27.12.2014 Aufrufe

(SAD) wurde von HACKFORT und NITSCH

(SAD) wurde von HACKFORT und NITSCH

(SAD) wurde von HACKFORT und NITSCH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4 DISKUSSION 202<br />

4.7 Sportangst<br />

Das Sportangst-Deutungsverfahren (<strong>SAD</strong>) <strong>wurde</strong> <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong> <strong>und</strong> <strong>NITSCH</strong><br />

(114) für 7- bis 10-jährige Kinder konzipiert. Wie bereits im Rahmen einer Untersuchung<br />

in der Kinderherzgruppe in Dortm<strong>und</strong> (124, 292) <strong>wurde</strong> aufgr<strong>und</strong> mangelnder<br />

alternativer Testverfahren die Altersspanne erweitert. Wir untersuchten auch die<br />

herzkranken Kinder zwischen 11 <strong>und</strong> 14 Jahren mit dem <strong>SAD</strong>.<br />

Inwieweit herzkranke Kinder an einer problematischen sportbezogenen Ängstlichkeit<br />

leiden, zeigte zunächst die Häufigkeit der Angaben pro Skalenstufe über alle<br />

22 Items des Sportangst-Deutungsverfahrens (<strong>SAD</strong>) <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong> <strong>und</strong> <strong>NITSCH</strong><br />

(114). Abbildung 4.7-1 stellt die Ergebnisse des Vortests denen der Normierungsstichprobe<br />

(n = 148, 7- bis 10-jährige Jungen, 3. <strong>und</strong> 4. Schuljahr) (114) gegenüber.<br />

100<br />

90<br />

herzkranke Kinder (n = 37)<br />

Normierungsstichprobe (n = 148)<br />

80<br />

70<br />

Häufigkeiten (%)<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

48,5<br />

42,9<br />

31,7 30,3<br />

14,4 15,3<br />

20<br />

10<br />

0<br />

keine Angst wenig Angst ziemlich Angst viel Angst<br />

5,4<br />

11,5<br />

Skalenstufen<br />

Abb. 4.7-1:<br />

Ankreuzhäufigkeit pro Skalenstufe über alle 22 Items des <strong>SAD</strong> der herzkranken Kinder<br />

im Vortest (814 Nennungen) im Vergleich zu den Angaben der Normierungsstichprobe<br />

(3256 Nennungen) (114).<br />

Im Wesentlichen entsprachen unsere Ergebnisse den Ergebnissen <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>NITSCH</strong> (114) an ges<strong>und</strong>en Kindern. Prozentuale Unterschiede <strong>von</strong> knapp über<br />

5 % ergaben sich in den Extrembereichen 'keine Angst' <strong>und</strong> 'viel Angst' in Richtung<br />

eines niedrigeren Angstniveaus bei herzkranken Kindern. Bei der Normierungsstichprobe<br />

ist zu beachten, dass es sich ausschließlich um Jungen bis 10 Jahre handelt <strong>und</strong>


4 DISKUSSION 203<br />

die Normwerte <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong> <strong>und</strong> <strong>NITSCH</strong> (114) bereits vor über einem Jahrzehnt<br />

ermittelt <strong>wurde</strong>n.<br />

HEß (124) <strong>und</strong> VÖLKER (292) untersuchten 6 Kinder mit verschiedenen kardialen<br />

Diagnosen bzw. postoperativen Restbef<strong>und</strong>en im Alter <strong>von</strong> 5-10 Jahren mit einer<br />

modifizierten Form des <strong>SAD</strong> (unbekannte Sportsituationen <strong>wurde</strong>n gegen bekannte<br />

ausgewechselt). Bezüglich der Skalenstufen <strong>wurde</strong>n z. T. vergleichbare ('keine<br />

Angst' 43,9 %, 'ziemlich Angst' 18,2 %) <strong>und</strong> z. T. abweichende Ergebnisse ('wenig<br />

Angst' 15,9 %, 'viel Angst' 22,0 %) festgestellt. Der höhere Prozentanteil bei der Skalenstufe<br />

'viel Angst' war aufgr<strong>und</strong> des Austauschs unbekannter Sportsituationen<br />

gegen bekannte nicht zu erwarten. HEß (124) räumte ein, dass den 5- <strong>und</strong> 6-jährigen<br />

Kindern vermutlich die sportliche Vorerfahrung fehlte <strong>und</strong> sie nicht in der Lage<br />

waren, ihre Ängstlichkeit differenziert nach 4 Stufen zu erfassen. Weiterhin ist kritisch<br />

anzumerken, dass die Stichprobe sehr klein war. Aufgr<strong>und</strong> mangelnder Vergleichsuntersuchungen<br />

werden die Ergebnisse hier dennoch mit aufgeführt.<br />

Eine Auswertung der Items zeigte große Differenzen in der Ausprägung der Sportangst<br />

der herzkranken Kinder. In den oberen Rangplätzen befanden sich sportliche<br />

Situationen, die Gr<strong>und</strong>schulkinder nicht vom Schulsport kennen bzw. für deren<br />

erfolgreiche Ausführung ein hohes motorisches Können vorliegen muss. Sportliche<br />

Aktivitäten, die den Kindern vom Sport in der Schule eher bekannt waren <strong>und</strong> die<br />

auch z. T. Inhalt des motorischen Förderprogramms waren, belegten die untere Hälfte<br />

der Rangplätze ab Platz 10. Die Ausprägung der 'Sportangst' bei konkreten sportlichen<br />

Situationen wird im Vergleich mit ges<strong>und</strong>en Kindern deutlich. In Tabelle 4.7-1<br />

werden die bei den herzkranken Kindern ermittelten Ergebnisse des Vortests den<br />

Werten der Normierungsstichprobe <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong> <strong>und</strong> <strong>NITSCH</strong> (114) gegenübergestellt.


4 DISKUSSION 204<br />

Item-<br />

herzkranke Kinder n = 37 Normierungsstichprobe n = 148<br />

Situation<br />

Nr.<br />

Rang Punktwert, Rang Punktwert, <br />

8 Stabhochsprung 1 1,68 2 1,39<br />

14 Handstandüberschlag 2 1,49 1 1,51<br />

20 Rolle am Barren 3 1,19 3 1,32<br />

16 Hochsprung 4 1,08 6 1,23<br />

2 Salto 5 1,00 11 0,89<br />

4 Vorbeuge 6 1,00 5 1,23<br />

18 Kletterwettkampf 7 0,89 15 0,84<br />

19 Kopfsprung 8 0,86 19 0,71<br />

22 Anschlagsprung 9 0,86 4 1,30<br />

11 Balancieren 10 0,81 12 0,89<br />

1 Schiebekampf 11 0,73 8 0,95<br />

17 Seilchenhüpfen 12 0,73 9 0,95<br />

13 Wettlauf 13 0,62 10 0,91<br />

6 Reifen-Tauchen 14 0,54 20 0,70<br />

3 Ball ergattern 15 0,51 13 0,86<br />

9 Fußball-Zweikampf 16 0,51 17 0,74<br />

21 Basketball 17 0,51 18 0,72<br />

5 Tau-Schwingen 18 0,49 21 0,65<br />

10 Hocksprung 19 0,49 16 0,76<br />

7 Rolle vorwärts 20 0,32 7 1,09<br />

12 Völkerball 21 0,30 14 0,84<br />

15 Kastenball 22 0,30 22 0,53<br />

Tab. 4.7-1:<br />

Rangplätze <strong>und</strong> mittlere Punktwerte für die 22 <strong>SAD</strong>-Items der herzkranken Kinder<br />

im Vortest im Vergleich zu den Werten der Normierungsstichprobe (114); 0 = keine,<br />

1 = wenig, 2 = ziemlich, 3 = viel Angst.<br />

Es zeigte sich, dass der jeweils höchste mittlere Punktwert der herzkranken Kinder<br />

(1,68) <strong>und</strong> der Normierungsstichprobe (1,51) dicht beieinander lagen. Nur bei<br />

wenigen Situationen ergaben sich Unterschiede <strong>von</strong> mehr als 5 Rangplätzen. Die<br />

erreichten Mittelwerte lagen im Rahmen unserer Untersuchung in 4 Fällen über, in<br />

17 Fällen unter den Werten der ges<strong>und</strong>en Kinder; in einem Fall entsprachen sie deren<br />

Wert. Dabei reichten die Unterschiede <strong>von</strong> 0,29 über dem Wert der Normierungsstichprobe<br />

bis 0,77 unter ihrem Wert.<br />

HEß (124) <strong>und</strong> VÖLKER (292) ermittelten im Rahmen ihrer Untersuchung deutlich<br />

höhere durchschnittliche Werte. Der höchste mittlere Punktwert lag bei 2,33. Abweichungen<br />

zur Normierungsstichprobe in der Rangfolge konnten sie insbesondere beim<br />

'Seilchenhüpfen' <strong>und</strong> 'Wettlauf' feststellen. Als möglicher Gr<strong>und</strong> für eine höhere<br />

Angst der herzkranken Kinder wird <strong>von</strong> HEß (124) die Angst vor belastungsintensiven<br />

Situationen angegeben.


4 DISKUSSION 205<br />

Die 5 Angstdimensionen betreffend zeigt Tabelle 4.7-2 eine Gegenüberstellung der<br />

bei den herzkranken Kindern ermittelten relativen Mittelwerte der Rohwerte <strong>und</strong> der<br />

entsprechenden Werte der Normierungsstichprobe (114).<br />

Angstdimensionen<br />

herzkranke Kinder (n = 37) Normierungsstichprobe (n = 148)<br />

Rang rel. Rang rel.<br />

Unbekanntes 1 1,13 1 1,09<br />

Verletzungen 2 0,88 2 1,01<br />

Misserfolg 3 0,75 3 0,94<br />

Blamage 4 0,62 4 0,92<br />

Konkurrenz 5 0,55 5 0,80<br />

Tab. 4.7-2:<br />

Rangplätze <strong>und</strong> relative Mittelwerte der Rohwerte ( rel.) der Angstdimensionen des<br />

<strong>SAD</strong>. Vergleich der Werte der herzkranken Kinder im Vortest mit den Werten der<br />

Normierungsstichprobe (114); 0 = keine, 1 = wenig, 2 = ziemlich, 3 = viel Angst.<br />

Es ergab sich die gleiche Rangfolge. Die Angst vor 'Unbekanntem' erhielt erwartungsgemäß<br />

den höchsten Wert. Unsere Ergebnisse bestätigen auch die bei HEß (124)<br />

<strong>und</strong> VÖLKER (292) ermittelte Reihenfolge der Angstdimensionen (Angst vor Unbekanntem:<br />

1,5 / Verletzungen: 1,24 / Misserfolg: 1,14 / Blamage: 1,09 / Konkurrenz:<br />

0,87).<br />

Stanine-Werte ermöglichen eine Relativierung der Ängstlichkeitswerte <strong>und</strong> eine<br />

formale Vergleichbarkeit (114). Die Häufigkeitsverteilung der Angaben zeigte, dass<br />

über alle Angstdimensionen hinweg insgesamt 60 % aller ermittelten Stanine-Werte<br />

im Vortest entsprechend der Klassifizierung nach <strong>HACKFORT</strong> (115) einer 'normalen'<br />

Sportangst zuzuordnen waren. Dies entspricht annähernd dem <strong>von</strong> <strong>HACKFORT</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>NITSCH</strong> (114) als Erwartungswert für ges<strong>und</strong>e Kinder angegebenen Wert <strong>von</strong> 54 %.<br />

HEß (124) zufolge lagen 63 % der herzkranken Kinder in den Angstdimensionen im<br />

'normalen' Bereich. Auch die festgestellten mittleren Stanine-Werte der einzelnen<br />

Angstdimensionen bei den hier untersuchten Kindern bestätigen das 'normale'<br />

Ergebnis, wobei die Werte in 4 <strong>von</strong> 5 Dimensionen am unteren Rand des Normbereichs,<br />

also bei eher niedriger Angst, anzusiedeln waren.<br />

Tabelle 4.7-3 stellt die bei den herzkranken Kindern ermittelten relativen Mittelwerte<br />

der Rohwerte der 5 Tätigkeitsbereiche den entsprechenden Werten der Normierungsstichprobe<br />

(114) gegenüber.


4 DISKUSSION 206<br />

Tätigkeitsbereiche<br />

herzkranke Kinder (n = 37) Normierungsstichprobe (n = 148)<br />

Rang rel. Rang rel.<br />

Leichtathletik 1 1,14 1 1,17<br />

Turnen/Gymnastik 2 0,84 2 1,04<br />

Schwimmen/Tauchen 3 0,71 5 0,71<br />

Kampfspiele 4 0,66 3 0,85<br />

Ballspiele 5 0,43 4 0,74<br />

Tab. 4.7-3:<br />

Rangplätze <strong>und</strong> relative Mittelwerte der Rohwerte ( rel.) der Tätigkeitsbereiche des<br />

<strong>SAD</strong>. Vergleich der Werte der herzkranken Kinder im Vortest mit den Werten der<br />

Normierungsstichprobe (114); 0 = keine, 1 = wenig, 2 = ziemlich, 3 = viel Angst.<br />

Die herzkranken Kinder zeigten im Vergleich zur Normierungsstichprobe eine gleiche<br />

Rangfolge bei den Tätigkeitsbereichen der beiden oberen Ränge. Der Bereich<br />

'Leichtathletik' war dabei am ehesten mit Angst verb<strong>und</strong>en. In den unteren Rängen<br />

traten Unterschiede auf. Die Ergebnisse <strong>von</strong> HEß (124) <strong>und</strong> VÖLKER (292) bei herzkranken<br />

Kindern bestätigen die Rangfolge der ges<strong>und</strong>en Jungen der Normierungsstichprobe<br />

(Angst vor Leichtathletik: 1,72 / Turnen/Gymnastik: 1,42 / Kampfspielen:<br />

0,79 / Ballspielen: 0,73 / Schwimmen/Tauchen: 0,58).<br />

Insgesamt 62,2 % aller Stanine-Werte der 5 Tätigkeitsbereiche lagen im Vortest, entsprechend<br />

der Klassifizierung nach <strong>HACKFORT</strong> (115), im 'normalen' Angstbereich.<br />

Mit dem Erwartungswert für ges<strong>und</strong>e Kinder <strong>von</strong> 54 % (114) ist unser Ergebnis als<br />

durchaus positiv zu werten. HEß (124) ermittelte einen Wert <strong>von</strong> 45,7 % für die Tätigkeitsbereiche.<br />

Anhand der festgestellten mittleren Stanine-Werte <strong>wurde</strong> ebenfalls<br />

deutlich, dass die Angst bezogen auf die Tätigkeitsbereiche als insgesamt 'normal' zu<br />

bezeichnen war. Die Angst vor 'Schwimmen/Tauchen' war dabei jedoch im oberen<br />

Grenzbereich einzustufen.<br />

Eine Auswertung der Ergebnisse nach Geschlecht, Alter, angeborenem Herzfehler<br />

<strong>und</strong> postoperativem Restbef<strong>und</strong> zeigte bei den Angstdimensionen <strong>und</strong> Tätigkeitsbereichen<br />

teilweise eine zu niedrige Sportangst insbesondere bei Mädchen, Kindern<br />

< 10 Jahre <strong>und</strong> Kindern mit zyanotischen angeborenen Herzfehlern. Auch dort, wo<br />

sich signifikante Unterschiede zwischen den jeweiligen Untergruppen bei sportlichen<br />

Situationen ergaben, macht ein Vergleich der mittleren Punktwerte mit den Werten<br />

der Normierungsstichprobe diesen Trend deutlich. So war der mittlere Punktwert der<br />

Jungen beim 'Seilchenhüpfen' mit 0,96 im Vortest mit dem der ges<strong>und</strong>en Jungen der<br />

Normierungsstichprobe (0,95) vergleichbar. Die Angst der Mädchen fiel dagegen


4 DISKUSSION 207<br />

sehr signifikant niedriger aus. Beim 'Kletterwettkampf' lag der Wert der jüngeren<br />

Kinder (0,5) unter dem Wert der 7- bis 10-jährigen Kinder der Normierungsstichprobe<br />

(0,84); der Wert der älteren Kinder (1,26) lag darüber. Während bei den<br />

ges<strong>und</strong>en Jungen ein mittlerer Punktwert für das Item 'Wettlauf' <strong>von</strong> 0,91 angegeben<br />

<strong>wurde</strong>, wichen die Werte der Kinder mit zyanotischen angeborenen Herzfehlern<br />

(0,13) <strong>und</strong> mit bedeutungsvollen Restbef<strong>und</strong>en (0,31) deutlich nach unten hin ab <strong>und</strong><br />

waren Ausdruck einer zu niedrigen Sportangst. Dies <strong>wurde</strong> mit der festgestellten<br />

Korrelation zwischen der Angst vor 'Wettlauf' <strong>und</strong> der relativen maximalen Leistung<br />

nochmals bestätigt. Die Angst der herzkranken Kinder vor 'Wettlauf' war umso ausgeprägter,<br />

je höher ihre Leistungsfähigkeit war. Inwieweit den Ergebnissen Beachtung<br />

geschenkt werden muss, sollte in weiteren Untersuchungen eruiert werden.<br />

Die Tatsache, dass die Normierungsstichprobe ausschließlich aus Jungen mit durchschnittlich<br />

jüngerem Alter besteht, könnte für die hier festgestellten Trends in Richtung<br />

einer eher zu niedrigen Angst bei Mädchen <strong>und</strong> jüngeren Kindern <strong>von</strong> Bedeutung<br />

sein.<br />

Nach dem motorischen Förderprogramm reduzierte sich der Anteil aller Stanine-<br />

Werte im 'normalen' Angstbereich bezüglich der Angstdimensionen <strong>von</strong> 60 % auf<br />

43,2 % <strong>und</strong> hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche <strong>von</strong> 62,2 % auf 52,4 % gegenüber<br />

dem zu erwartenden Wert bei Ges<strong>und</strong>en <strong>von</strong> 54 % (114). Bei dem Bereich 'Konkurrenz'<br />

sowie den Dimensionen 'Kampfspiele' <strong>und</strong> 'Schwimmen/Tauchen', die nicht<br />

Inhalte des Förderprogramms waren, blieb der Anteil der Kinder mit 'normaler'<br />

Angst erwartungsgemäß unverändert. Die signifikante Erhöhung der Angst vor<br />

'Schiebekampf' in Richtung Normwert lässt sich nicht mit den <strong>von</strong> den Kindern im<br />

Förderprogramm gemachten Erfahrungen begründen. Die signifikante Reduktion der<br />

Angst vor 'Seilchenhüpfen' in Richtung niedrigerer Angst stand unter Umständen in<br />

Zusammenhang mit der signifikanten Verbesserung der motorischen Leistung beim<br />

'Seilspringen', erfasst mit der Testbatterie zur Erfassung des motorischen Leistungsstandes<br />

(TML) <strong>von</strong> WÖHLER (301). Die bei den Untergruppen festgestellten signifikanten<br />

Veränderungen sportbezogener Ängstlichkeit sind insbesondere bei den Mädchen,<br />

den Kindern mit zyanotischen Herzfehlern <strong>und</strong> den Kindern mit bedeutungsvollen<br />

Restbef<strong>und</strong>en als positiv zu bewerten. Bezüglich der einzelnen Items veränderten<br />

sich die mittleren Punktwerte in Richtung Normwert (114) <strong>und</strong> hinsichtlich der


4 DISKUSSION 208<br />

Angstdimensionen <strong>und</strong> Tätigkeitsbereiche erhöhten bzw. reduzierten sich die ermittelten<br />

Stanine-Werte in Richtung 'idealer' Stanine-Wert (115).<br />

Geht man da<strong>von</strong> aus, dass das Ziel einer Intervention nicht der einseitige Abbau <strong>von</strong><br />

Angst zu einem vollkommen angstfreien psychischen Status sein kann (248), können<br />

die Veränderungen durch das Förderprogramm durchaus als positiv gewertet werden.<br />

Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass Angst in bestimmten Situationen sinnvoll ist.<br />

Laut SCHACK (248) muss der Angst nicht nur eine Störfunktion, sondern auch eine<br />

Aktivierungs- <strong>und</strong> Absicherungsfunktion zugesprochen werden. Ein mittleres Angstniveau<br />

ermöglicht durch die Aktivierung des Bewegungsverhaltens angemessene<br />

Bewegungserfahrungen. Der Organismus wird in diesem Fall in erhöhte Aktions<strong>und</strong><br />

Reaktionsbereitschaft versetzt, die ihn optimal auf die zu erbringende Leistung<br />

einstellt (29). Durch beide Extrembereiche dagegen könnten angemessene Bewegungserfahrungen<br />

behindert werden. Ein hohes Angstniveau entspricht einer Stressemotion<br />

(114) <strong>und</strong> kann lähmend auf den Bewegungsdrang wirken bzw. eine Hemmung<br />

innerhalb des motorischen Systems verursachen (29). Ein niedriges Angstniveau<br />

begünstigt wagemutiges Verhalten <strong>und</strong> bedeutet somit ein erhöhtes Verletzungs-<br />

bzw. Überlastungsrisiko. Angst als Warnsignal bewahrt davor, sich in Situationen<br />

zu begeben, deren Risiko <strong>und</strong> Gefahr nicht zu bewältigen ist. Auf diese Weise<br />

kommt ihr im Sportbereich eine Kontroll- <strong>und</strong> Sicherungsfunktion zu (248). FUCHS<br />

(91, 92) geht da<strong>von</strong> aus, dass die Angstgrenze bei sportlichen Aktivitäten in der Regel<br />

unterhalb einer Könnensgrenze liegt, so dass die entstehende Angst die bevorstehende<br />

Könnensgrenze anzeigt <strong>und</strong> vor dem Überschreiten schützt.<br />

Für die Ausprägung der Ängstlichkeit bezüglich einer sportlichen Situation spielen<br />

verschiedene Einflussfaktoren eine Rolle. Die Intensität des Angstreizes wird neben<br />

dem allgemeinen Ängstlichkeitsgrad durch die Merkmale der Bewegungsaufgabe<br />

sowie vorausgegangene Bewegungserfahrungen in Zusammenhang mit der betreffenden<br />

Thematik (positive, negative, gar keine) beeinflusst (29). Ein Mangel an motorischen<br />

Erfahrungen, Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten kann sich dabei im Sinne einer<br />

höheren sportbezogenen Ängstlichkeit auswirken <strong>und</strong> ein Versagen innerhalb des<br />

Sportunterrichts kann die Angstentwicklung begünstigen (113).


4 DISKUSSION 209<br />

Die hier vorliegenden Ergebnisse können diesen Zusammenhang nicht bestätigen. So<br />

war festzustellen, dass die hier untersuchten Kinder teilweise eingeschränkt am<br />

Schul- <strong>und</strong> Freizeitsport teilnahmen <strong>und</strong> umfangreiche motorische Defizite aufwiesen.<br />

Wertet man dies als Indiz für einen Mangel an motorischen Erfahrungen,<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten, war eher mit einer problematisch zu hohen Sportangst<br />

der herzkranken Kinder zu rechnen. Insbesondere bei den Mädchen <strong>und</strong> den Kindern<br />

mit höherem Schweregrad der Erkrankung waren jedoch schlechtere motorische<br />

Leistungen <strong>und</strong> eine in Teilbereichen eher niedrige Sportangst zu beobachten. Eine<br />

differenzierte Auswertung der <strong>SAD</strong>-Ergebnisse für Kinder mit guter <strong>und</strong> normaler<br />

'Gesamtkörperkoordination <strong>und</strong> Körperbeherrschung' gegenüber Kindern mit unterdurchschnittlichem<br />

KTK-Wert – gemäß der Klassifizierung nach SCHILLING<br />

(253) – bestätigte, dass die motorischen Defizite nicht mit einer erhöhten Sportangst<br />

einhergingen. Zusammenhänge zwischen einer schlechter ausgeprägten Koordination<br />

<strong>und</strong> einem höheren Angstwert zeigten sich lediglich bei 2 <strong>von</strong> 22 konkreten sportlichen<br />

Aktivitäten, nämlich bei 'Balancieren' <strong>und</strong> 'Anschlagsprung'. Unter Umständen<br />

würden jedoch bei der Verwendung motorischer Testverfahren, die andere Bereiche<br />

der Motorik überprüfen, weitere Zusammenhänge festgestellt werden können. Bestätigen<br />

sich jedoch die hier festgestellten Trends in weiteren Untersuchungen, ist zu<br />

diskutieren, inwieweit eine geringere Bewegungserfahrung <strong>und</strong>/oder schlecht ausgeprägte<br />

motorische Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten auch zu einer eher niedrigen Ausprägung<br />

sportbezogener Ängstlichkeit führen können. Die eigenen Ergebnisse hinsichtlich<br />

der Veränderungen vom Vor- zum Nachtest sind möglicherweise als Beleg für<br />

diese Annahme zu werten. Im Rahmen des Förderprogramms konnten vermutlich<br />

Aktivitäten ausprobiert werden, bei denen die Kinder vorher keine oder nur geringe<br />

Erfahrungen sammeln konnten.


4 DISKUSSION 210<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Ergebnisse der herzkranken<br />

Kinder zur Sportangst nicht erheblich <strong>von</strong> den Ergebnissen der ges<strong>und</strong>en<br />

Kinder der Normierungsstichprobe unterschieden. Es zeigte sich im Mittel ein als<br />

'normal' einzuschätzendes mittleres Angstniveau. Tendenzen in Richtung einer zu<br />

niedrigen Angst ergaben sich bei der Mehrzahl der Items <strong>und</strong> den Angstdimensionen<br />

'Blamage' <strong>und</strong> 'Konkurrenz'. Dieser Trend war häufiger bei den Mädchen gegenüber<br />

Jungen, den jüngeren im Vergleich zu den älteren Kindern sowie den Kindern mit<br />

höherem Schweregrad der Erkrankung im Verhältnis zu den geringer betroffenen zu<br />

beobachten. Vom Vor- zum Nachtest zeigten sich in Bezug auf die Gesamtgruppe<br />

eher unbedeutende Veränderungen. Von der motorischen Förderung profitierten<br />

bezüglich des Ängstlichkeitsniveaus insbesondere die Mädchen <strong>und</strong> die Kinder mit<br />

höherem Schweregrad der Erkrankung.<br />

Für herzkranke Kinder ist insbesondere ein kompetentes <strong>und</strong> gefahrengerechtes Handeln<br />

im Sport bedeutsam. Daher ist als Konsequenz für die Praxis abzuleiten, dass<br />

eine den jeweiligen physischen Voraussetzungen angemessene Ausprägung sportbezogener<br />

Ängstlichkeit angestrebt werden sollte. Vielseitige <strong>und</strong> frühzeitige Erfahrungen<br />

bei 'Bewegung, Spiel <strong>und</strong> Sport' erhalten in dem Zusammenhang eine hohe<br />

Bedeutung.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!