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kompass<br />
Fachzeitschrift für Betreuungsmanagement<br />
Ausgabe 1/2012 | 1. Jahrgang<br />
Seite 32<br />
Seite 6<br />
Seite 25<br />
Schwerpunktthema<br />
Betreuung zwischen hohen Anforderungen,<br />
wenig Zeit und schlechter Bezahlung<br />
Sand im Getriebe: junge Erwachsene zwischen<br />
Jugendhilfe und Betreuung<br />
Renate Fischer zu ihrem Erfolgsbuch »Herz IV«<br />
BALANCE buch + medien verlag
inhalt<br />
kurz & bündig<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – 5<br />
schwerpunktthema<br />
Kurs halten in stürmischer See: Berufsalltag unter widrigen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 – 7<br />
Qualität in der Betreuung: Klient/innen im Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 – 9<br />
Aus drei mach fünf: Warum die Stundenansätze erhöht werden müssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – 14<br />
»Mehr Rückendeckung täte uns gut«: Roundtable-Gespräch mit drei Betreuer/innen . . . . . . . . . . . . . . . 15 – 18<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 – 24<br />
blickpunkt betreuung<br />
Sand im Getriebe: raus aus der Jugendhilfe, rein in die Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 – 27<br />
Streitigkeiten unter Leistungsträgern: drei wichtige Urteile zu § 14 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 – 29<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 – 31<br />
namen & netzwerk<br />
Renate Fischer landet großen Erfolg mit »Herz IV« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
schlusspunkt<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
editorial<br />
3<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Sie halten die erste Ausgabe des kompass in der Hand, dem<br />
<br />
Medium tritt zweimal jährlich (März und Oktober) an, um die<br />
<br />
<br />
<br />
insbesondere unsere kompetenten Autorinnen und Autoren,<br />
die ihre Erfahrungen, Einschätzungen und ihr Fachwissen in<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Abbildungen und Fotos.<br />
<br />
<br />
nachzeichnet, das unsere fachliche Entwicklung abbildet und<br />
das nach außen strahlt. BALANCE <br />
<br />
kompass mit dieser Mischung auch Ihr Wegbegleiter rund<br />
ums Betreuungsmanagement wird.<br />
<br />
Wunsch an Sie als Leserinnen und Leser, es ist auch die<br />
<br />
Angesichts eher unklarer Aussichten für politische Reformen<br />
im Betreuungswesen müssen Betreuer/innen pragmatische<br />
<br />
<br />
lastung nicht nur »gefühlt« ist, belegen inzwischen zahlreiche<br />
<br />
Komplexität steigend, Einkommen sinkend. Wie so ein »Kurs<br />
halten auf stürmischer See« aussehen kann, skizzieren Autor/innen<br />
und Gesprächspartner/innen auf den folgenden Seiten. Und weil die<br />
<br />
beurteilt werden kann, lassen wir diese ebenfalls zu Wort kommen.<br />
kompass aber auch noch in andere thematische<br />
<br />
liche und junge Erwachsene« auf und beschreiben den misslichen<br />
<br />
Getriebe, meint unser Autor. Oder wir berichten über drei wichtige<br />
Gerichtsurteile, die sozialen Leistungsträgern bezüglich § 14 SGB IX<br />
<br />
Behinderungen schneller an ihnen zustehende Leistungen kommen.<br />
Last but not least werden Sie im hinteren Heftteil feststellen, dass<br />
der kompass <br />
<br />
<br />
bei der Lektüre<br />
Ihr<br />
Klaus Förter-Vondey<br />
Vorsitzender Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e. V. (BdB)<br />
impressum<br />
Herausgeber: Verantwortlich für den Inhalt: Konzept: <br />
Redaktionsbeirat: <br />
<br />
Redaktion: Autor/innen: <br />
<strong>Verlag</strong>: BALANCE <br />
Gestaltung: Druck: OBW Ostfriesische Beschäftigungs- und Wohnstätten GmbH, Emden<br />
Fotos: <br />
Auflage: <br />
kompass | Ausgabe 1/2012
4<br />
kurz & bündig<br />
Betreuungsgerichtstag verleiht Förderpreis<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
der Betroffenen spannen. Im Anschluss wird ein Betroffener zum Betreuungsrecht Stellung<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Förderpreises erwartet, die zugleich den Abschluss<br />
der Veranstaltung bildet. Weitere Informationen<br />
<br />
www.bgt-ev.de (Quelle: BGT e.V.)<br />
Schon gewusst<br />
<br />
1,3 Millionen Menschen, die betreut<br />
werden. 250.000 Betreuungen<br />
<br />
richtet (für 2011 liegen noch keine<br />
<br />
man in Mecklenburg Vorpommern<br />
und Sachsen-Anhalt: Hier kommen<br />
auf 1.000 Einwohner/innen rund 21<br />
<br />
weisen Baden-Württemberg und<br />
Hamburg auf (10 bzw. 13 je 1.000).<br />
(Quelle: BdB)<br />
DGSP-Jahrestagung vom 25. – 27. Oktober 2012<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
unter www.psychiatrie.de/dgsp/ (Quelle: DGSP)<br />
12.700 Sorge rechtsentzüge im Jahr 2011<br />
<br />
digen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge angeordnet. Wie das Statistische<br />
<br />
Rückgang um knapp 50 Fälle (- 0,4 %). In rund 9.600 Fällen übertrugen die Gerichte<br />
das Sorgerecht ganz oder teilweise auf die Jugendämter, in den übrigen Fällen einer<br />
<br />
www.destatis.de und dem Suchbegriff »Sorgerecht 2011«<br />
(Quelle: Statistisches Bundesamt)<br />
Psychische Störungen nehmen zu<br />
<br />
<br />
deutlich zugenommen. Wie aus einer Antwort<br />
der Bundesregierung (17/9478) auf eine Kleine<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
betroffen als Männer und Erwerbstätige ab 45<br />
<br />
Antwort zufolge beliefen sich im Jahr 2008<br />
die direkten Kosten für psychische Störungen<br />
und Verhaltensstörungen auf 28,6 Milliarden<br />
<br />
<br />
<br />
Krankheiten des Herzkreislauf- und<br />
des Verdauungssystems.<br />
(Quelle: Deutscher Bundestag)<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Leitfaden<br />
<br />
hat einen Handlungsleitfaden zum<br />
<br />
den man sich im Internet <strong>herunterladen</strong><br />
kann. Hintergrund: Jährlich wird<br />
<br />
<br />
größten Hürden für eine Inanspruch-<br />
<br />
Kenntnisse und geringe Erfahrungen,<br />
aufseiten der Versicherten ebenso<br />
<br />
<br />
<br />
Budget im Bereich der gesetzlichen<br />
<br />
wendet und umgesetzt wird und dass<br />
<br />
www.dguv.de<br />
(Quelle: Der Paritätische)<br />
Übersicht über das Sozialrecht – Ausgabe 2012/2013<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
der Grundsicherung im SGB II und SGB XII, die neuen Instrumente der Arbeitsförderung<br />
zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt sowie die<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ermöglicht eine schnelle Suche nach Fachbegriffen und<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
oder zu bestellen beim BW Bildung und Wissen <strong>Verlag</strong>: Fax<br />
<br />
(Quelle: BMAS)<br />
5<br />
KVJS untersucht Entwicklung der rechtlichen Betreuung<br />
<br />
Menschen mit Beeinträchtigungen<br />
<br />
<br />
<br />
und Soziales (KVJS) als überörtliche<br />
Betreuungsbehörde für Baden-Württemberg,<br />
der kürzlich die Ergebnisse<br />
seines Forschungsprojekts »Strukturen<br />
der rechtlichen Betreuung<br />
im Land Baden-Württemberg und<br />
Chancen der Weiterentwicklung«<br />
<br />
Betreuungen im Land liegen aktuell bereits<br />
<br />
<br />
renamtlicher zu rechtlichen Betreuungen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
riger Betreuungen. Gleichzeitig werden die<br />
sozialen Leistungsbereiche komplexer, was<br />
<br />
Kompetenz für alle Lebensbereiche erfor-<br />
<br />
örtlichen Betreuungsbehörden und Betreuungsrichter/innen<br />
sehen die Abnahme der<br />
ehrenamtlichen Betreuungen als Folge der<br />
komplexeren Strukturen: Ehrenamtliche sei-<br />
<br />
<br />
Behörden und Richtern nicht ausreichend in<br />
die Entscheidungen eingebunden würden.<br />
<br />
http://www.<br />
kvjs.de/forschung.html, Stichwort »Rechtliche<br />
Betreuung«. (Quelle: KVJS)<br />
Anträge auf ambulantes Wohnen<br />
dürfen nicht aus Kostengründen<br />
abgelehnt werden<br />
Menschen mit Behinderungen haben das Recht, selbst zu entscheiden,<br />
wie sie wohnen wollen. »Dass deutsche Behörden auch drei Jahre nach<br />
Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland immer noch Anträge<br />
auf ambulantes Wohnen allein aus Kostengründen ablehnen, ist menschenrechtlich<br />
nicht zu rechtfertigen«, kritisierte kürzlich Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle<br />
<br />
Verwaltungsmitarbeitende könnten sich bei der Ablehnung in der Regel nicht mehr<br />
<br />
<br />
<br />
gezwungen werden darf, in einer Einrichtung oder in einer besonderen Wohnform zu<br />
leben. Solange das deutsche Sozialgesetzbuch an dieser Stelle nicht fortentwickelt<br />
<br />
bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen und entsprechend zu entscheiden.<br />
(Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte)<br />
<br />
Modellprojekt<br />
Im Kreis Wesel (Niederrhein) wird in<br />
diesem Jahr ein Modellprojekt zum<br />
<br />
Behinderung durchgeführt. Erklärtes<br />
<br />
<br />
<br />
Modellprojekt wird gemeinsam getra-<br />
<br />
NRW/Kreisgruppe Wesel, Kreis Wesel,<br />
<br />
<br />
www.<br />
budget.paritaet.org/index.phpid=2793<br />
(Quelle: kobinet)<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
6<br />
schwerpunktthema<br />
<br />
schlechter Bezahlung<br />
Anspruch und Wirklichkeit drohen in der Betreuungspraxis auseinander zu laufen. Mit folgenden Beiträgen beleuchten wir das<br />
<br />
<br />
<br />
»Wir brauchen mehr Rückendeckung.« Last but not least erlauben uns Stephan Böck und Angela Roder einen Blick hinter ihre Büro-<br />
<br />
Berufsalltag unter widrigen Bedingungen<br />
Kurs halten<br />
in stürmischer See<br />
Ob Klient/innen mit zunehmend komplexen<br />
Problemlagen und multiplen Krankheitsbildern,<br />
Einsparungen in der Versorgungslandschaft, die<br />
Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
oder Sozialsysteme, die immer mehr Beteiligung<br />
von Betroffenen einfordern: Betreuer/innen<br />
stehen vor drastisch steigenden Anforderungen.<br />
Und vor einem Dilemma: zu wenig Zeit für ihre<br />
Klient/innen und zu wenig Einkommen für ihre<br />
verantwortungsvolle Arbeit. Dass die notwen dige<br />
Betreuungsqualität unter diesen Bedingungen<br />
leidet, liegt auf der Hand. Doch die Chancen<br />
auf umfassende gesetzliche Reformen stehen<br />
derzeit schlecht. Ergo müssen Betreuer/innen<br />
den Widrigkeiten im Alltag organisatorisch und<br />
fachlich adäquat begegnen. Es geht um nicht<br />
weniger als das berufliche Überleben.<br />
Von Jan Schütte<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Jochen Grimm arbeitet als Berufsbetreuer in Krailling bei<br />
<br />
innen muss der Betriebswirt unter chronisch mangelnden<br />
Ressourcen ökonomisch auskömmlich gestalten. So spricht<br />
<br />
stützen Menschen in Krisen, sodass die Gesellschaft nicht<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
»Ich übe die Arbeit leidenschaftlich gern aus, doch die Be-<br />
<br />
Aufwand und Stress stehen in keinem Verhältnis mehr zur<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
nach: »Ich bin mit deutlich mehr Verwaltungsaufgaben<br />
ans Büro gebunden und<br />
die Haftungsrisiken sind explodiert. Bei<br />
tung<br />
geht das klar zu Lasten des persönlichen<br />
Kontaktes zu den Klienten. Man<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
unter den aktuellen Bedingungen krank werden und dem<br />
Beruf den Rücken kehren, lässt das aufhorchen. Ich frage<br />
mich, wie das passieren kann.«<br />
»Wenn<br />
gestandene Kollegen<br />
unter den aktuellen Bedingungen<br />
erkranken und dem<br />
Beruf den Rücken kehren,<br />
lässt das aufhorchen.«<br />
Petra Gatzmaga, Berufsbetreuerin<br />
Düsseldorf<br />
<br />
entwurf<br />
für ein Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungs-<br />
<br />
Förter-Vondey: »Mit einer notwendigen Strukturreform hat das nichts<br />
<br />
an Symptomen herumgedoktert. Wenn es bei diesem Entwurf bleibt,<br />
werden wir keine grundlegenden Änderungen für die Ausübung unseres<br />
Berufes zu erwarten haben.«<br />
Mehr Zeit muss her<br />
pagne<br />
tourt seit dem Frühsommer durch die Bundesländer und eine<br />
treter/innen<br />
– um auf die Misere im Betreuungswesen aufmerksam<br />
zu machen und um für die Unterstützung bei<br />
grundlegenden Gesetzesreformen zu werben.<br />
Bei der Gestaltung ihres Alltags setzen Betreuer/<br />
<br />
Arbeit bestmöglich und ökonomisch organisie-<br />
lichkeit<br />
im Sinne des eigenen Qualitätsanspruchs<br />
sowie im Interesse der Klient/innen nicht aus<br />
-<br />
<br />
<br />
unbezahlter Arbeit. Es sind die gesetzlichen Vorgaben, die<br />
steigenden Anforderungen und Erwartungen anderer Akteure im<br />
Betreuungsprozess sowie der wachsende Verwaltungsaufwand, der<br />
<br />
7<br />
44 Prozent Kostensteigerung<br />
te<br />
Mehrbelastung, sondern für ein allgegenwärtig erlebtes<br />
<br />
unabhängige Gutachten belegen dies: Seit 2005 haben Be-<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
cke:<br />
»Im Schnitt benötigen wir fünf Stunden monatlich pro<br />
<br />
Klaus Förter-Vondey. »Jetzt reicht’s« proklamiert der BdB fol-<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
Betreuung muss das Heft selbst in die Hand nehmen. »Jeder<br />
gerufen,<br />
den Alltag zu gestalten und unseren Beruf zu entwickeln,<br />
um Antworten auf die unzureichenden Rahmenbe-<br />
<br />
<br />
<br />
erden«. Arbeitskraft und Gesundheit erhält die 60-Jährige durch Su-<br />
<br />
Götze, Berufsbetreuer aus Braunschweig, setzt als »Einzelkämpfer auf<br />
-<br />
<br />
wand<br />
überhaupt noch leisten.«<br />
lastungen<br />
umzugehen, sind sich in einer Frage alle einig: Für Arbeit<br />
<br />
Berufskolleg/innen betonen, dass sie den persönlichen Kontakt zu den<br />
<br />
immer weniger wird. »Finanziell kommt man schon ins Grübeln, aber<br />
<br />
<br />
so Michael Götze.<br />
Andreas Decke, Petra Gatzmaga, Jochen Grimm und Michael Götze<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
8<br />
schwerpunktthema<br />
Qualität in der Betreuung:<br />
Es wird viel über Bedingungen und Qualität in der Betreuung diskutiert. Doch wie erleben eigentlich<br />
sie anderen Svenja Randhahn (Hamburg) und Uwe Hoffmann (Brandenburg) sind zwei Betroffene,<br />
Herr Hoffmann, Sie haben eigenständig Betreuung beantragt. Wie<br />
haben Sie davon erfahren, dass es diese Unterstützungsleistung gibt<br />
Hoffmann: <br />
<br />
<br />
nicht annehmen. Ich weiß nicht, ob ich ohne diesen Kontakt in meiner<br />
Not an jemanden Fremdes herangetreten wäre.<br />
Wie haben Sie die Situation erlebt, selbst zum Gericht zu gehen<br />
Hoffmann: <br />
guckt, als ich meine eigene Betreuung beantragen wollte, weil ich offenbar<br />
gar nicht so aussah, als sei ich bedürftig. Letztlich hat<br />
dann Herr Kinzel geholfen, dass ich beim zuständigen<br />
<br />
<br />
<br />
Deckt die Betreuung das ab, was Sie an Unterstützung<br />
benötigen<br />
Hoffmann: Mein Betreuer hat mir über das gesetzliche<br />
Maß hinaus sehr geholfen, insbesondere<br />
bei der akuten Wohnungssuche. Ich weiß nicht,<br />
wo ich nach dem Ärger mit dem ehemaligen Vermie-<br />
<br />
meine Behördenangelegenheiten kommt langsam auch<br />
wieder Ordnung, da habe ich über die Jahre eine Menge liegenlassen.<br />
Oft war ich aufgrund meiner psychischen Verfassung nicht in<br />
der Lage rechtzeitig zu reagieren, so dass ich zum Beispiel zeitweise<br />
Kürzungen des ALG-II in Kauf nehmen musste. Um auch die Ursache<br />
meiner Krise in den Griff zu bekommen, haben wir jetzt noch den Aufgabenkreis<br />
Gesundheitssorge beantragt. Herr Kinzel hat mich bei der<br />
<br />
die Betreuung noch dreieinhalb Jahre läuft, glaube ich fest daran, auf<br />
einem guten Weg zu sein, zurück in die Spur zu einem selbstständigen<br />
<br />
»Ich weiß<br />
nicht, wo ich<br />
ohne Betreuung<br />
gelandet wäre«<br />
Uwe Hoffmann<br />
Was raten Sie Betroffenen, für die eine Betreuung eingerichtet<br />
werden soll bzw. die überlegen, eine Betreuung zu beantragen<br />
Hoffmann: Sie sollten den Schritt, sich helfen zu lassen, früh<br />
gehen und nicht erst, wenn sich die Situation zugespitzt hat.<br />
<br />
<br />
<br />
geholfen. Auch Angehörige spielen eine wichtige Rolle. Wenn<br />
die merken, dass sie mit der Situation nicht mehr klarkommen,<br />
<br />
<br />
Betreuung wird über das Gericht eingerichtet.<br />
Empfinden Sie dies als Stigma oder als schützende<br />
Institution<br />
Hoffmann: Ein Stigma ist es auf keinen<br />
Fall – Gerichte sind da die richtigen Adressen.<br />
Auf Grund der personellen Ausstattung<br />
der Gerichte haben aber Richter<br />
<br />
den Fällen zu beschäftigen und die nötige<br />
<br />
lem Umfang auszuüben.<br />
Sie dürfen wünschen: Was müsste sich im Betreuungssystem<br />
ändern, was könnte besser werden<br />
Hoffmann: Ich bin überzeugt, dass die Vergütung zu gering<br />
<br />
<br />
für weitere Aufgabenkreise nicht mehr bezahlte Stunden bekommt.<br />
Ich kann auch nur in begrenztem Umfang das System<br />
<br />
dem – berufsfremden – Ausbildungsabschluss des Betreuers<br />
<br />
tiert oder seiner konkreten Leistung in der Betreuung. (js)<br />
Welche Unterstützungsleistungen sind Ihnen besonders wichtig<br />
Hoffmann: Wenn ich akut in Not bin, ist Herr Kinzel nach telefonischer<br />
Absprache schnell und unkompliziert für mich da. Besonders bei An-<br />
<br />
tend. Als ALG-II-Empfänger erlebe – nicht nur ich – wiederholt eine<br />
entwürdigende Behandlung durch die Mitarbeiter des Jobcenters. Oft<br />
<br />
<br />
<br />
Was verstehen Sie unter Qualität in der Betreuung<br />
Hoffmann: Wenn ich Vertrauen zum Betreuer haben kann und er nicht<br />
<br />
<br />
kann ich mich eigenständig bewegen, auch in Bezug auf die Aufga-<br />
<br />
Uwe Hoffmann (43), ist im sächsischen<br />
Pirna aufgewachsen und lebt heute<br />
im westlichen Brandenburg. Nach dem<br />
Lehramtsstudium für Biologie und<br />
Chemie (erstes Staatsexamen) arbeitete<br />
er einige Jahre als Nachhilfelehrer.<br />
Persönliche Einschnitte in Familie und<br />
Partnerschaft in den vergangenen zehn<br />
Jahren rissen ihn immer mehr in eine<br />
Krise – beruflich und finanziell. Akut wurde es 2011, als sein<br />
Vermieter die Wohnung kündigte und einen Räumungstermin<br />
ansetzte. Seit Anfang 2011 wird Hoffmann in den Aufgabenkreisen<br />
Wohnen, Finanzen und Behördenangelegenheiten<br />
betreut. Mit Erfolg: Er lebt inzwischen in einer neuen Wohnung<br />
und arbeitet freiberuflich im Mediensektor.<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Klient/innen im Gespräch<br />
9<br />
Klient/innen das System Wo hilft ihnen Betreuung, worauf möchten sie nicht verzichten und was raten<br />
die mit der kompass-Redaktion offen über ihre Erfahrungen und Einschätzungen gesprochen haben.<br />
Frau Randhahn, wie haben Sie darauf reagiert, als 2008 eine<br />
Betreuung für Sie eingerichtet worden ist<br />
Randhahn: Ehrlich gesagt ist das alles ein bisschen an mir<br />
<br />
Anfang habe ich mich schon gesträubt und war sehr skeptisch.<br />
Aber eigentlich nicht wegen der Betreuung an sich,<br />
sondern weil meine Mutter sie angeregt hatte.<br />
Und meine Mutter und ich haben eben nicht<br />
<br />
schon rebellisch. Als das überwunden<br />
war, war ich sehr schnell froh, dass ich<br />
eine Betreuung hatte und sich jemand<br />
um alles kümmerte.<br />
Hatten Sie vorher schon einmal davon gehört,<br />
dass es so etwas wie Betreuung gibt<br />
Randhahn: Nein, das hatte ich nicht. Ich<br />
wusste nicht, was das ist und war am Anfang<br />
auch sehr erschrocken. »Gesetzliche Betreuung«<br />
ist kein Begriff, den man kennt. Er macht Angst. Ich habe<br />
setz<br />
und wenn da etwas schief läuft, hast du gleich den Anwalt<br />
<br />
habe ich mich auch mit dem Begriff arrangiert.<br />
Was war für Sie in der Anfangsphase der Betreuung<br />
entscheidend<br />
Randhahn: <br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
das hätte ich ja gar nicht gekonnt. Heute mache ich alles allein,<br />
<br />
<br />
und ganz.<br />
Wie wichtig ist das Vertrauen in der Betreuung für Sie<br />
Randhahn: Vertrauen ist das A und O. Wenn es kein Vertrauen<br />
<br />
treten.<br />
Wie hat sich das Vertrauen entwickelt und was wissen Sie an<br />
Ihrer Betreuerin besonders zu schätzen<br />
Randhahn: <br />
Kontakt, anfangs haben wir uns ein bis zweimal im Monat gesehen.<br />
Wir sind beide sehr direkt und wir haben unsere Stand-<br />
<br />
<br />
<br />
wo zu beantragen ist. Und als es mir psychisch schlecht ging,<br />
konnte sie mich wieder aufbauen. Vertrauen muss erarbeitet<br />
<br />
»Vertrauen ist<br />
das A und O«<br />
Svenja Randhahn<br />
Wie wichtig ist der persönliche Kontakt<br />
Randhahn: <br />
dem<br />
weiß ich, dass ich im Notfall immer anrufen kann oder kurzfristig<br />
<br />
<br />
für mich.<br />
Sie haben von dem großen Vertrauensverhältnis<br />
gesprochen und dass Sie gut mit Ihrer Betreuerin<br />
zusammenarbeiten. Hat es auch Situationen<br />
gegeben, in denen sie anders agiert hat, als Sie<br />
sich das gewünscht hätten<br />
Randhahn: Ja, 2010 hatte ich wieder eine mani-<br />
<br />
<br />
und der sozialpsychologischen Betreuung, und hat<br />
<br />
habe ich schon als Eingriff erlebt. Krankenhaus fand ich<br />
natürlich doof, da wollte ich nicht hin. Ich habe mich dann halb<br />
überreden lassen, weil ich in einigen klaren Momenten selber gemerkt<br />
habe: Mit dir stimmt etwas nicht. Heute bin ich dankbar dafür und<br />
möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn ….<br />
Gibt es noch mehr, was Sie in der Betreuung als belastend erleben<br />
Randhahn: <br />
ich einem Menschen, den ich gar nicht kenne, aus meinem Leben er-<br />
<br />
<br />
Wenn Sie in einem Satz den Beruf Betreuung beschreiben würden, wie<br />
würde dieser Satz lauten<br />
Randhahn: Betreuer helfen ihren Klienten ihr Leben auf die Reihe zu<br />
bekommen. (hei)<br />
Svenja Randhahn (28), lebt seit fünf Jahren<br />
in Hamburg, geboren ist sie in Stuttgart. Die<br />
gelernte medizinische Bademeisterin und<br />
Masseurin ist manisch-depressiv. Seit sie 15<br />
Jahre alt ist, nimmt sie Medikamente gegen<br />
ihre Krankheit. Als sie die Mittel 2008 eigenständig<br />
absetzt, rutscht sie in eine große Krise.<br />
Eine lang anhaltende Manie endet mit einem<br />
Berg an Schulden: Sie verliert ihren Job und<br />
ihre Wohnung und hat keine Krankenversicherung mehr. Nach einer<br />
langen Odyssee landet sie in der <strong>Psychiatrie</strong> des UKE in Hamburg, wo sie<br />
stationär behandelt wird. Ende 2008 wird Iris Peymann als ihre gesetzliche<br />
Betreuerin bestellt. Heute ist Svenja Randhahn 20 Stunden in der<br />
Woche berufstätig – in ihrem erlernten Beruf. Sie lebt in ihren eigenen<br />
vier Wänden und die Schulden will sie in drei bis vier Jahren abgetragen<br />
haben. Ende dieses Jahres wird die Betreuung kontrolliert. Wenn es<br />
nach Svenja Randhahn geht, würde sie für eine einjährige Verlängerung<br />
plädieren – als Auslaufzeit.<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
10<br />
schwerpunktthema<br />
<br />
Warum die Stundenansätze erhöht werden müssen<br />
Aus drei mach fünf<br />
Allein die Ermittlung des tatsächlichen Zeitaufwands für die Betreuungstätigkeit ist ein Politikum.<br />
Die Frage nach der Zeit für gute Betreuung allemal. Seit den Gesetzesänderungen und<br />
der Einführung der Pauschalen in 2005 geht es um die Frage, wie viel Zeit für Betreuung aufzuwenden<br />
ist und wie diese vergütet wird. Während sich seitdem an der Vergütung nichts<br />
geändert hat, werden Berufsinhaber/innen mit immer höheren Anforderungen an die tägliche<br />
Arbeit belastet. Ihnen wird darüber hinaus vorgeworfen, sie würden die Aufgaben nicht mehr<br />
richtig erfüllen und immer mehr Geld kosten. In diesem Artikel wollen wir der Frage nachgehen,<br />
warum gute Betreuung mehr Zeit braucht.<br />
Von Klaus Förter-Vondey<br />
<br />
<br />
<br />
1 <br />
betreuer/innen (BdB) aus dem Jahr 2007. Aus den Ergebnissen wur-<br />
2 werden.<br />
<br />
<br />
le Studie 3 <br />
<br />
Allein die wachsenden Fallzahlen sind es, die Kostensteigerungen in<br />
<br />
<br />
<br />
60 Prozent zusätzliche Arbeitszeit<br />
werden nicht vergütet<br />
Nach Feststellung der durchschnittlich dramatisch gering bezahlten<br />
Betreuungsarbeit stellt sich die Frage, wie hoch der<br />
<br />
4 aus 2006 zeigt,<br />
dass Betreuer/innen pro Fall tatsächlich deutlich mehr als<br />
3,2 Stunden aufwenden müssen – nämlich 5,1 Stunden. Hin-<br />
<br />
schnittlich 32 Fälle geführt und hierfür rund 165 Stunden pro<br />
<br />
Stunden pro Fall pro Monat. Nach einer weiteren (nicht reprä-<br />
<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
tatsächlich geleisteter Arbeit geht der Anteil unbezahl-<br />
den,<br />
aber 5,1 Stunden pro Fall geleistet werden, dann heißt<br />
-<br />
-<br />
<br />
Welche Faktoren führen dazu, dass der Betreuungsaufwand<br />
pro Fall in der Regel mittlerweile bei 5,1 bzw. 6 Stunden pro<br />
-<br />
<br />
für die beruflich tätigen Betreuer/innen ist klar, dass weder<br />
unnütze Arbeiten erledigt noch »andere Hilfen« erbracht werden<br />
– so, wie es gern behauptet wird. Nein, die Gründe sind<br />
woanders zu suchen.<br />
Management im Zeitkorsett funktioniert nicht<br />
Es liegt an der Aufgabenstellung der Betreuung selbst und an<br />
system<br />
5 <br />
Angelegenheiten, die der Mensch nicht selbst besorgen kann,<br />
-<br />
-<br />
antwortung<br />
6 7 .<br />
<br />
Versorgung unserer Klient/innen lassen uns nicht los. Weder<br />
das Management noch die Verantwortung sind mit Ablauf ei-<br />
<br />
<br />
wir unsere Arbeit nicht nach 3,2 Stunden beenden können.<br />
nen<br />
führt und der lässt sich schwer in abgrenzbaren zeitlichen<br />
Einheiten erbringen. Betreuer/innen kennen folgende Situati-<br />
<br />
ist nicht gekommen, nach der unerwarteten Krankenhausentlassung<br />
ist die häusliche Versorgung nicht geregelt, eine Wiedererkennung<br />
macht einen Krankenhausaufenthalt erforder-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
Mischkalkulation nicht machbar. Allein die Unterscheidung in<br />
»einfache« und »schwierige Fälle« waren und sind Kategorien,<br />
-<br />
<br />
(Haus oder Heim) oder Vermögenssituation sowie in Neu- und<br />
Altfall sind praxisfremd und empirisch nicht nachweisbar 8 .<br />
<br />
und Komplexität der Fallgestaltung: Komplexität beinhaltet<br />
-<br />
<br />
oder Vermögenssituation. Was wir brauchen, ist demnach eine<br />
grundsätzliche, neue gesetzliche Regelung der Vergütung, die<br />
sich an einem Fallgruppensystem orientiert.<br />
Neue Anforderungen ziehen<br />
zeitliche Belastungen nach sich<br />
<br />
drückt sich auch darin aus, dass Störungen oder Veränderungen in der<br />
-<br />
<br />
de<br />
Versorgungslage nicht durch zusätzliche Versorgungstätigkeiten,<br />
sondern ist durch mehr Management und mehr Verantwortung ge-<br />
-<br />
<br />
-<br />
meintliche<br />
Schuld an nicht funktionierenden Systemen den Betreuer/<br />
<br />
-<br />
<br />
Suche nach sogenannten »anderen Hilfen« einzuspannen. Es fehlt ein-<br />
<br />
<br />
eigenen Gestaltungsspielraum.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
menhang<br />
mit Betreuung zu bedenken: Erstens haben die Menschen<br />
bei mehr Selbstsorge und Selbstbestimmung Mitwirkungspflichten<br />
gegenüber den Leistungsträgern und somit Geldgebern zu erfüllen.<br />
<br />
<br />
neue Wirkungsbeziehungen zwischen Versorgungsdienstleistern und<br />
Klient/innen. Aus fürsorgenden Einrichtungen werden Anbieter, aus<br />
Klient/innen werden Kund/innen und Vertragspartner/innen. Was<br />
<br />
Selbstsorge heißt, dass ein Mensch, der Leistungen z. B. aus der<br />
Eingliederungshilfe erhalten möchte, sich an der Bedarfsermittlung,<br />
ellen<br />
Bedarf besser decken zu helfen, also die Versorgungssituation<br />
zu optimieren und auf der Seite der Kostenträger für Einspareffekte<br />
<br />
-<br />
ler<br />
nicht in der Lage, seinen Bedarf plausibel darzustellen, droht ihm,<br />
keine oder zu wenige Leistungen zu erhalten. Unter Betreuer/innen<br />
<br />
Gesamtplankonferenzen 9 -<br />
<br />
mit zusätzlichen zeitlichen Belastungen.<br />
<br />
stationär« gehen stationäre Versorger gern dazu über, das bisherige<br />
11<br />
Kosten Vergütete Stunden Betreuungszahlen<br />
Jahr<br />
Kosten für<br />
Betreuung<br />
gesamt<br />
Berufsbetreuer<br />
(80%)<br />
Vergütungsstunden<br />
(durchschn. 41,67 €)<br />
daraus:<br />
Stunden gesamt<br />
pro Monat<br />
Betreuungen<br />
gesamt<br />
berufliche<br />
Betreuung<br />
1/3<br />
84%<br />
»Mittellose«<br />
Stunden<br />
pro Fall<br />
2010 740.282.512 € 592.226.010 € 14.212.287 1.184.357 1.314.051 438.017 367.934 3,2<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
12<br />
Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik<br />
schwerpunktthema<br />
<br />
»Leistungsdreieck«<br />
<br />
Erbringer<br />
Empfänger<br />
Erbringer<br />
Entwicklungen<br />
<br />
<br />
<br />
Neue Anforderungen<br />
<br />
Mitwirkungspflichten<br />
Kompetenz als Kunde<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Verträge schließen und diese kontrollieren. Viele Klient/innen sind mit<br />
diesen Aufgaben überfordert und müssen auf mehr Unterstützung<br />
<br />
<br />
<br />
wand für die Betreuung pro Fall steigt, da die Wirkungsbeziehungen,<br />
also die Komplexität, zunimmt. Es sind eben nicht allein mehr Verwaltungsaufgaben<br />
(Verträge prüfen, abschließen, kontrollieren) zu erledigen,<br />
sondern es sind die Besprechungspflicht mit den Klient/innen<br />
wahrzunehmen und das Management der Versorgungsleistungen zu<br />
<br />
Die trägerunabhängige Betreuung<br />
ist die richtige Unterstützung<br />
<br />
<br />
heiten muss autonom gegenüber den Versorgern erfolgen. Wie bereits<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
zur Folge, dass die Versorgungssituation nicht nur unübersichtlich<br />
wird und allein das zur Überforderung der Klient/innen führt, es hat<br />
<br />
hörden etwa können nicht mehr das »Heim« mit seinen Komplett-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
innen. Eine Unternehmensberatung würde wohl allen Unternehmen<br />
dringend anraten, Betreuungen anzuregen, um nicht in den<br />
<br />
Behindertenrechtskonvention:<br />
zeitintensive Neuerung<br />
<br />
10 <br />
einklagbares Recht. Für die Betreuung sind mindestens zwei<br />
<br />
Menschen sollen ein selbstbestimmtes Leben führen können.<br />
Und: Ist eine Unterstützung des Selbstmanagements und der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
kennung unserer Berufsethik und der Fachlichkeit, die letztlich<br />
<br />
Krankheitsbilder von Klient/innen 11<br />
Krankheitsbilder<br />
<br />
Erkrankungen<br />
Suchtfolgeerkrankungen<br />
<br />
lichkeitsstörungen)<br />
Anteil an<br />
Betreuungen (2006)<br />
31 %<br />
17 %<br />
18 %<br />
18 %<br />
Soziale Lage von Klient/innen<br />
Veränderungen ab 2005<br />
mehr Jüngere,<br />
Mütter mit Kindern<br />
<br />
<br />
keine deutlichen<br />
Änderung<br />
84 % 12<br />
<br />
<br />
fast 100%<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
die uns für die Betreuungsarbeit zur Verfügung steht, hat das<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur<br />
<br />
bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Betreuer/innen<br />
mangels einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage medizinische<br />
Behandlungen auch dann nicht gegen den Willen der<br />
Klient/innen durchsetzen können, wenn diese ihre Behandlungsbedürftigkeit<br />
infolge einer psychischen Erkrankung nicht<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
und können wir leisten. Undenkbar ist allerdings, dass diese unterstüt-<br />
gabe<br />
für die Betreuer/in immer umsetzbar ist. Auch die BRK erzwingt<br />
eine Neugestaltung der bezahlten Betreuungszeit.<br />
Auch Qualität braucht Zeit<br />
In den letzten Jahren hat sich der Berufsstand auf den Weg gemacht,<br />
Betreuungsarbeit zu professionalisieren. Es wurde eine Methodik für<br />
die Fallgestaltung entwickelt und Fort-, Weiter- und Ausbildungen an-<br />
-<br />
-<br />
<br />
Untersuchungen 10 wissen wir, dass bereits 2006 rund drei Stunden pro<br />
Woche für Fort- und Weiterbildung aufgebracht werden. Rechnen wir<br />
<br />
rund 0,4 Stunden pro Klient/in (12,5 %) unbezahlte Arbeit, die den Klient/innen<br />
zugutekommt.<br />
<br />
auch, das eigene wirtschaftliche Überleben zu sichern, um eine stabile<br />
und langfristige Unterstützung der Klient/innen zu ermöglichen. Betreuer/innen,<br />
selbstständig oder in Vereinen tätig, sind überwiegend<br />
<br />
Klient/innen. Um mit einem Vorurteil aufzuräumen: Klient/innen sind<br />
13<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
14<br />
schwerpunktthema<br />
Zahl der<br />
Klient/innen<br />
(im Durchschnitt)<br />
Vergütete Zeit pro Monat<br />
(3,2 Stunden pro Klient/in)<br />
nicht in erster Linie ältere Menschen, die in Heimen leben, sondern<br />
Menschen aller Altersklassen mit psychischen Erkrankungen. Auffäl-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ungstätigkeit, um dadurch ein zusätzliches Einkommen zu erzielen,<br />
<br />
<br />
kompensiert werden, aber natürlich stößt man mit dieser Strategie<br />
unweigerlich und recht schnell an seine Grenzen.<br />
Fazit: Gute Betreuung braucht deutlich mehr Zeit<br />
<br />
<br />
<br />
derungen gesetzt. Im ersten Schritt wird deswegen gefordert, die be-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
seit 2005 dargestellt.<br />
<br />
<br />
müssen die gestiegenen Kosten für Betreuer/innen (42% seit 2005)<br />
durch eine Erhöhung der Stundensätze ausgeglichen werden, zunächst<br />
auf mindestens 55 Euro und im Weiteren auf 70 Euro – jeweils ohne<br />
<br />
standes und für die Sicherheit unserer Klient/innen eine gesetzliche Regelung<br />
der Fachlichkeit und der Qualitätsentwicklung. Auf dieser Basis<br />
Zusätzliche Belastungen der beruflichen Betreuer/innen seit 2005<br />
Umsatz<br />
(44 € abzgl.<br />
Umsatzsteuer)<br />
88 %<br />
betriebliche<br />
Kosten (31,4 %)<br />
Betrieblicher<br />
Gewinn 13<br />
Persönliche persönliches Einkommen 15<br />
Kosten (41 %) 14 (vor Steuern)<br />
32 102,4 Stunden 3.786,22 € 1.188,87 € 2.597,35 € 1.038,94 € 1.558,41 €<br />
Umsatz und Einkommen<br />
<br />
<br />
Anmerkungen<br />
1 bdb argumente 07, 2007<br />
2 Vergl. Förter-Vondey, Betriebswirtschaft – Von Einnah-<br />
<br />
02/2007<br />
3 Köller, Engels, Ausgabenmonitoring und Expertisen<br />
<br />
4 Vergl. bdb argumente, 07, 2007<br />
5 Versorgung ist die soziale Leistung, auf die ein Anspruch<br />
aus dem SGB besteht<br />
6 Vergl. Roder, Betreuungsmanagement,<br />
bdb aspekte 79/2009<br />
7 Wendt<br />
8 Vergl. Studie zum Fallgruppenmodell des BdB in<br />
bdb aspekte 2010<br />
<br />
stellt so frühzeitig wie möglich einen Gesamtplan zur<br />
<br />
<br />
<br />
behinderten Menschen und den sonst im Einzelfall<br />
Beteiligten, [...], zusammen.<br />
10 http://www.behindertenbeauftragter.de/Shared-<br />
<br />
<br />
<br />
ISG genannt auf Grundlage gerichtlicher Statistiken<br />
12 Köller, Engels, 2012<br />
13 Betriebsgewinn errechnet sich aus Umsatz minus<br />
betriebliche Kosten. Nicht enthalten sind persönliche<br />
<br />
Steuern.<br />
14 Hier wurde die Belastung für Angestellte inkl. der<br />
Arbeitgeberbeiträge zugrunde gelegt<br />
15 Geschätzt, weil z. B. die Rücklage für eine Rente bei<br />
<br />
sind prozentuale Werte errechnet worden aus: Schmä-<br />
<br />
mittlung selbständiger Berufsbetreuer/-innen, 2008<br />
14 %<br />
Betriebliche Kosten<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
3 %<br />
3 %<br />
5 %<br />
10 %<br />
5 %<br />
Klaus Förter-Vondey ist Vorsitzender<br />
des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen<br />
und leitet ein Betreuungsbüro<br />
in Hamburg.<br />
16 %<br />
Summe 144 %<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Roundtable-Gespräch mit drei Betreuer/innen:<br />
Was andere fordern und wie wir professionell darauf reagieren<br />
15<br />
»Mehr Rückendeckung<br />
täte uns gut«<br />
Franka Rump (Brandenburg), Catharina Meier (Hamburg) und Martin Bischof (Niedersachsen)<br />
sind der Einladung der kompass-Redaktion gefolgt. Gemeinsam mit den<br />
Redakteur/innen Anne Heitmann und Jan Schütte haben sie sich in Hamburg zwei<br />
Stunden lang darüber unterhalten, welche – manchmal hanebüchenen – Anforderungen<br />
von außen an sie herangetragen werden und wie sie damit umgehen. Konflikte, so sind<br />
sich die drei einig, sind Teil der täglichen Herausforderung.<br />
Eine Frage an Sie drei: Was fällt Ihnen spontan zum Thema<br />
»Ansprüche von außen« ein<br />
Meier: <br />
nach mehr Kontrolle und Einflussnahme der Rechtspflege in<br />
<br />
<br />
dringend mehr Austausch über die wesentlichen Kriterien, die<br />
professionelle Betreuungsarbeit ausmachen.<br />
Rump: <br />
Angehörige, Vermieter, Behörden. Alles prasselt auf uns ein, es<br />
<br />
<br />
gentlich schön. Wir kommen mit anderen in Konflikt, weil wir<br />
natürlich immer parteilich an der Seite unserer Klienten agie-<br />
<br />
täglichen Herausforderung.<br />
Bischof: <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Meier: <br />
mit den in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Katastrophen im<br />
<br />
bereich zu tun. Ich habe den Eindruck, dass diese Einzelerfahrungen<br />
eins zu eins auf unsere Arbeit im Allgemeinen übertragen werden.<br />
<br />
<br />
zieller Ausstattung in diesen Bereichen wird auf mehr Kontrolle und<br />
Sanktionen gesetzt.<br />
Welche – Ihrer Meinung nach »falschen« – Erwartungen tragen z. B.<br />
Vermieter, Heimleiter/innen oder Familienmitglieder am häufigsten an<br />
Sie heran<br />
Rump: <br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
16<br />
schwerpunktthema<br />
Meier: ... Fußnägel geschnitten, Wäsche gewaschen. Es ist immer noch<br />
nicht angekommen, dass wir Leistungen besorgen und nicht die Men-<br />
<br />
Rump: Viele kommen nicht damit klar, dass wir die Klienten so nehmen<br />
wie sie sind. Wenn auf deren Insel ein Schandfleck ist, dann sollen wir<br />
das weg machen. Beispielsweise haben Vermieter oder Familienangehörige<br />
oft die Erwartung, dass der oder die doch nicht stinken darf.<br />
Bischof: Betreute Menschen sind manchmal keine angenehmen Mie-<br />
<br />
<br />
leiter. Aber: Jeder Mensch ist ein rechtliches Subjekt, das müssen andere<br />
anerkennen und können nicht einfach irgendwas bestellen, was mit<br />
<br />
den möchte, dann muss er es kündigen und gegebenenfalls rechtliche<br />
<br />
Klienten.<br />
Meier: <br />
Ich werde regelmäßig aufgefordert, Einwilligungen zu unterschreiben,<br />
<br />
<br />
<br />
chen Vertreter/innen zu unterschreiben sind, sodass der Einzelfall gar<br />
<br />
ten Menschen statt.<br />
Bischof: Es gibt Krankenhäuser, zu denen ich grundsätzlich<br />
<br />
der Klient selbst einwilligungsfähig ist oder nicht.<br />
<br />
und mehr.<br />
Wie gehen Sie mit den Anforderungen der Krankenhäuser<br />
um<br />
Bischof: <br />
griffe bei den Klienten eigentlich reine Formsache<br />
sind, die sich auch per Fax abwickeln ließen.<br />
Rump: Wir haben die Situation zum Anlass genommen,<br />
mit einzelnen Kliniken gemeinsame Weiterbil-<br />
<br />
<br />
<br />
lich weiter.<br />
Meier: Ja, die Kommunikation mit anderen Berufsgruppen ist ein sehr<br />
<br />
unsere rechtlichen Aufgaben und informiere auch über die Grenzen<br />
unserer Vertretungsmacht.<br />
Rump: <br />
Klient/innen haben – das ist zu wenig öffentlich bekannt. Ich mache<br />
»Für mich<br />
sind Konflikte Teil<br />
der täglichen Herausforderung«<br />
Franka Rump<br />
es im Einzelfall dann schon sehr deutlich,<br />
dass ich bei einer Stunde Anfahrt, einer<br />
<br />
<br />
mehr habe, um den betreffenden Klienten zu<br />
besuchen.<br />
Wie viel Zeit und Raum haben Sie im Alltag, um diese grundsätzlichen<br />
Gespräche immer wieder zu führen Und ist das<br />
nicht ermüdend<br />
Bischof: Wir müssen uns darauf einstellen, uns oft erklären zu<br />
<br />
<br />
Meier: <br />
einfließen zu lassen – das müssen wir als Berufsbetreuer/in-<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
17<br />
Das hört sich erst mal widersprüchlich an und das kann natürlich dazu<br />
beitragen, dass Dritte es immer mal wieder versuchen…<br />
Meier: Also, grundsätzlich übernehmen wir natürlich keine Fahrten.<br />
Aber im Einzelfall, wenn es fachliche und auch menschliche Gründe<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
habe ich mich entschieden, sie dann persönlich dorthin zu begleiten,<br />
weil es mir menschlich wichtig war. So war ein guter Start für sie in der<br />
neuen Umgebung möglich.<br />
Bischof: <br />
sie bieten nämlich Beziehungsmöglichkeiten de luxe. Ich würde es mir<br />
nicht nehmen lassen, im Einzelfall so zu entscheiden. Oft gelingt im<br />
Auto ein Beziehungsaufbau, der eine gute Grundlage für die weitere<br />
<br />
<br />
<br />
der tut etwas, der kümmert sich.« Aber, um das deutlich zu sagen: Es<br />
geht um Einzelfälle.<br />
nen automatisieren. Ich bin jetzt 16 Jahre im Beruf und weiß,<br />
dass auch die Arbeitsbedingungen anderer Berufsgruppen<br />
schwierig sind und bei knapper werdenden Ressourcen immer<br />
<br />
<br />
<br />
Rechte meiner Klient/innen und unserer Berufsgruppe einzutreten.<br />
Im Gegenteil. Seit Oktober 2011 engagiere ich mich im<br />
Vorstand der BdB-Landesgruppe Hamburg, um auch politisch<br />
etwas zu bewegen.<br />
Bischof: Je professioneller ich auftrete, desto professioneller<br />
werde ich auch behandelt.<br />
Welche typischen Anforderungen gibt es noch<br />
Meier: <br />
tragen werden, die mit rechtlicher Vertretung nichts mehr zu<br />
<br />
gedienst, wer meine Klientin für eine Untersuchung ins Kran-<br />
<br />
kein Fahrdienst. Meine klare Reaktion hat für Unmut gesorgt,<br />
<br />
bestellt.<br />
Bischof: Ja, das mit den Fahrten ist ein Klassiker, passiert mir<br />
auch oft. Aber ehrlich: Manchmal machen wir es sogar.<br />
Rump: Unser Büro kommuniziert das ganz klar: Wir fahren<br />
<br />
und können somit auch keine Haftung übernehmen.<br />
Apropos Angehörige: Welche Rolle spielen Familien in der Betreuung<br />
Bischof: Eine Situation, die wir immer wieder haben, sind erwachsene,<br />
psychisch kranke Kinder im Haushalt der Eltern. Oft haben die den<br />
<br />
Betreuung nicht richten, sondern nur die Betroffenen untereinander<br />
können das regeln. Eltern müssen manchmal lernen, dass sie ihr Recht<br />
selbst gegenüber dem eigenen Kind durchsetzen müssen. Gerne hätten<br />
sie, dass wir das übernehmen.<br />
Rump: Ich muss aktuell Leistungsansprüche für eine Klientin geltend<br />
machen. Aber der Ehemann spielt nicht mit, rückt seine dafür notwen-<br />
<br />
<br />
<br />
mit ihren wäre ich in zwei Stunden fertig gewesen.<br />
Bischof: <br />
<br />
anders aus.<br />
Catharina Meier Berufsbetreuerin seit 1996, zunächst im Betreuungsverein<br />
Stade, 2003 Wechsel nach Hamburg und seitdem<br />
selbstständig in einer Bürogemeinschaft tätig. Sprecherin des BdB-<br />
Landesvorstandes Hamburg.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
18<br />
schwerpunktthema<br />
Welches ist Ihr Rezept für einen professionellen Umgang mit Anforderungen<br />
von außen<br />
Bischof: Wir müssen uns immer wieder klarmachen, was unser Job ist.<br />
<br />
<br />
Rump: <br />
<br />
nicht der richtige Ansprechpartner für bestimmte Anforderungen.<br />
Meier: <br />
hinein, dies müssen wir auch bewusst im Blick haben, denn eine Fa-<br />
<br />
Betreuungsarbeit hat, kann zum Beispiel die Arbeit mit einem Klienten<br />
<br />
onelle Haltung.<br />
An welchen Stellschrauben müsste wer drehen, damit das Zusammenspiel<br />
von verschiedenen Akteuren zukünftig besser funktioniert<br />
Meier: <br />
mehr in die Öffentlichkeit, um immer wieder deutlich zu machen, was<br />
<br />
Rump: <br />
dann wissen, was wir tun, wenn wir ihnen sagen „Wir machen das,<br />
was früher die Vormünder gemacht haben“. Für mich ist auch wichtig,<br />
<br />
<br />
<br />
sind.<br />
Bischof: <br />
die Rückendeckung der Gerichte. Es kommt re-<br />
<br />
<br />
<br />
Ihr Klient nicht das und das macht«.<br />
Meier: <br />
Mitarbeiter/innen der Gerichte damit umgehen.<br />
<br />
persönliche Kontakt zu den Vertreter/innen des Gerichtes<br />
<br />
nen und den aktuellen Umständen möglich wird.<br />
Rump: <br />
»Wir<br />
brauchen Fachlichkeit<br />
und eine<br />
professionelle<br />
Haltung.«<br />
Catharina Meier<br />
Franka Rump Die Zehdenickerin führt seit 1995 Betreuungen,<br />
zunächst im Verein und seit 2003 freiberuflich. Die begeisterte Netzwerkerin<br />
engagiert sich im BdB-Landesvorstand Brandenburg.<br />
außen nachgeben und hinter unserem Rücken Entscheidungen<br />
fällen. Mir ist zum Beispiel gerade eine Betreuung entzogen<br />
worden, ohne dass man mit mir darüber gesprochen hat.<br />
<br />
zieher – waren wir mit drei Betreuern und der Familienhilfe<br />
zugange. Fachlichkeit war in diesem Fall<br />
<br />
kein guter Stil. Bei Betreuerwechseln muss<br />
es ein Gespräch geben.<br />
Meier: Es geht auch nicht, dass Kolleg/<br />
innen keine neuen Betreuungen bekommen,<br />
wenn mal etwas schief gelaufen ist.<br />
<br />
<br />
Gespräch suchen, um eine komplexe Situation<br />
besser einschätzen zu können, um dann<br />
eine Entscheidung zu treffen.<br />
Bischof: Wenn jemand fachlich ordentlich arbeitet<br />
<br />
gestärkt werden – sonst ist das ungesund. Man darf sie nicht<br />
im Regen stehen lassen, wenn es mal Beschwerden gibt. Es<br />
ist eine Katastrophe, dass Betreuer hinter dem Rücken ausgetauscht<br />
werden.<br />
Rump: <br />
sind eigentlich unsere Klienten.<br />
Bischof: Ja, die erleben auch eins zu eins unsere Arbeit. Unse-<br />
<br />
arbeit wesentlich höher als zu Beginn einer Betreuung. Eben<br />
weil Entwicklungen sichtbar sind.<br />
Martin Bischof Der Geschäftsführer des Betreuungsvereins Hameln-<br />
Pyrmont führt seit 1994 berufliche Betreuungen und ist Vorstandsmitglied<br />
der BdB-Landesgruppe Niedersachsen.<br />
Wenn Sie abschließend einen Wunsch frei hätten – wie würde<br />
der lauten<br />
Rump: Eigentlich geht es ja immer wieder um die Akzeptanz<br />
des Andersseins, des Verrücktseins. Ich wünsche mir, dass<br />
<br />
<br />
Meier: Ich wünsche mir mehr Aufklärung der Öffentlichkeit<br />
<br />
<br />
<br />
Landschaft prägen.<br />
Bischof: <br />
tiz als Auftraggeber muss professionalisierte Betreuungsarbeit<br />
anerkennen.<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Das Heft in die Hand nehmen<br />
19<br />
Den steigenden Anforderungen in der beruflichen<br />
Betreuung gilt es nicht nur fachlich adäquat zu begegnen,<br />
die Arbeit muss angesichts hoher Komplexität<br />
und mangelnder Vergütung auch effizient gestaltet<br />
werden. Doch leichter gesagt als getan. Patentrezepte<br />
gibt es nicht, dafür aber gelingende Modelle aus der<br />
Praxis. Und von denen lässt sich mit Blick auf das<br />
eigene Unternehmen viel lernen. Auf den folgenden<br />
Seiten stellen zwei Betreuer/innen ihre »Antworten«<br />
auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre vor.<br />
Die Fälle zeigen: Eine Optimierung der betrieblichen<br />
Abläufe und Strukturen kann Kapazitäten für das<br />
Kerngeschäft »gute Betreuung« schaffen.<br />
Von Stephan Joachim Böck (Ottobeuren)<br />
und Angela Roder (Hamburg)<br />
Ottobeuren:<br />
Das papierlose Büro<br />
Welchen Spagat muss ein Betreuungsbüro seit Einführung<br />
des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes leisten, um einer-<br />
<br />
im persönlichen Kontakt, andererseits aber auch die organi-<br />
<br />
<br />
nahm das Betreuungsbüro Ottobeuren als professioneller An-<br />
<br />
<br />
<br />
Dokumentverwaltung im Betreuungsbüro<br />
losengeld<br />
II und erhält ergänzende Leistungen der Eingliede-<br />
<br />
<br />
die Aufgabenkreise »Vermögenssorge« und »Vertretung gegenüber<br />
Behörden« angeordnet. In aller Regel kommen Betreuer/innen in sol-<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und Informationen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
(Aufbewahrungsfristen)<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
20<br />
schwerpunktthema<br />
Das »papierlose Büro« als Lösungsansatz<br />
Um den Organisationsansatz eines »papierlosen Büros« zu realisieren,<br />
digitalisiert das Betreuungsbüro Ottobeuren umfassend alle im<br />
<br />
<br />
<br />
mit folgenden Komponenten:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Konkret hat sich die Kombination aus einem »Windows Small Busi-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Der »Workflow« – Die Akte bleibt im Schrank!<br />
<br />
nen persönlich übergeben, postalisch, per Fax oder E-Mail zugestellt<br />
<br />
on direkt am Einzelplatz oder zentral durch Bürokräfte mit einem netzwerkfähigen<br />
Scanner erfasst und personenbezogen abgespeichert. Eine<br />
Messaging-Software kann Faxe bereits digital als E-Fax entgegennehmen,<br />
auf dem Bildschirm anzeigen und im System speichern. Für eine<br />
optimale spätere Nutzung ist eine logische und einheitliche Vergabe<br />
<br />
software anzuraten. Über einen leistungsfähigen Scanner am Arbeits-<br />
<br />
<br />
Arbeitsplatz im Büronetzwerk erfolgen. Informationen wie z. B. aktuel-<br />
<br />
<br />
akte«, deutlich reduziert im Umfang, wird nur noch in Ausnahmefällen<br />
zur Hand genommen. Auch in punkto Lagerkapazität liegt darin<br />
– hochgerechnet auf alle im Büro geführten Verfahren – eine<br />
<br />
<br />
Engstellen im Betreuungsbüro<br />
<br />
<br />
An dieser Stelle treten bei einer papierbasierten Büroorgani-<br />
<br />
<br />
lung auf eine digitale Aktenführung zum Büroalltag wie der<br />
<br />
<br />
und Ablegen derselben Unterlagen hatte zuweilen Ausmaße<br />
einer Sisyphosarbeit. In manchen Vorgängen musste ein und<br />
derselbe Bescheid innerhalb eines Jahres bis zu zehnmal wie-<br />
<br />
<br />
mit einer Messaging-Software sofort am Bildschirm als E-<br />
<br />
Möglichkeit, beispielsweise alle Anlagen zu einem Antrag auf<br />
<br />
lierten Mailbox (Festplatte, Flash-Speicher) abzuspeichern<br />
<br />
mente (z. B. Rentenbescheid) durch Verkleinerung (zwei Seiten<br />
auf Vorder- und Rückseite pro Blatt) auszudrucken, spart in<br />
<br />
<br />
Messaging-Software. Eingehende Faxe können bereits am<br />
<br />
sehen zurückgefaxt werden – ohne Ausdrucken, handschriftliches<br />
Bearbeiten und manuelles Weiterleiten.<br />
Das »Büro auf der Parkbank«<br />
<br />
<br />
<br />
jedem Ort aus ein Einloggen in das Netzwerk über internetfä-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
lich, Anträge zu schreiben und zu faxen oder Überweisungen<br />
mobil zu tätigen. Auch Klient/innen bei Hausbesuchen hin-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Als praktisch erweist sich zudem gerade bei jüngeren Klient/<br />
innen, per Mail im Austausch zu bleiben und auf diesem Weg<br />
<br />
<br />
<br />
kumente innerhalb weniger Sekunden an Gerichte, Behörden<br />
und Versicherungen per E-Fax oder Mail weiterleiten können.<br />
<br />
nisch zwecks abschließender Bearbeitung eines Antrages um<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
IT-Struktur<br />
Betreuungsbüro Ottobeuren<br />
21<br />
Mobil<br />
Laptop<br />
Smartphone<br />
<br />
Eingang<br />
Betreuungsbüro<br />
Ausgang<br />
@<br />
@<br />
@<br />
Fax<br />
E-Mail<br />
<br />
scanner<br />
<br />
E-Fax<br />
E-Mail<br />
<br />
<br />
Arbeitsplatz<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Datensicherung & Co.<br />
<br />
Komplexität ist es ratsam, für die Einrichtung eines »papierlosen<br />
Büros« und dessen fortlaufende Betreuung einen exter-<br />
<br />
<br />
muss eine ausreichende Absicherung des Netzwerkes gegen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
wand für Einscannen, Benennen, Bearbeiten und Abspeichern<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
sondern weiterhin – in erheblich reduziertem Umfang – abgelegt<br />
und aufbewahrt. Auch wichtig: eine bürointerne Re-<br />
<br />
erhält. Und last but not least eine weitere Kehrseite des »papierlosen<br />
Büros«: Internetfähige Geräte laden natürlich dazu<br />
<br />
schnell« zu erledigen. Es ist daher anzuraten, auf eine angemessene<br />
»Work-Life-Balance« zu achten.<br />
Kosten<br />
<br />
€ (5 User)<br />
<br />
ca. 2.500,– €<br />
€<br />
€<br />
<br />
ca. 500,– € (jährlich)<br />
Fazit<br />
<br />
Anpassung der organisatorischen Abläufe an die Idee eines weitestgehend<br />
»papierlosen Büros« halfen in den letzten Jahren, Kosten zu<br />
<br />
Freiräume und Flexibilität ermöglichen uns, bei deutlich höheren Fall-<br />
<br />
ten Menschen sparen zu müssen.<br />
<br />
Stephan Joachim Böck ist Diplom-Sozialpädagoge<br />
(FH) und seit 2003 als selbstständiger Berufsbetreuer<br />
in der Bürogemeinschaft Ottobeuren<br />
tätig. Seit 2011 ist er Finanzverantwortlicher<br />
der BdB-Landesgruppe Bayern und Mitglied<br />
der BdB-Bundesarbeitsgemeinschaft »Reform«<br />
sowie im Redaktionsbeirat des kompass.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
22<br />
schwerpunktthema<br />
Hamburg:<br />
Win-Win mit<br />
Juniorpartnerschaften<br />
<br />
Förter-Vondey GbR das Modell der Juniorpartnerschaften ein. Heute<br />
sind bereits zwei Kolleginnen erfolgreich als selbstständige Betreuerinnen<br />
im Unternehmen, das 140 Klient/innen unterstützt, tätig. Im<br />
<br />
wie der betriebswirtschaftliche Nutzen und der unternehmerische<br />
Erfolg.<br />
Ende 2010 standen wir mit der Unternehmensentwicklung an einer<br />
Schwelle, die nicht mit einem kleinen Schritt zu überwinden war.<br />
<br />
professioneller räumlicher, technischer und personeller Ausstattung<br />
aufgebaut, für Klient/innen, Behörden und Gerichte gut zu erreichen.<br />
<br />
cher Verfahren konnten wir gemeinsam mit drei Mitarbeiterinnen die<br />
<br />
besorgen und gleichzeitig unsere Einkommen sichern.<br />
<br />
dingungen und in Folge die wirtschaftliche Lage des Unternehmens<br />
<br />
<br />
wirkten sich unmittelbarer auf die Arbeit aus: Unserer Klientel wird<br />
<br />
und bei unseren Mitarbeiterinnen beobachten wir eine erhebliche<br />
Ausweitung der Verwaltungsaufgaben pro Fall. Bei mir und meinem<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
wortung der Klient/innen sensibler werden und hatte mehr Aufwand<br />
<br />
die Klient/innenstruktur. In den Jahren 2010 und 2011 waren<br />
<br />
<br />
<br />
sorgungslandschaft nahmen diese Klient/innen<br />
erhebliche »Betreuer/innenzeit« in Anspruch,<br />
<br />
terstützen.<br />
<br />
<br />
<br />
stabil, stattdessen weiteten sich aber Arbeitszeiten<br />
<br />
<br />
ken. Wochenendarbeit wurde zum Standard, notwendige betriebliche<br />
Steuerungsaufgaben blieben liegen. Erholung fand nicht mehr<br />
statt und die Überforderung des Unterstützungssystems Betreuung<br />
<br />
<br />
<br />
ren Gefahren für die Wirtschaftlichkeit und Langlebigkeit unseres<br />
<br />
Ȇberlastung<br />
versperrte den wich -<br />
tigen Blick über den<br />
Tellerrand des Berufsalltags.«<br />
Frischer Wind fürs Betreuungsunternehmen<br />
Bis 2010/2011 hatten wir die Wirtschaftlichkeit unseres Unter-<br />
<br />
<br />
Arbeitszunahme in der Fallsteuerung durch die Ausweitung<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
staltung zur Klientel führten aber nun zu<br />
<br />
grenzten – Betreuer/innenzeit. Beratung,<br />
<br />
<br />
schriftliche Vereinbarungen und das Ab-<br />
<br />
ßen sich jedoch nicht auf Mitarbeiterinnen<br />
übertragen.<br />
<br />
terentwicklung des Unternehmens durch Juniorpartner-<br />
<br />
Kontakte gewannen wir 2011 zwei jüngere Kolleginnen, die<br />
<br />
<br />
Sie sind heute in unser Unternehmen integriert und sichern<br />
in einer »Win-Win-Situation« sowohl das eigene berufliche<br />
Fortkommen als auch die Weiterentwicklung unseres Unternehmens.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
23<br />
1 3 5<br />
tipp<br />
24 Junior-Partnerschaften: fünf Tipps<br />
1. <br />
der zuständigen Betreuungsbehörde kooperieren und diese<br />
<br />
ner/innen wie üblich bewerben, sollten sie bei der Behörde<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
eine berufsbegleitende Ausbildung und die entsprechende<br />
<br />
2. <br />
<br />
mehr dadurch ausgeglichen werden kann, dass zusätzliche<br />
Betreuungen angenommen werden. Betriebswirtschaftlich<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
müssen steuerlich als Einnahmen geltend gemacht werden.<br />
3. <br />
noch Gesellschafter einer GmbH oder Angestellte eines Unternehmens.<br />
Vielmehr arbeiten sie selbstständig unter dem<br />
<br />
ist einheitlich, so setzen Juniorpartner/innen z. B. Briefpapier<br />
<br />
te unter Kennzeichnung ihrer besonderen Stellung Berücksichtigung.<br />
Einen eigenen Auftritt gibt es nicht.<br />
4. <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
»Junior/innen« die Qualitätsstandards des Unternehmens erfüllen,<br />
nach der Methode des Betreuungsmanagements arbeiten<br />
<br />
Qualität der Arbeit wird regelmäßig überprüft.<br />
5. <br />
innen über bestehende Netzwerke und über die Hochschule:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Win-Win-Situation<br />
Ein wirtschaftlicher Vorteil des Modells Juniorpartnerschaften<br />
<br />
platzes mit kompletter technischer Ausstattung an die neuen<br />
<br />
<br />
<br />
struktur ein und können sie für die eigene Berufsentwicklung<br />
nutzen.<br />
<br />
standards des Unternehmens einzuhalten. Für ihre berufliche Weiterentwicklung<br />
leisten sie an das Unternehmen eine monat liche<br />
<br />
<br />
gewährleisten wir ihnen gegenüber interne Fortbildungen, Fall-<br />
<br />
nutzen den Vorteil einer berufsbegleitenden Ausbildung. Sie können<br />
in einer Lernphase bereits ein eigenes Einkommen erzielen und ihre<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
24<br />
schwerpunktthema<br />
Struktur<br />
Beratung & Betreuung Roder/Förter-Vondey<br />
Unternehmensleitung: 2 Seniorpartner/innen<br />
<br />
<br />
<br />
Ablauforganisation<br />
<br />
<br />
<br />
für das gesamte Unternehmen<br />
2 Junior-Partner/innen<br />
3 Sachbearbeiterinnen<br />
<br />
<br />
der Juniorpartnerinnen in einem erheblichen Umfang zur Qualitätssicherung<br />
und -entwicklung des Betreuungsbüros bei.<br />
<br />
die Wirtschaftlichkeit unseres Betreuungsunternehmens, sondern es<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
cherung der materiellen Existenz ihren Berufsausstieg zu planen. Ge-<br />
<br />
und Verlässlichkeit im Unterstützungsprozess.<br />
Angela Roder arbeitet seit 1996 als Berufsbetreuerin<br />
in Hamburg und hat die Methode<br />
des Betreuungsmanagements entwickelt. Die<br />
Pädagogin ist zertifizierte Case Managerin und<br />
Dozentin an verschiedenen Hochschulen. Roder<br />
hat in vielen Arbeitsgemeinschaften des BdB<br />
mitgewirkt und ist Mitglied des Redaktionsbeirates<br />
des kompass’.<br />
<br />
Entscheidungen<br />
<br />
Finanzen<br />
<br />
Fallarbeit<br />
für den eigenen Bereich<br />
komplexe Fallarbeit<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
auf der Grundlage<br />
<br />
<br />
<br />
Unterstützungs prozesses<br />
<br />
Fristen<br />
1 Mitarbeiterin für Büroorganisation<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
(Rechnungslegungen, Steuererklärungen, etc.)<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
lickpunkt betreuung 25<br />
Junge Erwachsene zwischen Jugendhilfe und Betreuungsrecht<br />
Sand im Getriebe<br />
Der Weg zur rechtlichen Betreuung<br />
führt für junge Menschen nicht selten<br />
durch eine Reihe von Jugendhilfemaßnahmen,<br />
bevor diese mit<br />
dem Eintritt in das Erwachsenenalter<br />
enden. An den Übergängen zwischen<br />
diesen beiden Systemen entstehen<br />
Probleme, die sich aus mangelnder<br />
Abstimmung, fehlender Kenntnis der<br />
Handlungslogiken des jeweils anderen<br />
Bereichs und verfehlten Erwartungen<br />
ergeben. Für die jungen Menschen<br />
folgt daraus in vielen Fällen,<br />
dass sie von beiden Systemen nicht<br />
angemessen wahrgenommen und in<br />
ihrer spezifischen Lebenslage allein<br />
gelassen werden. Was es braucht,<br />
sind passgenaue Hilfen auf Basis der<br />
Lebenswirklichkeit Heranwachsender.<br />
Von Hans-Jürgen Schimke<br />
<br />
<br />
wachsen mit dem Verlassen des Elternhauses und der Einmün-<br />
<br />
<br />
<br />
Lebensgestaltung spezielle Hilfeleistungen oder auch Eingriffe<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Heranwachsenden sind mit unterschiedlichen Schwierigkeiten<br />
konfrontiert, die sich teils überlappen, teils bedingen oder ge-<br />
<br />
gende Elemente, die hier kurz zitiert werden:<br />
Armut und Arbeitslosigkeit: Von den 19- bis 25-Jährigen befanden<br />
sich 2008 und 2009 knapp ein Viertel (22,4 %) unter<br />
der Armutsschwelle (weniger als 60 % eines mittleren Einkommens),<br />
<br />
lich stärker betroffen ist. Hinzu kommt, dass fast jeder zehnte Jugendliche<br />
zwischen 15 und 24 Jahren auf Sozialleistungen nach dem SGB II<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
abgänger/innen. Von diesen begannen mehr als drei Viertel ihren<br />
Weg in die berufliche Ausbildung im sogenannten Übergangssys-<br />
<br />
<br />
bildungs- und Arbeitsmarkt erhöhen soll. Insgesamt umfasste dieses<br />
<br />
<br />
auch nach erfolgreichem Schulabschluss sehr hoch ist.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
26<br />
blickpunkt betreuung<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Hilfen zur Erziehung: Im Jahr 2009 wurden für rund 509.000 Kinder,<br />
Jugendliche und junge Erwachsene Hilfen zur Erziehung geleistet.<br />
49.000 junge Menschen, die in Vollzeitpflege bei anderen Familien, in<br />
Heimunterbringung oder in betreuten Wohnformen lebten, erhielten<br />
Hilfen außerhalb des Elternhauses. Circa 15.000 Hilfen außerhalb des<br />
Elternhauses flossen an junge Volljährige.<br />
Der gesellschaftliche Schutzauftrag<br />
für die Entwicklung von Jugendlichen<br />
Schutz,<br />
Eingriff, Hilfe<br />
<br />
und Unterstützung<br />
Gefährdung<br />
<br />
mehrere problematische Lebenskonstellationen auf sich. Sie lassen<br />
sich oft wie folgt charakterisieren:<br />
<br />
<br />
sind wohnungslos<br />
<br />
haben diese scheitern lassen (»mangelnde Mitwirkung«) und sind<br />
schon mehrfach straffällig geworden<br />
<br />
Stelle im ersten Arbeitsmarkt<br />
<br />
seelischen Erkrankungen bzw. Abhängigkeiten, und ihnen fehlen<br />
persönliche Ressourcen, um dies auszugleichen<br />
Die Jugendhilfe<br />
Junge Menschen bis zum 21. Lebensjahr (in Einzelfällen<br />
auch darüber hinaus) erhalten Hilfen und Unterstützung<br />
auf Basis des SGB VIII, dem Kinder- und Ju-<br />
<br />
<br />
Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit<br />
und Ordnung oder die Ausgrenzung schwieriger<br />
Jugendlicher bezweckt, sondern die Entwicklung<br />
junger Menschen und ihre Integration in die Ge-<br />
<br />
<br />
meine Förderangebote für junge Menschen als auch<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
in gemeinsam erstellten Hilfeplänen festgeschrieben. Allerdings ist<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
»Betreuungsrecht<br />
in seiner derzeitigen<br />
Verfassung ist nicht geeignet,<br />
junge Menschen<br />
in ihren spezifischen<br />
Lebenslagen zu<br />
begleiten.«<br />
Entfaltung und Förderung<br />
des Jugendlichen im Gemeinwesen –<br />
Informationen über Rechte<br />
Rechte auf:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Individueller<br />
Bedarf<br />
<br />
Erreichen der Volljährigkeit entzieht sich die Jugendhilfe syste-<br />
<br />
die jungen Menschen in andere Systeme, insbesondere in die<br />
<br />
<br />
gendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII genannt.<br />
Sozialpädagogische Begleitung junger<br />
Menschen ist darauf gerichtet, diese in<br />
<br />
dern und dazu beizutragen, Benachtei-<br />
<br />
Jugendhilfe kennt dabei grundsätzlich<br />
keine Sanktionierung, das wesentliche<br />
<br />
schen durch sozialpädagogische Hilfen. Aus<br />
der Jugendsozialarbeit hat sich die Jugendhilfe<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
schen ARGE/Jobcenter, Bundesagentur für Arbeit und Jugend-<br />
<br />
der Einmündung in das Arbeitsleben, ohne fachliche Begleitung<br />
und Unterstützung.<br />
<br />
<br />
Hilfen werden mit Blick auf die Gefahrenabwendung konzipiert und<br />
sind deshalb wenig nachhaltig. Es gelingt nicht immer, angemessene<br />
<br />
<br />
sind. Auf Basis der ihnen attestierten mangelnden Mitwirkung wird<br />
<br />
Die rechtliche Betreuung<br />
<br />
jenigen Erwartungen, die keine Möglichkeit mehr sehen, mit<br />
<br />
<br />
<br />
sein, dass die Jugendhilfe bei den Hilfen für junge Volljähri-<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
möchte, aber auch darin, dass die jungen Menschen selbst<br />
nicht mehr bereit sind, Hilfen anzunehmen. Hierunter fallen<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
gefunden haben. Von der Betreuung erwartet<br />
die Jugendhilfe in diesen Fällen,<br />
dass sie ihre besonderen rechtlichen<br />
Befugnisse nutzt, um zu den Ergebnissen<br />
zu kommen, die die Jugendhilfe mit<br />
<br />
<br />
soll für den jungen Menschen handeln und<br />
dem<br />
soll sie die notwendigen Hilfen wie Beratung<br />
und Begleitung des jungen Menschen leisten. Betreuer/innen,<br />
die mit diesen Erwartungen konfrontiert werden, geraten<br />
in ein erhebliches Konfliktfeld: Sie wissen, dass ihr Aufgaben-<br />
me<br />
der Betreuung tatsächlich Verantwortung für die jungen<br />
Menschen, der sie nicht gern ausweichen. Schließlich sehen sie<br />
<br />
<br />
mit persönlichem Kontakt ist diesen Herausforderungen nicht<br />
gewachsen. Heranwachsende brauchen weniger die rechtliche<br />
Vertretung, sie benötigen Menschen, die Vertrauen zu ihnen<br />
-<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
Rechtsgebiete wie z. B. Familienrecht und SGB VIII haben und<br />
auch über das regionale System der Jugendhilfe informiert<br />
sein. So erweist sich das Betreuungsrecht in seiner derzeitigen<br />
Verfassung nicht als geeignet, junge Menschen in ihren spezi-<br />
<br />
Einige Konsequenzen<br />
Junge Menschen auf dem Weg ins Leben machen es sich und<br />
<br />
<br />
und andere und nehmen daraus entstehende Nachteile für<br />
-<br />
se<br />
und spiegeln die immer wieder enttäuschten Hoffnungen<br />
sellschaftliche<br />
Reaktion auf diese Verhaltensmuster darf sich<br />
deshalb nicht an oberflächlichen Symptomen orientieren und<br />
zu scheinbar bewährten Sanktionsmustern greifen. Sie hat<br />
<br />
ihrer persönlichen Lebensbiographie, Hilfs- und Unterstützungssysteme<br />
zu organisieren, die ohne Vorwurfshaltung mit<br />
Geduld und Verständnis auf die Signale der jungen Menschen<br />
<br />
Heranwachsender ist zurzeit nur unzureichend entwickelt. Es<br />
herrscht eine Atmosphäre der Ausgrenzung und Abschiebung<br />
<br />
Betreuung wird in den schwierigsten Fällen als »Ausfallbürge«<br />
für fehlende Unterstützung herangezogen – eine Aufgabe, der<br />
<br />
»Die Jugendhilfe<br />
regt häufig<br />
dann die Betreuung an,<br />
wenn sie mit ihrem<br />
›Latein am Ende‹<br />
ist.«<br />
werden kann. Nötig ist ein auf Kooperation und Integration aufbauen-<br />
<br />
Menschen orientiert. Schematisch müsste ein solches System die prä-<br />
<br />
<br />
<br />
Schutz- und Eingriffsmechanismen bei Gefährdungen<br />
für den jungen Menschen. Auf allen drei<br />
Ebenen muss die Qualität der Hilfeleistungen ge-<br />
<br />
<br />
<br />
Rechte auf Beteiligung, Begleitung, Schutz und<br />
<br />
transparent gestaltet werden, um die jungen Menschen<br />
auf dem Weg der Hilfeleistung mitnehmen zu<br />
ten<br />
und Institutionen zu erreichen, ist ein Umdenken und Umsteu-<br />
<br />
Adressaten sozialstaatlicher Unterstützung sind der Ausgangspunkt<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
der Betroffenen koordiniert werden.<br />
-<br />
<br />
und ob sie diese erfüllen können.<br />
<br />
sich, ihn zu beginnen. Auch wenn wir nicht alle jungen Menschen<br />
erreichen können, ist es jeder Einzelne wert, ihn zu beschreiten.<br />
Literatur<br />
<br />
<br />
5/2011, S. 195-200<br />
<br />
<br />
Sozialrecht in Freiburg www.srif.de<br />
-<br />
<br />
www.kinderschutzbund-nrw.de<br />
Seminare zum Thema<br />
Bildungsakademie BIS: Gesellschaftlicher Schutzauftrag für<br />
Jugendliche www.bis-akademie.de<br />
Prof. (em.) Dr. jur. Hans-Jürgen Schimke ist<br />
Vorsitzender des Instituts für Soziale Arbeit<br />
(ISA) in Münster und stellvertretender Landesvorsitzender<br />
des Deutschen Kinderschutzbundes<br />
(Landesverband NRW). Schimke engagiert sich<br />
zudem als Vorstandsmitglied des Betreuungsgerichtstages<br />
(BGT) sowie als Vorsitzender des<br />
Beirats für Qualitätsentwicklung im BdB.<br />
27<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
28<br />
blickpunkt betreuung<br />
Mit Hilfe von § 14 SGB IX sollte es gelingen, dass<br />
Leistungen für Menschen mit Behinderungen<br />
schneller und einfacher bewilligt werden. Obwohl<br />
seit Juli 2001 Gesetz, wurde diese Vorschrift von<br />
vielen Leistungsträgern bislang häufig ignoriert. Inzwischen<br />
aber haben verschiedene Gerichte, allen<br />
voran das Bundessozialgericht, jene Leistungsträger<br />
zur Ordnung gerufen, die das Gesetz missachten.<br />
<br />
Streitigkeiten unter<br />
Leistungsträgern<br />
<br />
<br />
des Sozialgesetzbuches – zieht unweigerlich nach sich, dass auch An-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Heft des Handelns in die Hand genommen und die entsprechenden<br />
<br />
<br />
Norbert Schumacher (Wissenschaftlicher Referent im Referat<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
sozialgericht Urteile zur erneuten Verhandlung und Entschei-<br />
<br />
<br />
<br />
werden, wird die Vorschrift immer mehr an Bedeutung gewin-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
hende Ansprüche für Menschen mit Behinderungen so schnell<br />
wie möglich bewilligt und umgesetzt werden. Keinesfalls, so<br />
Schumacher, dürften etwaige Unklarheiten auf dem Rücken<br />
<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Die Urteile<br />
29<br />
1. <br />
<br />
<br />
Ablehnung einfach damit, dass kein Leistungsanspruch zu<br />
<br />
11. Mai 2011 (Az: B 5 R 54/10 R) hat das Bundessozialgericht<br />
<br />
Antrag nicht mit dieser Begründung ablehnen. Er hätte erkennen<br />
müssen, dass er den weitergeleiteten Antrag im Hinblick<br />
<br />
<br />
keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein Leistungsanspruch in<br />
Betracht komme, dürfe ein ablehnender Bescheid ausgestellt<br />
werden, so das BSG.<br />
2. <br />
den Versorgungsanspruch mit einem Hilfsmittel zu entschei-<br />
<br />
<br />
<br />
Versicherte auf einer anderen Grundlage, außerhalb des<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und leitet den Antrag nicht weiter, so wird er automatisch für<br />
den Leistungsanspruch des behinderten Menschen zuständig,<br />
und zwar umfassend im Hinblick auf alle denkbaren<br />
Rehabilitationsleistungen.<br />
3. <br />
digkeitsklärung kann dazu führen, dass ein Leistungsträger ei-<br />
<br />
<br />
Vorgehensweise nicht zu Lasten der Menschen mit Behinde-<br />
<br />
<br />
<br />
eines Antrags nicht zulässig war, müsse der Leistungsträger,<br />
der den Antrag erhalten habe, hierüber entscheiden. Ein<br />
möglicherweise rechtmissbräuchliches Verhalten eines Rehabilitationsträgers<br />
dürfe wegen der Schutzbedürftigkeit des<br />
behinderten Menschen nicht dazu führen, dass sich die Bearbeitung<br />
eines Antrags durch eine zweite Weiterleitung oder<br />
<br />
auch ein nicht zuständiger Rehabilitationsträger den Antrag<br />
<br />
anschließend die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Kosten-<br />
<br />
zuständigen Rehabilitationsträger zurückzuholen.<br />
Quelle: www.lebenshilfe.de<br />
rechtstipp<br />
von Norbert Schumacher (Lebenshilfe)<br />
das sollen sie unter sich ausmachen und die behinderten Menschen<br />
damit nicht belasten.«<br />
<br />
Berufsbetreuer/innen e.V. (BdB), unterstreicht zusätzlich: »Es<br />
ist gut, dass durch die Gerichtsurteile endlich Bewegung in die<br />
Sache kommt. Jeder, der Betreuungen führt, weiß, wie mühsam<br />
<br />
die Verantwortung gegenseitig zuschieben. Verbandspolitisch<br />
betrachtet ein Grund mehr, auf unser Modell der Geeigneten<br />
<br />
<br />
<br />
Geeigneten Stellen und deren Finanzierung. Geeignete Stel-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
die keinen Betreuungsbedarf haben. (hei)<br />
Der Gang zum Gericht<br />
kann sich lohnen<br />
Wir empfehlen unseren Mitglie-<br />
<br />
auf die eindeutige Gesetzeslage<br />
und Rechtsprechung hinzuweisen,<br />
sofern sie Anhaltspunkte dafür haben,<br />
dass Anträge auf eine Rehabi-<br />
<br />
<br />
14 SGB IX auf andere Weise nicht eingehalten wird.<br />
<br />
Gruppen sollten auch den Rechtsweg in Erwägung<br />
<br />
darauf hingewiesen, dass das im SGB IX geregelte<br />
<br />
onsleistungen gilt, nicht jedoch für Leistungen, die der<br />
Sicherung des Lebensunterhalts dienen.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
30<br />
Ein Fall und seine Lösung Kann ich in Regress genommen werden<br />
blickpunkt betreuung<br />
In dieser Rubrik wollen wir Ihnen Fälle aus dem Betreuungsalltag vorstellen, die bei näherer Betrachtung Fragen aufwerfen.<br />
Und wir bitten Expert/innen um ihre Antworten.<br />
Der Fall: Kann ich in Regress<br />
genommen werden<br />
Eine Klientin (mittellos, ca. 350 Euro<br />
Vermögen auf dem Konto) wohnt seit<br />
etlichen Jahren in einer Mietwohnung<br />
<br />
Heim. Nach gerichtlicher Genehmigung habe ich, die Betreuerin, die<br />
Wohnung gekündigt, das Sozialamt zahlt noch weitere drei Monate<br />
<br />
Aufgabenkreise), dass ich neben der Reinigung der Wohnung und der<br />
<br />
übernehmen soll. Begründung: Als Betreuerin hätte ich dafür sorgen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Mieten zu zahlen, falls das Sozialamt für diese nicht aufkommt. Er<br />
würde mir aber freundlicherweise entgegenkommen, wenn ich einen<br />
Nachmieter suchen, die Annoncen dazu aufgeben und die Besichti-<br />
<br />
die Rechtslage aus und welche Aufgaben muss ich als Betreuerin<br />
<br />
<br />
!Die Antwort: Gelassen bleiben<br />
<br />
dem Vermieter um einen »Anwalt«<br />
handelt, macht diesen nicht zu<br />
<br />
erin ist nach einem gekündigten<br />
<br />
schon gar nicht deren Reinigungsdienst, Entrümplerin, Haussaniererin<br />
oder Bürgin für unberechtigte Mieten. Ich wäre in<br />
diesem Fall ganz gelassen und würde erst mal gar nichts tun,<br />
denn es besteht gegen die Betreuerin kein Regressanspruch.<br />
<br />
wenn das die einwilligungsfähige Klientin selbst gemacht<br />
hätte und wenn es eine betreuungsrechtliche Genehmigung<br />
gem. § 1907 BGB gibt, kann ihr gar nichts passieren. Eine Meldung<br />
bei der Berufshaftpflicht ist erst dann notwendig, wenn<br />
<br />
<br />
<br />
ten bei derartigen Auseinandersetzungen.<br />
Geantwortet hat: Hennes Göers, Geschäftsführer des Betreuungsvereins<br />
Bremerhaven e.V. und Vorstandsmitglied des<br />
Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e.V.<br />
Den Fall eingebracht hat: Yvonne Zapke, seit 2007 Berufsbetreuerin im<br />
Kreis Kleve<br />
Nachklapp: <br />
<br />
<br />
<br />
Was, wo, web Text-, Bild- und Videoangebot zur UN-BRK<br />
<br />
<br />
steuern. Hier bietet die Betreiberin Elfriede Jung (Koblenz) seit 2011<br />
<br />
Grundsätzen und aktuellen Entwicklungen – auch dank zahlreicher<br />
Links und News anderer Institutionen. Herzstück ist der Blog mit re-<br />
<br />
<br />
handlungen. Hier besteht auch die Möglichkeit, Artikel zu kommentie-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
nach Beiträgen, die den jeweiligen Begriff beinhalten. Eine Liste mit<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
übrigens auch über andere Kanäle zu empfangen: per Kurz-<br />
<br />
als RSS-Feed (Mail-Abonnement). (js)<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Hingeschaut!<br />
Zeit und Raum für Dialog<br />
31<br />
Kleine Ursache, große Wirkung: In der Rubrik Hingeschaut!<br />
lassen wir Betreuer/innen innovative Konzepte oder besondere<br />
Alltags situationen aus beruflich-individueller Sicht<br />
reflektieren. Diesmal erzählt Rainer Sobota (Delmenhorst) die<br />
»Erfolgsgeschichte« des Kaffee für Klient/innen.<br />
»Hallo Herr Jensen. Na, Sie sind ja ganz durchgefroren. Geht es<br />
Ihnen nicht gut Kommen Sie erst mal rein und trinken einen<br />
Kaffee!« <br />
der in einer Krisensituation ziemlich »abgerissen« im Betreuungsbüro<br />
erschien. Ein ebenfalls anwesender Klient wartete<br />
<br />
Schach zu spielen. Wenngleich daraus erst mal nichts wurde,<br />
ation.<br />
Im anschließenden Gespräch mit Herrn Jensen erarbei-<br />
<br />
Jahren entstand die Idee: Klientinnen und Klienten begreifen<br />
Betreuung als Hilfe und nicht als Eingriff in ihre Autonomie.<br />
Sie erleben das Betreuungsbüro als einen Ort, an dem die Absicherung<br />
und Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe ihren Ausgang<br />
nehmen. Chancen eröffnen sich, soziale Isolation und<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
passenden Antworten führen meistens dazu, dass eine Idee<br />
keit<br />
hieß deshalb: Erst mal loslegen, dann wird sich ja zeigen,<br />
was möglich ist. Und schon sehr bald zeigte sich, dass es gar<br />
<br />
<br />
Wie waren die Rahmenbedingungen für die Arbeit zu der<br />
-<br />
<br />
Gericht übertragenen Fälle. Mit den 30 Klientinnen und Klienten<br />
führte ich Gespräche, und wenn sie das Büro aufsuch-<br />
<br />
<br />
<br />
zur Verfügung steht, im Mittelpunkt des Gesprächs, meistens<br />
mit leicht unterschiedlichen Meinungen. Immer wieder fragte<br />
ich mich: Wieso merken die Klient/innen nicht, dass ich ihnen<br />
-<br />
<br />
-<br />
umfang<br />
um die Klienten/innen gekümmert habe, weshalb ich<br />
dieses oder jenes überhaupt getan habe. Und bis der Lohn für<br />
die Mühen kam, dauerte es mehrere Wochen<br />
Multifunktionaler Warteraum<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
aus den Anfangsjahren ist dem Betreuungsmanagement ge-<br />
<br />
Bereich der rechtlichen Betreuung, sondern umfassen auch<br />
<br />
Quadratmeter groß, mit Besprechungsraum und separatem, caféartig<br />
gestalteten »Warteraum« für die Klient/innen. Einige nutzen diesen<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
die es früher immer kritisch hinterfragt hat, als Mindeststandard ein.<br />
Geblieben ist eines: der kostenlose Kaffee für die Klient/innen.<br />
<br />
Während der Wartezeit bis zum Gespräch mit ihrem Betreuer sind ei-<br />
<br />
gelöst oder es können bestimmte Fragestellungen deutlicher artiku-<br />
-<br />
<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
32<br />
namen & netzwerk<br />
Renate Fischer landet großen Erfolg mit »Herz IV«<br />
Humor ist ein gutes Gegengift<br />
Renate Fischer<br />
Herz IV<br />
256 Seiten, 14,95 €<br />
ISBN 978-3-86739-061-3<br />
Renate Fischer, Diplom-Sozialpädagogin, lebt im Rheinland und arbeitet<br />
seit 1998 als Berufsbetreuerin. In ihrem Buch »Herz IV« schildert sie<br />
in kurzen aber prägnanten Episoden Ihre Arbeit. Vielerorts hat Renate<br />
Fischers Buch seit dem Erscheinen begeistert. Über diese Resonanz ist<br />
die Autorin selbst am meisten überrascht.<br />
Frau Fischer, Ihr Buch ist sehr gut aufgenommen worden.<br />
Haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet<br />
Fischer: <br />
<br />
Leute das lesen werden. Was mich überrascht,<br />
ist, dass meine Kollegen Berufsbetreuer das Buch<br />
<br />
selbst mit solchen Geschichten zu tun, die kennen<br />
das doch alles. Ich dachte eher, dass die Geschichten<br />
für Leute interessant sind, die sonst nichts mit<br />
Sozialsystemen und psychisch Kranken zu tun haben.<br />
Was »fasziniert« Menschen, die wenig Kontakt zu Betreuung haben,<br />
an Ihrem Buch<br />
Fischer: Ich glaube und hoffe, dass es für die Leser interessant ist, Ein-<br />
<br />
arme und behinderte Menschen bemühen, ein gutes Leben zu füh-<br />
<br />
<br />
<br />
wissen, wie mühsam der Kampf gegen Ämter und Behörden heute ist.<br />
<br />
Sachen. Humor ist ein gutes Gegengift zu all den kafkaesken Situationen,<br />
die man im Alltag ertragen muss.<br />
<br />
<br />
cherungen etc. zunehmend weder persönlich noch telefonisch<br />
<br />
einem Callcenter und muss 1,80 Euro pro Minute<br />
bezahlen, um eine Frage stellen zu dürfen, die<br />
sowieso keiner beantworten kann. So etwas<br />
über ein Buch öffentlich zu machen, ist mir<br />
sehr wichtig. In diesem Sinne begreife ich<br />
meine Arbeit auch als eine explizit politische.<br />
Was wünschen Sie sich für Ihren Beruf in<br />
der Zukunft<br />
Fischer: Ich wünsche mir, dass ich als Betreuerin<br />
einen ähnlichen Stundenlohn bekomme,<br />
wie der Mann, der mein Auto oder<br />
meine Heizung repariert. Ich wünsche mir auch,<br />
dass meine Kollegen mal den Hintern hoch kriegen und<br />
<br />
zuletzt fände ich eine Stärkung der kommunalen Betreuungsstellen<br />
wichtig. (schu)<br />
Welche persönliche Resonanz hat Sie besonders beeindruckt<br />
Fischer: Besonders beeindruckt hat mich, dass meine Mutter sagte:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Werden Sie ein weiteres Buch schreiben<br />
Fischer: <br />
dings gerade über ein Fotoprojekt nach, das sich auch mit meiner Arbeit<br />
befasst.<br />
Was ist das Besondere an Ihrem Beruf und was mögen Sie gar nicht<br />
Fischer: Mir bekommt die Selbstständigkeit ganz gut, kein Chef, kei-<br />
<br />
<br />
<br />
sante Menschen kennen zu lernen. Manchmal wird mir klar, wie dünn<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Schlimmste in meinem Berufsalltag ist im Moment die zunehmende<br />
Bürokratie und die Abschottung der Ämter und Behörden. Man<br />
Thomas Plaßmann, Jahrgang 1960, gehört zu den beliebtesten<br />
Cartoonisten Deutschlands. Seine Werke erscheinen<br />
regelmäßig in großen deutschen Tageszeitungen wie Frankfurter<br />
Rundschau, Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue<br />
Ruhr Zeitung sowie in Zeitschriften, Fachpublikationen und<br />
Büchern. Stets greifen Plaßmanns Cartoons aktuelle Themen<br />
aus Politik, Gesellschaft und Kirche auf. 2003 verlieh<br />
ihm das Nachrichtenmagazin »Focus« den Publikumspreis.<br />
Im Rahmen des »Deutschen Preises für die politische Karikatur«<br />
erhielt er bereits sieben Mal den Preis »Spitze Feder«.<br />
kompass | Ausgabe 1/2012
Sagen sie mal ..., Herr Bieg<br />
33<br />
In der Rubrik Sagen sie mal ... »überrascht« die Redaktion interessante Personen, die im Kontext von Betreuung arbeiten. Diesmal am<br />
Telefon: Dr. Gero Bieg, Betreuungsrichter am Amtsgericht Saarbrücken.<br />
Guten Tag Herr Dr. Bieg. Woran arbeiten Sie in<br />
diesem Augenblick<br />
Bieg: <br />
rungsrunde in einer Senioreneinrichtung<br />
und sitze an den dazugehörigen Akten.<br />
Außerdem beschäftige ich mich mit dem<br />
Beschluss des Bundesgerichtshofes zu<br />
<br />
Juni eine Grundsatzentscheidung gegeben,<br />
<br />
auf die Betreuung und auch auf einige meiner Fälle. Wenngleich<br />
die Entscheidung Rechtssicherheit schafft, besteht die<br />
Gefahr, dass betreute Menschen dadurch gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />
erleiden. Wir werden in manchen Bereichen<br />
<br />
dringend gesetzgeberischer Handlungs bedarf geboten – das<br />
sehen zum Glück wohl auch die politisch Verantwortlichen so.<br />
Welches Thema bewegt Sie im Hinblick auf rechtliche Betreuung<br />
am meisten<br />
Bieg: <br />
<br />
duzierung freiheitsentziehender Maßnahmen. Grundsätzlich<br />
machen mir aber die drastisch gestiegenen Ausgaben für<br />
Betreuung Sorgen. Ich bin aktuell für 1.400 laufende Betreu-<br />
<br />
<br />
<br />
Alle Bundesländer, so auch gerade das Saarland, müssen sparen. Ich<br />
sehe die Gefahr, dass der Kostendruck, der auf den öffentlichen Haushalten<br />
lastet, und im speziellen die beschlossene Schuldenbremse<br />
für den Haushalt, die Verbesserungen, die durch das Betreuungsrecht<br />
zum Wohl der Klienten erreicht wurden, und die guten Strukturen im<br />
<br />
haben alle zu kurz gegriffen. Ich denke auch, dass die jetzt durch den<br />
Gesetzgeber angedachten Änderungen, zum Beispiel die Stärkung der<br />
<br />
bringen wird, aber die Gefahr besteht, dass das Verfahren überbürokratisiert<br />
wird.<br />
Zum Schluss ein Satz, den Sie schon immer mal über Betreuung sagen<br />
wollten.<br />
Bieg: Als Richter im Betreuungsrecht zu arbeiten ist eine sehr erfüllen-<br />
<br />
<br />
<br />
Dr. Gero Bieg (43) ist seit zwölf Jahren Richter für Betreuungs- und<br />
Familienrecht sowie Abteilungs leiter am Amtsgericht Saarbrücken.<br />
<br />
Mit Vorurteilen<br />
aufräumen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
brennende Fragen und Vorurteile, die zum Betreuungsma-<br />
<br />
dung oder gar Entmündigung, aber auch darum, die Schwie-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ler bereits kontaktiert und um eine Abdruckgenehmigung der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
© Thomas Plaßmann, Diakonische Werke Baden und Württemberg<br />
Karten und Plakate kaufen<br />
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an leimbach-jehle@diakonie-baden.de bestellt werden. Ein Set<br />
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kompass | Ausgabe 1/2012
34<br />
schlusspunkt<br />
schlusspunkt heißt unsere abschließende Rubrik. Regelmäßig<br />
bitten wir eine/n Autor/in, ein Essay zu einem Stichwort zu<br />
verfassen – frei und ohne weitere Vorgaben.<br />
Das Stichwort heute: Zeit. Unser Autor: Burkhard Peglow.<br />
<br />
20 Jahre sind ins<br />
Land gegangen<br />
<br />
den Streit, ob wir dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum des Betreuungsrechts<br />
feiern sollten. Oder aber, ob dies nicht bereits im letzten Jahr<br />
<br />
ins Land gegangen.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
lange dürfen Gespräche dauern, um den Willen unserer Klient/innen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
aber die Hoffnung, dass dieser Stundensatz auch auf die Vergütung<br />
<br />
nicht.<br />
<br />
die bis heute gültige pauschale Abrechnung erhielten. Endlich war die<br />
<br />
mehr haarklein minutiös für die Vergütungsabrechnung dokumen-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und medizinischer Versorgung, die Geltendmachung sozialhilferecht-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
unsere Klient/innen ist es eine schallende Ohrfeige: Eine berufliche<br />
<br />
denn eine angemessene Vergütung oder Anpassung der pauschalen<br />
Abrechnung. Einzig und allein die Empathie zwischen Klient/<br />
innen und Betreuer/innen sei entscheidend und somit könne<br />
<br />
<br />
chend für meine Klient/innen da sein zu können – unter den<br />
<br />
<br />
<br />
weiter Raubbau an meiner Gesundheit betreibe und weit<br />
mehr als 40 Stunden in der Woche arbeite, oder indem ich<br />
<br />
und meine Klient/innen nur noch einmal im Jahr oder gleich<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ist gefordert einen entsprechenden Rahmen zu schaffen,<br />
<br />
können.<br />
Burkhard Peglow (54), bekennender waschechter<br />
Berliner, Diplom-Sozialarbeiter/<br />
Sozialpädagoge, seit 1992 Berufsbetreuer,<br />
seit Ende der 1990er Jahre engagiertes<br />
BdB-Mitglied, aktuell einer der Sprecher der<br />
BdB-Landesgruppe Berlin<br />
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In eigener Sache<br />
kompass<br />
Fachzeitschrift für Betreuungsmanagement<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
Sie halten heute das erste Mal die neue Fachzeitschrift<br />
für Betreuungsmanagement kompass in den<br />
<br />
liegen hinter uns und wir freuen uns, dass die neue<br />
<br />
Nun sind wir gespannt auf Ihr Feedback:<br />
Was gefällt Ihnen am kompass Was kommt bei Ihnen<br />
<br />
<br />
Wünsche: Was möchten Sie gern lesen im kompass<br />
<br />
Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail unter:<br />
<br />
<br />
<br />
kompass-Redaktion<br />
<br />
Betreutes Lesen<br />
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Schnelle Hilfen im Berufsalltag<br />
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