Yemen - Auf der Weihrauchstrasse - Hans Tuengerthal

ARA-070423-q-Auf der Weihrauchstraße durchs Leere Viertel 21
Themen: Weihrauchstraße; Wüste; Wilfred Thesiger, Beduinen, Erdöl, Essen (07.0616-30/o7o2/3/4/o7/9)
Ich frage Salim, warum denn hier so stark kontrolliert würde. Er gibt vorerst keine Antwort. Wir
verlassen bald das Gebiet des ehemaligen Königreich Jemen und werden bald in das Land der
ehemaligen sozialistischen Republik Südjemen fahren. Diese Region hat eigentlich nie zu diesem oder
jenem Staat gehört, denn hier herrschte das Recht der Bedus und die haben niemals Herren über sich
geduldet. das konnten sie später, als sich Staaten im modernen Sinne bildeten, wenn das Machtmonopol
beim Staat liegt, ausnutzen, denn sie waren jeweils am Rande der Staaten und nicht zu bändigen.
Nun wurde ausgerechnet in ihrem Territorium Erdöl gefunden, das nach dem Verständnis einer
modernen Regierung, erst einmal dem Staat gehört. Das führte aber zu Ärger, und solchen kennen wir
auch von den Indianern Kanadas, die verlangen, daß ein erheblicher Teil der Erlöse aus ihren Bodenschätzen
an sie zurück fließen, ebenso die Jakuten, die allerdings nach der Auflösung der Sowjet-
Union erreichten, dass sie als assoziierte Sowjetrepublik 1991/2 eine Halbsouveränität erhielten und
sich ausbedungen haben, den größten Teil der Einnahmen aus Gold und Diamanten auf ihr
„nationalen“ Staatsbudget der „Republica Sacha“ überweisen lassen. Ich hatte ja 1994 Pech, als eine
Staatsangestellte dieser Republica erkannte, dass ich beim Kauf eines Tickets kein Visum für diesen
Teilstaat hatte und das land verlassen sollte. Salim erklärt mir also, die Beduinen erkennen die staatliche
Autorität des Staates nur bedingt an, höchstens im Sinne eines Tributverhältnisses.
Ich habe mir zwei sehr vertraute Karten herausgesucht, mit denen ich diese besonderen Bedingungen
demonstrieren kann. Die erste ist ein Ausschnitt der Arabischen Halbinsel aus meinem Schulatlas
Diercke von 1955, die zweite ist ein Ausschnitt aus der Karte des Atlas Brockhaus von 1956. In beide
vergleichbaren Land-Ausschnitte wurden die Grenzen eingetragen. Dabei fällt auf, dass die Grenzen
im südlichen Arabien nur angedeutet sind, zB gestrichelt oder ganz fehlen. Ein einmaliges Phänomen,
zZ als bereits ca 100 Staaten bei der UNO registriert waren, konnten hier mehrere keine Flächenangaben
machen. Ungewöhnlich sind auch die doppelt/geteilt verwalteten Gebiete (Erdölexploration)
zwischen Saudi-Arabien einerseits und Kuweit und Iraq anderseits, zusammen immerhin ast 2/3 der
Fläche Hessens.
Abb 34: Links die Karte Diercke 1955, Brockhaus 1956
rechts: Staatsgrenzen auf der Arabischen Halbinsel
Diese Karten zeigen nicht nur die uneinheitliche Grenzziehung, sondern auch das Fehlen der durchgezogenen
Grenzlinien und deuten die Schwierigkeiten an, Staaten territorial darzustellen, ohne internationale
politische Konflikte herauf zu beschwören, also wurden sie gar nicht eingezeichnet. Diese
Situation entspricht auch der subjektiven Einschätzung der dortigen Beduinenbevölkerung, die eben
nicht bereit ist, einen (fernen) Landesherrn oberhalb der Scheichsebene anzuerkennen.
Gut erkennbar ist hingegen die Grenze zwischen Königreich Jemen (das bis 1963 bestand) und dem
einstigen britischen Aden & Hadramaut, welches 1967 als Sozialistische Republik Südjemen unabhängig
wurde. Dieser Grenze nähern wir uns jetzt. Die Nordgrenzen des jungen Staates Saudi-Arabien
sind festgelegt, die östlichen und südlichen nicht. Im Brockhaus werden die Grenzen des Königreiches
Jemen sehr exakt angegeben, nicht aber im Diercke. Bemerkenswert finde ich, auch in meinen
aktuellen Straßenkarten sind die Staatsgrenzen ungleich eingezeichnet.