2007 – Juli (4 MB) - Robert Blum Gymnasium
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Bereits zu <strong>Robert</strong>-<strong>Blum</strong>-Zeiten, ach was, schon im Kindergarten war ich eine Rampensau<br />
vom feinsten. Mehr als zwei Menschen in meiner direkten Gegenwart waren keine Gesellschaft<br />
mehr, sie waren ein potentielles Publikum.<br />
Völlig egal, ob mit der Theatergruppe, meinem Cello oder einfach als quasselnder Moderator<br />
– wo immer sich auch nur im Ansatz eine Möglichkeit bot, nahm ich die Einladung an und<br />
präsentierte, was immer ich glaubte, dass es unterhaltsam sein könne.<br />
So kam es, dass ich mich im Sommer 2003 für die damals mit großem Aufwand produzierte<br />
SAT1-Show „Star Search“ bewarb, um in der Kategorie „Comedian“ mein Glück zu versuchen.<br />
Und was ich zwar gehofft, nicht aber geglaubt hätte passierte: Ich schlug rund 8000<br />
Mitbewerber aus dem Feld und qualifizierte mich als einer von 16 Kandidaten für die Teilnahme<br />
an der Show! Mit gestärktem Selbstvertrauen trat ich Samstags abends live vor Millionen<br />
Zuschauern in den Ring, erzählte meine Witzchen – und wurde der Star Search-<br />
Kandidat mit der schlechtesten Punktwertung in der deutschen TV-Geschichte!<br />
Autsch!<br />
Ich hatte praktisch keine Erfahrung als Stand-Up-Comedian, keine Ahnung von Tempo, Umgang<br />
mit dem Publikum, keine Erfahrungen damit, was Zuschauer lustig finden und was sie<br />
nicht interessiert, wie man reagiert, wenn es nicht gut läuft – einfach überhaupt keine Ahnung.<br />
Und das rächte sich auf äußerst unangenehme Weise. „Am liebsten würde ich Dir 0<br />
Punkte geben, aber das darf ich leider nicht.“ urteilte Hugo Egon Balder und was das eigentlich<br />
Schlimme daran war – er hatte Recht!<br />
Sollte ich es nun aufgeben, das Ziel, eines Tages als Komiker vor tobendem Publikum zu<br />
stehen und einen Lacher nach dem anderen zu bekommen? Ich sagte mir: Du hast Dich für<br />
Star Search qualifizieren können, also bist Du zumindest talentiert, die Erfahrung fehlt Dir<br />
zwar, aber die kannst Du machen!<br />
Heute bin ich selbständiger Comedian und veranstalte eigene<br />
Comedyshows für „Starbucks“ (genau, die, wo es den teuren<br />
Kaffee gibt, der aber einfach gut schmeckt…). In der Comedylandschaft<br />
habe ich mir bereits einen kleinen Namen gemacht<br />
und trete überall auf, wo auch „die Großen“ dabei sind:<br />
Quatsch Comedy Club, Nightwash und was es sonst noch alles<br />
gibt.<br />
Außerdem spiele ich regelmäßig Theater und moderiere allerlei<br />
Veranstaltungen, es läuft zurzeit gut mit der Selbständigkeit,<br />
hoffen wir das Beste für die Zukunft.<br />
War es nun aber –rückblickend betrachtet- wirklich nötig für<br />
mich, das Abitur zu machen? Hätte ich nicht schon drei Jahre<br />
früher in der Gastronomie anfangen und nebenher ganz in<br />
Ruhe meine Comedynummern erarbeiten können?<br />
Ja, hätte ich, aber dann würden mir heute wesentliche Dinge fehlen:<br />
Drei ganze Jahre zusätzlicher Allgemeinbildung – eines der höchsten Güter in einer Gesellschaft,<br />
in der Dummheit und Desinteresse wie eine Seuche um sich greifen! Eine Referenz,<br />
die meinen Bildungsgrad und meine Fähigkeit, mich erfolgreich einer Herausforderung stellen<br />
zu können, beweist. Und drei Jahre zusätzlicher Persönlichkeitsentwicklung „unter betreuten<br />
Umständen“, denn weder in der Berufsausbildung noch im Alltag interessiert sich jemand<br />
dafür, Dir Werte oder Wissen zu vermitteln. Die Gesellschaft akzeptiert Dich oder lehnt<br />
Dich ab, aber sie schraubt nicht an Dir rum. Und der Berufsausbilder interessiert sich nicht<br />
dafür, was Du bist, sondern nur dafür, wie Du Deinen Job machst.<br />
Obwohl ich also nichts mit meinem Leben angefangen habe, für das man im rechtlichen Sinne<br />
ein Abitur braucht, hat es mir doch immer nur geholfen – bereut habe ich es nie und ich<br />
würde es immer wieder machen. Gottseidank muss ich es ja nicht…<br />
Vincent Kliesch (Abitur 1994)<br />
blum-postille –Nr. 17 <strong>Juli</strong> <strong>2007</strong> – Mitteleilungsblatt der <strong>Robert</strong> – <strong>Blum</strong>- Oberschule