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Edition Scheffel - Blickachsen

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<strong>Blickachsen</strong> 3 Ausgestellte Werke<br />

LOTHAR KRÜLL<br />

Was der Bildhauer einmal aus dem Stein geschlagen hat, ist nicht wieder<br />

rückgängig zu machen. Der Block, aus dem er seine Ideen herausschlagen<br />

will, wirkt zu dominant, um weitere Einfälle, Improvisationen und Korrekturen<br />

vorzunehmen. So bleibt der Ausdruck des Beweglichen und Flüchtigen, der<br />

sich flexibel und schmiegsam den Formen einverleibt, weitgehend der<br />

kompakten Konstruktion unterworfen. Wer dennoch wie Krüll den Block mit<br />

formloser Materie auflösen will, um der Einbildungskraft des Betrachters und<br />

der Metamorphose der Dinge größere Anreize und Dynamik zu verleihen, der<br />

addiert und vervielfältigt die einmal gefundene minimierte Basisform ins<br />

größere, sogar überdimensionale Format.<br />

Der in Bronze umgesetzte „Maiskolben“ und seine beiden kleineren Trabanten<br />

können diese Arbeitsweise beispielhaft verdeutlichen. Ursprünglich von der<br />

Gipsfassung in Silikonformen übersetzt, entstanden zunächst noch Ausführungen<br />

in Polyester, ehe sich definitiv der flüssige und blank polierte<br />

Bronzeguß anbot. Erst jetzt erhalten die kunstvoll aufgeschichteten, handelsüblichen Glasbehälter jene<br />

Elastizität, Brillanz und Rundung, die sich parallel zur Natur in der Metamorphose der Dinge als Maiskolben<br />

assoziieren ließen. Fest im Erdboden eingebettet scheinen sie wie wirkliche botanische Naturgewächse<br />

Schicht um Schicht in regelmäßiger Rippung und Reihung emporgewachsen zu sein. In hypertropher<br />

Übersteigerung wirklicher Maiskolben verdickt sich der schwellende Schaft wie ein baumartiger<br />

Stamm zur Mitte zu, um sich der Spitze entgegen wiederum in kleineren Wachstumsschüben zu<br />

verkürzen. Die emporragende Kuppe ist ganz oben abgerundet und wirkt wie mit Erde bestrichen.<br />

Der übergroßen Bronze-„Mutter“, die sich hier zur Mais-Ernte anbietet, sind zwei<br />

kleinere Setzlinge wie Kinder zugeordnet. Deren Wachstum scheint noch nicht abgeschlossen zu<br />

sein, auch wenn sie bereits die charakteristische Abrundung aufweisen. Dem grünenden Blatt-Werk<br />

des Kurparkes antwortet hier ein exotischer Fremdling aus ferner tropischer Zone, einer Gegend, in<br />

der die dauernde Sonne die Fruchtkolben bis zum Platzen anschwellen läßt.<br />

Zuvor hatte Krüll noch sorgfältig gerundete und überdimensionale eiförmige Körper<br />

stillebenhaft in Gips und Polyester (1991 und 1999) ausgeführt. Diese sind sorgsam in schützende<br />

Behälter eingefaßt und scheinen sich wie in einer Warenauslage anzubieten. Ihre sterile Künstlichkeit<br />

und Ungenießbarkeit treibt wie in den „Maiskolben“ ein aufreizendes Spiel mit dem frustierenden<br />

Effekt der Vergeblichkeit, der sich einstellt, wenn die Gier nach Konsum und Genuß nicht erfüllt wird.<br />

Maiskolben [3-teilig], 2000, Bronzeguß [280 x 300 x 350 cm]<br />

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