FernUni Hochschulzeitung "Perspektive", Ausgabe 50, Winter 2014
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Campus<br />
Seite 4<br />
<strong>FernUni</strong> Perspektive<br />
Fachtagung zum „Fernweh“<br />
Großes Kino in der <strong>FernUni</strong>versität<br />
Großes Kino in der <strong>FernUni</strong>versität:<br />
vier Stunden Filmschauen, Eis für<br />
alle in der Pause und danach Gespräche<br />
bei einem Glas Wein. Und<br />
es waren nicht wenige Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer, die sich für<br />
das erst jüngst mit dem deutschen<br />
Filmpreis prämierte Filmjuwel interessierten,<br />
das das Institut für Neuere<br />
deutsche Literatur- und Medienwissenschaft<br />
zeigte: „Die andere<br />
Heimat. Chronik einer Sehnsucht“.<br />
Der Film wurde zum Auftakt der kulturwissenschaftlichen<br />
Tagung „‚Fort<br />
von hier, nur fort von hier!‘ Fernweh<br />
von 1830 bis zur Gegenwart“ aufgeführt.<br />
Er stieß nicht nur bei den<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
dieser Konferenz auf großes Interesse,<br />
sondern auch bei vielen Filmund<br />
Literarturfreunden.<br />
Wichtig ist das nicht Gezeigte<br />
Viele der Zuschauerinnen und Zuschauer<br />
sah man am zweiten Abend<br />
wieder, als der „Kultregisseur“ Edgar<br />
Reitz an gleicher Stelle über seine Arbeit<br />
sprach, darüber, was ihn beim<br />
Drehen seiner „Heimat“-Filme antrieb.<br />
Eine wichtige Rolle spielt nicht<br />
zuletzt das, was nicht gezeigt wird,<br />
was einstudiert und vielleicht gedreht<br />
wurde, dann aber der Schere<br />
zum Opfer fiel. Diese Geschichten im<br />
Hintergrund haben die Schauspielerinnen<br />
und Schauspieler jedoch verinnerlicht<br />
und können sie so indirekt<br />
in ihre Rolle einbringen, was den Filmen<br />
ihre Dichte und ihre Nähe gibt.<br />
Gesprächspartner auf dem Podium<br />
war Prof. Dr. Thomas Koebner, der<br />
sich als renommierter Publizist und<br />
Filmwissenschaftler seit Jahren intensiv<br />
mit Reitz‘ Werken auseinandergesetzt.<br />
Moderiert wurde das<br />
Gespräch von dem Wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiter Dr. Malte Kleinwort,<br />
der zusammen mit Dr. Irmtraud<br />
Hnilica, Matthias Plumpe und<br />
Patrick Ramponi die Tagung organisiert<br />
hatte. Was bei der Planung<br />
von Filmaufführung und Podiumsgespräch<br />
niemand hatte ahnen können:<br />
Am 21. Oktober wurde „Die<br />
andere Heimat“ in die Vorauswahl<br />
für den 27. Europäischen Filmpreis<br />
aufgenommen.<br />
„Fernweh“: Jeder hat wohl eine<br />
Vorstellung davon, was sich hinter<br />
dem schillernden, schwer greifbaren<br />
Alltagsbegriff verbergen könnten,<br />
aber was es genau ist, weiß<br />
niemand. Wer „Fernweh“ verspürt,<br />
den überkommt ein unstillbares<br />
Verlangen nach Ferne, verbunden<br />
mit einem Unbehagen an der Gegenwart.<br />
Unter anderem sollte die<br />
Tagung einen Beitrag zur Klärung<br />
der Frage leisten, wie Reisen, Reiselust<br />
und Fernweh zusammengehören.<br />
Am ersten Abend wurde das 230-minütige Filmepos „Die andere Heimat. Chronik<br />
einer Sehnsucht“gezeigt...<br />
Rückblickend konnten Patrick Ramponi<br />
und Matthias Plumpe für das<br />
Organisationsteam eine überaus positive<br />
Bilanz ziehen: Der Begriff „Fernweh“<br />
ist zwar auch weiterhin begriffsgeschichtlich<br />
schwer zu fassen,<br />
jedoch konnte seine kulturelle Bandbreite<br />
und nachhaltige Wirkweise<br />
… am nächsten Abend war Regisseur<br />
Edgar Reitz in der <strong>FernUni</strong>versität<br />
(li., mit Moderator Dr. Malte Kleinwort).<br />
ausführlich dargestellt werden. Wie<br />
breit auch die Medien gefächert sind,<br />
in denen ‚Fernweh‘ eine wichtige Rolle<br />
spielt, zeigten nicht zuletzt die Beispiele<br />
aus Film, Fernsehen und Kolonialpostkarte,<br />
so Ramponi.<br />
In literaturhistorischer Hinsicht konnte<br />
der „Rote Faden“ des Begriffs, der<br />
ursprünglich mit dem bürgerlichen<br />
Realismus und dem nachromantischen<br />
Reisediskurs eng verbunden<br />
war, über die Zeit der großen Auswanderungswellen<br />
Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts bis in die Gegenwartsliteratur<br />
hinein verfolgt werden.<br />
Hierdurch wurde seine Abnabelung<br />
von der Romantik deutlich. „Durch<br />
die Tagung konnte ‚Fernweh‘ besser<br />
für die wissenschaftliche Arbeit<br />
erschlossen werden“, erläutert Matthias<br />
Plumpe.<br />
Deutlich wurde im Podiumsgespräch,<br />
dass für Reitz Fernweh, Heimat<br />
und Sehnsucht untrennbar miteinander<br />
verbunden sind. Und mit<br />
der Erinnerung: „Wenn wir uns erinnern,<br />
greifen wir auf Bruchstücke<br />
von Erinnerung zurück und setzen<br />
unser Leben neu zusammen.“<br />
Ein anderes Thema von Reitz sind<br />
die Bindungskräfte, die eine Gesellschaft,<br />
auch eine Dorfgemeinschaft,<br />
hervorbringt. Woher nahmen<br />
dann die Emigranten die große<br />
Kraft zu gehen? „Heute ist Weggehen<br />
nicht endgültig, man hat das<br />
Rückkehr-Ticket in der Tasche!“ Damals<br />
jedoch gab es kein Zurück.<br />
Reitz bekannte, dass er immer daran<br />
gezweifelt hatte, dass nur die<br />
sozialen Verhältnisse, Behördenwillkür<br />
und Hunger Gründe dafür waren,<br />
die Heimat zu verlassen. Was<br />
also war es dann?<br />
In seinem Film stellt Reitz Träume<br />
der Menschen vor. Auch den Traum,<br />
die Heimat zu verlassen.<br />
Mitarbeiter-Initiative<br />
Die Initiative zu der Veranstaltung<br />
ging von den Wissenschaftlichen<br />
Mitarbeitenden des Instituts für<br />
Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft<br />
aus. Der Dekan<br />
der Fakultät KSW, Prof. Dr. Armin<br />
Schäfer, begrüßt, dass „in diesem<br />
Fall die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des Instituts eigenständig<br />
und lehrgebietsübergreifend eine<br />
Tagung organisiert haben, die auf<br />
eine erstaunlich große Resonanz<br />
unter den Fachkollegen, den Studierenden<br />
und in der Öffentlichkeit<br />
gestoßen ist. Dass die Förderung<br />
des wissenschaftlichen Nachwuchses<br />
durch die Lehrgebiete des Instituts<br />
und die Förderlinie der Fern-<br />
Universität zu dieser gelungenen Tagung<br />
beigetragen hat, freut mich<br />
sehr.“<br />
Die Filmvorführung und das Podiumsgespräch<br />
fanden unter dem Label<br />
des Hagener Forschungsdialogs<br />
der <strong>FernUni</strong>versität statt. Da<br />
www.fernuni-hagen.de/per<strong>50</strong>-04<br />
i<br />
Abstracts der Vorträge:<br />
http://www.fernuni-hagen.de/<br />
literatur/tagung.fernweh.shtml.<br />
Aufzeichnung des Podiumsgesprächs:<br />
http://www.fernuni-hagen.de/<br />
videostreaming/ksw/literatur/.<br />
Streams zu den Vorträgen:<br />
http://www.fernuni-hagen.de/<br />
videostreaming/literatur/<strong>2014</strong>10/l<br />
Informationen zum Film<br />
http://www.die-andere-heimat.<br />
de/impressum-kontaklt.html.<br />
Die besten Absolventinnen und Absolventen des infernum-Studiengangs wurden<br />
geehrt – auch von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze.<br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
infernum-Tag <strong>2014</strong><br />
Nachhaltigkeit im Fokus<br />
Unter dem Leitmotiv „TAT-ORT<br />
Nachhaltigkeit: Erfolgreiche Fälle<br />
aus der Praxis“ haben die <strong>FernUni</strong>versität<br />
in Hagen und das Fraunhofer-Institut<br />
UMSICHT als gemeinsame<br />
Anbieterinnen des Interdisziplinären<br />
Fernstudiums Umweltwissenschaften<br />
(infernum) bewiesen:<br />
Es gibt praxiserprobte Konzepte zur<br />
Nachhaltigkeit. Es ist möglich, ressourcenschonend<br />
zu leben und zu<br />
wirtschaften. Überzeugende Aussagen<br />
dazu ließen sich beim „infernum-Tag<br />
<strong>2014</strong>“ sammeln.<br />
Im Rahmen der Veranstaltung<br />
zeichnete die nordrhein-westfälische<br />
Wissenschaftsministerin Svenja<br />
Schulze infernum persönlich als<br />
„Ort des Fortschritts“ aus. Anschließend<br />
diskutierte sie mit Prof. Dr.<br />
Görge Deerberg (Fraunhofer UM-<br />
SICHT), Rektor Prof. Dr.-Ing. Helmut<br />
Hoyer (<strong>FernUni</strong>versität in Hagen)<br />
und Prof. Dr. Anke Hanft (Universität<br />
Oldenburg) über Nachhaltigkeit<br />
und Fortschritt in der Weiterbildung.<br />
Der Trend ist klar: Der Bedarf<br />
an berufsbegleitender Weiterbildung<br />
steigt – und zwar auf<br />
Master-Niveau. Die Zahl der Studierenden<br />
an der <strong>FernUni</strong>versität zeigt<br />
es deutlich.<br />
Den Hochschulen stehen insgesamt<br />
große Umwälzungsprozesse bevor.<br />
Eine Forderung aus der Diskussion:<br />
Weiterbildung muss so hochflexibel<br />
sein, dass der Begriff Regelstudienzeit<br />
überflüssig werde. Ministerin<br />
Schulze ist sicher: „Die Hochschulen,<br />
die sich nicht auf Weiterbildung<br />
einstellen, werden schrumpfen.“<br />
Lehre liefert Impulse<br />
Für weitere Erkenntnisse am „TAT-<br />
ORT” Nachhaltigkeit sorgten die<br />
Impulsreferate aus der Praxis. Per Videokonferenzsoftware<br />
zugeschaltet<br />
war Monika Zimmermann vom<br />
internationalen Städtenetzwerk Local<br />
Governments for Sustainability<br />
(ICLEI). Sie fordert: „Städte müssen<br />
in geschlosseneren Kreisläufen produzieren<br />
und konsumieren.“<br />
Schon viele Jahre setzt sich der<br />
Volkswirtschaftler Dr. Fred Luks von<br />
der Wirtschaftsuniversität Wien mit<br />
Nachhaltigkeit in Forschung und<br />
Lehre auseinander: „Nachhaltigkeit<br />
ist ein Suchprozess und ist niemals<br />
abgeschlossen. An den Hochschulen<br />
erfüllt die Lehre eine wesentliche<br />
Funktion, um das Thema in die<br />
Gesellschaft zu transportieren. Der<br />
entscheidende Input erfolgt dabei<br />
über Studierende. Was sie im Kopf<br />
haben, wenn sie die Hochschule<br />
verlassen, kann notwendige Veränderungsprozesse<br />
anstoßen.“<br />
„Die Hochschulen, die sich nicht auf Weiterbildung einstellen,<br />
werden schrumpfen.“<br />
NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze<br />
Wie sich Nachhaltigkeit erfolgreich<br />
in unternehmerische Geschäftsprozesse<br />
integrieren lässt, sagte Lothar<br />
Hartmann vom ökofairen Versandhandel<br />
memo AG aus: „Wir setzen<br />
das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich<br />
im Unternehmen um - von der<br />
Sortimentsgestaltung über die Logistik<br />
bis hin zum eigenen Ressourcenverbrauch<br />
und unserer Mitarbeiterpolitik.“<br />
Die Besten <strong>2014</strong><br />
Der dritte Teil des infernum-Tages<br />
galt voll und ganz den Absolventinnen<br />
und Absolventen des<br />
Fernstudiums infernum: Christian<br />
Göpfert, ein herausragender Absolvent<br />
im vergangenen akademischen<br />
Jahr, stellte seine Masterarbeit<br />
zu kommunalen Klimaschutzkonzepten<br />
mit partizipatorischem<br />
Ansatz vor. Anschließend erhielten<br />
die besten Absolventinnen und<br />
Absolventen jeweils einen von der<br />
Fraunhofer Academy ausgelobten<br />
Preis.<br />
aw<br />
Foto: Ilka Drnovsek