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Predigt zu Markus 3, 31-35 13. Sonntag nach Trinitatis 2011 Liebe ...

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<strong>Predigt</strong> <strong>zu</strong> <strong>Markus</strong> 3, <strong>31</strong>-<strong>35</strong><br />

<strong>13.</strong> <strong>Sonntag</strong> <strong>nach</strong> <strong>Trinitatis</strong> <strong>2011</strong><br />

<strong>Liebe</strong> Gemeinde,<br />

in jeder <strong>Predigt</strong> versuchen wir gewissermaßen zwei Schritte <strong>zu</strong> gehen.<br />

Zum Einen: wir betrachten einen alten Text,<br />

hören eine längst vergangene Geschichte<br />

und <strong>zu</strong>m Zweiten: wir versuchen den Bogen <strong>zu</strong> schlagen<br />

aus dieser alten Geschichte hin <strong>zu</strong> unserem eigenen Leben.<br />

Von der Familie Jesu erzählt heute unser Bibeltext.<br />

Was hat das mit uns <strong>zu</strong> tun?<br />

Wenn man an die Familie Jesu denkt, dann fällt uns ein:<br />

Maria und Josef und das Jesuskind, die heilige Familie.<br />

Wir haben sie gewissermaßen vor Augen,<br />

drüben in der Bilderecke auf dem alten Glasfenster.<br />

Diese Fenster, manche wissen es, stammen aus der alten Kirche von 1903.<br />

Damals war die ganze Kirche mit Glasfenstern geschmückt.<br />

Ich erinnere mich noch, dass mir die längst verstorbene Bertha Bühler erzählt hat:<br />

auf einem der Fenster hatte der Künstler<br />

das Töchterlein des damaligen Organisten und Schullehrers Wolff abgebildet ….<br />

Von diesen alten Fenstern waren bei der Zerstörung 1944 zwei ausgelagert,<br />

sie sind erhalten geblieben:<br />

Auferstehung – Beweinung Christi mit Maria Magdalena mit dem langenroten Haar….<br />

ein drittes Bild hat man <strong>nach</strong> den alten Plänen wieder hergestellt:<br />

das Weih<strong>nach</strong>tsbild mit Maria und Josef und dem Jesuskind und den betenden Hirten.<br />

Die Familie Jesu: Maria, Josef und das Jesuskind,<br />

fast wie auf einem Familienfoto.<br />

Die heilige Familie.<br />

Aber die heilige Familie ist keine heile Familie.<br />

So harmonisch wie es drüben auf unserem alten Glasfenster aussieht,<br />

war es ja später nicht mehr, man kann’s im Evangelium <strong>nach</strong>lesen.<br />

Von Josef ist nicht mehr die Rede,<br />

vielleicht lebt er längst nicht mehr.<br />

Dafür lesen wir von den Brüdern und Schwestern.<br />

Es muss ziemlich gekriselt haben in der Jesusfamilie.<br />

Die Verwandtschaft hält Jesus für verrückt.<br />

„Er ist von Sinnen!“ heißt es etwas vornehmer formuliert im Evangelium.<br />

„ex-éste“ steht da im Griechischen, das verstehen wir fast: „ex“ heißt „aus“,<br />

ex und hopp, das kennen wir,<br />

„ex-éste“ – das meint; da ist jemand außer sich, eben: verdreht, verrückt, von Sinnen.


Unser Bruder Jesus ist verrückt, von Sinnen, außer sich, der steht neben sich --<br />

-- so sagen die Verwandten, die Familie, Brüder, Schwestern, die Mutter Maria.<br />

Später, das kann man <strong>nach</strong>lesen in der Apostelgeschichte,<br />

später waren die leiblichen Brüder Jesu in der Gemeinde integriert,<br />

der „Herrenbruder Jakobus“ spielt eine wichtige Rolle,<br />

die Mutter Jesu stand mit den Frauen unter dem Kreuz, fand <strong>zu</strong>r Gemeinde,<br />

im Lauf der Jahrhunderte wurde sie mehr und mehr verehrt,<br />

ja sogar in den Mittelpunkt gerückt:<br />

„Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade…“ am Anfang war das noch anders.<br />

Hier in <strong>Markus</strong> 3, in unserem Text ist davon noch nichts <strong>zu</strong> spüren:<br />

„es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen ------------------- draußen“<br />

Sie wollen ihn aus dem Verkehr ziehen, weil sie denken:<br />

der bringt uns alle in ein schiefes Licht.<br />

Ich muss sagen: ich verstehe die Mutter Maria!<br />

Als jemand, der selber Kinder hat, verstehe ich die Mutter Maria!<br />

Wer von uns wäre nicht auch verunsichert,<br />

wenn ein Sohn die familiären Bindungen kappen würde,<br />

um in der Fußgängerzone am Europaplatz Geschichten <strong>zu</strong> erzählen<br />

und mit ein paar jungen Männern ohne festen Wohnsitz durch die Gegend <strong>zu</strong> ziehen?<br />

Natürlich würden wir da auch sagen:<br />

Mensch, kommt, wir versuchen, ihn <strong>nach</strong> Hause <strong>zu</strong> holen,<br />

er bringt uns noch ins Gerede. Was werden die Leute sagen in der Gemeinde….<br />

Und sie sprachen <strong>zu</strong> ihm: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine<br />

Schwestern draußen fragen <strong>nach</strong> dir…“<br />

Hart klingt die Antwort Jesu in unseren Ohren:<br />

„Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Siehe, wer Gottes Willen tut,<br />

der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!“<br />

Familienkritisch nennen die schlauen Bücher in ihren Kommentaren diese Szene.<br />

Jesus ist familienkritisch.<br />

Interessant – falls Sie es interessiert:<br />

nur <strong>Markus</strong> schreibt diese Szene so drastisch auf.<br />

Bei Matthäus und Lukas – später entstanden – steht der anstößige Satz<br />

„ex-éste- er ist von Sinnen“ gar nicht, und Johannes schreibt sogar lediglich:<br />

„Auch seine Brüder glaubten nicht an ihn!“ (Joh 7,5).<br />

Und was fangen wir jetzt mit dieser Geschichte aus dem Evangelium an?<br />

Um den großen Bogen geht’s ja,<br />

darum, dass wir etwas lernen und verstehen und bedenken für unser eigenes Leben.<br />

Wir kommen ja nicht nur in die Kirche, um uns alte Geschichten <strong>zu</strong> erzählen,<br />

sondern um unser eigenes Leben <strong>zu</strong> bedenken, <strong>zu</strong> hinterfragen, <strong>zu</strong> verstehen.


Wir könnten uns unsere eigene Familiensituation vor Augen stellen.<br />

Unser Familienleben – wie sieht es aus?<br />

Macht es uns Freude oder Kummer?<br />

Jeder könnte da<strong>zu</strong> jetzt etwas erzählen.<br />

Karl Kraus, österreichisches Schriftsteller um 1900, bekannt für seine Scharfzüngigkeit,<br />

hat mal den Satz geschrieben:<br />

„Das Wort „Familien-bande“ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“<br />

Verstehen Sie, was er meint? Familienbande – das ist doppeldeutig, meint er:<br />

Familien-bande ist das, was uns mit der Familie verbindet,<br />

aber gleichzeitig ist es verstehbar auch im Sinne von: oje, was für eine Rassel-bande….<br />

„Das Wort „Familienbande“ hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“<br />

Wieviel Entfremdung,<br />

wie viele Kränkungen und Enttäuschungen kann es innerhalb einer Familie geben.<br />

Manche haben sich hoffnungslos zerstritten.<br />

Was habe ich hier nicht schon erlebt, Dinge, die man sich gar nicht ausdenken kann<br />

und die doch passieren zwischen und in den Familien….<br />

Und andererseits gibt es natürlich auch das gelingende Familienleben,<br />

wer im Frieden lebt mit seinen Geschwistern, Kindern, Eltern<br />

--- sollte sich dran freuen. Es versteht sich nicht von selbst.<br />

Unser heutiger Text vom familienkritischen Jesus könnte unseren Horizont erweitern.<br />

Sind wir nicht oft ziemlich ausschließlich auf die Familie fixiert?<br />

So, dass wir etwa sagen:<br />

„die Familie war sein Leben“, wenn jemand gestorben ist.<br />

Aber wenn die Familie sein Leben war – was bleibt dann eigentlich am Ende?<br />

Wir wissen es doch alle: wir können einander nicht festhalten,<br />

alle menschliche familiäre Verbundenheit ist nicht für immer,<br />

es tut uns weh, aber es ist so.<br />

Und andererseits: wie oft machen wir einander etwas vor,<br />

spielen vielleicht ein heiles Familienleben den anderen vor,<br />

halten eine Fassade aufrecht.<br />

Was bleibt mir dann, wenn die Familie zerbricht - wenn die Familie alles ist?<br />

Der Horizont soll weiter sein als die Familie. So sagt es uns das heutige Evangelium.<br />

Der Nächste ist grad der, mit dem ich gar nicht verwandt bin<br />

--- denken Sie an den barmherzigen Samariter,<br />

von dem wir vorhin gehört und gesungen haben!<br />

Jesus reißt den Horizont auf:<br />

„Siehe, wer Gottes Willen tut,<br />

der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!“<br />

Das ist nicht nur eine Kritik an einer gluckenhaften Familienfixiertheit,<br />

sondern positiv gesehen: es zeigt, dass uns etwas verbinden kann<br />

über alle Blutsverwandtschaft und Familienverbindung hinaus…


Um das Positive, Aufbauende in dieser Geschichte hervor<strong>zu</strong>heben,<br />

will ich‘s am Schluss nochmal anders sagen:<br />

Es gibt ein DRINNEN in dieser Geschichte und es gibt ein DRAUSSEN.<br />

Die Mutter und seine Brüder (die doch eigentlich per Familienbindung „drinnen“ sind)<br />

standen „draußen“.<br />

Und – das ist der Witz – die Jünger (die mit ihm ja nicht verwandt sind) sind „drinnen“.<br />

Es gibt ein DRINNEN und ein DRAUSSEN.<br />

Wir wollen alle DRINNEN sein,<br />

da<strong>zu</strong>gehören, irgendwo eine Heimat haben.<br />

Wir brauchen eine Mitte, einen Ort, wo wir hingehören,<br />

Jugendliche brauchen die Clique,<br />

wir brauchen, ums ein wenig abgehoben <strong>zu</strong> sagen, „Identität“,<br />

etwas, womit wir uns identifizieren können.<br />

Die Kirche, das ist ein Raum, in dem man da<strong>zu</strong>gehört, wenn man sich in den Kreis setzt.<br />

Und die Jünger, diese einfachen Leute vom See Genezareth,<br />

haben wohl diese Erfahrung mit Jesus gemacht, dass sie da<strong>zu</strong>gehörten,<br />

sich um ihn herumgesetzt haben, er war ihre Mitte.<br />

Jesus ist die Mitte, sonst nichts.<br />

Die Türen sollen offen sein, aber die Mitte steht nicht <strong>zu</strong>r Disposition.<br />

Ob es viele Probleme in unserer Gesellschaft gibt,<br />

weil es für viele Menschen keine Mitte gibt?<br />

Oder weil viele nur sich selber als Mitte haben?<br />

Unser Bibeltext vom familienkritischen Jesus ist eine Einladung:<br />

Kommt in den Kreis derer, die <strong>zu</strong> Jesus gehören!<br />

Es soll in der Kirche keinen geschlossenen Kreis geben.<br />

Wenn wir im Kreis sitzen und uns abschotten,<br />

wenn wir Bedingungen stellen, wer im Kreis sitzen darf, wer da<strong>zu</strong>gehört,<br />

dann sind wir vielleicht selber schon wieder „draußen“.<br />

Jemand hat es schön so gesagt:<br />

„Ich wünsche mir eine Kirche, die deutlich ist und die undeutliche Gäste duldet…<br />

Ich wünsche mir eine Kirche, die ihre Türen weit geöffnet hat.<br />

Es soll jeder eintreten können.“<br />

Lasst euch einladen, sagt unsere <strong>Sonntag</strong>sgeschichte,<br />

nicht die Familie ist alles im Leben,<br />

wie entlastend, dass wir die Familie als ein Geschenk sehen dürfen,<br />

an der nicht der einzige Sinn unseres Lebens hängt,<br />

entscheidend ist, sich in den Kreis <strong>zu</strong> setzen, dann gehört man da<strong>zu</strong><br />

--- und der Kreis ist offen.<br />

Amen.

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