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Was haben Maniok und Platterbsen gemeinsam? - biomed-austria

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8 wissenschaft & praxis<strong>Was</strong> <strong>haben</strong> <strong>Maniok</strong> <strong>und</strong><strong>Platterbsen</strong> <strong>gemeinsam</strong>?Cassavismus <strong>und</strong> Lathyrismus, ernährungsbedingteSyndrome <strong>und</strong> ihr Zusammenhang mit Malaria. Einephysiologische <strong>und</strong> ethnomedizinische Betrachtung.wissenschaft& praxisCassava – Linamarin – CassavismusCassava, <strong>Maniok</strong>, Yamswurzel, Brotwurzeloder Süßkartoffel genannt, ist ein mehrjährigesWolfsmilchgewächs des tropischen Regenwaldes,ein 2-5 m hoher Strauch, der ursprünglich in Südamerikabeheimatet war. Er wird heute weltweit in den Tropenals sehr wichtige Nahrungsquelle angebaut. Das Auspressendes blausäurehaltigen Giftsaftes (wie ja schon die Familienherkunftvermuten lässt) aus zerstampften Wurzelknollen ingeflochtenen Schläuchen war eine indianische Kulturtechnik.Vor 500 Jahren brachten die Portugiesen die Pflanzenach Afrika, <strong>und</strong> 100 Jahre später kam sie mit den Spaniernnach Südostasien. Heute bedeckt ihre Anbaufläche fünf MillionenHektar Land <strong>und</strong> ernährt 500 Millionen Menschen.Das aus dem im frischen Zustand giftigen Knollen gewonneneMehl wird nach dem Auspressen in Form von Brei verzehrtoder zu Fladen gegossen. Es dient aber auch zur Herstellungeines berauschenden Getränks (Kaschiri). Das gekörnte Stärkemehlder Knollen wird im Handel Tapioka oder Kassavastärkegenannt. Die Knollen der <strong>Maniok</strong> sind eiweißarm <strong>und</strong>enthalten das Glykosid Linamarin. Es setzt Blausäure (Cyanid)frei, das wiederum zu Thiocyanat abgebaut wird. GeringeMengen kann der Mensch tolerieren <strong>und</strong> ohne größere Schädenüber den Urin ausscheiden. Zu hohe Aufnahme vor allemin Zusammenhang mit Eiweißmangel führt zu Cassavismusmit schweren neurodegenerativen Schäden bis zur vollständigenLähmung der Beine. Durch die Bildung erheblicherThiocyanatmengen sind außerdem Schilddrüsenstörungen<strong>und</strong> in seltenen Fällen sogar Kretinismus die Folge. Cassavawird daher behandelt, um Linamarin zu entfernen. Oft istdie Behandlung unzureichend. Wie man von einigen Bantugesellschaftenweiß, kochen sie die Knollen nicht ausreichend.Gibt es hier ein unbewusstes, überliefertes Wissen, das einenanderen Nebeneffekt hat?noch heute, vor allem in besonders kargenGegenden. Für die dort lebenden Bauern istdiese anspruchslose <strong>und</strong> robuste Pflanze trotzihrer ges<strong>und</strong>heitsschädlichen Beimengung einwertvolles Lebensmittel, denn ihre Samenenthalten 25% Eiweiß <strong>und</strong> knapp 60% Kohlehydrate.Die indische Regierung hat sogar,jedoch meist erfolglos, ein Anbauverbot von<strong>Platterbsen</strong> in mehreren Gegenden verhängt.Dass genetische Defekte, die auch Krankheitserscheinungenmachen, einen Selektionsvorteil<strong>haben</strong> können, ist durch die Sichelzellanämieim Zusammenhang mit Malariaausreichend belegt. Der häufigste angeborene Enzymdefektist ein Mangel an Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase(G6PD). Sein Vorkommen deckt sich mit dem historischenVerbreitungsgebiet der Malaria <strong>und</strong> betrifft etwa 400 MillionenMenschen. Die an sich harmlose Erbkrankheit verhinderteine schnelle Entgiftung von Sauerstoffradikalen, wasfür die Plasmodien mit ihrem hohen Sauerstoffbedarf bedrohlichist. Seine volle Wirksamkeit erreicht der G6PD-Mangel aber nur in Verbindung mit einem geeigneten Radikalbildner.Linamarin hemmt zahlreiche Enzyme, insbesondere jeneder Atmungskette, so dass Cyanidionen in der Lage sind, sogareinen der beiden Wege zur Energiegewinnung des Parasitenzu bremsen. Da Cyanid bereitwillig mit SH-Gruppen reagiert,könnte die ebenso verminderte Entgiftungskapazitätvon Sauerstoffradikalen den antiparasitären Effekt des G6PD-Mangels unterstützen.Ethno-präventivmedizinisches Phänomen?Der geografische Vergleich der Anbaugebiete von Cassavamit dem Auftreten der Malaria lässt durchaus ein Zusammenhangvermuten. Auch ein anderer Mechanismus wirddiskutiert: Blausäure bildet mit dem Hämoglobin stets Methämoglobin,dieses kann keinen Sauerstoff mehr transportieren,es kommt zu einem Sauerstoffmangel in den Erythrozyten.Wie bei Sichelzellanämie werden befallene Erythrozytenzu Sichelzellen, dies verstärkt den antiparasitären Effekt.Das zur schnellen Entgiftung der Blausäure bzw. anderer Me-LathyrismusAuch Lathyrus sativus, die zu den Leguminosen gehörendeKicher- oder Saatplatterbse enthält schädliche Aminosäuren,z.B. die α-Amino-oxalylaminopropionsäure. Als Lathyrismusbezeichnet man eine Krankheit, die durch toxischeAminosäure hervorgerufen werden kann. Dabei kommt es zuLähmungen von Beinen, Blase <strong>und</strong> Darm sowie zu Hirnschäden.In Europa ist Lathyrismus mittlerweile verschw<strong>und</strong>en.Zuletzt registrierte man diese Erkrankung im 2.Weltkriegin Spanien während extremer Notzeiten. Dies dürftevon Francesco Goya in seinem Gemälde „Sanos y enfermos“(Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kranke), das eine Mutter mit ihrem steifbeinigenKind darstellt, gezeigt sein. Damals hat man wegen derkriegsbedingten Weizenknappheit das Mehl mit Kichererbsenmehlgestreckt. In Indien beobachtet man LathyrismusCassava, <strong>Maniok</strong>, Yamswurzel, Brotwurzel oder Süßkartoffel


wissenschaft & praxis9thämoglobinbildner notwendige, hochwertige Protein ist beiErnährung mit eiweißarmem <strong>Maniok</strong>mehl nicht vorhanden.Von Reiseberichten weiß man, dass in trockenen RegionenAfrikas – also dort, wo Gewässer als Brutstätten für Malariafehlen – <strong>Maniok</strong> bei der Zubereitung gründlich ausgewaschenwird, um das Linamarin weitgehend zu entfernen. Infeuchten <strong>und</strong> sumpfigen Regionen hingegen, wo genug <strong>Was</strong>servorhanden wäre, aber die Infektionsgefahr besondersgroß ist, wird die Entgiftung der Cassava eher vernachlässigt.Lässt sich hieraus vielleicht ein möglicher Zusammenhangvon Cassava-Verfahrenstechnik, Sichelzellanämie <strong>und</strong> Malariaherstellen – ein ethno-präventivmedizinisches Phänomen?Die Wirkungsweise der toxischen Aminosäuren bei Lathyrismusdürfte ähnlich wie bei Cyanid oxidativen Stresserzeugen <strong>und</strong> damit die Plasmodien an ihrer Vermehrunghindern.nMarianne FliesserBiomedizinische AnalytikerinMedizinische Universität, Zentrum für Anatomie<strong>und</strong> ZellbiologieSchwarzspanierstraße 17, 1090 WienE-Mail: marianne.fliesser@meduniwien.ac.atMargit AnglmayerBiomedizinische AnalytikerinUniv.- Klinik für Zahn-, M<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Kieferheilk<strong>und</strong>e Ges.m.b.H„Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik“Währingerstraße 25a, 1090 WienE-Mail: margit.anglmayer@meduniwien.ac.atProstatitisParameter- <strong>und</strong> Symptombezogene Therapieoptionender chronischen Prostatitis NIH II, III <strong>und</strong> IV.wissenschaft& praxisDie Therapie der chronischen Prostatitis/desCPPS (chronic pelvic pain syndrom) verläuftoftmals langwierig <strong>und</strong> zeigt mitunter unbefriedigendeErgebnisse. Zum Teil ist das aufdie nicht gänzlich aufgeklärten Entstehungsmechanismen,zum Teil auf wenig detaillierte Diagnostikverfahren,aber auch auf fehlende Therapieschematazurückzuführen.Der Abteilung für Urologie am Krankenhaus Hietzingunter der Leitung von Prim. Univ. Prof. Dr. Heinz Pflügersteht seit kurzem ein neuer, erweiterter Labordiagnostikgangdes chronischen Prostatitissyndroms zur Verfügung.Durch das Heranziehen der darin erhobenen Parameter<strong>und</strong> die Verknüpfung dieser mit einem vereinfachten Symptomscoreerscheint eine zielgenauere Therapie unter Berücksichtigungder Situation des Patienten möglich.In der urologischen Sprechst<strong>und</strong>e erhobene Symptomeoder Auffälligkeiten im Spermiogramm (auch des Kinderwunschpatienten)sollten Anlass für eine eingehende Anamnesesein:Wird ein Patient vorstellig mit Schmerzen im Dammbereich,Brennen beim Urinieren oder bei der Ejakulation odermit Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung, bzw. zeigt sichim Spermiogramm eine erhöhte Anzahl an Leukozyten oderMakrophagen, ein positiver MAR-Test, Agglutinationen oderein positives Kulturergebnis, werden nach entsprechenderKontrolle des Spermiogramms bzw. der Kultur folgende Punktespeziell hinterfragt:n Miktionsverhaltenn Defäkationn Ejakulationn Schmerz <strong>und</strong>n Tonus der (glatten bzw. quergestreiften) Muskulatur vonBeckenboden, Oberschenkeln etc.Fragt man Patienten nach jedem einzelnen Punkt <strong>und</strong>geht man auf Nebenfragen, die sich daraus ergeben, ein, kannman den spezifischen Symptomkomplexdes Betroffenen früh erkennen.Miktion: Gefragt werden solltenach: Frequenz, Urge-Symptomatik,Nykturie, obwohl beim Mann die interstitielleZystitis sehr selten vorkommt,sollte differentialdiagnostischauch daran gedacht werden; Brennen,Schmerzen beim Urinieren; obstruktiveMiktionsbeschwerden; STD-Anamnese.Defäkation: Hier interessieren: Defäkationsverhalten;Darmtenesmen, Schmerzen; chron.Obstipation, Wechselzwischen Obstipation <strong>und</strong> Diarrhoe.Ejakulation: Wichtig sind Fragen nach: Ejakulationsfrequenz<strong>und</strong> -menge, Ejakulationsempfindung, Schmerzen beider Ejakulation, postejakulatorisches Brennen etc.Schmerz: Fragen nach: Lokalisation, Zeitpunkt, Verlauf(z.B.: nimmt der Schmerz nach der Ejakulation an Intensitätab?) der Schmerzempfindungen sollten gestellt werden.Auf das ausführliche Gespräch – mit gleichzeitiger Erhebungdes internationalen Prostatitis-Scores – folgen:n die digitale Untersuchung der Prostata,n Beurteilung des Beckenbodens, des Tonus derOberschenkelmuskulatur sowie des Tonus der unterenBauchwand <strong>und</strong>n eine Blutabnahme (PSA, ev.CRP, komplettes Blutbild).Komperative Urodynamik mitIC–LabordiagnostikBei Verdacht auf IC sollte eine komparative Urodynamikmit IC-Labordiagnostik (IC-interstitielle Zystitis) durchgeführtwerden:Bei einem positiven Kaliumchlorid-Provokationstest nachHohlbrugger <strong>und</strong>/oder Vorhandensein von Mastzellen imUrin <strong>und</strong> positivem IL6-Test aus dem Urin ist ein Instillations-Zyklus der Harnblase mit Hyaluronsäure, Pentosanpolysulfatoder Heparin zu empfehlen. Eine erhöhte Kaliumsensibilitätder Blase ist bei 80% der IC-Patienten zu finden.Bei einem Teil der Patienten, die an chronischer Prostatitis/CPPSleiden, jedoch keine interstitielle Cystitis <strong>haben</strong>,kann der KCL-Test trotzdem positiv sein. Ein positiver Testist aber kein Beweis für eine interstitielle Cystitis, sondernlediglich der Beweis dafür, dass eine Permeabilitätsstörung derBlasenschleimhaut vorliegt.

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