Solangeist - Lutherkirche Wiesbaden
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Kann man Glauben säen?<br />
oder:<br />
unter welchen Aspekten wird heute<br />
über Kindergottesdienst nachgedacht?<br />
Viele von uns haben vielfältige und schöne Erinnerungen<br />
an ihren eigenen Kindergottesdienst. Doch<br />
der Kindergottesdienst von heute unterscheidet sich in<br />
manchem von dem, was wir früher erlebt haben. Heute<br />
sprechen wir nicht mehr nur davon, was wir Kindern mitgeben<br />
können, was wir ihnen vermitteln wollen. Sondern<br />
wir fragen uns auch, was wir von den Kindern bekommen.<br />
Eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir dies annehmen<br />
können, ist, dass wir Kindheit nicht nur als Vorstufe zum<br />
wirklichen Menschsein sehen, sondern die kleinen Personen<br />
genauso ernst nehmen wie die großen. Das mag<br />
manchen vielleicht selbstverständlich vorkommen. In der<br />
Theologie und in der Kirche ist das aber tatsächlich ein<br />
recht junger Gedanke. Lange wurde das Kind als noch<br />
nicht vollständiger Mensch gesehen.<br />
Inzwischen stellt der Theologieprofessor und Pfarrer Wilfried<br />
Härle sogar die umgekehrte Frage, »ob die Kindheit<br />
eine Entwicklungsform des Menschseins sein könnte, die<br />
über Möglichkeiten verfügt, die später wieder verloren gehen<br />
…«. Das würde dann heißen, dass wir nur dann eine<br />
vollständige Theologie betreiben können, wenn wir uns<br />
durch die Kinder diese Dimensionen des Kindseins wieder<br />
in das theologische Nachdenken und unsere Gottesdienste<br />
hineinholen. Er interpretiert damit das, was Jesus<br />
gemeint haben könnte, als er sagte: »Lasst die Kinder<br />
zu mir kommen. Wehret ihnen nicht. Wahrlich ich sage<br />
euch, wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind<br />
wird nicht hineinkommen.« (Mk 10,15 parr.) Für W. Härle<br />
weist Kinderglaube sogar »Züge des Vorbildhaften« auf,<br />
da Kinder »einen besonders authentischen, vorbehaltlosen,<br />
umfassenden Zugang zum Glauben haben oder zumindest<br />
haben können«.<br />
Durch diese neue Blickweise ist ein entscheidender Perspektivwechsel<br />
in die Kindergottesdienstlandschaft eingetreten.<br />
Dabei richtet sich die seit ca. 20 Jahren etablierte Methode<br />
der »Kindertheologie« weniger an die »unwissenden«<br />
Kinder, denen man jetzt das erzählt, was richtig ist. Sondern<br />
leitend ist das Interesse an den Gedanken der Kinder<br />
und nicht das Interesse, die Kinder zu belehren.<br />
Die Kindertheologie nimmt die Kinder mit ihren religiösen<br />
Vorstellungen und Fragen selber ernst. Sie werden ermu-<br />
tigt, eine Geschichte zu entdecken und mit eigenen Inhalten<br />
sowie mit Fragen zu füllen. »Was meint ihr, was fehlt<br />
denn noch nach den sechs Schöpfungstagen, an was hat<br />
Gott noch nicht gedacht, was hat er vielleicht übersehen?«<br />
Antwort: »Die Häuser«. Ein anderes Kind: »Aber die werden<br />
doch von Menschen gebaut«. Ein drittes Kind »Es<br />
fehlt gar nix«… . So lernen die Kinder, sich mit den Inhalten<br />
der Geschichten auseinander zu setzen von ihren eigenen<br />
Bildern, aber auch von ihren Fragen zu erzählen. Ein<br />
Kind sagte zum Beispiel, als wir die einzelnen Stationen<br />
der Ostergeschichte miteinander besprochen haben und<br />
an Karfreitag angekommen waren: »Das mit dem Kreuz an<br />
Ostern, das hat der böse Gott gemacht, der Teufel«. Ein<br />
anderes Kind: »Den Teufel gibt es doch gar nicht«. Pfarrerin:<br />
»Ich glaube, das hat gar nicht Gott gemacht, sondern<br />
die Menschen haben Jesus ans Kreuz geschlagen.« Anderes<br />
Kind: »Ja die Römer, die waren das.« So lernen die<br />
Kinder, sich mit den Geschichten auseinanderzusetzen.<br />
Die Geschichten selber sind offen für die Interpretationen<br />
der Kinder, für ihren eigenen Verstehenszusammenhang.<br />
Die Kindertheologie geht davon aus, dass »wenn Theologie<br />
das Nachdenken über Gott ist, dann sind auch Kinder<br />
schon Theologen, denn sie denken eigenständig über Gott<br />
nach«.<br />
Der Kindergottesdienst von heute nimmt Kinder somit<br />
als eigenständig denkende und fragende Personen wahr.<br />
Die Kinder lernen die Welt und sich selbst in Beziehung zu<br />
Gott kennen und erfahren christliche Sprach- und Handlungsfähigkeiten.<br />
Dabei sind vor allem drei Aspekte wichtig:<br />
1. Zum einen gehört dazu, dass die Kinder Worte und<br />
Gesten für das Beten zu Gott suchen und finden können.<br />
Sei es im Nachsprechen eines Psalm, im gemeinsamen<br />
Vaterunsergebet oder in eigenen Gebetsformulierungen<br />
– Kinder lernen ihren Glauben vor Gott und vor anderen<br />
Menschen zu verbalisieren und auszudrücken.<br />
2. Dabei ist es zum anderen wichtig, dass sie sich selber<br />
eingebettet in eine Erzählgemeinschaft erfahren. Ihre Welt<br />
und das Leben können sie mit Hilfe biblischer Geschichten<br />
deuten. In der jüdisch-christlichen Tradition ist das Erzählen<br />
der Glaubensgeschichten die Methode der Tradierung