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Leseprobe Orchester 11_07 - Das Orchester

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Interview<br />

Leopold Stokowski<br />

Foto: dpa<br />

Der gebürtige Londoner war zunächst in seiner Heimatstadt<br />

als Organist tätig (St. James’s) bevor er 1905 in der gleichen<br />

Position nach New York zur Gemeinde St. Bartholomew<br />

wechselte. Ab 1909 dirigierte Stokowski das Cincinnati<br />

Symphony Orchestra, 1912 wurde er zum Chef des Philadelphia<br />

Orchestra ernannt, das er in 26 Jahren bis 1938 zu einem der<br />

bedeutendsten amerikanischen Sinfonieorchester formte.<br />

Ab 1955 arbeitete er mit dem Houston Symphony Orchestra<br />

zusammen.<br />

Stokowski war ein Pionier der Schallplatte, spielte für Walt<br />

Disney die Musik zum Film Fantasia ein und engagierte sich<br />

stark für zeitgenössische Musik. Auch die Vermittlung von Musik<br />

an junge Menschen war ihm ein lebenslanges Anliegen.<br />

Stokowski gründete eigene Sinfonieorchester wie z. B. 1962<br />

das American Symphony Orchestra und dirigierte als Gast<br />

vorwiegend in New York und London.<br />

Stokowski 1959 bei einer Probe im Konzertsaal<br />

der Hochschule für Musik in Berlin, wo er ein Konzert<br />

der Berliner Philharmoniker dirigierte<br />

immer so schade, wenn viele Leute rückblickend das Gefühl haben,<br />

er sei eben ein Showman gewesen. Natürlich hat er auch<br />

diese Seite gehabt, aber man muss vor allem sehen, was er als<br />

hochkarätiger Musiker geleistet hat.<br />

Wie haben Sie Stokowski kennen gelernt<br />

1969 war ich von George Szell eingeladen, als „Apprentice Conductor“<br />

zum damals besten amerikanischen <strong>Orchester</strong> – nach<br />

Cleveland – zu kommen. Ich fuhr also mit meiner Frau auf der<br />

„Queen Elizabeth II.“ von Europa nach Amerika. Mir war in<br />

den vier Tagen auf dem Schiff so unglaublich langweilig, dass<br />

ich sogar die Passagierliste gelesen habe. Und da stand: „Mr. L.<br />

Stokowski“. Meine Frau hat sich erinnert, dass er im Sommer<br />

immer nach Europa geht, und meinte, er könnte sich nun auf<br />

der Rückreise ja vielleicht genauso langweilen wie ich, und ich<br />

sollte ihm eine kleine Notiz schreiben. Ich habe damals kaum<br />

Englisch gesprochen, aber mit Hilfe meiner Frau, die Amerikanerin<br />

ist, ein perfektes englisches Brieflein geschrieben und es<br />

dem Butler gegeben, der das raufbrachte, denn wir hatten eine<br />

der billigsten Kabinen ganz unten. Als wir vom Mittagessen<br />

zurückkamen, steckte da in der Tür ein Zettel: „Sorry, I missed<br />

you, call me at three o’clock.“ – „Leider habe ich Sie verpasst,<br />

rufen Sie mich um drei Uhr an.“ Nun war ich in dem Dilemma,<br />

dass ich diesen perfekten Brief geschrieben hatte, Stokowski<br />

aber nicht anrufen konnte. Meine Frau hat mir gesagt, „call me“<br />

könnte auch meinen: „klopfen Sie an die Türe“. Und das habe<br />

ich dann getan, ich bin zu seiner Kabine gegangen, und es ist<br />

herausgekommen, dass ich kein Englisch konnte, aber er hat<br />

mich hereingebeten. Ich habe ihm erzählt, dass ich zu Szell nach<br />

Cleveland unterwegs sei. Er sagte nachdenklich: „George Szell –<br />

großartiger Dirigent, aber komische Ideen über Bogenstriche.“<br />

<strong>Das</strong> hat Stokowski von Szell gesagt!<br />

Ich bin dann ein Jahr in Cleveland gewesen und habe gehört,<br />

dass er einen Assistenten braucht. Ich habe mich gemeldet und<br />

es hat ein Vordirigieren gegeben. Jeder durfte acht Minuten dirigieren.<br />

Unzählige von Dirigenten hatten sich gemeldet. Ich<br />

habe mir ein Stück ausgewählt, von dem ich wusste, dass er es<br />

sehr liebte, den letzten Satz von Schostakowitschs 5. Sinfonie.<br />

Ich habe natürlich auswendig dirigieren wollen und habe jeden<br />

Einsatz gewusst. Wie ich aber vor das <strong>Orchester</strong> trat, saßen alle<br />

Streicher auf der linken Seite und die Bläser auf der rechten. Wo<br />

gewöhnlicherweise das erste Cello oder die erste Bratsche sitzt,<br />

war die erste, zweite, dritte Flöte, dann die Oboen, dahinter die<br />

Klarinetten, dann fingen die Hörner an, dann das Blech. Und<br />

alle meine überlegten Einsätze funktionierten nicht mehr. Mich<br />

hat fast der Schlag getroffen. Dadurch, dass er einerseits alle<br />

Streicher und andererseits alle Bläser zusammengefasst hat, kam<br />

dieser runde, geballte Klang zustande. <strong>Das</strong> war sein Trick. …<br />

… Lesen Sie weiter in Heft 20<strong>07</strong>/<strong>11</strong><br />

18<br />

<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> <strong>11</strong>/<strong>07</strong>

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