OSTSEE-ZEITUNG Nanokristalle und ... - wortlaut-rostock
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<strong>OSTSEE</strong>-<strong>ZEITUNG</strong><br />
29.01.2007<br />
<strong>Nanokristalle</strong> <strong>und</strong> Patientenverfügung<br />
in Hörsaal 101<br />
Ein Mal im Monat treffen sich die wahren<br />
„älteren Semester“ in der Hochschule<br />
Wismar zur Senioren-Uni.<br />
„Es ist recht gut für den Kopf“, stellt Roland<br />
Fuchs aus Wismar fest. Der 81-Jährige ist auf<br />
die Senioren-Uni abonniert, kommt zu jeder<br />
Veranstaltung. Die erste war vor knapp<br />
einem Jahr, im April. Also sind Herr Fuchs<br />
<strong>und</strong> manche seiner „Kommilitonen“ jetzt<br />
schon im dritten Semester. Alle vier Wochen<br />
hören sie Vorträge zu unterschiedlichen<br />
Themen.<br />
„Es ist nie einseitig“, meint der ehemalige<br />
Chemieingenieur. „Kunst, Literatur, aber auch<br />
naturwissenschaftliche Themen – es ist alles<br />
interessant.“<br />
Zwischen 40 <strong>und</strong> 100 Senioren nehmen das<br />
Angebot der Hochschule Wismar an jedem<br />
dritten Freitag im Monat an. Diese Resonanz<br />
hatte sich Organisatorin Kathrin Dinse von<br />
der Servicegesellschaft der Hochschule<br />
erhofft.<br />
„Wir haben überlegt, welche Themen sich<br />
eignen könnten“, erzählt sie. „Es sollten ganz<br />
verschiedene sein, nicht ein einzelnes Fach<br />
durchgearbeitet werden.“<br />
Inzwischen standen die Einsteinsche<br />
Relativitätstheorie <strong>und</strong> Astronomie genauso<br />
auf dem Programm wie Fragen zu Ernährung<br />
<strong>und</strong> Patientenverfügung oder Medizinthemen.<br />
„Wir haben schon Kritik bekommen, weil<br />
das Niveau bei uns relativ hoch ist“, sagt die<br />
Organisatorin. „Aber wir wollen das so. Es<br />
gibt ja viele Bildungsangebote, da wollen wir<br />
als Hochschule uns etwas abheben.“<br />
Eingeladen sind alle Wissensdurstigen, die<br />
über 55 Jahre alt sind.<br />
Eine besondere Studiengruppe von acht bis<br />
20 Leuten kommt regelmäßig aus dem<br />
schleswig-holsteinischen Mölln angereist. Die<br />
Herrschaften – fast alle über 70 - leben im<br />
Augustinum, einem Seniorenstift. Manchmal<br />
verbinden sie die Reise nach Wismar mit<br />
einem Rahmenprogramm, besichtigen<br />
Ausstellungen oder erk<strong>und</strong>en die Hansestadt.<br />
Nur im Oktober vergangenen Jahres kam die<br />
Seniorenuni Wismar ausnahmsweise zu ihnen<br />
ins Augustinum.
Auch diesmal sind die Möllner dabei, als es<br />
um das Thema „Die norddeutsche Landschaft<br />
– Kulturlandschaft <strong>und</strong> Siedlungsgeschichte“<br />
geht.<br />
40 Männer <strong>und</strong> Frauen verteilen sich in den<br />
ersten Sitzreihen des Hörsaals – um gut<br />
hören <strong>und</strong> sehen zu können. Viele kommen<br />
allein, manche als Ehepaar. Sie hören<br />
intensiv zu, einige schreiben mit.<br />
Der Referent, Uli Franke, ist<br />
Landschaftsarchitekt <strong>und</strong> arbeitet in<br />
Schwerin. Außerdem ist er Dozent für<br />
Landschaftsplanung, Städtebau <strong>und</strong><br />
Ortsplanung an der Fachhochschule Lübeck.<br />
Bei der Eiszeit fängt sein Vortrag an. Er<br />
spricht über die Besiedlung durch slawische<br />
Stämme <strong>und</strong> Wikinger aus Schweden. Sie<br />
<strong>und</strong> ihre Nachfahren nutzten das Holz aus<br />
den ausgedehnten Wäldern – so intensiv,<br />
dass heutzutage nur noch 15 % der Fläche<br />
von Bäumen bedeckt ist. Daraus leitet Franke<br />
die Frage ab, welche Art von Landschaft<br />
erhaltenswert ist.<br />
Die Besucher hören intensiv zu. In der<br />
Kaffeepause suchen sie das Gespräch mit<br />
dem Referenten, nehmen die ausliegenden<br />
Literaturlisten mit – ein Beispiel für alle<br />
„richtigen“ Studenten!<br />
Roland Fuchs ist sehr angetan von dem<br />
Thema.<br />
„Ich komme eigentlich aus dem<br />
Schwarzwald, wohne erst seit ein paar Jahren<br />
in Wismar“, erzählt er. „Ich wusste bisher<br />
sehr wenig über die Landschaft hier.“<br />
Irmgard Hanschke ist zum zweiten Mal mit<br />
nach Wismar gekommen.<br />
„Mich hat wieder das Thema interessiert“,<br />
sagt die 80-Jährige aus dem Seniorenstift in<br />
Mölln. „Beim letzten Mal auch – da ging es<br />
um <strong>Nanokristalle</strong>. Das wollte ich gern hören,<br />
weil ich früher technische Assistentin in der<br />
Elektronenmikroskopie war.“<br />
Spezielle Wünsche für das<br />
Vorlesungsprogramm des nächsten<br />
Semesters hat sie nicht.<br />
„Nur nichts, was mit Alten zu tun hat“, sagt<br />
sie lachend.<br />
Roland Fuchs will sich auch nicht festlegen.<br />
„Ich würde mir Technik als Thema<br />
wünschen. Aber es ist schwierig, etwas<br />
auszuwählen. Bei sämtlichen Themen ist es<br />
interessant, sie so kompakt zu hören.“<br />
Spricht´s <strong>und</strong> setzt sich wieder auf seinen<br />
Platz in ersten Reihe, um den zweiten Teil der<br />
Vorlesung zu hören.