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Das Jahr 2004 - Rechenschaftsbericht - Amnesty International

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Erst die Folter-Fotos rüttelten auf<br />

Die schockierenden Fotos von gefolterten<br />

und misshandelten Häftlingen aus<br />

dem Abu Ghraib Gefängnis in Bagdad<br />

belegten das, worauf amnesty international<br />

schon ein <strong>Jahr</strong> zuvor hingewiesen<br />

hatte.<br />

Auch im Frühjahr <strong>2004</strong> veröffentlichte<br />

amnesty international einen Irakbericht.<br />

Ein <strong>Jahr</strong> zuvor hatte ai bereits über den<br />

Tod von vier Gefangenen berichtet, die<br />

in der Haft gestorben waren. In mindestens<br />

einem Fall schien die Todesursache<br />

Folter und Misshandlung gewesen zu<br />

sein. Mehrere ai-Delegationen hatten<br />

unabhängig voneinander von schweren<br />

Menschenrechtsverletzungen durch US-<br />

Soldaten im Irak berichtet. Ebenfalls wurde<br />

von ai dokumentiert, dass es auf dem<br />

amerikanischen Luftwaffenstützpunkt<br />

Bagram in Afghanistan zu Todesfällen<br />

gekommen war, die auf Folter hindeuteten.<br />

Außerdem berichteten ehemalige<br />

Gefangene aus dem US-amerikanischen<br />

Lager Guantánamo auf Kuba von folterähnlichen<br />

Verhörmethoden. Unsere Forderung<br />

nach einer unabhängigen Untersuchung<br />

dieser Fälle blieb jedoch ungehört.<br />

Am 11. Mai <strong>2004</strong> veröffentliche ai<br />

einen weiteren Bericht der belegte das<br />

mindestens vier Menschen in Basra in britischer<br />

Haft starben. Jedoch weder die<br />

Verantwortlichen vor Ort noch die amerikanische<br />

und britische Regierung reagierten.<br />

Erst im Zuge der Veröffentlichung<br />

der Folterfotos aus dem Abu Ghraib<br />

Gefängnis in den internationalen Medien<br />

und der daraus resultierenden massiven,<br />

öffentlichen Empörung entschuldigten<br />

sich Premierminister Blair und Verteidigungsminister<br />

Hoon erstmals öffentlich<br />

für die Misshandlung irakischer Gefangener<br />

und standen ein, dass es Untersuchungen<br />

zum Fehlverhalten britischer<br />

Truppen im Irak gebe.<br />

Für uns hat sich wieder einmal gezeigt,<br />

dass es einfacher ist, öffentliche Empörung<br />

und damit auch Druck auf die Verantwortlichen<br />

auszuüben, wenn schokkierendes<br />

Bildmaterial oder Fotos vorliegen.<br />

Diese liegen amnesty international<br />

jedoch nicht immer vor oder sie werden<br />

zum Schutz der Opfer nicht veröffentlicht.<br />

Die Ergebnisse unserer Recherchen<br />

werden in Pressemeldungen und Pressekonferenzen<br />

öffentlich gemacht – so<br />

auch seit Juli 2003. Gleichzeitig fand und<br />

findet aufgrund der Rechercheergebnisse<br />

Lobbyarbeit bei den jeweils politischen<br />

Verantwortlichen statt. Und eines ist sicher:<br />

amnesty international ist auch dann<br />

noch da, wenn es keine Bilder gibt. Und<br />

amnesty international schaut auch noch<br />

weiter hin, wenn bestimmte Menschenrechtsthemen<br />

wieder aus dem öffentlichen<br />

Bewusstsein verschwinden. ■<br />

Folterdiskussion in Deutschland<br />

Der Fall <strong>Das</strong>chner zeigt, dass die Garantie<br />

des absoluten Folterverbots in Deutschland<br />

nicht mehr selbstverständlich ist.<br />

Nach nur einem Monat Verhandlung<br />

sprach das Frankfurter Landgericht am<br />

20. Dezember <strong>2004</strong> das Urteil. In seiner<br />

Urteilsbegründung stellte das Gericht<br />

unmissverständlich klar, dass <strong>Das</strong>chner<br />

rechtswidrig gehandelt hat, als er am<br />

1. Oktober 2002 einen Kriminalbeamten<br />

beauftragte, dem Kindesentführer Magnus<br />

Gäfgen „schwere Schmerzen“ anzudrohen,<br />

damit dieser den Aufenthaltsort<br />

des entführten Jakob von Metzeler<br />

preisgebe. Keine der von <strong>Das</strong>chner und<br />

seinen Verteidigern angeführten Gründe<br />

könnten die Androhung schwerer<br />

Schmerzen rechtfertigen, – weder „Nothilfe“<br />

noch „übergesetzlicher Notstand“<br />

noch „Gefahrenabwehr“. In allen diesen<br />

Situationen gelte die Norm, die auch in<br />

der deutschen Strafprozessordnung niedergelegt<br />

ist: Kein Mensch im Gewahrsam<br />

des Staates darf dazu gezwungen<br />

werden, etwas zu sagen, was er nicht<br />

sagen will.<br />

Die Richterin verwandte den Begriff „Folter“<br />

nicht, aber sie verwies auf den 3. Artikel<br />

der Europäischen Menschenrechts-<br />

Konvention: „Niemand darf der Folter<br />

oder unmenschlicher oder erniedrigender<br />

Strafe oder Behandlung unterworfen<br />

werden“.<br />

Wie die Staatsanwaltschaft machte das<br />

Gericht bei dem Urteil jedoch erheblich<br />

mildernde Umstände geltend: <strong>Das</strong>chner<br />

habe das Leben eines Kindes retten wollen;<br />

er sei durch das widersprüchliche<br />

und hinhaltende Verhalten des Täters<br />

einer extremen nervlichen Belastung ausgesetzt.<br />

Die zwei Gesichter des Urteils<br />

versuchen, den zwei Gesichtern des konkreten<br />

Falles gerecht zu werden: Da ist<br />

zum einen ein klarer Bruch des Rechts,<br />

mehr noch: der Bruch eines Tabus. Der<br />

Staat darf einen wehrlosen Menschen<br />

in seinem Gewahrsam nicht zum Objekt<br />

seiner Gewalt herabwürdigen; er darf<br />

nicht foltern. Tut er es, verletzt er die<br />

Menschenwürde. <strong>Das</strong> Völkerrecht verbietet<br />

Folter unter allen Umständen. Im<br />

konkreten Fall aber ging es um das Leben<br />

eines Kindes und um die – scheinbare –<br />

Möglichkeit, das Leben noch zu retten,<br />

wenn der Aufenthaltsort ermittelt werden<br />

könne. Es standen zwei hohe Rechtsgüter<br />

gegeneinander. Trotz des milden<br />

Strafmaßes hat eine Menschenrechtsorganisation<br />

wie amnesty international allen<br />

Anlass, das Urteil als Sieg der Menschenrechte<br />

zu werten. <strong>Das</strong> Urteil hat<br />

die Absolutheit des Folterverbots für<br />

Deutschland und für das Völkerrecht<br />

insgesamt bestätigt.<br />

■<br />

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