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STANS · OBERDORF · BÜREN - Pfarrei Stans

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Weisheit aus der Wüste<br />

Die Wurzeln des Mönchtums liegen in den<br />

Wüsten von Ägypten und Syrien. Seit dem<br />

späten 3. Jahrhundert wählten frühchristliche<br />

Mönche die Wüste, um als Einsiedler<br />

oder in Gruppen ein zurückgezogenes Leben<br />

zu führen, bestimmt durch Askese,<br />

Gebet und Arbeit.<br />

Einer dieser sogenannten Wüstenväter war<br />

Moses der Äthiopier. Er lebte im 4. Jahrhundert<br />

in der sketischen Wüste in Ägypten.<br />

Vor seiner Bekehrung war er Hauptmann<br />

einer Räuberbande und führte ein<br />

abenteuerliches Leben. Wie von anderen<br />

Wüstenvätern werden auch über ihn Geschichten<br />

erzählt, die Zeugnis geben von<br />

seiner praktischen Weisheit und seinem<br />

tiefen Glauben. Folgende schöne Geschichte<br />

habe ich über ihn gefunden:<br />

Moses traf auf einer seiner Wanderungen<br />

in der Wüste einen Schafhirten. Er verbrachte<br />

mit ihm den ganzen Tag und half<br />

ihm auch beim Melken der Schafe. Als es<br />

dunkel wurde, sah Moses, wie der Hirte<br />

eine Schale mit Milch füllte und diese auf<br />

einen Felsblock stellte, nicht weit entfernt<br />

von der Hütte. Moses fragte ihn, wozu<br />

diese Milch diene. Der Hirt antwortete:<br />

«Diese Milch ist für Gott.»<br />

Neugierig bat Moses den Hirten, das genauer<br />

zu erklären. Der Hirt sagte: «Ich<br />

nehme immer ein bisschen von der besten<br />

Milch und gebe sie Gott.»<br />

Diesen naiven Glauben des Hirten wollte<br />

Moses korrigieren. Und so fragte er: «Und<br />

Gott trinkt diese Milch?»<br />

«Aber gewiss», antwortete der Hirte.<br />

Moses versuchte ihm nun zu erklären, dass<br />

Gott reiner Geist ist und keine Milch trinkt.<br />

Weil der Hirte ihm nicht glaubte, schlug<br />

Moses dem Hirten vor, er solle sich in der<br />

Nähe des Felsens verstecken und gut beobachten,<br />

ob wirklich Gott vorbei komme<br />

und die Milch trinke. Das tat der Hirte.<br />

Als der Mond aufging, sah der Hirte, wie<br />

aus der Wüste ein Füchslein heranschlich.<br />

Nachdem es kurz nach rechts und nach<br />

links geschaut hatte, ob es auch allein sei,<br />

schlürfte es genüsslich die Milch. Dann<br />

verschwand es wieder in der Wüste.<br />

Am nächsten Morgen sah Moses, dass der<br />

Hirte traurig war. «Was ist los?» fragte er<br />

ihn. «Du hattest recht», sagte der Hirte,<br />

«Gott ist reiner Geist und will meine Milch<br />

nicht.»<br />

Moses wollte ihn trösten und sprach: «Du<br />

kannst doch zufrieden sein, weil du heute<br />

mehr weisst über Gott als noch gestern.»<br />

«Ja», sagte der Hirte, «aber die einzige<br />

Möglichkeit, die ich hatte, um Gott meine<br />

Liebe zu zeigen, ist mir jetzt genommen.»<br />

Moses verstand – und er zog sich in die<br />

Einsamkeit zurück und betete mit aller<br />

Kraft. In der folgenden Nacht kam Gott zu<br />

ihm und sagte: «Moses, du hast unrecht. Es<br />

ist wahr, dass ich reiner Geist bin, aber ich<br />

habe vom Hirten die Milch als Zeichen<br />

seiner Liebe mit grosser Freude angenommen,<br />

und als ich sie nicht mehr nötig hatte,<br />

habe ich sie mit diesem kleinen Fuchs geteilt,<br />

dem sie so sehr geschmeckt hat.»<br />

(vgl. Bruno Ferrero, Il segreto dei pesci rossi, S. 20f.)<br />

Gott ist den Menschen, die ihn mit klugen<br />

Worten beschreiben und zu ihm in gescheiten<br />

theologischen Formeln sprechen,<br />

nicht näher als denen, die ihn mit schlichten,<br />

einfachen Worten anrufen. Jesus selber<br />

hat über Gott gejubelt und gebetet:<br />

«Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels<br />

und der Erde, weil du all das den Weisen<br />

und Klugen verborgen, den Unmündigen<br />

aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir<br />

gefallen.» (Mt 12,25f.)<br />

David Blunschi<br />

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