Januar 2014 - a tempo
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10 | 11 augenblicke<br />
01 | <strong>2014</strong><br />
Lettische Lieder von<br />
Maria A. Kafitz (Text) & Sebastian Hoch (Fotos)<br />
Das Ankommen in einer Stadt ist kein unentscheidender<br />
Moment. Das Wie-Hinkommen manchmal auch ein entscheidender.<br />
Mal schwebt man im Flugzeug vom Himmel. Mal<br />
rattert man mit der Bahn heran oder staut sich im Auto hinein.<br />
Und manchmal nimmt man einen jener Busse, die sich auch auf<br />
deutschen Straßen – ob sinnig oder unsinnig – den Weg zurück -<br />
erobert haben, und konnte damit kein besseres Verkehrsmittel<br />
zum Hin- und Ankommen wählen!<br />
Meine erste Reise vor einem Jahr nach Riga ließ mich aus dem<br />
Mangel an Alternativen einen dieser Überlandbusse nehmen, da<br />
ich von Estland aus nach Lettland fuhr – mit der Bahn ein immer<br />
noch sehr zeitintensives Unterfangen, das laut Auskunft im<br />
Grenzstädtchen Valga unter Umständen zum Anschlusszug auch<br />
noch einen kleinen spätabendlichen Fußmarsch beinhaltet hätte.<br />
Abenteuerlust hin oder her – ich wollte keine überlange Anreisezeit,<br />
ich wollte Zeit für diese Stadt, die <strong>2014</strong> zusammen mit dem<br />
nordschwedischen Umeå europäische Kulturhauptstadt ist. Dass<br />
ich dennoch zumindest etwas Abenteuerlust und zudem Vertrauen<br />
und Geduld brauchen würde, zeigte sich schon am übervollen<br />
Busbahnhof von Tallinn. In einer Zeitung las ich einmal, dass<br />
beim öffentlichen Verkehr Japaner nach weniger als einer<br />
Minute, Schweizer «erst» ab zwei Minuten, Deutsche ab rund fünf<br />
Minuten und Italiener nach mindestens zwanzig Minuten von einer<br />
«Verspätung» sprechen. Dieser Artikel kam mir wieder in den Sinn,<br />
als ich zwischen all den Taschen, Tüten, Koffern, Kartons, Boxen<br />
und dem Allerlei stand, das sich in einem Bus so transportieren lässt,<br />
und die Esten, Letten und Russen die um fast drei Stunden ver -<br />
zögerte Abfahrtszeit nicht wirklich beunruhigend fanden.<br />
Zumindest kam unter ihnen keine Unruhe auf. Man aß und trank,<br />
rauchte und redete und wartete – unbeweglich, unbeeindruckt.<br />
Nur ein paar Touristen, die ständig im Wechsel auf die Uhr und<br />
ihr Gepäck und wieder auf die Uhr schauten, rannten mehrfach<br />
zum Ticketschalter in der grauen Blechbaracke, um dort zwar ein<br />
«Lächeln», aber keine wirkliche Auskunft zu erhalten.<br />
Ob der Bus, der dann kam und uns in Windeseile oder vielmehr<br />
ruppigem Eilkommando<strong>tempo</strong> alle aufnahm, ein Ersatzbus war,<br />
werde ich nie erfahren. Es ist auch gleich, denn er und seine<br />
«Stewardess» – ja, so heißen auch die Damen, die für Wohl und<br />
Wehe während der Busreise zuständig sind – schenkten mir ein<br />
kostenloses baltisches Schauspiel: Auf kleinen Bildschirmen lief ein<br />
Sicherheits- und Werbefilm in estnischer, lettischer, russischer und<br />
englischähnlicher Sprache. Eine hübsche Blondine in hochhackigen<br />
Schuhen und kurzem Röckchen, deren Gepäck sorgfältig verstaut<br />
und sie an ihren Platz gebracht wurde, räkelte sich bequem auf dem<br />
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Die «Allegorie der Freiheit», im Volksmund «Milda» genannt, ist das zentrale Symbol für die nationale Souveränität Lettlands im Herzen Rigas. In ihren Händen<br />
trägt und schützt sie die drei historischen Regionen: «Kurzeme» (Kurland), « Vidzeme» (Livland) und «Latgale» (Lettgallen).