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Acetylsalicylsäure (Aspirin®) Organische Chemie - Adam Vollmer

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<strong>Organische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

Name:.................................................................................... Klasse:........................................<br />

Datum:................................................................................... Note:...........................................<br />

1 Allgemeines<br />

1.1 Geschichte<br />

Acetylsalicylsäure (Aspirin®)<br />

Weiden und Pappeln bilden zusammen die Familie der Weidengewächse (Salicaceae).<br />

Bereits im Altertum wurden diese Pflanzen in der Heilkunde verwendet. Der älteste<br />

bekannte schriftliche Hinweis findet sich auf einer 9,5 x 16 cm großen Tafel 1 aus<br />

getrockneten oder gebrannten Ton 2 , die Ende des 19. Jahrhunderts bei Ausgrabungen in<br />

Nippur, etwa 180 km südöstlich von Bagdad (Irak), gefunden wurde. Diese Tontafel gilt<br />

als das weltweit älteste medizinische Dokument 3 und wird etwa auf 2.100 v. Chr., die Zeit<br />

der dritten Dynastie von Ur datiert. Die in sumerischer Keilschrift beschriftete Tafel enthält<br />

15 Rezepte für Salben und Getränke, die aus den unterschiedlichsten Substanzen, wie<br />

Weide, Myrte, Thymian, Feige, Salz, Bier, Schildkrötenpanzer, der Haut der Wasserschlange<br />

4 und anderen Zutaten herzustellen waren. Leider fehlt auf der Tontafel jeglicher<br />

Hinweis auf die Verwendung der Heilmittel.<br />

Aus der Zeit um 1.600 v. Chr. stammen zwei insgesamt 4,68 m x 0,32 m große ägyptische<br />

Papyrusrollen. Beide entstammen vermutlich einer Raubgrabung, weshalb der genaue<br />

Herkunftsort unklar ist. Möglicherweise lagerten die Rollen in einem Privatgrab zwischen<br />

den Beinen einer Mumie in Theben-West, wo sie von Grabräubern erbeutet und später<br />

verkauft wurden. Auch ein Archiv im Tempel Ramesseum des ägyptischen Königs<br />

Ramses II. kommt als Ort der Raubgrabung in Frage. Die Rollen wurden im Jahr 1862 von<br />

dem amerikanischen Ägyptologen Dr. Edwin Smith (1822 - 1906) auf einem Antikenmarkt<br />

in Theben entdeckt und erworben 5 . Eines der Papyri enthält die Vorschrift, Weidenblätter<br />

zum Absenken des Fiebers auf die entzündeten Wunden zu legen 6 .<br />

Im Corpus Hippocraticum, einer Textsammlung antiker medizinischer Texte aus dem 5. bis<br />

2. Jahrhundert vor Chr., wird die Verwendung von Weidenblättern zur Behandlung von<br />

Frauenleiden und von Pappelharz bei Migräne 7 empfohlen.<br />

Der Grieche Pedanios Dioscurides (erstes Jahrhundert n. Chr.) galt als der berühmteste<br />

Pharmakologe des Altertums. Als Militärarzt diente er bei den römischen Kaisern Claudius<br />

und Nero. Dioscurides verwendete die Weide als Heilpflanze gegen Schwielen, Gicht,<br />

Blutspeien, Darmverschlingungen sowie als Empfängnis verhütendes und Schleimhaut<br />

zusammenziehendes Mittel 8 .<br />

1 Levey, Martin. Ancient Chemical Technology in a Sumerian Pharmacological Tablet. Journal of Chemical<br />

Education. January 1955. S. 11-13<br />

2 http://www.penn.museum/images/4_MedicalTablet.jpg 30.07.2010<br />

3 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC200079/pdf/mlab00211-0009.pdf 30.07.2010<br />

4 Diarmuid, Jeffreys. Aspirin, The remarkable story of a wonder drug, Bloomsbury Publishing, 2005, S. 11<br />

5 http://www.medizinische-papyri.de/PapyrusSmith/1280/index.html 05.07.2010<br />

6 http://www.medizinische-papyri.de/PapyrusSmith/1280/html/kolumne_14.html 05.07.2010<br />

7 http://remacle.org/bloodwolf/erudits/Hippocrate/femmes.htm Kapitel 78 und 105. 02.08.2010<br />

8 http://www.pharmawiki.ch/materiamedica/index.phppage=Buch_I#135.%20Weide. 02.08.2010


Der römische Medizingelehrte Aulus Cornelius Celsus (um 25 v. Chr. bis 50 n. Chr.) setzte<br />

Verbände mit Weidenblättern als Mittel beim Vorfall von Anus oder Gebärmutter und die<br />

Pappelrinde bei Zahnweh ein 9 .<br />

Auch die Eskimos und verschiedene Indianerstämme Nordamerikas benutzten Weiden<br />

und Pappeln als Heilpflanzen gegen Erkältungskrankheiten, Lungenblutungen, Gicht,<br />

Husten, Kopfweh, Rheuma und weitere Krankheiten 10 .<br />

Im mittelalterlichen Europa war die Weide als Heilmittel bei den Ärzten in Vergessenheit<br />

geraten. Der englische Geistliche Edmund Stone (1702 - 1768), ein Amateur in der<br />

Heilkunde, suchte nach einem Ersatz für die teure Chinarinde, die man aus dem Chinarindenbaum<br />

der Hochwälder Südamerikas gewann und als Mittel gegen Fieber und<br />

Malaria einsetzte. Da Stone bei der Weidenrinde einen ähnlich bitteren Geschmack wie<br />

bei der Chinarinde entdeckte, vermutete er auch in der Weide Fieber senkende Eigenschaften.<br />

Daraufhin verabreichte er Weidenrindenextrakte an fiebrige Patienten seiner<br />

Gemeinde und konnte im Jahr 1763 der Royal Society in London 11 berichten, dass er ein<br />

Mittel gegen Fieber gefunden habe. Wie oft bei bedeutenden Entdeckungen hatte auch<br />

Stone eine gehörige Portion Glück. Der bittere Geschmack der Chinarinde wird durch das<br />

Chinin hervorgerufen, einem Alkaloid, das mit dem ebenfalls bitter schmeckenden Stoff<br />

der Weide chemisch nicht verwandt ist. Seine exakten Beobachtungen an rund 50<br />

Patienten 12 sind als Leistung dagegen unbestritten. Nun interessierten sich auch die<br />

Chemiker und Pharmakologen für die Weide. Im Jahr 1828 isolierte der Professor für<br />

Pharmazie an der Universität München Johann Buchner (1783 - 1852) erstmals einen<br />

gelben und bitter schmeckenden Stoff aus der Weidenrinde, den er Salicin nannte und<br />

dessen fiebersenkende Eigenschaft er drei Jahre später nachweisen konnte 13 . Nachdem<br />

der italienische Chemiker Rafaele Piria (1814 - 1865) in Paris aus Salicin die Salicylsäure<br />

hergestellt hatte, gelang im Jahr 1859 dem deutschen Chemiker Hermann Kolbe (1818 -<br />

1884) in Marburg die Synthese der Salicylsäure. Der Name leitet sich von der Weide<br />

(lateinisch Salix) ab. Im Jahr 1874 wurde in Dresden mit der industriellen Produktion der<br />

Salicylsäure begonnen, die nur noch ein Zehntel der aus Salicin hergestellten Salicylsäure<br />

kostete.<br />

Ab dieser Zeit fand die Salicylsäure und später deren Salz Natriumsalicylat gegen<br />

Rheumaerkrankungen eine breite klinische Anwendung. Allerdings schränkten Nebenwirkungen<br />

wie Reizung der Magenschleimhaut und der unangenehme, Brechreiz auslösende<br />

Geschmack die Anwendung der Salicylsäure ein.<br />

In der Firma Bayer bei Wuppertal suchte man daher ein Verfahren zur Verbesserung der<br />

Salicylsäure, um deren unerwünschte Nebenwirkungen zu eliminieren. Im Jahr 1897 fand<br />

der Chemiker Felix Hoffmann (1868 - 1946) ein Verfahren zur Herstellung von reiner und<br />

haltbarer Acetylsalicylsäure, deren Geschmack deutlich weniger unangenehm war. Mit<br />

dieser Erfindung konnte Hoffmann auch seinem Vater helfen, der an rheumatischen<br />

Schmerzen litt und das Natriumsalicylat wegen andauernder Magenschleimhautreizungen<br />

nicht vertrug. Die Firma Bayer brachte im Jahr 1899 Acetylsalicylsäure als Aspirin® in den<br />

Handel, das bis heute eines der weltweit am meisten verkauften Arzneimittel ist. Im Jahr<br />

1994 wurden alleine in den USA 80 Milliarden Aspirin-Tabletten verbraucht.<br />

Auf dem deutschen Arzneimittelmarkt 14 sind auch heute noch einige Präparate aus<br />

getrockneter und gepulverter Weidenrinde mit einem definierten Salicingehalt gegen<br />

fieberhafte Erkältungs- und Infektionskrankheiten zu erhalten.<br />

9 http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Celsus/6*.html#18.10 02.08.2010<br />

10 http://herb.umd.umich.edu/ 12.07.2010.<br />

11 Weissman, Gerald. Aspirin: alte und neue Erkenntnisse. Spektrum der Wissenschaft, März 1991. S 118 ff.<br />

12 http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/pdf-Dateien/Aspirin.pdf S. 1 29.08.2010<br />

13 Buß, Tanja. Dissertation Phillips-Universität Marburg. Fachbereich Pharmazie. 2005. S. 1.<br />

14 Buß, Tanja. Dissertation Phillips-Universität Marburg. Fachbereich Pharmazie. 2005. S. 7.


1.2 <strong>Chemie</strong> des Salicins, der Salicylsäure und der Acetylsalicylsäure<br />

Getrocknete Weidenrinde enthält bis zu 16 % verschiedene Ester des Salicins. Diese<br />

Phenolglycoside besitzen an der Methanolgruppe des Benzolringes oder am Zucker<br />

unterschiedliche Nebengruppen. Reines Salicin ist in der Weidenrinde unter 1 % enthalten,<br />

Salicylsäure dagegen überhaupt nicht. Diese Phenolglycoside dienen der Weidenpflanze<br />

als Abwehrmittel gegen Pflanzenfresser 15 .<br />

Im alkalischen Milieu des menschlichen Dünndarms werden die Ester des Salicins in<br />

Salicin umgesetzt. Anschließend wird Salicin durch die β-Glucosidasen des Dünndarms<br />

hydrolytisch weiter in β-Glucose und Salicylalkohol gespalten.<br />

H<br />

HO<br />

CH 2 OH<br />

O<br />

H<br />

OH H<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

H<br />

OH<br />

C H<br />

+<br />

H 2 O<br />

H<br />

HO<br />

CH 2 OH<br />

O<br />

H<br />

OH H<br />

Abb.1: Hydrolytische Spaltung von Salicin durch β-Glucosidasen in β-Glucose und Salicylalkohol.<br />

Im Körper wird der Salicylalkohol zu Salicylsäure oxidiert.<br />

H<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

+<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

C<br />

H<br />

OH<br />

Oxidation<br />

C O<br />

OH<br />

Abb. 2: Oxidation des Salicylalkohols zu Salicylsäure.<br />

Die Acetylsalicylsäure wird durch Esterasen der Magenschleihaut und Leber in etwa<br />

15 Minuten in Salicylsäure und Essigsäure gespalten 16 .<br />

OH<br />

C O<br />

O<br />

H<br />

C C<br />

O H<br />

H<br />

+ H 2 O<br />

OH<br />

C O<br />

OH<br />

HO H<br />

+ O C C<br />

H<br />

H<br />

Abb. 3: Acetylsalicylsäure wird in Salicylsäure und Essigsäure hydrolytisch gespalten<br />

15 Buß, Tanja. Literaturstelle 13. S. 4+5<br />

16 Böhmert, H. (Gründer) et al. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch. Marburg. 30. Lfg. 2008


1.3 Biochemische Wirkung von Acetylsalicylsäure<br />

Die Linolensäure (Octadeca-9,12,15-triensäure) gehört zu den mehrfach ungesättigten<br />

Fettsäuren, die der menschliche Organismus selbst nicht herstellen kann und daher mit<br />

der Nahrung aufnehmen muss. In den Körperzellen wird diese Säure in die Arachidonsäure<br />

(Eicosa-5,8,11,14-tetraensäure, C 20 H 32 O 2 ) umgewandelt und in die Phospholipide<br />

der Zellmembranen eingebaut. Die Arachidonsäure erhöht durch ihre vier Doppelbindungen<br />

die Beweglichkeit (Membranfluidität) der Membranlipide. Bei Gewebeschädigungen<br />

oder einer Störung des Gewebestoffwechsels setzen die Zellen mit Hilfe des<br />

Enzyms Phospholipase A kleine Mengen der Arachidonsäure frei. Anschließend wandelt<br />

die Cylcooxygenase die Arachidonsäure unter Sauerstoffaufnahme in das Prostaglandin<br />

G2 um. Daraus entsteht eine Vielzahl von Signalmolekülen, die als Prostaglandine zur<br />

Erzeugung von Fieber, Entzündungsschmerz und Entzündungsreaktionen führen. Die<br />

gleichfalls entstehenden Thromboxane spielen bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle 17 .<br />

COOH<br />

Arachidonsäure<br />

2 O 2<br />

Cyclooxygenase<br />

O<br />

O<br />

COOH<br />

Prostaglandin G2<br />

OOH<br />

Abb.4: Umwandlung der Arachidonsäure (Eicosa-5,8,11,14-tetraensäure, C 20 H 32 O 2 ) in<br />

Prostaglandin G2 durch die Cyclooxgenase, die durch ASS gehemmt wird.<br />

Die Acetylsalicylsäure überträgt ihren Acetylrest auf die OH-Gruppe eines Serinrestes im<br />

aktiven Zentrum der Cyclooxygenase, die dadurch die Umwandlung der Arachidonsäure<br />

blockiert. Der englische Pharmakologe John Robert Vane entdeckte diesen Mechanismus<br />

mittels radioaktiv markierter Arachidonsäure und erhielt dafür den Nobelpreis für Medizin<br />

im Jahr 1982. Versuche mit radioaktiver Acetylsalicylsäure [ 14 C-Acetyl]-Acetylsalicylsäure<br />

haben gezeigt, dass die Bindung des Acetylrestes dauerhaft ist und das Enzym damit<br />

irreversibel gehemmt bleibt 18 .<br />

17 Löffler et al. Biochemie & Pathobiochemie. Heidelberg. 2007, S. 42, 134, 421-424, 978<br />

18 Voet Daniel, Voet Judith, Biochemie, Weinheim 1992, S. 665


OH<br />

C O<br />

O<br />

O H<br />

C C<br />

H<br />

H +<br />

HO<br />

H<br />

H<br />

C C<br />

H N<br />

H<br />

O<br />

C R 1<br />

R 2<br />

OH<br />

C O<br />

OH<br />

H O<br />

+ H C C O<br />

H<br />

H<br />

H<br />

O<br />

C C C R 1<br />

H N<br />

H R 2<br />

Acetylsalicylsäure Serin Salicylsäure Acetyliertes Serin<br />

Abb.5: Die Acetylsalicalsäure überträgt ihren Acetylrest auf die OH-Gruppe eines Serins<br />

der Cycooxygenase. Damit wird der Kanal des aktiven Zentrums blockiert.<br />

Aktives Zentrum<br />

Position des Serin,<br />

das mit ASS reagiert<br />

Acetylgruppe<br />

Tasche der Cyclooxygenase<br />

aktive Cyclooxygenase<br />

blockierte Cyclooxygenase<br />

Abb.6. Blockierung des Zuganges zum aktiven Zentrum der Cycclooxygenase durch die<br />

Acetylierung eines Serins 19 .<br />

Offenbar hat die Acetylsalicylsäure noch weitere Wirkungen, die nicht auf der Hemmung<br />

der Cyclooxygenase beruhen. Vermutlich blockiert die Acetylsalicylsäure bei weißen Blutzellen<br />

die Übermittlung chemischer Signale durch Zellmembranen, die zu Beginn von<br />

Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle spielen 20 .<br />

1.4 Pharmakologische Wirkung der Acetylsalicylsäure<br />

Bei Gewebeschädigungen werden Prostaglandine freigesetzt, die als Botenstoffe die<br />

freien Nervenendigungen (Nozirezeptoren) von Nervenzellen erregen. Diese leiten das<br />

Schmerzsignal an das Gehirn weiter. Die Acetylsalicylsäure blockiert die Synthese der<br />

Prostaglandine und unterbindet damit das Schmerzempfinden. Bei Infektion durch Viren<br />

und Bakterien werden ebenfalls Prostaglandine erzeugt, die die Körpertemperatur<br />

erhöhen. Somit wirkt die Acetylsalicylsäure auch als Fieber senkendes Mittel. Bei vielen<br />

Formen von Rheuma liegt eine Autoimmunerkrankung vor, bei der das Immunsystem<br />

Bereiche der Gelenke zerstört. Durch die Blockierung der Prostaglandin-Synthese wird bei<br />

Rheumaerkrankungen die Entzündungsreaktion reduziert. Bei Verletzungen von Blutgefäßen<br />

aktivieren die Throboxane die Verklumpung von Blutplättchen (Thrombozytenaggregation),<br />

die letztendlich zur Blutgerinnung führt. Bei Patienten mit Verengungen der Herzkranzgefäße<br />

(Arteriosklerose) wird Acetalylsalicylsäure zur Senkung der Blutgerinnungsneigung<br />

eingesetzt. Damit wird das Infarktrisiko bei Risikopatienten herabgesetzt.<br />

19 Nach: Pirincci, Melda. Dissertation, Duisburg 2009. S. 43: urn:nbn:de:hbz:468-20100020 [http://nbnresolving.de/urn/resolver.plurn=urn%3Anbn%3Ade%3Ahbz%3A468-20100020]<br />

05.07.2010<br />

19 Böhmert, Horst (Gründer) et al. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Marburg. 30. Lfg. 2008<br />

20 Weissman, Gerald. Aspirin: alte und neue Erkenntnisse. Spektrum der Wissenschaft, März 1991.<br />

S.125


In letzter Zeit wird der Acetylsalicylsäure auch eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs<br />

zugeschrieben. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass bestimmte Prostaglandine<br />

das Tumorwachstum fördern.<br />

Nebenwirkungen: Bei 70 % aller Patienten kommt es zu klinisch nicht bedeutsamen<br />

Magenblutungen. Häufig treten Übelkeit und Erbrechen durch Reizung der Magenschleimhaut<br />

auf. Nach wiederholt hohen Dosen können zentralnervöse Störungen mit Schwindel,<br />

Ohrgeräuschen, Schwerhörigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten 21 .<br />

1.5 Biochemische Wirkung der Salicylsäure<br />

Die Salicylsäure wirkt schmerzstillend, entzündungshemmend und fiebersenkend. Außerdem<br />

ist sie ein wirksames Mittel gegen Warzen und hemmt das Wachstum von Pilzen und<br />

Bakterien 22 . Aus diesem Grund wurde sie früher als Konservierungsstoff in der Lebensmittelindustrie<br />

eingesetzt. Wegen ihrer pharmakologischen Wirkung und der Gefahr einer<br />

Anreicherung in Körper ist sie in den meisten Ländern als Konservierungsstoff nicht mehr<br />

zugelassen 23 . Bei der Einnahme von Salicylsäure treten als unerwünschte Nebenwirkungen<br />

Brechreiz, Magen- und Darmblutungen sowie Schädigungen der Magenschleimhaut<br />

auf.<br />

Über die biochemische Wirkung der Salicylsäure existieren verschiedene Meinungen. In<br />

der Literatur findet sich die Ansicht, dass das Natriumsalicylat die Cycooxygenase im<br />

Reagenzglas nicht hemmt, allerdings die Prostaglandinsynthese in lebenden Zellen unterbindet.<br />

Als Grund vermutet man eine allgemeinere Wirkung wie die Stabilisierung der<br />

Zellmembranen sowie eine Hemmung der Gentranskription und Biosynthese der<br />

Cyclooxygenase bei Entzündungen 24 .<br />

Eine offensichtliche Mehrheit der Autoren ist in den letzten Jahren zu der Überzeugung<br />

gelangt, dass die Salicylsäure an der gleichen Tasche des Enzyms wie die Acetylgruppe<br />

der Acetylsalicylssäure gebunden wird 25 . Die Bindung erfolgt jedoch nur durch eine<br />

Anlagerung und nicht kovalent 26 . Daher ist die Bindung etwa zehnmal schwächer gegenüber<br />

der kovalenten Acetylierung des Serin. Nichtdestoweniger kommt es durch die<br />

Salicylsäure ebenfalls zu einer Hemmung der Cyclooxygenase und damit zur<br />

Unterbindung der Prostalandinsynthese. Durch die rasche Verstoffwechselung der Acetylsalicylsäure<br />

zur Salicylsäure kann jedoch die Wirkung beider Stoffe in vivo nicht<br />

voneinander getrennt beurteilt werden 27 .<br />

21 Böhmert, Horst (Gründer) et al. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Marburg. 23. Lfg. 2006<br />

21 Lexikon der Biologie. Heidelberg 2003.<br />

22 Böhmert, Horst (Gründer) et al. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Marburg. 23. Lfg. 2006<br />

23 Lexikon der Biologie. Heidelberg 2003.<br />

24 Forth, Wolfgang. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxokologie. Heidelberg. 1996. S 204.<br />

25 Stryer, Lubert. Biochemie. Heidelberg 2007. S. 1135.<br />

26 http:www.roempp.com/demo/index.html 13.08.2010.<br />

27 Böhmert, Horst (Gründer) et al. Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Marburg. 30. Lfg. 2008.


2. Versuche mit Aspirin®<br />

2.1. Bestimmung des Tablettengewichtes von Aspirin®-Tabletten<br />

2.1.1 Geräte und Chemikalien<br />

Analysenwaage (Ablesbarkeit 1 mg), Aspirin®-Tabletten.<br />

2.1.2 Versuchsdurchführung<br />

Wiegen Sie fünf Tabletten Aspirin® einzeln ein und ermitteln Sie das durchschnittliche<br />

Gewicht einer Tablette 28 .<br />

Tablette 1 Tablette 2 Tablette 3 Tablette 4 Tablette 5 ∅<br />

2.2 Isolierung der Acetylsalicylsäure (ASS) aus Aspirin®-Tabletten<br />

2.2.1 Geräte und Chemikalien<br />

Aspirin®-Tabletten, Filterpapier, Glastrichter, Becherglas, Rotationsverdampfer, Ethanol,<br />

Analysenwaage, Ablesbarkeit 1 mg.<br />

2.2.2 Versuchsaufbau<br />

Büchnertrichter<br />

Pistill<br />

Becherglas<br />

Filterpapier<br />

Nutschentrichter<br />

Wasserstrahlpumpe<br />

Reibschale<br />

Ethanol<br />

Saugflasche<br />

Woulffsche<br />

Flasche<br />

Abb. 7: Versuchsanordnung zum Isolieren der Acetylsalicylsäure aus Aspirin®-Tabletten,<br />

28 Klaus-Jürgen Liebenow, PZ78-06-0054, Ein Aspirin-Projekt, Pädagogisches Zentrum Berlin Abteilung V<br />

(Oberstufe) (Hrsg.) 1978


2.7.1<br />

Die Salicylsäure bildet mit dem Fe 3+ einen oktaedrisch aufgebauten blauvioletten Komplex<br />

aus einem Fe 3+ - und drei Salicylat-Ionen (Eisen(III)trisalicylat, Fe(C 7 H 5 O 3 ) 3 ), der in<br />

wässriger Lösung außerordentlich stabil ist 29 . Die Bindung entsteht durch sechs<br />

Elektronenpaare (von jedem Salicylation eines von der OH- und eines der COO - -Gruppe),<br />

die sich teilweise in den Orbitalen des Fe 3+ aufhalten.<br />

O<br />

O<br />

O -<br />

C<br />

C<br />

O -<br />

O<br />

H<br />

O<br />

H<br />

H<br />

Fe 3+<br />

O<br />

C<br />

O -<br />

O<br />

Abb. 13: Strukturformel des oktaedrisch aufgebauten blauvioletten Komplexes des<br />

Eisen(III)salicylats.<br />

2.7.2 Geräte und Chemikalien<br />

Acetylsalicylsäure, Ethanol, FeCl 3 .<br />

2.7.3 Versuchsaufbau<br />

Lösung mit AAS<br />

Tropfpipette<br />

Tüpfelplatte mit<br />

FeCl 3<br />

-Lösung<br />

Abb. 13: Versuchsanordnung zur Hydrolyse von Acetylsalicylsäure und Nachweis der<br />

entstehenden Salicylsäure<br />

29 http://www.kalbacher.uni-tuebingen.de/lehre/skript/Kurstag08_neu2.pdf 31.08.2010


2.7.4 Versuchsdurchführung<br />

Eine Spatelspitze Acetylsalicylsäure wird in wenig kaltem Ethanol gelöst, mit dem gleichen<br />

Volumen Wasser versetzt und in einem Becherglas erhitzt. Gleichzeitig wird auf eine<br />

Tüpfelplatte in jede Vertiefung die gleiche Zahl Tropfen einer verdünnten FeCl 3 -Lösung<br />

gegeben. Aus der erhitzten Acetylsalicylsäure-Lösung wird über einen Zeitraum von<br />

10 Minuten immer im Abstand von einer Minute eine Probe mit drei bis vier Tropfen<br />

entnommen und auf jeweils eine neue Vertiefung der Tüpfelplatte in die FeCl 3 -Lösung<br />

gegeben. Die Farbintensität der einzelnen Proben wird beobachtet und notiert.<br />

3. 1. Synthese von Acetylsalicylsäure<br />

3.1.1 Vorbemerkung<br />

Acetylsalicylsäure wird aus Salicylsäure und Essigsäureanhydrid hergestellt.<br />

Protonierung<br />

H<br />

H<br />

H C<br />

H C<br />

C O + H<br />

C O<br />

H<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

H<br />

C O<br />

H C<br />

C O<br />

H C<br />

H<br />

H<br />

Essigsäureanhydrid<br />

H<br />

Nucleophiler Angriff<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

C O<br />

O<br />

C<br />

+<br />

O<br />

H<br />

O H<br />

C O<br />

O<br />

H<br />

Salicylsäure<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

C<br />

O<br />

C<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

C O<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

C<br />

O<br />

C<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

O<br />

O<br />

H<br />

C O<br />

H<br />

H<br />

C<br />

H<br />

O<br />

C<br />

H<br />

O<br />

+<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

H<br />

O<br />

C<br />

O<br />

O<br />

H<br />

C O<br />

H<br />

H C<br />

H<br />

O<br />

C<br />

O<br />

O<br />

H<br />

C O<br />

+<br />

H<br />

Essigsäure<br />

Acetylsalicylsäure<br />

Abb.14. Reaktionsmechanismus: Synthesereaktion der Acetylsalicylsäure

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