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Dokumentation Teil 1 - Zentrum Spattstrasse

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<strong>Dokumentation</strong> Symposium<br />

Kinder und Jugendliche -<br />

zwischen Jugendwohlfahrt und Psychiatrie<br />

am Dienstag, 23. Februar 2010<br />

8.30 bis 16.00 Uhr


Einladung<br />

Es sind besondere Problemlagen und Einzelfälle von Kindern und Jugendlichen, die<br />

in der Fachliteratur und Umgangsprache als „auffällig geworden“, „krank“, „schwer<br />

erziehbar“, „verhaltensgestört“, „verrückt“ bzw. „schwierig“ bezeichnet werden. Bei<br />

ihnen treten nicht nur pädagogische Probleme auf, sondern es sind auch psychische<br />

oder psychosoziale Ursachen für „schwieriges“ Verhalten anzunehmen. Es ist bestimmt<br />

nur eine kleine Zielgruppe. Diese Kinder und Jugendlichen gelten jedoch als<br />

die „Schwierigsten“, sie kosten viel Zeit, Kraft und Nerven und leiden zumeist selbst<br />

sehr an sich und ihren Beeinträchtigungen.<br />

Wenn ihnen nicht frühzeitig adäquat geholfen wird, wird ihre gesunde seelische und<br />

soziale Entwicklung empfindlich behindert, ein selbstbestimmtes Leben auf einer soliden<br />

Basis rückt in weite Ferne.<br />

Diese Kinder und Jugendlichen werden noch zu häufig zwischen den beteiligten Institutionen<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendwohlfahrt hin- und hergereicht,<br />

mit den Folgen, dass sie Beziehungsabbrüche statt kontinuierlicher Betreuung erleben<br />

oder phasenweise sogar gänzlich ohne sozialpädagogische oder therapeutische Unterstützung<br />

bleiben.<br />

Mit dem Symposium „Kinder und Jugendliche - zwischen Jugendwohlfahrt und Psychiatrie“<br />

wollen das Diakonie <strong>Zentrum</strong> Spattstraße<br />

und die Diakonie Kärnten die fachliche Auseinandersetzung zu diesem wichtigen<br />

Thema praxisnah fördern.<br />

Den roten Faden des Symposiums bildet eine „typische“ Fallgeschichte eines Jugendlichen.<br />

Es wird aufgezeigt, welche Bedeutung psychiatrische Diagnosen im Kinderund<br />

Jugendalter haben und ob diese hilfreich oder hemmend sind. Wir erfahren, wie<br />

Kinder und Jugendliche den Aufenthalt in der Psychiatrie erleben. In einem weiteren<br />

Schritt wird dargestellt, wo diese Kinder und Jugendlichen im Spannungsfeld der Entscheidungsgremien<br />

ihren Platz zugewiesen bekommen. Die Konsequenzen dieser verschiedenen<br />

Zugänge eröffnen einen klareren Blick auf die Wahl der Maßnahmen und<br />

Angebote.<br />

Das Ziel dieser jährlich stattfindenden Veranstaltung ist es, einen Rahmen für die fachliche<br />

Auseinandersetzung unterschiedlicher Disziplinen zu bieten. Für die betroffenen<br />

Kinder und Jugendlichen ist die gute Zusammenarbeit der Professionen (Sozialarbeit,<br />

Verwaltung, Medizin, Sozialpädagogik, Psychologie, Therapie) eine wichtige Grundlage<br />

für das Gelingen der Maßnahme und die Erreichung der Ziele.<br />

Ein Kind mit einem „komplexen“ Hilfebedarf benötigt eben keine komplexen Zuständigkeiten,<br />

keine „hilflosen Helfer“, die erleichtert sind, wenn ein anderer Fachbereich die<br />

Zuständigkeit übernimmt. Vielmehr müssen alle notwendigen Hilfen so auf die besondere<br />

Lebenssituation zugeschnitten sein, dass sie „wie aus einer Hand“ erscheinen.<br />

Seite 2 <strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010


Begrüßung durch GF Dir. Gottfried Fux<br />

Sehr geehrte Damen und Herrn,<br />

seit dem ich im <strong>Zentrum</strong> Spattstraße arbeite, und das sind mittlerweile<br />

40 Jahre, ist es unser Anliegen, uns um Kinder und<br />

Jugendlichen zu kümmern, die damals, als klar „verhaltensgestört“<br />

bezeichnet wurden.<br />

Jedenfalls waren (und sind) die Kinder und Jugendlichen<br />

schwierig - und die BetreuerInnen hatten so manche Probleme,<br />

die Mädchen und später auch Burschen in den Griff zu<br />

bekommen.<br />

Sehr bald wurde auch klar, dass eine sozialpädagogische Betreuung<br />

und Versorgung allein, für die positive Entwicklung und<br />

die Lösung der Probleme der Kinder nicht ausreicht. Die Problemlagen<br />

der uns anvertrauten Kinder, mit ihren psychischen<br />

oder psychosozialen Ursachen, braucht mehr. Es bedarf einer<br />

engen Zusammenarbeit der AkteurInnen von Sozialarbeit, Sozialpädagogik,<br />

Psychologie, Therapie, Medizin bzw. Psychiatrie.<br />

Jetzt ist natürlich nicht gleich jedes Kind oder jeder Jugendliche<br />

der zu uns kommt auch gleich ein Fall für die Kinder- und Jugendpsychiatrie.<br />

Nein.<br />

Worum es uns heute bei diesem Symposium geht, ist es die<br />

Problemlage einer kleineren Zielgruppe zu beleuchten. Nämlich<br />

jene Kinder und Jugendlichen, die wir gemeinhin als die<br />

„Schwierigsten“ bezeichnen, die allen Beteiligten viel Zeit, Kraft<br />

und Nerven kosten - die aber auch mindestens ebenso stark an<br />

sich selbst und ihren Beeinträchtigungen leiden.<br />

Den roten Faden des Symposiums<br />

bildet eine „typische“ Fallgeschichte<br />

eines Jugendlichen. Es<br />

wird aufgezeigt, welche Bedeutung<br />

psychiatrische Diagnosen im Kinder-<br />

und Jugendalter haben und<br />

ob diese hilfreich oder hemmend<br />

sind. Wir erfahren, wie Kinder und<br />

Jugendliche den Aufenthalt in der<br />

Psychiatrie erleben. In einem weiteren<br />

Schritt wird dargestellt, wo Geschäftsführer<br />

diese Kinder und Jugendlichen Dir. Gottfried Fux<br />

im Spannungsfeld der Entscheidungsgremien<br />

ihren Platz zugewiesen bekommen.<br />

Ihnen umfassende, adäquat Hilfe zukommen zu lassen ist unserer<br />

Aufgabe mit dem Ziel auch diesen Kinder und Jugendlichen<br />

so weit es in unserer Möglichkeit liegt, ein gesundes und selbst<br />

bestimmtes Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen / uns das wir den Rahmen<br />

dieser Veranstaltung nützen können, um unsere Möglichkeiten<br />

eventuell besser aufeinander abstimmen zu können, mögliche<br />

Schranken oder Barrieren auszuräumen und am Ende des Tages,<br />

in der Versorgung der schwierigen Fälle - gemeinsam ein<br />

paar Schritte weiter gekommen zu sein.<br />

Grußworte der Festredner/in<br />

„Die Kinder und Jugendhilfe ist<br />

ein Kernkompetenzbereich der<br />

Diakonie Österreich. Das Diakonie<br />

<strong>Zentrum</strong> Spattstraße und die<br />

Diakonie Kärnten nehmen darin<br />

einen Vorreiterrolle ein“ betonte<br />

Mag. Michael Chalupka, Direktor<br />

der Diakonie Österreich.<br />

LAbg. Gisela Peutlberger-Naderer<br />

erläuterte mit eindrucksvollen<br />

Zahlen aus der aktuellen OECD-<br />

Studie „Gesundheit auf einen<br />

Blick“, dass seelische Gesundheit<br />

keine Selbstverständlichkeit ist.<br />

Die Sterblichkeitsrate der 15- bis19-jährigen ist überdurchschnittlich<br />

hoch (40 % höher als in Deutschland). Die 15- bis<br />

19-jährigen haben in Österreich die höchste Selbsttötungsrate<br />

aller OECD Länder. Der Anteil der 15-jährigen RaucherInnen<br />

liegt um 1/3 höher als im OECD Schnitt. Der Anteil an Alkoholerfahrungen<br />

ist mit 23% sehr hoch.<br />

LAbg. Thomas Stelzer wies auf<br />

die Bedeutung der Berufsgruppen<br />

hin, die die Hilfeschreie der Jugendlichen<br />

hören, adäquat darauf<br />

reagieren können und politische<br />

EntscheidungsträgerInnen auf<br />

Reibungspunkte aufmerksam machen<br />

können.<br />

Trotz der finanziellen Engpässe<br />

versuche die Politik, Rahmenbedingungen<br />

für diese so wichtige<br />

Arbeit zu gestalten.<br />

<strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010<br />

Seite 3


Wem gehört das schwierige Kind<br />

Primar Dr. Paulus Hochgatterer<br />

Leiter der Abteilung füpr Kinder- und Jugendpsychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

Landesklinikum Donauregin Tulln / NÖ<br />

Buchautor<br />

Seite 4 <strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010


<strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010<br />

Seite 5


Seite 6 <strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010


<strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010<br />

Seite 7


(K)ein Fall wie jeder andere - wohin<br />

DSA Gerhard Eisschill<br />

Leiter der Abteilung Sozialpädagogische<br />

Maßnahmen Jugendwohlfahrt<br />

Diakonie <strong>Zentrum</strong> Spattstraße<br />

Mag. a Erika Breuer<br />

Leiterin des Wàki - Zufluchtsort<br />

für Jugendliche<br />

Diakonie <strong>Zentrum</strong> Spattstraße<br />

Oft muss die Unterbringung gefährdeter Kinder und Jugendlicher<br />

unter Zeitdruck geschehen. Mag. Erika Breuer, Leiterin<br />

des Wàki (Zufluchtsort für Jugendliche) vom Diakonie <strong>Zentrum</strong><br />

Spattstraße macht mit der fiktiven Fallgeschichte von Anna die<br />

Brisanz deutlich.<br />

Nach Gewalt im Elternhaus, dem Tod einer wichtigen Bezugsperson<br />

und vermuteten sexuellen Übergriffen ist ein 14-jähriges<br />

Mädchen stark suizidgefährdet. Zwischen Mutter und Tochter<br />

gibt es körperliche Attacken. Daraufhin ist das Mädchen vier<br />

Monate durchgängig stationär im Krankenhaus. Nach eigenen<br />

Angaben hat sie einen 28-jährigen Freund. Von der Schule wurde<br />

sie nach mehreren Schulwechseln suspendiert. Beim Kennenlernen<br />

in der Wohngruppe kündigt das Mädchen an, was<br />

sie vorhat: „Ich dreh euch die Bude um – lasst mich in Ruhe.“<br />

Sie wird in die Wohngruppe aufgenommen und dort wird mit ihr<br />

gearbeitet.<br />

X fällt daraufhin in ein Loch, vermutete sexuelle Übergriffe<br />

durch Freund der Mutter, die häufige Partnerwechsel hat;<br />

• X schon einmal vier Monate durchgängig stationär in Krankenhaus<br />

(Autoaggression, körperliche Attacken zwischen<br />

Mutter und Tochter, Suizidversuch Medikamente), während<br />

dieser Zeit kein Kontakt zwischen Krankenhaus und<br />

Jugendwohlfahrt;<br />

• X sexualisiertes Verhalten – extrem vulgäre Ausdrucksweise,<br />

aufdringliches Verhalten bei Männern, hat nach ihren<br />

Angaben 28-jährigen Freund;<br />

• Suspendierung Schule (Sonderschule, körperliche Übergriffe<br />

gegen Lehrerin, seit 3 Monaten nicht mehr in Schule,<br />

hat schon mehrere Schulwechsel hinter sich);<br />

• X war schon in Kriseneinrichtung und zwei sozialpädagogischen<br />

WGs, kurz bei Oma, wieder bei Mutter, einige Übersiedelungen;<br />

• Information durch DSA – Essverhalten passt nicht<br />

Fallgeschichte<br />

Anfrage durch DSA telefonisch, dann Unterlagen elektronisch<br />

zugesandt (aktueller Situationsbericht, Kurzbefund vom 4-monatigen<br />

Krankenhausaufenthalt, ein Schulbericht);<br />

Verzweiflung bei DSA – „Ich brauche dringend Platz!“<br />

Klientin „X“ wird heute Freitag, spätestens aber Montag aus<br />

Krankenhaus entlassen (dort seit zwei Wochen stationär aufgrund<br />

Tablettenmissbrauchs);<br />

Diagnosen:<br />

• Störung des Sozialverhaltens<br />

• Persönlichkeitsentwicklungsstörung<br />

• Anpassungsstörung<br />

• Depressive Episode<br />

DSA erst seit kurzer Zeit für Mädchen zuständig (erst ein Kontakt<br />

mit Mädchen);<br />

Erste Infos durch DSA relativ umfangreich, doch Druck vordergründig:<br />

• X 14 Jahre, lebte letzten 9 Monate bei Mutter, Mutter psychisch<br />

sehr instabil, Scheidung der leiblichen Eltern vor 6<br />

Jahren, zum Vater kein Kontakt, körperliche Gewalt durch<br />

Vater gegen Tochter (Wegweisungen), ersten zwei Lebensjahre<br />

bei Großmutter väterlicherseits aufgewachsen, wichtige<br />

stabile Bezugsperson vor ca. halben Jahr verstorben,<br />

Bei Kennenlerngespräch in WG Aussage des Mädchen: „ I drah<br />

euch die Bude um, lasst mich in Ruhe!“ Es erfolgt ein Einzelgespräch<br />

mit ihr, danach Entscheidung sie bleibt in WG;<br />

Am dritten Tag Abgängigkeit, Betreuerin kann Kontakt mit ihr<br />

herstellen und schafft wieder Zugang, X kommt am nächsten<br />

Tag wieder in WG (tiefe Ritzwunden an Armen und Beinen);<br />

Am 6. Tag läuft sie tobend mit Messer durch WG umher, äußert<br />

Seite 8 <strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010


Suizid, Einweisung Psychiatrie, nach 3 Tagen wieder in WG;<br />

Weiterer Befund taucht auf mit Diagnose borderline, Aussage<br />

Psychiaterin: „Das Mädchen hättet ihr nie aufnehmen dürfen!“<br />

X ist da und wir arbeiten mit ihr;<br />

Fragen:<br />

Wie nachhaltig sind Diagnosen<br />

• Momentaufnahme oder ewig im Akt<br />

• Theorie oder Praxis<br />

• Auswirkungen auf Klientel<br />

Fragen / Thesen<br />

DSA Gerhard Eisschill, Abteilungsleiter für Sozialpädagogische<br />

Maßnahmen der Jugendwohlfahrt, stellt daraufhin einige brennenden<br />

Fragen aus dem Alltag in der Einrichtung.<br />

Frage:<br />

Wer entscheidet über die notwendige Hilfe, die ein Kind braucht<br />

bzw. über die zusätzlich nötige Hilfe<br />

Dazugehörige These:<br />

Die Kommunikation unter Helfersystemen im Vorfeld ist ungenügend<br />

– die gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher Professionen<br />

ist diffus.<br />

Fragen:<br />

Was heißt eigentlich Kinder und Jugendliche werden immer<br />

„psychiatrischer“<br />

Was heißt das für uns als Einrichtung<br />

Fragen:<br />

Wer entscheidet, welche/r Jugendliche mit welcher Diagnose<br />

nicht für einer sozialpädagogischen WG untergebracht werden<br />

darf<br />

Gibt es eindeutige Kriterien über Behinderung/Beeinträchtigung<br />

oder nicht (Zuständigkeit JWF-SO)<br />

These:<br />

Es gibt zu wenig Helferkonferenzen.<br />

Entscheidungsprozesse z.B. über nötige Hilfen dauern zu lange.<br />

Die Kommunikation der beteiligten Helfersysteme ist im Sinne<br />

des Kindes bereits im Vorfeld zu intensivieren.<br />

Eine besondere Rolle spielen dabei die Betreuungseinrichtungen,<br />

da sie aufgrund des intensiven Kontaktes mit den ihnen<br />

anvertrauten Kindern und Jugendlichen über viel Wissen verfügen.<br />

Frage:<br />

Sind die Datenschutzbestimmungen klar definiert und zum Wohl<br />

des Kindes<br />

These:<br />

EINE BEHÖRDLICHE ZUSTÄNDIGKEIT für Kinder und Jugendliche<br />

von 0 – 21 Jahren ist die Zukunft.<br />

Egal ob psychisch, physisch, sexuell misshandelt oder missbraucht,<br />

geistig oder körperlich beeinträchtigt, Waisenkind,<br />

SchulverweigerIn, psychisch instabil, mit oder ohne Diagnose,<br />

hohes Aggressionspotential oder verhaltenskreativ, usw.<br />

<strong>Dokumentation</strong> Symposium 2010<br />

Seite 9

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