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Predigt Kantate mit Gospelmesse , 6.5.2012, Pfr. Pohl

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lang, ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach dir! …Unter deinen Schirmen bin<br />

ich von den Stürmen aller Feinde frei… ob es jetzt gleich kracht und blitzt, obgleich Sünd und<br />

Hölle schrecken, Jesus will mich decken… Trotz dem alten Drachen, trotz dem Todesrachen,<br />

trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.<br />

Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.<br />

So stell ich mir das vor, wie sich das gesungene Gebet seinen Weg gebahnt hat: aus den<br />

Herzen, zum Mitgefangenen, in den kalten Raum hinein, durch die dicken Mauern in die<br />

Freiheit. Wer so existentiell betet, der kann erleben, dass sich plötzlich Auswege auftun, dass<br />

Gott errettet. Sicher nicht oft gleich in der ersten Nacht und manchmal kommt auch ER nicht<br />

am Bösen vorbei, kann nicht verhindern, wenn Menschen den Schöpfungsauftrag ins Gegenteil<br />

verkehren. Aber wer nicht die Hoffnung aufbringt, dass Rettung möglich ist, der hat schon<br />

vorab verloren, der ist und bleibt quasi lebenslänglich eingesperrt. Solch ein Gefängnisdasein,<br />

kann man sich letztlich auch schönreden oder -singen: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie<br />

erraten“ ist eines meiner Lieblingsvolkslieder, aber merken Sie den Unterschied Wenn es<br />

nicht hörbar wird, was uns treibt, wenn die Gedanken nur in der Seele oder im Hirn kreisen,<br />

wie soll sich da was ändern, außer wenn die Herrscher alle Jubeljahre eine Amnestie erlassen,<br />

um Platz zu schaffen für die nächste Belegung<br />

Liebe Gemeinde, ich möchte diese überlieferte Befreiungsgeschichte aus dem Gefängnis<br />

nicht von den z.T. legendär konstruierten Ereignissen her kommentieren, sondern vom Sinn<br />

her verstehen, der ihr das Recht gibt, gehört zu werden: Was ich von Paulus und Silas erfahre,<br />

lässt mich nämlich zu der Einschätzung kommen: Die waren niemals eingesperrt, nicht wirklich<br />

jedenfalls. Weil sich das Wort Gottes, weil sich die frohe Botschaft von Jesus Christus<br />

nicht einsperren lässt, müssen auch die Träger keine Angst haben, verloren und allein gelassen<br />

zu sein. Wo wir beten und loben, in Worten oder Melodien, sind wir in Verbindung <strong>mit</strong><br />

Gott. Da baut sich eine Brücke, egal ob durch das Rote Meer wie bei Mose oder aus dem Gefängnis<br />

von Thyatira. Diese Brücke ist auch für andere da. So wie der Gefängniswärter erst<br />

am Verhalten seiner beiden Gefangenen erkannt hat, dass er in Wahrheit selbst der Gefangene<br />

war und der Rettung bedarf. Durch sein Bekenntnis in Wort und Tat, durch diakonischen<br />

Dienst und Taufe findet er den Weg in die wahre Freiheit. In diesem Sinn kann ich auch das<br />

Erdbeben, die Befreiung aus den Ketten verstehen: Wer zum Glauben kommt, der kann schon<br />

erleben, dass da im eigenen Dasein etwas grundlegend durchgerüttelt wird, neue Wertmaßstäbe<br />

gelten im Blick auf Gott, aber auch zum Mitmenschen. In diesem Sinne wünschte ich mir<br />

und unserer Gemeinde immer mal solch einen Ruck, der uns aus festgewachsenen Strukturen<br />

reißt und frei macht für neue Erfahrungen.<br />

Das muss nun nicht immer gleich zum Event, zum Erlebnis aufgebauscht werden, ich denke,<br />

da bilden ganz unterschiedliche Empfindungen ihre ganz eigene Melodie, da kann es rocken,<br />

gospeln oder klassisch daher kommen, Hauptsache, es transportiert immer auch eine<br />

ermutigende und befreiende Botschaft: Paulus und Silas sagen es dem Wärter so: „Glaube an<br />

den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig“, bzw. dem griechischen Verb näher: „gerettet“.<br />

Mit diesem Wort zögere ich etwas, wenn ich an einen anderen, sehr bekannten Gefängnisinsassen<br />

denke, Dietrich Bonhoeffer. Am 1. Advent 1943 schreibt er an einen Freund:<br />

„Gestern Abend im Bett habe ich zum ersten Mal unsere neuen Adventslieder aufgeschlagen.<br />

Kaum eines kann ich vor mich hinsummen, ohne an Finkenwalde.. erinnert zu werden“. Zwei<br />

Wochen später folgt das Eingeständnis, „dass es trotz allem, was ich geschrieben habe, hier<br />

scheußlich ist, dass mich die grauenhaften Eindrücke oft bis in die Nacht verfolgen und dass<br />

ich sie nur durch das Aufsagen unzähliger Liedverse verwinden kann und dass dann das Aufwachen<br />

manchmal <strong>mit</strong> einem Seufzer statt <strong>mit</strong> einem Lob Gottes beginnt.“ (Prdstd.41). Bonhoeffer<br />

wurde leider nicht vor der Hinrichtung bewahrt, aber war dank des Glaubens sicher<br />

doch, was wir „selig“ nennen dürfen. Ein Wunder wie in Thyatira hat ihn nicht gerettet, aber<br />

es ist ein Wunder, dass wir seine Texte kennen und das schöne Lied, das 1 Jahr später im Ge-

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