Schistosomiasis (Bilharziose) - biomed-austria
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wissenschaft & praxis<br />
21<br />
<strong>Schistosomiasis</strong> (<strong>Bilharziose</strong>)<br />
Aufgrund der sozio-ökologischen Bedeutung steht die <strong>Bilharziose</strong><br />
laut WHO an zweiter Stelle der Infektionskrankheiten<br />
hinter Malaria. Die Schätzungen belaufen sich weltweit<br />
auf 200 Millionen infizierte Menschen in 76 Ländern und<br />
auf etwa 600 Millionen ansteckungsgefährdete Personen.<br />
Ei der Gattung Schistosoma mansoni<br />
wissenschaft<br />
& praxis<br />
Historie<br />
<strong>Bilharziose</strong> ist eine schon im alten Ägypten<br />
bekannte Parasitose, die zwischen den<br />
35. Breitengraden beidseits des Äquators vorkommt.<br />
Die heute gebräuchliche Bezeichnung <strong>Schistosomiasis</strong><br />
löst den ursprünglich verwendeten Namen „<strong>Bilharziose</strong>“,<br />
nach ihrem Entdecker Theodor Bilharz, ab. (1851:<br />
Theodor Bilharz / Erstbeschreibung der Gattung S. haematibium,<br />
Vorkommen vorwiegend in Afrika, dem östlichen<br />
Mittelmeerraum, der arabischen Halbinsel, den Inseln des Indischen<br />
Ozeans, West-Asien und fokalen Herden in Indien;<br />
1902: Patrick Manson / Erstbeschreibung der Gattung<br />
S. mansoni, Vorkommen in großen Teilen Schwarzafrikas,<br />
der arabischen Halbinsel und Ländern wie Brasilien, Venezuela,<br />
Surinam und auf verschiedenen Inseln der Karibik;<br />
1904: Katsurada / Erstbeschreibung der Gattung S. japonicum,<br />
Vorkommen in der Volksrepublik China, Indonesien<br />
und den Philippinen; 1934: Fisher / Erstbeschreibung S. intercalatum,<br />
Vorkommen regional in West- und Zentralafrika).<br />
Von den anderen mittlerweile weltweit bekannten vielfältigen<br />
Arten der Gattung Schistosoma sind die meisten für<br />
den Menschen nicht oder nur fakultativ pathogen. Als Zwischenwirt<br />
fungieren obligat aquatische Schnecken. Durch<br />
im Rahmen von Entwicklungsprojekten angelegte Bewässerungssysteme,<br />
Kanäle und Staudämme ist mit einer weiteren<br />
Verbreitung der Parasiten und damit steigenden Zahlen<br />
infizierter Personen zu rechnen. Durch die oft stumm verlaufende<br />
Krankheit bzw. Spätsymptomatik sind die genauen<br />
Zahlen der derzeit tatsächlichen Durchseuchung der Bevölkerung<br />
verfälscht.<br />
Gefäß mit Schistosomenpaar<br />
Biologie<br />
Schistosomen sind die einzigen getrenntgeschlechtlichen<br />
Trematoden (Saugwürmer, Größe: 10 bis 30 mm Länge und<br />
0,25 bis 1 mm Breite). Das relativ dicke Männchen hält mit<br />
seinen bauchwärts eingerollten Körperrändern das fadenförmige<br />
Weibchen permanent umklammert (Pärchenegel),<br />
mittels Saugnäpfen verankern und bewegen sie sich in den Gefäßlumen<br />
des Endwirtes Mensch, wo sie viele Jahre leben,<br />
sich durch von Blut ernähren und je nach Gattung täglich zwischen<br />
20 und 3500 Eier legen. S. haematobium lebt im Venenplexus<br />
der Harnblase, während S. mansoni und S. japonicum<br />
die Venen des Plexus mesentericus besiedeln. Morphologisch<br />
unterscheiden sie sich durch eine unterschiedlich<br />
strukturierte Außenhaut und eine artspezifische Morphologie<br />
der Eier (S. haematobium: polständiger Stachel, S. mansoni:<br />
seitlich stark ausgeprägter Stachel, S. japonicum: eine<br />
kleine, seitliche Protuberanz). Die Schistosomenwürmer an<br />
sich sind dem Wirt relativ ungefährlich, lediglich durch ihr Absterben<br />
kann es zu embolischer Verschleppung und Abszessbildung<br />
kommen.<br />
Der eigentlich krank machende Faktor sind die im Gewebe<br />
abgelegten Eier. Tausende verbleibende Eier blockieren die Gefäße<br />
und treten unmittelbar in das Wirtsgewebe über, wo sie<br />
entzündliche, granulomatöse Reaktionen hervorrufen, so genannte<br />
„Pseudotuberkel“. Diese Granulome sind das eigentliche<br />
krankmachende Agens. Nur etwa 50 % der Eier erreichen,<br />
indem sie sich durch enzymatische Aktivität durch das<br />
Gewebe bewegen, die Außenwelt über den Stuhl oder den<br />
Urin, wo sie, gelangen sie ins Wasser, einen neuen Zyklus<br />
starten können. Im Wasser entschlüpft dem Ei ein Mirazidium,<br />
das innerhalb von 8-12 Stunden eine geeignete Süßwasserschnecke<br />
als Zwischenwirt penetriert. Über die Stadien<br />
der primären und sekundären Sporocysten kommt es im Laufe<br />
mehrerer Wochen zur Bildung großer Mengen von Zerkarien<br />
und je nach Gattung werden pro Tag zwischen 500 und<br />
3000 Zerkarien ins Wasser entlassen. Zerkarien sind etwa 1<br />
mm lang und bewegen sich mittels eines gegabelten Schwanzes,<br />
den sie beim Durchdringen der menschlichen Haut oder<br />
Schleimhaut abwerfen. Auf dem Lymph- und Blutweg wandern<br />
die jungen Parasiten zur Leber, wo sie innerhalb der<br />
Pfortadernäste zur Geschlechtsreife heranwachsen. Zu Paaren<br />
vereint suchen die Würmer speziesspezifisch das von ihnen<br />
bevorzugte Venengebiet auf und beginnen mit der Eiablage.<br />
Krankheitsverlauf und Therapie<br />
Invasionsstadium: Innerhalb von 24 Stunden post infectionem<br />
bilden sich juckende kleine Erytheme oder Pappeln =
22 wissenschaft & praxis<br />
Schnecke der Gattung Biomphalaria glabrata mit schlüpfender<br />
Zerkarie<br />
Zerkariendermatitis. Dieser Vorgang kann aber auch völlig<br />
unauffällig verlaufen. Die in Europa und Nordamerika vertretenen<br />
Gattungen parasitieren in Entenvögeln und wenn<br />
die Zerkarien dieser Spezies die menschliche Haut penetrieren,<br />
sterben sie dort ab und lösen einen unangenehmen<br />
Juckreiz aus = Badedermatitis bzw. Zerkariendermatitis.<br />
Toxemische und hypersensitive Phase: 15-20 Tage nach<br />
Infektion tritt spontan Fieber auf, begleitet von einer Hepatosplenomegalie<br />
und Lymphadenitis.<br />
Akute Erkrankung: 50 Tage post infectionem kommt es<br />
zum Einwandern der Eier in die Schleimhäute. Die Würmer<br />
haben zu diesem Zeitpunkt wirtspezifische Antigene in ihre<br />
Membran eingebaut (Coating) und werden daher vom Immunsystem<br />
des Wirtes nicht mehr erkannt. Die Eier hingegen<br />
bewirken die Verödung von Gefäßabschnitten. Durch die<br />
Anhäufung von Pseudotuberkel entstehen große, floride Granulome,<br />
oft mit zentraler Nekrose und deutlichen Aggregaten<br />
von eosinophilen Leukozyten, mononukleären Phagozyten,<br />
Plasmazellen, neutrophilen Leukozyten, Lymphozyten<br />
und Fibroblasten. Fieber ist ein typisches Begleitsymptom.<br />
Manifeste Erkrankung: Beim Übergang in die chronische<br />
Form werden die Entzündungszelltypen immer mehr durch Fibroblasten<br />
ersetzt. Die topografische Lokalisation korreliert<br />
mit der Schistosomen Art. So erscheinen die Entzündungen<br />
und Fibrosen bei S. haematobium vor allem im Bereich der<br />
Blase, aber auch der Sexualorgane, wodurch es zu Fibrosen<br />
der Samenblasen wie der Tuben und Ovarien kommen kann.<br />
Bei S. mansoni und S. japonicum sind Regionen des Colons<br />
betroffen, entsprechend des Standortes der eierproduzierenden,<br />
adulten Parasiten. Dysenterische Phasen wechseln mit Remissionen,<br />
es kann zu einem Prolaps der Rektalschleimhaut,<br />
sowie zu einer chronischen Appendizitis kommen. Werden Eier<br />
in das portale System der Leber verschleppt, kann es bei allen<br />
Arten zu einer Fibrose der Portalfelder kommen. Diese sogenannte<br />
„Pfeifenstielfibrose“ führt allerdings nicht zu einer<br />
Zirrhose, da die Fibrose nicht mit einer Nekrose des Leberparenchyms<br />
gekoppelt ist. Bei Verschleppung der Eier in die<br />
Pulmonalarteriolen wird der kleine Kreislauf behindert und<br />
es kommt in der Folge zum Cor pulmonale. Die oft bei<br />
S. haematobium Infektion auftretende haemorrhagische<br />
Harnblasenentzündung kann unter Umständen in ein Plattenepithelkarzinom<br />
übergehen, wobei der physiopathologische<br />
Zusammenhang mit der <strong>Bilharziose</strong> noch unklar ist.<br />
Eine embolische Verschleppung sowohl eierlegender adulter<br />
Parasiten als auch die Verschleppung der Eier durch die<br />
Blutbahn kann zu ektopischen Manifestationen in praktisch<br />
allen Organen führen.<br />
Immunologie: Im Laufe der Jahre wird eine – nur teilweise<br />
wirksame – Immunität erworben, die vorwiegend gegen<br />
Zerkarien wirksam ist, und somit einen relativ guten Schutz<br />
gegen eine Re-Infektion bietet. Die adulten Parasiten sind<br />
durch das Coating geschützt.<br />
Die Diagnose erfolgt normalerweise durch den Nachweis<br />
der Eier aus Stuhl oder Urin, wobei die Unterschiede in der Eimorphologie<br />
auch eine Artdiagnose ermöglichen. Optional<br />
sind Probeexzisionen aus Blase oder Rektum mit anschließender<br />
histologischer Untersuchung. Immunologische<br />
Nachweismethoden, wie z. B. der Nachweis von an adulte Parasiten<br />
gekoppelten Antigenen durch einen Immunassay<br />
(RIA), sind im Handel.<br />
Therapie: Das Mittel der Wahl ist Praziquantel (Biltrizide<br />
® von Bayer AG oder Cysticide ® von E. Merck). Das Mittel<br />
ist gegen alle adulten Schistosoma-Arten wirksam und<br />
darüber hinaus auch gegen andere Trematoden wie Clonorchis,<br />
Paragonimus u. a. einsetzbar.<br />
Bekämpfung: Alle Bekämpfungsmethoden zielen darauf<br />
ab, den Entwicklungszyklus der Schistosomen an einer oder<br />
mehreren Stellen zu durchbrechen, wobei in erster Linie der<br />
Kampf gegen den Zwischenwirt Schnecke steht, der bis heute<br />
nicht gelungen ist. Einen dauerhaften Erfolg kann nur eine<br />
konzertiert ablaufende Bekämpfung des Zwischenwirtes<br />
und der adulten Parasiten bringen.<br />
Prävention: Ein niedriges Infektionsrisiko besteht bei<br />
Wassertemperaturen unter 18°C, sowie in beschatteten stehenden<br />
oder schnell fließenden Gewässern. Kein Infektionsrisiko<br />
besteht bei Salzwasser, mindestens 2 Tage abgestandenem,<br />
gekochtem oder chloriertem Wasser.<br />
■<br />
Prof. Helene Breitschopf<br />
Biomedizinische Analytikerin<br />
helene.breitschopf@meduniwien.ac.at<br />
Dr. Peter Traxler<br />
Arzt für Allgemeinmedizin<br />
Betriebsarzt im Hanuschkrankenhaus<br />
www.tropenmedizin.at