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Harpagophytum, die Wurzelknolle aus dem südlichen Afrika - Astral

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Der Anbau von <strong>Harpagophytum</strong>, Teu-<br />

felskralle, ist möglich und hat <strong>die</strong> kom-<br />

merzielle Stufe erreicht. Aufgrund der<br />

hohen Nachfrage in Europa wird <strong>die</strong><br />

Droge weiterhin und noch über einige<br />

Jahre <strong>aus</strong> Wildsammlungen stammen.<br />

Wenn <strong>die</strong> Wüstenpflanze an ihren<br />

natürlichen Standorten nicht vorher<br />

<strong>aus</strong>gerottet wird.<br />

Einleitung<br />

Richard Bolli<br />

Mit hakenbesetzten Armen krallen<br />

sich <strong>die</strong> knapp handtellergrossen<br />

Früchte von <strong>Harpagophytum</strong> ans Fell<br />

von Tieren, welche durch <strong>die</strong> Trockengebiete<br />

des <strong>südlichen</strong> <strong>Afrika</strong> streifen.<br />

So stellt <strong>die</strong> Teufelskralle, Devil’s Claw,<br />

<strong>die</strong> Fernverbreitung ihrer Samen sicher.<br />

Seit jeher wurde <strong>die</strong> Teufelskralle<br />

von den Völkern des <strong>südlichen</strong> <strong>Afrika</strong><br />

für eine Vielzahl von Indikationen genutzt.<br />

Die verwendeten Pflanzenteile<br />

liegen im sandigen Wüstenboden: Es<br />

sind <strong>die</strong> bis 6 cm dicken und 20 cm langen<br />

Speicherknollen der Seitenwurzeln,<br />

welche am Wildstandort in einer<br />

Tiefe von 1 bis 1,5 Meter gebildet werden.<br />

Iridoide mit hohen Bitterwerten<br />

sind wirksamkeitsmitbestimmend, unter<br />

ihnen <strong>die</strong> bisher einzige zur Qualitätskontrolle<br />

verwendete Leitsubstanz<br />

Harpagosid. Genügend hoch dosierte<br />

Zubereitungen von Harpagophyti radix<br />

(oder genauer: Harpagophyti tubera)<br />

gelten heute als viel versprechend in<br />

der Langzeitbehandlung von chronischen<br />

Gelenkentzündungen (siehe Artikel<br />

«<strong>Harpagophytum</strong>-Extrakte als<br />

sinnvolle Phytoanalgetika/-antiphlogistika?»,<br />

Seite 4).<br />

Botanik<br />

Arzneipflanze<br />

<strong>Harpagophytum</strong>,<br />

<strong>die</strong> <strong>Wurzelknolle</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>südlichen</strong> <strong>Afrika</strong><br />

Botanik, Handel, Gefährdung und Anbau<br />

Die Teufelskralle kommt in den<br />

Baumsavannen der Kalahari zwischen<br />

<strong>dem</strong> 15. und 30. <strong>südlichen</strong> Breitengrad<br />

vor. Das Hauptverbreitungsgebiet der<br />

bisher im Zentrum des Interesses stehenden<br />

Art <strong>Harpagophytum</strong> procumbens<br />

liegt in Namibia, Südafrika und<br />

<strong>dem</strong> Westen Botswanas. Sie gedeiht auf<br />

1000 bis 1800 Metern über Meer in tiefgründigen<br />

Sandböden, solange <strong>die</strong> Vegetation<br />

nicht allzu dicht ist. Jahresniederschläge<br />

zwischen 100 und 300 mm<br />

genügen <strong>die</strong>sen Pflanzen. Verwandt<br />

mit den Rachenblütlern (dazu gehören<br />

zum Beispiel <strong>die</strong> Königskerze, Verbascum,<br />

der Fingerhut, Digitalis, oder <strong>die</strong><br />

Braunwurz, Scrophularia – nicht aber<br />

<strong>die</strong> in Europa Teufelskrallen genannten<br />

Glockenblumengewächse), gehört<br />

<strong>Harpagophytum</strong> zur Familie der Sesamgewächse,<br />

Pedaliaceae.<br />

Wenige, etwa einen Meter lange<br />

Sprosse, gegenständig besetzt mit weichen,<br />

gelappten Blättern, <strong>die</strong> an Eichenlaub<br />

erinnern, wachsen im September<br />

kurz nach der Regenzeit und<br />

bedecken einen halben Quadratmeter<br />

Wüstenboden locker mit dunklem<br />

Grün. In hellem Violett leuchten grosse<br />

Blüten mit weissem oder gelbem<br />

Schlund (Bildtafel: Abbildung 2). Sie<br />

blühen nur einen Tag, und sofern sie<br />

bestäubt werden, entwickeln sich in<br />

etwa zwei Monaten abenteuerliche<br />

Früchte: grüne, dann braune Kapseln,<br />

<strong>die</strong> mit zwei Reihen stachelbewehrten<br />

Krallenarmen noch auf <strong>dem</strong> Boden liegen,<br />

wenn <strong>die</strong> einjährigen Blattsprosse<br />

im Wüstensommer bereits verdorrt<br />

sind. Die Teufelskrallen (Abbildung<br />

Seite 22 und Bildtafel: Abbildung 2) warten<br />

gewissermassen darauf, verbreitet<br />

zu werden, und teuflisch ist <strong>die</strong> Begegnung<br />

für eine Antilope, eine Hyäne<br />

oder ein Rind, <strong>die</strong> in sie hinein treten.<br />

Mit ihren Widerhaken und den ankerförmigen<br />

Stachelarmen heftet sich <strong>die</strong><br />

Teufelskralle ans Fell oder ins Fleisch<br />

der Tierfüsse, lässt sich über weite<br />

Strecken mittragen und schüttelt dabei<br />

ihre Samen über eine kleine Kapselöffnung<br />

<strong>aus</strong>. Nur heftiges Trampeln kann<br />

<strong>die</strong> holzige Stachelkapsel wieder vom<br />

Fuss lösen. Meist zerbricht sie dabei<br />

und entlässt ihre letzten Samen. Die<br />

Verbreitung der Art ist geglückt.<br />

Das Wurzelwerk<br />

der Teufelskralle<br />

Die weissen Siedler mit ihren Viehherden<br />

haben stets versucht, <strong>die</strong><br />

Pflanze von den Weideflächen zu verbannen.<br />

Dabei mussten sie gar nicht<br />

tief graben, denn <strong>die</strong> Knospen für <strong>die</strong><br />

Erneuerungstriebe sitzen an der Spitze<br />

des Hauptwurzelstockes, und <strong>die</strong>ser erstreckt<br />

sich im sandigen Boden meist<br />

nicht tiefer als 30 Zentimeter. Wird er<br />

zerstört, kann sich <strong>die</strong> Pflanze trotz weit<br />

reichen<strong>dem</strong> Wurzelsystem nicht mehr<br />

regenerieren. Vom Wurzelstock gehen<br />

schlanke Seitenwurzeln ab, <strong>die</strong> bis 1,5<br />

Meter tief reichen und in unregelmässigen<br />

Abständen zu verdickten Knollen<br />

<strong>aus</strong>wachsen, den sekundären Speicherwurzeln<br />

(Bildtafel: Abbildungen 5 und 6).<br />

In der Tiefe sind <strong>die</strong>se Reserveorgane<br />

der Pflanze vor <strong>dem</strong> Austrocknen geschützt,<br />

aber auch vor grabenden Tieren,<br />

etwa Pavianen, welche insbesondere<br />

in der Trockenzeit von stärke- und<br />

wasserhaltigen Wurzeln leben. Ein zusätzlicher<br />

phytochemischer Schutz von<br />

pflanzlichen Speicherorganen ist in<br />

Wüstenhabitaten verbreitet. Die stark<br />

bitteren Speicherwurzeln von <strong>Harpagophytum</strong><br />

halten wohl einige Konsumenten<br />

ab. Nicht so den Menschen: Eingeborene<br />

sollen <strong>die</strong> Speicherwurzeln von<br />

<strong>Harpagophytum</strong> seit langem als Heilmittel<br />

nutzen, zum Beispiel bei Verdauungsbeschwerden,<br />

doch Primärliteratur<br />

dazu fehlt weit gehend.<br />

Die Artenfrage:<br />

Ein Blick auf <strong>die</strong> Evolution<br />

der Teufelskralle<br />

Die Evolution der südafrikanischen<br />

Teufelskrallen wurde bisher nicht erforscht.<br />

Indirekte Schlüsse lassen sich<br />

aber <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Variationsmuster morphologischer<br />

Merkmale ziehen. So fällt<br />

auf, dass <strong>die</strong> Hakenfrüchte weit gehend<br />

unabhängig von Umweltfaktoren <strong>aus</strong>gestaltet<br />

sind und sich <strong>die</strong> Teufelskral-<br />

20 phytotherapie Nr. 3 • 2004


Arzneipflanze<br />

➀ ➁<br />

➂ ➃<br />

➄ ➅<br />

Bildtafel:<br />

➀ Die Teufelskralle im Anbau auf einem langen Feldstreifen. Die Pflanzabstände sind entsprechend <strong>dem</strong> <strong>aus</strong>gedehnten Wurzelwerk gross. ➁ Teufelskralle,<br />

<strong>Harpagophytum</strong> procumbens, mit Blüten und junger Hakenfrucht. ➂ Ernte von sekundären Speicherwurzeln im Feldstreifen. ➃ Verkauf von <strong>Harpagophytum</strong>-Wurzeln<br />

in einem Kalahari-Dorf. ➄ <strong>Harpagophytum</strong> procumbens im Profil. Die hellen, sekundären Speicherwurzeln wuchsen nach <strong>dem</strong> Verpflanzen<br />

der im Zentrum sichtbaren, rund 25 cm langen Mutterknolle in nur 4 Monaten heran. ➅ Stattliche Ernte einer 3-jährigen <strong>Harpagophytum</strong>-Pflanze<br />

<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Anbau. Rechts eine viel kleinere Pflanze unbestimmten Alters mit etwa gleich grosser Mutterknolle, <strong>die</strong> unter Konkurrenz und suboptimalen Bodenbedingungen<br />

am Wildstandort wuchs.<br />

© Fotos: Merle Wei<strong>dem</strong>ann und Raphael Granzow, D.J. von Willert.<br />

phytotherapie Nr. 3 • 2004 21


len-Sippen im gesamten Verbreitungsgebiet<br />

des <strong>südlichen</strong> <strong>Afrika</strong> danach in<br />

zwei Gruppen aufteilen lassen (1). Die<br />

eine Gruppe besitzt Früchte mit zusammenhängen<strong>dem</strong>,<br />

schmalem Stachelsaum<br />

mit 20 bis 30 Samen und ganzrandigen<br />

bis dreilappigen Blättern (der<br />

<strong>Harpagophytum</strong>-zeyheri-Typ). Charakteristisch<br />

für <strong>die</strong> andere Teufelskrallen-<br />

Gruppe sind Früchte mit langen, ankerartig<br />

bestachelten Greifhaken, welche<br />

50 bis 60 Samen enthalten und Blätter,<br />

<strong>die</strong> drei- bis fünfzählig gelappt sind<br />

(der <strong>Harpagophytum</strong>-procumbens-Typ).<br />

Da <strong>die</strong>se Merkmale in der Natur durch<br />

gleitende Übergänge miteinander verbunden<br />

sind, könnte man <strong>die</strong> beiden<br />

Gruppen durch<strong>aus</strong> in einer einzigen<br />

Teufelskrallenart zusammenfassen. Ihre<br />

nahe Verwandtschaft drückt sich auch<br />

in einem vergleichbaren Inhaltsstoff-<br />

Spektrum der sekundären Speicherwurzeln<br />

<strong>aus</strong>.<br />

Die höchste Variabilität an Blattformen<br />

und Färbungen der Blütenkrone<br />

wurde in Populationen mit den schmalen<br />

Hakensaum-Früchten im nördlichen<br />

Transvaal, Republik Südafrika, beobachtet,<br />

zusammen mit besonders<br />

vielen Übergangsformen zwischen den<br />

beiden Fruchttypen. Hier wird das Entstehungszentrum<br />

der Gattung <strong>Harpagophytum</strong><br />

vermutet, <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> sich in<br />

etwas feuchteren Klimagebieten <strong>die</strong> <strong>Harpagophytum</strong>-zeyheri-Sippen<br />

mit ganzrandigen<br />

Blättern entwickelten,<br />

während<strong>dem</strong> bei den <strong>Harpagophytum</strong>procumbens-Sippen<br />

gegen den trockeneren<br />

Westen hin gelappte Blätter vorherrschen<br />

und ihre Frucht zunehmend<br />

stacheliger wird. Im evolutiven Zusammenhang<br />

kann auch <strong>die</strong> Vermehrung<br />

der Samenzahl bei den H.-procumbens-Sippen<br />

gesehen werden. Die Entwicklungsrichtung<br />

verläuft nach obiger<br />

These von der kleinstacheligen Klettfrucht,<br />

<strong>die</strong> manchmal in Tierfellen<br />

hängen bleibt und sich so verbreiten<br />

kann, zur grossen Trampelklette mit<br />

verlängerten und mit Widerhaken besetzten<br />

Greifstacheln, was mit einem<br />

hohen Materialaufwand für <strong>die</strong> Pflanze<br />

verbunden ist. Die H.-procumbens-Sippen<br />

produzieren denn auch etwa viermal<br />

weniger Früchte als <strong>die</strong> Individuen<br />

der H.-zeyheri-Sippe. Dies wird mit einer<br />

effizienteren Verbreitung (dank<br />

den vermehrten Stacheln) und durch<br />

<strong>die</strong> Verdoppelung der Samenzahl wahrscheinlich<br />

kompensiert.<br />

Die in ihren extremen Ausbildungen<br />

deutlich verschiedenen Sippen werden<br />

heute als zwei Arten aufgefasst: <strong>Harpagophytum</strong><br />

zeyheri DECAISNE, mit drei<br />

Arzneipflanze<br />

Unterarten, und <strong>Harpagophytum</strong> procumbens<br />

(BURCH.) DC., mit zwei weiteren<br />

Unterarten. In der Monografie<br />

der Europäischen Pharmakopöe sind<br />

unter Harpagophyti radix beide Arten<br />

aufgenommen. Sie unterscheiden sich<br />

phytochemisch im Verhältnis zweier<br />

Hauptiridoidglykoside. Ob Unterschiede<br />

in der klinischen Wirksamkeit der<br />

beiden Arten bestehen, ist derzeit nicht<br />

bekannt.<br />

Wie <strong>Harpagophytum</strong><br />

nach Europa kam<br />

In der Kolonie Deutsch-Südwestafrika,<br />

<strong>dem</strong> heutigen Namibia, lebten<br />

viele Siedler in engem Kontakt mit den<br />

einheimischen Völkern und profitierten<br />

auch von ihrer Naturmedizin. Sie<br />

lernten Anwendungen der Teufelskralle<br />

kennen und haben einen «Harpago-Tee»<br />

zubereitet, den sie für eine<br />

Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten<br />

einsetzten und im ganzen Land<br />

vertrieben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

war <strong>die</strong> Teufelskralle dank besten<br />

persönlichen Kontakten und Handelsbeziehungen<br />

zwischen der Kolonie und<br />

<strong>dem</strong> Mutterland in Deutschland erstmals<br />

bekannt geworden. In den Dreissigerjahren<br />

des letzten Jahrhunderts und<br />

während des Zweiten Weltkrieges, als er<br />

in Namibia lebte, nahm sich der Apotheker<br />

Otto Heinrich Volk (1903–<br />

2000) der Teufelskralle an, setzte seine<br />

Stu<strong>die</strong>n in den Sechzigerjahren fort<br />

und machte <strong>die</strong> Pflanze und ihre Zubereitungen<br />

in Deutschland bekannt (5).<br />

Aber erst in den Neunzigerjahren erhielt<br />

mit der «Renaissance» der Phytotherapie<br />

in Mitteleuropa auch <strong>die</strong> Teufelskralle<br />

neuen Schwung. Im Jahr 2003<br />

waren auf <strong>dem</strong> deutschen Markt 57 <strong>Harpagophytum</strong>-Präparate<br />

von 46 verschiedenen<br />

Firmen erhältlich. In den vergangenen<br />

zehn Jahren ist der Handel mit<br />

jährlich Hunderten von Tonnen Teufelskrallen-Wurzeln<br />

buchstäblich explo<strong>die</strong>rt.<br />

Eine derart «erfolgreiche» Phytotherapie<br />

muss sich, will sie glaubwürdig<br />

bleiben, den ökologischen und sozialen<br />

Folgen <strong>die</strong>ses «Booms» beispielhaft und<br />

sehr rasch stellen. Dies gilt für eine<br />

ganze Anzahl weiterer Drogen, <strong>die</strong> <strong>aus</strong><br />

Wildvorkommen stammen.<br />

<strong>Harpagophytum</strong> stammt<br />

heute fast <strong>aus</strong>schliesslich<br />

von Wildstandorten<br />

Mit <strong>dem</strong> neuen Handelszweig des<br />

Wurzelsammelns hat <strong>die</strong> lokale Bevölkerung,<br />

T<strong>aus</strong>ende von Menschen vor<br />

allem in Namibia und im Norden der<br />

Republik Südafrika, ein Erwerbseinkommen<br />

generieren können, das ihnen<br />

neue Hoffnung auf ein einträgliches<br />

Auskommen in ihrem angestammten<br />

Lebensraum gibt, in <strong>dem</strong> heute sonst<br />

Abbildung: Die Frucht von <strong>Harpagophytum</strong> procumbens ist eine verholzte, zweifächerige Kapsel, <strong>die</strong><br />

sich zur Reifezeit an der Spitze öffnet. Ihre mit Widerhaken besetzten Auswüchse machen sie zur Trampelklette<br />

und garantieren <strong>die</strong> Fernverbreitung der Samen.<br />

22 phytotherapie Nr. 3 • 2004


kaum andere Ver<strong>die</strong>nstmöglichkeiten<br />

bestehen. Zu Recht stellt sich <strong>die</strong> Frage<br />

der Nachhaltigkeit: Kann <strong>Harpagophytum</strong><br />

über Jahre hinweg von der lokalen<br />

Bevölkerung gesammelt werden, ohne<br />

<strong>die</strong> Wildbestände <strong>aus</strong>zubeuten? Ja, sagen<br />

Verfechter ökologisch zertifizierter<br />

Wildsammlungen, denn <strong>die</strong> Speicherwurzeln<br />

können, wenigstens theoretisch,<br />

ohne Beschädigung des Hauptwurzelstockes<br />

gesammelt werden, oder<br />

<strong>die</strong> Mutterpflanze wird nach <strong>dem</strong> Ernten<br />

der Speicherwurzeln an einem<br />

neuen Ort wieder eingepflanzt. Wie erfolgreich<br />

<strong>die</strong>se Verfahren wirklich sind<br />

und wie deren Einhaltung in der Praxis<br />

überprüft werden kann, ist Gegenstand<br />

von Diskussionen. Wenn nun aber auf<br />

<strong>die</strong> Kultivierung von <strong>Harpagophytum</strong><br />

gesetzt wird, kann <strong>die</strong> einheimische Bevölkerung<br />

in den Anbau mit einbezogen<br />

werden, ohne dass zu viele Sammler<br />

ihre Einkünfte verlieren?<br />

Wenn <strong>die</strong> Wurzeln <strong>aus</strong> Wildsammlungen<br />

noch nicht gleich versiegen, ist<br />

<strong>die</strong> Situation in der näheren Zukunft<br />

Arzneipflanze<br />

insofern vor<strong>aus</strong>sehbar, als <strong>die</strong> Droge<br />

vom Wildstandort wohl noch geraume<br />

Zeit wesentlich preiswerter erhältlich<br />

sein wird als Droge <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Anbau.<br />

Dies lässt <strong>die</strong> Befürchtung aufkommen,<br />

dass <strong>die</strong> Wildpopulationen der Teufelskralle<br />

auch während <strong>dem</strong> Übergang<br />

zum kommerziellen Anbau weiterhin<br />

oder sogar verstärkt unter Druck kommen.<br />

Dass lokale Wurzelsammler sofort<br />

reagieren, zeigte sich offenbar kurze<br />

Zeit nach der zusätzlichen Aufnahme<br />

von <strong>Harpagophytum</strong> zeyheri in <strong>die</strong> Europäische<br />

Pharmakopöe. Gerüchten<br />

zufolge (5) wurde <strong>die</strong>se zweite Teufelskrallenart<br />

darauf im Süden Angolas gesammelt<br />

und lastwagenweise zu den Exporthandelsstellen<br />

in Namibia und<br />

Südafrika gebracht.<br />

Wie gefährdet ist<br />

<strong>Harpagophytum</strong>?<br />

So dringend <strong>die</strong> Frage heute ist, sie<br />

kann nicht beantwortet werden. Zu wenig<br />

ist bekannt über Grösse, Ausdeh-<br />

Spendenaufruf zugunsten der Kitlanyang-Schule in Südafrika<br />

Mitten im Teufelskrallen-Gebiet liegt <strong>die</strong> staatliche Kitlanyang-Schule, <strong>die</strong> von Prof.<br />

Dieter J. von Willert, Institut für Ökologie der Pflanzen der Universität Münster, auf<br />

privater Basis unterstützt wird. Sie befindet sich in der südafrikanischen Kalahari,<br />

90 Kilometer südlich der Grenze zu Botswana und 140 Kilometer nördlich von Kuruman,<br />

der nächstgelegenen grösseren Stadt. Die schlecht <strong>aus</strong>gerüsteten staatlichen<br />

Schulen sind <strong>die</strong> Bildungsstätten der Armen. (Wohlhabende Leute schicken ihre Kinder<br />

in Privatschulen, <strong>die</strong> Geld kosten.) In der ländlichen Kitlanyang-Schule kommen<br />

<strong>die</strong> Kinder <strong>aus</strong> einem Umkreis von mehr als 100 Kilometern zusammen. In der<br />

Schule und im Wohnbereich hapert es überall. Es fehlen Schulkleider, Lehrmittel,<br />

Bücher, Sportgeräte. Es gibt kein Radio, kein Spielzeug. Erst dank Prof. von Willert,<br />

der sich seit einigen Jahren um <strong>die</strong> Schule kümmert, konnten <strong>die</strong> Schlafräume gestrichen,<br />

intakte Matratzen und Decken sowie einige Musikinstrumente angeschafft<br />

werden. Der Chor von Kitlanyang hatte <strong>die</strong>sen Frühling einen grossen Auftritt bei der<br />

Einweihung des von der Universität Münster initiierten und von der Bioforce AG unterstützten<br />

«Devil’s Claw Cultivation Project». Das Pilotprojekt will aufzeigen, dass<br />

eine Tswana-Familie vom Anbau der Teufelskralle leben kann. Gelingt <strong>die</strong>s, wird an<br />

der Kitlanyang-Schule der Teufelskrallen-Anbau gelehrt und verbreitet werden. Professor<br />

Dieter von Willert sieht es so: «Die Teufelskralle ist eine Pflanze der Kalahari;<br />

von ihr sollen in erster Linie <strong>die</strong> profitieren, denen sie gehört.» Geldspenden helfen<br />

den Kindern direkt im Schulalltag und auf ihrem Lebensweg. Ihre Chance für ein besseres<br />

Leben heisst Bildung!<br />

Konto-Nummer:<br />

Postcheckkonto 90-110342-8<br />

«Unterstützung Kitlanyang-Schule»<br />

Sämtliche Spenden kommen vollumfänglich den Kindern der Kitlanyang-Schule zugute.<br />

Weitere Informationen direkt beim Projektleiter: willert@uni-muenster.de<br />

Mit <strong>die</strong>sem eher ungewöhnlichen Spendenaufruf möchte <strong>die</strong> «phytotherapie» einen<br />

Beitrag zur Unterstützung der Bevölkerung im Teufelskrallen-Gebiet leisten.<br />

Die Redaktion<br />

nung, Alter und Vitalität der natürlichen<br />

Populationen. Die Exportzahlen<br />

sind freilich alarmierend: Das Haupt<strong>aus</strong>fuhrland<br />

Namibia hat in den Neunzigerjahren<br />

jedes Jahr um 500 Tonnen<br />

getrocknete Teufelskrallen-Wurzeln <strong>aus</strong>geführt,<br />

im Jahr 2002 stieg der Export<br />

auf geschätzte 1038 Tonnen, was 30 bis<br />

50 Millionen Pflanzen entsprechen<br />

dürfte (D.J. von Willert, persönliche<br />

Mitteilung). Auch bei sorgfältiger<br />

Ernte und Rückpflanzung der Mutterknolle<br />

beziffert <strong>die</strong> Arbeitsgruppe von<br />

Prof. von Willert in Münster, führend in<br />

der Entwicklung des <strong>Harpagophytum</strong>-<br />

Anb<strong>aus</strong>, <strong>die</strong> Zahl der pro Jahr unwiederbringlich<br />

zerstörten Pflanzen auf<br />

mindestens drei Millionen Stück. Es ist<br />

zu befürchten, dass <strong>die</strong> Schätzung eher<br />

tief ist. Export- und Importzahlen sind<br />

zu<strong>dem</strong> mit äusserster Vorsicht zu interpretieren,<br />

denn sie werden von den Firmen<br />

selbst oder gar nicht deklariert.<br />

Der Handel mit Teufelskrallen-Wurzeln<br />

ist intransparent, und alle Zahlen<br />

beruhen auf Schätzungen. Aus der<br />

Schweiz zum Beispiel standen 2003<br />

keine Angaben zur Verfügung (5).<br />

Schon lange waren sich Umweltexperten,<br />

insbesondere <strong>aus</strong> Deutschland, der<br />

Gefährdung <strong>die</strong>ser Art bewusst und versuchten<br />

im Jahr 2000, <strong>Harpagophytum</strong><br />

procumbens in den Anhang II des<br />

Washingtoner Artenschutzabkommens<br />

(CITES, Convention on the International<br />

Trade of Endangered Species) aufzunehmen.<br />

Die Erzeugerländer konnten<br />

<strong>die</strong>s mit wirtschaftlichen Argumenten<br />

verhindern.<br />

Die Teufelskralle im<br />

erfolgreichen Anbau<br />

Anbauideen wurden früh wach, indessen<br />

musste zuerst das Grundlagenwissen<br />

über den Lebenszyklus und <strong>die</strong><br />

Physiologie der Pflanze, aber auch über<br />

<strong>die</strong> geeigneten Bodenverhältnisse erarbeitet<br />

werden. Die Anzucht der Teufelskralle<br />

<strong>aus</strong> Samen erwies sich anfänglich<br />

als <strong>aus</strong>gesprochen schwierig.<br />

Erfolge <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Anbau liegen nun seit<br />

einigen Jahren vor und erlauben seit<br />

2003 erste kommerzielle Ernten. Wenngleich<br />

<strong>die</strong> weitere Entwicklung und<br />

der Ausbau der Teufelskrallenkulturen<br />

noch einige Jahre in Anspruch nehmen<br />

werden, sind <strong>die</strong> Resultate verheissungsvoll.<br />

Mit geschickt in Streifen angelegten<br />

und vegetationsfrei gehaltenen Feldern<br />

(Bildtafel: Abbildungen 1 und 3) werden<br />

nicht nur <strong>die</strong> Bodenerosion durch Wind<br />

verhindert und eine stete Kontrolle der<br />

Pflanzen ermöglicht, sondern im Ver-<br />

phytotherapie Nr. 3 • 2004 23


gleich zum Wildstandort bis zehnmal<br />

höhere Erträge erzielt. Im dritten Jahr<br />

können in Kultur an einer einzigen<br />

Pflanze über 30 sekundäre Speicherwurzeln<br />

geerntet werden, während es am<br />

Wildstandort oft nur acht sind, und deren<br />

Trockenmasse liegt im Schnitt bei<br />

über 400 g pro Pflanze, bei Wildsammlungen<br />

nur bei rund 50 g (2, 3). Auch<br />

werden in Kultur wesentlich mehr Samen<br />

gebildet, eine Grundvor<strong>aus</strong>setzung<br />

für den kommerziellen Anbau.<br />

Die Arbeitsgruppe von Professor von<br />

Willert konnte zeigen, dass das Inhaltsstoff-Spektrum<br />

von <strong>Harpagophytum</strong><br />

procumbens in Kultur mit <strong>dem</strong>jenigen<br />

der wild wachsenden Pflanzen identisch<br />

ist und einer geringeren Variabilität unterliegt.<br />

Der bisher in den Arzneibüchern<br />

vorgegebene Zielwert für<br />

<strong>die</strong> Leitsubstanz Harpagosid kann in<br />

Kultur erreicht werden. Die Harpagosid-Gehalte<br />

lagen zwischen 1 und 3 Prozent.<br />

Sie variierten von Pflanze zu<br />

Arzneipflanze<br />

Pflanze um den Faktor 2, und zwischen<br />

den verschiedenen Speicherwurzeln<br />

innerhalb einer Pflanze um den Faktor<br />

3. Eine jahreszeitliche Abhängigkeit<br />

des Harpagosid-Gehaltes war nur<br />

schwach <strong>aus</strong>gebildet (4).<br />

Die Inkulturnahme von <strong>Harpagophytum</strong><br />

procumbens, und in Zukunft<br />

auch von H. zeyheri, birgt damit <strong>die</strong><br />

Chance, über das Verständnis der Biologie<br />

einer Wüstenpflanze den Weg zu<br />

qualitativ hochwertigen Phytotherapeutika<br />

aufzeigen zu können und<br />

gleichzeitig <strong>die</strong> natürlichen Wildvorkommen<br />

zu schonen.<br />

Dank<br />

Für <strong>die</strong> übermittelte Literatur und<br />

<strong>die</strong> freundlicherweise honorarfrei zur<br />

Verfügung gestellten Abbildungen bedanke<br />

ich mich bei Prof. Dr. Dieter J.<br />

von Willert, Institut für Ökologie der<br />

Pflanzen, Universität Münster. ■<br />

Verbände<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Dr. phil. nat. Richard Bolli<br />

6365 Kehrsiten<br />

E-Mail: bolli.suter@bluewin.ch<br />

Literatur:<br />

1. Ihlenfeldt H.-D., Hartmann H.: Die Gattung<br />

<strong>Harpagophytum</strong> (Burch.) DC. ex Meissn. (Monografie<br />

der afrikanischen Pedaliaceae II), Mitt.<br />

Staatsinst. Allg. Bot. Hamburg, 13: 15–69 (1970).<br />

2. Von Willert D.J., Sanders J.: Devil’s Claw:<br />

Conservation through cultivation. In: Breckle S.-W.,<br />

Schweizer B., Fangmeier A. (Eds.): Results of<br />

Worldwide Ecological Stu<strong>die</strong>s. Proceedings of the<br />

2nd Symposium of the A.F.W. Schimper- Foundation,<br />

27–44 (2004).<br />

3. Von Willert D.J., Sanders J.: Artenschutz<br />

durch Anbau. Forschungsjournal Universität Münster,<br />

11(2): 6–14 (2003).<br />

4. www.harpago.co.za/harpagoside.htm<br />

5. Kathe W., Barsch F., Honnef S.: Trade in Devil’s<br />

Claw (<strong>Harpagophytum</strong> procumbens) in Germany<br />

– Status, Trends and Certification. Prepared<br />

for the Food and Agriculture Organisation of the<br />

United Nations (2003).<br />

Stellungnahme der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP)<br />

Zehn Jahre Lehrstuhl für Naturheilkunde<br />

Vor zehn Jahren, am 1. Mai 1994, begann<br />

<strong>die</strong> Amtszeit von Professor Dr.<br />

Reinhard Saller als Professor des neu<br />

eingerichteten Lehrstuhls für Naturheilkunde<br />

an der Universität Zürich.<br />

1990 war der Lehrstuhl vom Parlament<br />

bewilligt worden, gegen den Willen der<br />

Mediziner am Universitätsspital und<br />

auf politischen Druck. Reinhard Saller<br />

muss bis heute um Anerkennung<br />

kämpfen, <strong>die</strong> zur Verfügung stehenden<br />

Mittel sind sehr beschränkt. Reinhard<br />

Saller ist seit Jahren Vorstandsmitglied<br />

der SMGP, und immer wieder engagiert<br />

er sich auch in der Ausbildung. Der<br />

Phytotherapie widmet er sich ganz be-<br />

sonders. Sein breites, enzyklopädisches<br />

Wissen erstaunt immer wieder. Die<br />

SMGP wünscht Reinhard Saller und seinem<br />

Team viele weitere Jahre erfolgreichen<br />

Wirkens. ■<br />

Prof. Beat Meier, Präsident SMGP<br />

24 phytotherapie Nr. 3 • 2004

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