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Altmann: Auf- und Abstieg und dazwischen 184 ... - Peter Donatsch

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sen verschmilzt mit dem Grau des<br />

Himmels, als es zum x-tenmal an<br />

diesem Tag zu regnen anfängt.<br />

Werden wir den Berggipfel morgen<br />

auch sehen?<br />

Das Wegkreuz auf dem <strong>Altmann</strong>sattel<br />

markiert das Ende unseres<br />

heutigen <strong>Auf</strong>stiegs, in einer steilen<br />

Viertelst<strong>und</strong>e sind wir beim<br />

Berggasthaus Rotsteinpass. Der<br />

Weg durch die Fliswand – mehr<br />

Kletterpartie – ist neu gesichert,<br />

glänzender Stahl hilft beim Ab-<br />

<strong>und</strong> <strong>Auf</strong>steigen.<br />

Im Berggasthaus Rotsteinpass<br />

werden wir herzlich empfangen.<br />

Die Gaststube ist noch leer – das<br />

trübe Wetter dämpft die Wanderlust<br />

seit Wochen. Gegen Essenszeit<br />

tröpfeln noch einige Wanderer<br />

herein. Mindestens vier Handys<br />

schellen, piepen oder muhen.<br />

Vor dem Essen werden Wetterberichte<br />

abgefragt, MMS vom Erstiegenen<br />

versandt <strong>und</strong> eine Prise<br />

Alltag in Form der neuesten Nachrichten<br />

reingezogen. Der Steinbockpfeffer<br />

m<strong>und</strong>et hervorragend<br />

<strong>und</strong> die hausgemachten Meringues,<br />

eingebettet in einen Haufen<br />

Rahm, krönen das Mahl. Wer<br />

spricht hier oben von Diät?<br />

Schlanke Holländerinnen schauen<br />

immer wieder vom Nachbartisch<br />

herüber.<br />

Der letzte Gang vors Haus an diesem<br />

Tag fällt kurz aus; es regnet.<br />

Die Socken, die ich zum Auslüften<br />

aufs Fensterbrett gelegt habe,<br />

sind nass.<br />

«Gegen vier Uhr gelangten wir<br />

auf steilem steinigen Pfad zum sogenannten<br />

wilden Seelein. Es war<br />

damals noch zugefroren <strong>und</strong> liegt<br />

zwischen Felsen in einer trichterförmigen<br />

Vertiefung. Mayestätisch<br />

erhebt sich von da der <strong>Altmann</strong>,<br />

noch hoch wie eine gewaltige<br />

Pyramide aus dem Schneefeld<br />

empor. In der Nähe des Seeleins<br />

wachsen hübsche Pflänzchen als<br />

gnaphalium supinum, Pyrethrum<br />

alpinum ectr. Dieses Seelein taut<br />

gewöhnlich gegen den August auf<br />

<strong>und</strong> scheint dann einen grösserern<br />

Umfang zu haben, doch<br />

nicht 40 Fuss Länge <strong>und</strong> noch weniger<br />

in der Breite. Von da gelangt<br />

man im Sommer an zwei zusammenhängenden<br />

Schneefelder, die<br />

den nackten Felsen des <strong>Altmann</strong>s<br />

umgeben. In heissen Jahrgängen<br />

aber schmilzt der grössere dieser<br />

Schneemassen <strong>und</strong> es kommen<br />

zerklüftete Felsstücke zum Vorschein,<br />

worüber <strong>und</strong> unter denselben<br />

man steigen <strong>und</strong> sich durchwinden<br />

muss. Damals wählte ich<br />

das grössere weniger steile, mehr<br />

rechts, an den Felsen nach Meglisalp<br />

anliegende Schneefeld. Als wir<br />

drei Wanderer eine Strecke auf<br />

dem Schnee überschritten hatten,<br />

hörten wir den Ruf eines Mannes,<br />

der von Meglisalp allein heraufgestiegen<br />

war. Als er zu uns kam,<br />

vernahmen wir von ihm, dass er<br />

in einer Sennhütte auf der Krayalp<br />

übernachten wolle, <strong>und</strong> dass er<br />

von Wildhaus sei <strong>und</strong> Looser heisse.<br />

Dieser junge, rüstige Bergsteiger<br />

war zwar sehr vertraut mit der<br />

Umgebung, doch zweifelte er an<br />

unserem Gelingen, <strong>und</strong> erzählte,<br />

dass er einst drei Zürcher Herren<br />

über dieses Schneefeld auf den<br />

Grat geführt habe. <strong>Auf</strong> den Felsenkopf<br />

selbst aber hatten sie keine<br />

Lust, <strong>und</strong> er glaubte, es wäre nicht<br />

ausführbar. Indessen liess er sich<br />

leicht bewegen, den Versuch<br />

mitzumachen, <strong>und</strong> wir befanden<br />

uns auf diesem Grat oder Sattel<br />

etwas nach fünf Uhr.»<br />

D<br />

ie Aussicht vor dem Fenster:<br />

grau. Die Duvets sind warm,<br />

die Versuchung ist gross, hineinzukuscheln<br />

<strong>und</strong> den <strong>Altmann</strong> alten<br />

Mann sein zu lassen. Wo ist<br />

das viel versprochene Sommerwetter,<br />

wo der blaue Himmel? Die<br />

kurzen Hosen bleiben im Rucksack,<br />

bei diesem garstigen Klima<br />

braucht’s Faserpelz <strong>und</strong> Windjacke.<br />

Wir sind die ersten beim Früh-<br />

«von da gelangt man im vorsommer an<br />

zwei zusammenhängende Schneefelder,<br />

die den nackten felsen des altmanns<br />

umgeben.»<br />

<strong>Altmann</strong> mit <strong>Altmann</strong>sattel (rechts) von Nordwesten.<br />

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