lang, ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach dir! …Unter deinen Schirmen bin ich von den Stürmen aller Feinde frei… ob es jetzt gleich kracht und blitzt, obgleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken… Trotz dem alten Drachen, trotz dem Todesrachen, trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen. So stell ich mir das vor, wie sich das gesungene Gebet seinen Weg gebahnt hat: aus den Herzen, zum Mitgefangenen, in den kalten Raum hinein, durch die dicken Mauern in die Freiheit. Wer so existentiell betet, der kann erleben, dass sich plötzlich Auswege auftun, dass Gott errettet. Sicher nicht oft gleich in der ersten Nacht und manchmal kommt auch ER nicht am Bösen vorbei, kann nicht verhindern, wenn Menschen den Schöpfungsauftrag ins Gegenteil verkehren. Aber wer nicht die Hoffnung aufbringt, dass Rettung möglich ist, der hat schon vorab verloren, der ist und bleibt quasi lebenslänglich eingesperrt. Solch ein Gefängnisdasein, kann man sich letztlich auch schönreden oder -singen: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten“ ist eines meiner Lieblingsvolkslieder, aber merken Sie den Unterschied Wenn es nicht hörbar wird, was uns treibt, wenn die Gedanken nur in der Seele oder im Hirn kreisen, wie soll sich da was ändern, außer wenn die Herrscher alle Jubeljahre eine Amnestie erlassen, um Platz zu schaffen für die nächste Belegung Liebe Gemeinde, ich möchte diese überlieferte Befreiungsgeschichte aus dem Gefängnis nicht von den z.T. legendär konstruierten Ereignissen her kommentieren, sondern vom Sinn her verstehen, der ihr das Recht gibt, gehört zu werden: Was ich von Paulus und Silas erfahre, lässt mich nämlich zu der Einschätzung kommen: Die waren niemals eingesperrt, nicht wirklich jedenfalls. Weil sich das Wort Gottes, weil sich die frohe Botschaft von Jesus Christus nicht einsperren lässt, müssen auch die Träger keine Angst haben, verloren und allein gelassen zu sein. Wo wir beten und loben, in Worten oder Melodien, sind wir in Verbindung <strong>mit</strong> Gott. Da baut sich eine Brücke, egal ob durch das Rote Meer wie bei Mose oder aus dem Gefängnis von Thyatira. Diese Brücke ist auch für andere da. So wie der Gefängniswärter erst am Verhalten seiner beiden Gefangenen erkannt hat, dass er in Wahrheit selbst der Gefangene war und der Rettung bedarf. Durch sein Bekenntnis in Wort und Tat, durch diakonischen Dienst und Taufe findet er den Weg in die wahre Freiheit. In diesem Sinn kann ich auch das Erdbeben, die Befreiung aus den Ketten verstehen: Wer zum Glauben kommt, der kann schon erleben, dass da im eigenen Dasein etwas grundlegend durchgerüttelt wird, neue Wertmaßstäbe gelten im Blick auf Gott, aber auch zum Mitmenschen. In diesem Sinne wünschte ich mir und unserer Gemeinde immer mal solch einen Ruck, der uns aus festgewachsenen Strukturen reißt und frei macht für neue Erfahrungen. Das muss nun nicht immer gleich zum Event, zum Erlebnis aufgebauscht werden, ich denke, da bilden ganz unterschiedliche Empfindungen ihre ganz eigene Melodie, da kann es rocken, gospeln oder klassisch daher kommen, Hauptsache, es transportiert immer auch eine ermutigende und befreiende Botschaft: Paulus und Silas sagen es dem Wärter so: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig“, bzw. dem griechischen Verb näher: „gerettet“. Mit diesem Wort zögere ich etwas, wenn ich an einen anderen, sehr bekannten Gefängnisinsassen denke, Dietrich Bonhoeffer. Am 1. Advent 1943 schreibt er an einen Freund: „Gestern Abend im Bett habe ich zum ersten Mal unsere neuen Adventslieder aufgeschlagen. Kaum eines kann ich vor mich hinsummen, ohne an Finkenwalde.. erinnert zu werden“. Zwei Wochen später folgt das Eingeständnis, „dass es trotz allem, was ich geschrieben habe, hier scheußlich ist, dass mich die grauenhaften Eindrücke oft bis in die Nacht verfolgen und dass ich sie nur durch das Aufsagen unzähliger Liedverse verwinden kann und dass dann das Aufwachen manchmal <strong>mit</strong> einem Seufzer statt <strong>mit</strong> einem Lob Gottes beginnt.“ (Prdstd.41). Bonhoeffer wurde leider nicht vor der Hinrichtung bewahrt, aber war dank des Glaubens sicher doch, was wir „selig“ nennen dürfen. Ein Wunder wie in Thyatira hat ihn nicht gerettet, aber es ist ein Wunder, dass wir seine Texte kennen und das schöne Lied, das 1 Jahr später im Ge-
fängnis verfasst ist, aber so viel Freiheit atmet, dass es uns helfen kann, im Glauben an Christus unseren Weg ins Leben zu finden. Amen EG 65: Von guten Mächten, 1 – 3, 6.7