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Unschuldig schuldig? Zur Schuldfrage und Vermittlung von Schlinks

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<strong>Un<strong>schuldig</strong></strong> <strong>schuldig</strong>?<br />

lange Beine hat” (S. 39). Er ist auch eher ein unauffälliger Schüler, aber er ist<br />

zuversichtlich was seine Zukunft angeht: „Wie viel Energie war in mir, wie viel Vertrauen,<br />

eines Tages schön <strong>und</strong> klug, überlegen <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>ert zu sein, wie viel Erwartung, mit der<br />

ich neuen Menschen <strong>und</strong> Situationen begegnet bin” (ebda.). Sein Vater ist Professor für<br />

Philosophie (S. 31), <strong>und</strong> neben der Mutter werden noch zwei Schwestern <strong>und</strong> ein Bruder<br />

erwähnt (S. 30 u. 41). Die ältere Schwester studiert Germanistik (S. 40), während Michael<br />

das Gymnasium besucht. Nach seiner Genesung <strong>von</strong> einer Gelbsucht beginnt die Affäre mit<br />

Hanna, die vom Frühjahr bis Sommer 1959 dauert. Diese Beziehung gibt Michael ein<br />

Gefühl der Überlegenheit gegenüber den Schulkameraden, <strong>und</strong> beim Abendessen mit der<br />

Familie hat er das Gefühl „wie bei einem Abschied” (S. 32). Im direkten Vergleich <strong>von</strong><br />

Hanna <strong>und</strong> Michael wird dann im Anschluss deutlich, wie ambivalent die Beziehung dieser<br />

ungleichen Partner ist. Verwiesen werden kann vor allem auf das letzte Drittel des ersten<br />

Romanteils, in dem der Erzähler <strong>von</strong> zunehmenden Streitereien zwischen ihm <strong>und</strong> Hanna<br />

berichtet. Dabei wird die unterlegene Rolle des 15-jährigen Schülers deutlich, der sich<br />

immer mehr erniedrigt <strong>und</strong> alle Schuld für Unstimmigkeiten auf sich nimmt: „Ich habe<br />

alles auf mich genommen. Ich habe Fehler zugegeben, die ich nicht begangen hatte,<br />

Absichten eingestanden, die ich nie gehegt hatte” (S. 50). Eine konstruktive<br />

Auseinandersetzung mit den gemeinsamen Problemen, <strong>und</strong> damit zugleich auch eine<br />

intensivere gegenseitige Annäherung sowie ein tiefer gehendes Verständnis füreinander,<br />

werden durch Hannas mangelnde Diskussionsbereitschaft verhindert. So kommt es immer<br />

wieder zu Missverständnissen, die <strong>von</strong> den Studierenden im Detail untersucht werden<br />

können, 13 <strong>und</strong> die das folgende Folienbild sinnvoll ergänzen:<br />

Teil 1: Die Liebesaffäre<br />

Hanna Schmitz Michael Berg<br />

• 36 jährige Straßenbahnschaffnerin<br />

• aufmerksam zuhörende Analphabetin<br />

• kräftiger weiblicher Körper<br />

© gfl-journal, No. 2/2004<br />

• 15 jähriger Schüler<br />

• Gymnasiast aus gebildeter Familie<br />

• schwacher Körper<br />

13 Als wirkungsvoll erweist sich der laute Vortrag des Dialogs nach Michaels Überraschungsbesuch<br />

in der Straßenbahn, Hannas Arbeitsplatz. Die hier besonders deutliche Störung der<br />

Kommunikationsstrukturen kann anschließend im Plenum analysiert werden.<br />

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