigen, die<br />

von Eltern o<strong>de</strong>r Lehrern in eine bestimmten Kompetenzbereich<br />

gedrängt wer<strong>de</strong>n, ohne dass Raum bliebe, breiter angelegte Inte-<br />

485 ressen <strong>zu</strong> entwickeln. Diese Kin<strong>de</strong>r haben kein Leben: Kin<strong>de</strong>rschauspieler,<br />

Kin<strong>de</strong>rathleten, Kin<strong>de</strong>rmusikvirtuosen, Wun<strong>de</strong>rkin<strong>de</strong>r<br />

je<strong>de</strong>r Art. Wir bewun<strong>de</strong>rn alle ihren Eifer, doch wenn wir etwas<br />

genauer hinsehen, steht all dies für ein eher leeres Leben.<br />

Weit verbreiteter ist die Neigung, die als Trägheit (inertia) be-<br />

490 zeichnet wird. Darin sind all die von uns eingeschlossen, die an<br />

"Min<strong>de</strong>rwertigkeitskomplexen" lei<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen Alfred Adler gesprochen<br />

hat. Wenn du nicht auf Anhieb erfolgreich bist, versuchst<br />

du es nie wie<strong>de</strong>r! Zum Beispiel waren viele von uns in Mathematik<br />

nie beson<strong>de</strong>rs gut, also wären wir lieber gestorben, als<br />

495 <strong>zu</strong>sätzliche Kurse <strong>zu</strong> belegen. An<strong>de</strong>re wie<strong>de</strong>rum fühlten sich im<br />

Sport ge<strong>de</strong>mütigt, folglich interessieren sie sich nie wie<strong>de</strong>r für eine<br />

Sportart. An<strong>de</strong>re haben nie soziale Fähigkeiten entwickelt – die<br />

wichtigsten aller Fähigkeiten – folglich gehen sie nie in die Öffentlichkeit.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n träge.<br />

500 Gesün<strong>de</strong>r ist es, eine Balance von Eifer und Unterlegenheit <strong>zu</strong><br />

entwickeln – <strong>de</strong>nn ein hohes Maß an Eifer mit einer Prise Min<strong>de</strong>rwertigkeit,<br />

damit wir vernünftig und beschei<strong>de</strong>n bleiben. Dann haben<br />

wir eine Tugend erreicht, die Kompetenz genannt wird.<br />

Die fünfte Stufe<br />

505 Stufe fünf ist die Adoleszenz, beginnend in <strong>de</strong>r Pubertät und en<strong>de</strong>nd<br />

zwischen 18 und 20 Jahren. Die Entwicklungsaufgabe <strong>de</strong>r<br />

Adoleszenz ist es, eine Ichi<strong>de</strong>ntität <strong>zu</strong> erreichen und Rollenverwirrung<br />

<strong>zu</strong> vermei<strong>de</strong>n. Für die Adoleszenz hat sich <strong>Erikson</strong> als erstes<br />

und am intensivsten interessiert, und die Muster, die er hier er-<br />

510 kannte, waren legten die Basis für sein Denken über alle übrigen<br />

Stufen.<br />

Ichi<strong>de</strong>ntität (ego i<strong>de</strong>ntity) meint das Wissen darüber, wer man<br />

selbst ist und wie man in die umgeben<strong>de</strong> Gesellschaft hineinpasst.<br />

Es erfor<strong>de</strong>rt, dass man all das, was man über das Leben<br />

515 und sich selbst gelernt hat, <strong>zu</strong>sammennimmt und daraus ein einheitliches<br />

Selbstbild formt, eines, das die Gemeinschaft als be<strong>de</strong>utsam<br />

anerkennen kann.<br />

Eine Reihe von Faktoren macht diese Aufgabe einfacher: Zunächst<br />

sollten wir eine mainstream Kultur <strong>de</strong>r Erwachsenen ha-<br />

520 ben, die <strong>de</strong>n Respekt <strong>de</strong>r adoleszenten Person verdient, eine Kultur<br />

mit guten Rollenmo<strong>de</strong>llen für Erwachsene sowie offenen<br />

Kommunikationslinien.<br />

Hin<strong>zu</strong> kommt, dass die Gesellschaft klare Riten <strong>de</strong>s Übergangs<br />

bereithalten muss, also bestimmte Leistungen und Rituale, die die<br />

525 Erwachsenen von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn unterschei<strong>de</strong>n helfen. In primitiven<br />

und traditionellen Gesellschaften wird <strong>zu</strong>m Beispiel von einem<br />

adoleszenten Jungen erwartet, dass er das Dorf für eine Weile<br />

verlässt und alleine lebt, dass er ein symbolisch be<strong>de</strong>utsames<br />

Tier jagt, o<strong>de</strong>r nach einer inspirieren<strong>de</strong>n Vision sucht. Jungen und<br />

530 Mädchen müssen vielleicht einige Tests ablegen, in <strong>de</strong>nen ihre<br />

Lei<strong>de</strong>nsfähigkeit geprüft wird, symbolische Zeremonien o<strong>de</strong>r erzieherische<br />

Aufgaben. Auf die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Weise wird die<br />

Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>r Zeit als machtlosem Kind ohne<br />

Verantwortung und <strong>de</strong>r zeit als mächtigere und verantwortliche<br />

535 erwachsene Person <strong>de</strong>utlich gemacht.<br />

Ohne diese Markierungen wer<strong>de</strong>n die Rollen leicht vermischt und<br />

verwechselt (role confusion), es entsteht eine Unsicherheit darüber,<br />

wo unser Platz in <strong>de</strong>r Gesellschaft und in <strong>de</strong>r Welt ist. Wenn<br />

für eine adoleszente Person die Rollen vermischt sind, so lei<strong>de</strong>t<br />

540 sie nach <strong>Erikson</strong> an einer I<strong>de</strong>ntitätskrise. Eine verbreitete Frage,<br />

die sich adoleszente Mitglie<strong>de</strong>r unserer Gesellschaft fragen ist die<br />

Frage nach <strong>de</strong>r eigenen I<strong>de</strong>ntität: "Wer bin ich?".<br />

<strong>Erikson</strong> schlägt für die Adoleszenz in unserer Gesellschaft ein<br />

psychosoziales Moratorium vor. Er meint, du sollst ein kurzes "ti-<br />

545 me out" in Anspruch nehmen. Wenn du genug Geld hast, geh<br />

nach Europa. Wenn nicht, bereise die Vereinigten Staaten. Brich<br />

die Schule ab und such dir einen Job. Schmeiß’ <strong>de</strong>n Job und geh<br />

<strong>zu</strong>r Schule. Mach eine Pause, nimm <strong>de</strong>n Duft <strong>de</strong>r Rosen wahr und<br />

lerne dich selbst kennen. Wir neigen da<strong>zu</strong>, so schnell wie möglich<br />

550 "Erfolge" <strong>zu</strong> erzielen, doch nur wenige von uns haben sich jemals<br />

die Zeit genommen, heraus<strong>zu</strong>fin<strong>de</strong>n, was Erfolg eigentlich für uns<br />

be<strong>de</strong>utet. Wie bei <strong>de</strong>n jungen Stammesmitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Oglala<br />

Lakota müssen wir vielleicht einfach ein wenig träumen.<br />

Es gibt auch so etwas wie <strong>zu</strong> viel "Ichi<strong>de</strong>ntität", wenn eine Person<br />

555 in einer bestimmten Gesellschaft o<strong>de</strong>r Subkultur so sehr in einer<br />

bestimmten Rolle aufgeht, dass kein Raum für Toleranz bleibt.<br />

<strong>Erikson</strong> nennt dies die Neigung <strong>zu</strong> Fanatismus. Ein Fanatiker<br />

glaubt, sein Weg sei <strong>de</strong>r einzige Weg. Adoleszente sind natürlich<br />

für ihren I<strong>de</strong>alismus berühmt, und auch für ihre Neigung, die Din-<br />

560 ge nur schwarzweiß <strong>zu</strong> sehen. Solche Menschen scharen Gleichgesinnte<br />

um sich und verbreiten ihre Überzeugungen und Lebensgewohnheiten,<br />

ohne auf das Wi<strong>de</strong>rspruchsrecht an<strong>de</strong>rer<br />

Menschen <strong>zu</strong> achten.<br />

Der Mangel an I<strong>de</strong>ntität ist vielleicht noch schwieriger, <strong>Erikson</strong> be-<br />

565 zeichnet diese Fehlentwicklung als Zurückweisung (repudiation).<br />

Menschen mit dieser Neigung ziehen sich als Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt<br />

<strong>zu</strong>rück und negieren sogar ihr Bedürfnis nach einer<br />

I<strong>de</strong>ntität. Manche Adoleszente erlauben sich, mit einer Gruppe<br />

<strong>zu</strong> "verschmelzen", insbeson<strong>de</strong>re mit einer Gruppe, die bemüht<br />

570 ist, dir eine <strong>de</strong>taillierte I<strong>de</strong>ntität bereit<strong>zu</strong>stellen: religiöse Kulte, militaristische<br />

Organisationen, Gruppen, die auf Hass aufgebaut<br />

sind, Gruppen, die sich von <strong>de</strong>n schmerzlichen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

mainstream-Gesellschaft getrennt haben. Diese Menschen verhalten<br />

sich möglicherweise auch <strong>de</strong>struktiv, tendieren <strong>zu</strong> Drogen<br />

575 o<strong>de</strong>r Alkohol, o<strong>de</strong>r ziehen sich in ihre eigenen psychotischen Fantasien<br />

<strong>zu</strong>rück. Für sie ist es letztlich besser, "böse" o<strong>de</strong>r "niemand"<br />

<strong>zu</strong> sein, als gar nicht <strong>zu</strong> wissen, wer man ist!<br />

Wenn diese Phase erfolgreich ausbalanciert wird, erreicht man eine<br />

Tugend, die <strong>Erikson</strong> als Glaubwürdigkeit (fi<strong>de</strong>lity) bezeichnet.<br />

580 Damit ist Loyalität gemeint, die Fähigkeit also, gemäß gesellschaftlicher<br />

Standards <strong>zu</strong> leben, trotz ihrer Unvollkommenheiten<br />

und trotz ihrer Unvollständigkeit und Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit. Wir<br />

sprechen hier nicht von blin<strong>de</strong>r Loyalität, und auch nicht davon,<br />

dass die Unvollkommenheiten hingenommen wer<strong>de</strong>n sollen. Denn<br />

585 wenn du <strong>de</strong>ine Gemeinschaft liebst, willst du, dass sie so gut wird<br />

wie nur möglich. Doch Glaubwürdigkeit be<strong>de</strong>utet, dass du einen<br />

Platz in dieser Gemeinschaft gefun<strong>de</strong>n hast, einen Platz, <strong>de</strong>r es<br />

dir erlaubt, <strong>de</strong>inen Beitrag <strong>zu</strong> leisten.<br />

Die sechste Stufe<br />

590 Wenn du so weit gekommen bist, befin<strong>de</strong>st du dich in <strong>de</strong>r Phase<br />

<strong>de</strong>s frühen Erwachsenenalters, etwa vom 18. bis <strong>zu</strong>m 30. Lebensjahr.<br />

In <strong>de</strong>n Stufen <strong>de</strong>s Erwachsenenalter sind die Übergänge<br />

nicht mehr so präzise <strong>zu</strong> bestimmen, und auch die Menschen sind<br />

sehr viel unterschiedlicher. Die Entwicklungsaufgabe besteht da-<br />

595 rin, ein gewisses Maß an Intimität <strong>zu</strong> erreichen, statt isoliert <strong>zu</strong><br />

bleiben.<br />

Intimität ist die Fähigkeit, an<strong>de</strong>ren nahe <strong>zu</strong> sein, als Geliebte/r,<br />

Freund/in und als Mitglied <strong>de</strong>r Gesellschaft. Weil du jetzt weißt,<br />

wer du bist, musst du nicht mehr fürchten, dich selbst <strong>zu</strong> "verlie-<br />

600 ren", wie es manche Adoleszente empfin<strong>de</strong>n. Die "Furcht, sich für<br />

etwas ein<strong>zu</strong>setzen", sie manche Menschen <strong>zu</strong> haben scheinen, ist<br />

in dieser Phase ein Zeichen für Unreife. Diese Furcht ist nicht immer<br />

so offensichtlich.<br />

<strong>Erikson</strong>-gesamt.doc Erik <strong>Erikson</strong> Seite 4 von 6

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