Asbest - Bernhard Raos
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und mÄssen zuerst durch den Inspektor freigegeben werden.Å Und die Suva, die Äber sÇmtliche Firmen ein<br />
detailliertes Betriebsdossier fÄhrt, beruft sich auf ihre Schweigepflicht. Damit erspart sich die<br />
Unfallversicherungsanstalt peinliche Antworten. So auf die Frage, warum sie die Eternit AG seit Mai 1998 als<br />
asbestfrei fÄhrt - dies trotz Ausnahmebewilligungen durch das Bafu.<br />
Unglaublich, aber wahr: Obwohl Fachleute davon ausgehen, dass in der Schweiz in den nÇchsten zehn bis 15<br />
Jahren rund 3’000 Menschen an den Folgen von <strong>Asbest</strong> sterben werden und bereits Äber 300 Millionen Franken<br />
an Suva-Leistungen ausgerichtet wurden, verwalten die ZustÇndigen beim Bund unverdrossen aneinander<br />
vorbei.<br />
Zu allem Ñbel soll die Verarbeitung von <strong>Asbest</strong> auf dem Eternit-BetriebsgelÇnde nach 1995 im Freien erfolgt<br />
sein. Ganz nach dem Motto: Je breiter das Gift verteilt wird, desto niedriger ist die Dosis. Markus Ruoss,<br />
Pressesprecher der Eternit AG, mag nicht konkret werden: ÖIn den Werken Niederurnen und Payerne wurden<br />
stets alle Vorschriften eingehalten. Es wurden die dem jeweiligen Wissensstand Äber die Gefahren von <strong>Asbest</strong><br />
entsprechenden Massnahmen zum Schutz der Mitarbeiter ein- und durchgesetzt.Å<br />
Ruoss versucht zudem, die <strong>Asbest</strong>tragÜdie gering zu rechnen: Obwohl die Eternit AG 80 bis 90 Prozent des<br />
schweizweit importierten Rohasbests verarbeitet hÇtte, wÄrden weit weniger als zehn Prozent der von der Suva<br />
bis Ende 2004 anerkannten <strong>Asbest</strong>todesfÇlle eigene Mitarbeiter betreffen. GemÇss dieser Statistik sind bisher<br />
gegen 70 Angestellte der beiden Werke an asbestbedingter Berufskrankheit gestorben.<br />
Die Dunkelziffer ist indes hoch, weil in vielen FÇllen genaue Diagnosen nicht gestellt werden. Wie ursprÄnglich<br />
auch beim ehemaligen Eternit-Mitarbeiter Kurt M. (Name der Redaktion bekannt), der zwischen 1977 und 1979<br />
an einer Drehbank in Niederurnen <strong>Asbest</strong>rohre zugeschnitten hatte. Diagnose am Kantonsspital Glarus:<br />
Lungenkrebs. Erst als M. ins Triemli-Spital nach ZÄrich verlegt wurde, stellten die Spezialisten einen<br />
asbestbedingten Brust- und Bauchfellkrebs fest.<br />
Kurt M. verstarb Ende 2005 im Alter von 56 Jahren. Seine Tochter erinnert sich: ÖEr hatte 30 Kilo abgenommen<br />
und konnte kaum noch etwas essen. Es war grauenvoll, ihn so leiden zu sehen.Å Sein Mesotheliom wurde von<br />
der Suva als Berufskrankheit anerkannt - Kurt M. hatte zu viel <strong>Asbest</strong>staub eingeatmet. Doch nicht nur frÄhere<br />
Angestellte sind betroffen: So hat der giftige Staub auch die Gesundheit des 53-jÇhrigen Marcel Jann ruiniert,<br />
der unmittelbar neben dem Werk in Niederurnen aufgewachsen ist (siehe Nebenartikel ÖIch sterbe einen<br />
gewaltsamen TodÅ).<br />
Die Tochter von Kurt M. will nun genau wissen, ob bei der Eternit AG tatsÇchlich alle Vorschriften eingehalten<br />
wurden. Als ZivilklÇgerin beteiligt sie sich an einer Strafanzeige, die der Verein fÄr <strong>Asbest</strong>opfer letzten<br />
November beim VerhÜramt des Kantons Glarus eingereicht hat. Gegen Stephan und Thomas Schmidheiny, die<br />
ehemaligen Besitzer der Eternit AG, und gegen unbekannt wird der Vorwurf der fahrlÇssigen TÜtung erhoben -<br />
begangen an einer unbekannten Anzahl Personen. Im Verfahren soll zudem die Mitverantwortung der<br />
KontrollbehÜrde Suva abgeklÇrt werden.<br />
Strafanzeige eingereicht<br />
17 Zeugen erheben happige VorwÄrfe: Sie seien teilweise noch bis 1996 einer ausserordentlich hohen und<br />
unzulÇssigen <strong>Asbest</strong>konzentration ausgesetzt gewesen - und das bei ungenÄgendem Schutz und ohne<br />
umfassende Informationen Äber die Gefahren von <strong>Asbest</strong>staub. Die Verantwortlichen hÇtten elementarste<br />
Vorsichtsgebote verletzt und grobfahrlÇssig gehandelt, kritisiert Massimo Aliotta, PrÇsident des Vereins fÄr<br />
<strong>Asbest</strong>opfer und anzeigefÄhrender Anwalt. ÖDie Eternit-Mitarbeiter hatten keine Wahlfreiheit. Sie wussten nicht,<br />
welchen Gefahren sie sich tatsÇchlich aussetzten. Sonst hÇtten wohl viele eine andere Stelle gesucht.Å Zu<br />
konkreten Fragen des Beobachters will sich die Eternit-FÄhrung wegen des laufenden Verfahrens nicht Çussern.<br />
Der juristische Druck ist inzwischen noch grÜsser geworden, nachdem kÄrzlich ein ehemaliger Eternit-<br />
Angestellter eine Strafanzeige wegen vorsÇtzlicher schwerer KÜrperverletzung einreichte. Der Ball liegt jetzt<br />
beim Glarner VerhÜrrichter Markus Denzler: Er hat im August erste Zeugen einvernommen und muss<br />
entscheiden, ob die Untersuchungen ausgedehnt, Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird. Seine<br />
vorsichtige Antwort: ÖDie Ermittlungen lassen diesen Entscheid noch nicht zu.Å Denzler will aber<br />
Övoraussichtlich noch in diesem JahrÅ entscheiden. Falls nÜtig, werde er das Suva-Betriebsdossier<br />
einverlangen. Diese Unterlagen enthalten Details zu den Auflagen und VerfÄgungen an die Firma sowie zum<br />
Gesundheitszustand der Mitarbeiter.