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Purtscher-Penz, Kinder psychisch kranker Eltern (435 kB) - LSF Graz

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<strong>Kinder</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong><br />

Mutterglück und Kindeswohl<br />

Seminarzentrum in der <strong>LSF</strong> <strong>Graz</strong>, 8. April 2011<br />

Prim.Dr.K.<strong>Purtscher</strong>-<strong>Penz</strong>


Gliederung<br />

• Epidemiologie<br />

• Folgen<br />

• Hilfsangebote – Beispiele<br />

• <strong>Kinder</strong> als Angehörige (2005)<br />

• Modellprojekt Rheinland-Pfalz (2006-08)<br />

• KIPKE Niederösterreich (2010)<br />

• Kids Strengths ( 2011)


Ausgangslage/Zielgruppe<br />

• Ca. 20% der aus der Klinik entlassenen PatientInnen<br />

hat minderjährige <strong>Kinder</strong> bzw. lebt mit<br />

minderjährigen <strong>Kinder</strong>n in einem Haushalt.<br />

• Davon sind ca. 20% der <strong>Kinder</strong><br />

>3 Jahre.<br />

• Viele PatientInnen haben wiederholte Aufenthalte in<br />

psychiatrischen Kliniken/Krankenhäusern<br />

• Dunkelziffer !!!<br />

• Viele <strong>psychisch</strong> kranke <strong>Eltern</strong> sind noch gar nicht in<br />

Behandlung (fallen jedoch oft den MitarbeiterInnen<br />

der Jugendwohlfahrt unspezifisch auf.<br />

(Schmutz, Seckinger 2005))


Epidemiologie (Vergleichszahlen D)<br />

• 3% der <strong>Kinder</strong> haben einen <strong>psychisch</strong><br />

erkrankten <strong>Eltern</strong>teil<br />

• 25-30% der Kinde, die in kinder- und<br />

jugendpsychiatrischer Behandlung sind (Lenz, 2005)<br />

• Zwischen 1/4 und 1/3 der <strong>Kinder</strong> akut<br />

<strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong> leben getrennt von<br />

ihren <strong>Eltern</strong>


Alltagssituation und<br />

Entwicklung<br />

• Der Aufbau einer strukturierten<br />

Bindungsorganisation braucht eine konstante<br />

emotionale Erreichbarkeit der Betreuungsperson<br />

• Großteil <strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong> ist<br />

dauerhaft/vorübergehend emotional nicht<br />

erreichbar


Folgen für die <strong>Kinder</strong><br />

• Je früher die Schädigung in chronischer Form<br />

auftritt, umso erheblicher sind die Folgen für das<br />

Kind selbst <strong>psychisch</strong> beeinträchtigt zu werden<br />

• <strong>Kinder</strong>, die in Familien aufwachsen, in denen ein<br />

<strong>Eltern</strong>teil <strong>psychisch</strong> krank ist, haben ein<br />

erhöhtes Risiko selbst eine <strong>psychisch</strong>e Störung<br />

zu entwickeln (zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko gegenüber<br />

einer gesunden Vergleichsgruppe)<br />

• In allen Altersstufen sind <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche besonderen Belastungen aufgrund<br />

des Verhaltens ihrer <strong>psychisch</strong> kranken <strong>Eltern</strong><br />

ausgesetzt


Folgen<br />

• Bindungsstörungen<br />

• Beeinträchtigung der emotionalen,<br />

sozialen, kognitiven Entwicklung bei<br />

chron. Geschehen<br />

• Vernachlässigung, Misshandlung in<br />

Krisen von <strong>Eltern</strong><br />

• Sekundäre Traumatisierung bei<br />

Selbstgefährdung (Suizid eines<br />

<strong>Eltern</strong>teils)


Unterstimulation<br />

• Mangelnde Responsivität<br />

• Kindliche Signale werden gar nicht oder nur<br />

verzögert aufgenommen<br />

• Kind agiert mit negativen oder sogar<br />

selbstgefährdenden Verhaltensweisen<br />

• <strong>Eltern</strong> reagieren negativ kann Ausgangspunkt<br />

für Misshandlungen werden<br />

• <strong>Eltern</strong> bleiben emotional unerreichbar Kind<br />

zieht sich passiv zurück frühe<br />

Entwicklungsdefizite


Überstimulation<br />

• Interaktion wird nicht über die kindlichen<br />

Signale, sondern über das eigene Bedürfnis<br />

gesteuert<br />

• Übermaß an elterlicher Zuwendung<br />

• Kind zieht sich zurück oder protestiert<br />

• Zuwendung mit aggressivem Charakter<br />

• Kind kann sich Abwendung oder Protest nicht<br />

„leisten“ „erzwungener Gehorsam“


Problembereiche in den<br />

Familien<br />

• Gesellschaftliche Tabuisierung setzt sich in<br />

den Familien fort<br />

• Es wird nicht mit den <strong>Kinder</strong>n gesprochen<br />

• Die <strong>Kinder</strong> bleiben mit Ängsten/Mutmaßungen<br />

und Beobachtungen alleine<br />

• Die Erkrankung des <strong>Eltern</strong>teils prägt oft den<br />

familiären Alltag<br />

• Die <strong>Kinder</strong> fühlen sich verantwortlich<br />

• Sorge um jüngere Geschwister<br />

• Parentifizierung (Fallbeispiel 10-jähriges Mädchen)


Psychisch kranke<br />

<strong>Eltern</strong>


Wie werden Klinikeinweisungen<br />

aus der Sicht der <strong>Kinder</strong> erlebt<br />

Je nach Begleitumständen vonseiten der<br />

Ausprägung der Erkrankung des<br />

<strong>Eltern</strong>teils und der Art der<br />

Begleitumstände im Rahmen der<br />

Einweisung (freiwillig/unfreiwillig)<br />

• als bedrohlich<br />

• als Erleichterung<br />

• unter Umständen als Traumatisierung


Angebote für betroffene<br />

<strong>Kinder</strong> und <strong>Eltern</strong><br />

• Erfordern immer die Kooperation<br />

zwischen Erwachsenenpsychiatrie und<br />

Einrichtungen der<br />

Jugendwohlfahrt/Jugendhilfe<br />

• Als Intervention<br />

• Als Prävention<br />

• Als allgemeine Sensibilisierung für die<br />

Situation dieser <strong>Kinder</strong>


„<strong>Kinder</strong> als Angehörige –<br />

Einbeziehung der <strong>Kinder</strong> in die Behandlung<br />

<strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong>“ (A.Lenz, 2005)<br />

• Angaben über <strong>psychisch</strong> kranke <strong>Eltern</strong> mit<br />

minderjährigen <strong>Kinder</strong>n zwischen 9 und 61%!<br />

• Psychisch kranke <strong>Eltern</strong> sind keine<br />

Randgruppe!<br />

• <strong>Eltern</strong> haben große Angst, ihr Sorgerecht zu<br />

verlieren das führt zu mangelhafter<br />

Inanspruchnahme von Hilfe!<br />

• Mangelhafte Aufklärung der <strong>Kinder</strong> über die<br />

Krankheit des <strong>Eltern</strong>teils


Wünsche der betroffenen <strong>Eltern</strong><br />

zur Unterstützung ihrer <strong>Kinder</strong><br />

• Unterstützung bei der Aufklärung der <strong>Kinder</strong><br />

über die Erkrankung des <strong>Eltern</strong>teils<br />

• Unterstützung in der Erziehung und im<br />

emotionalen Umgang mit <strong>Kinder</strong>n (besonders<br />

bei jüngeren <strong>Kinder</strong>n)<br />

• Unterstützung zur Aufrechterhaltung der<br />

Beziehung (bei älteren <strong>Kinder</strong>n)<br />

• Psychotherapie für die <strong>Kinder</strong><br />

• Unterstützung in Freizeitaktivitäten<br />

• Kontaktmöglichkeiten mit Gleichaltrigen<br />

• Hilfen beim Lernen und den Hausaufgaben


Säulen der Hilfe für die <strong>Kinder</strong><br />

• Informationsvermittlung und Aufklärung: <strong>psychisch</strong>e<br />

Auffälligkeiten erkennen, Krankheit und Leid<br />

anerkennen und Unterstützung für den erkrankten<br />

<strong>Eltern</strong>teil und die <strong>Kinder</strong><br />

• Altersadäquate Unterstützung für die <strong>Kinder</strong><br />

anbieten: psychosoziale Unterstützung,<br />

Psychotherapie, Psychoedukation<br />

• Soziale Ressourcen fördern und stärken<br />

• „Patienten haben auch Angehörige – nicht zuletzt<br />

<strong>Kinder</strong> !“


Landesmodellprojekt Rheinland-Pfalz (2006-2008)<br />

Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V.<br />

Auftraggeber Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen<br />

aus der Perspektive der ...<br />

<strong>Kinder</strong><br />

<strong>Eltern</strong><br />

Fachkräfte


Hilfsangebote – Maßnahmen<br />

• Sensibilisierung und Aufklärung für<br />

Pädagogen in <strong>Kinder</strong>gärten, Schule,<br />

Tagesstätten zur Vermeidung der<br />

weiteren Tabuisierung des Themas<br />

• <strong>Kinder</strong> und Jugendliche selbst, z.B.<br />

Projekttage an Schulen


Maßnahmen für <strong>Kinder</strong><br />

• „Erholungsräume“ für <strong>Kinder</strong> schaffen (unbeschwerte<br />

Freizeit)<br />

• Entlastung der Verantwortlichen<br />

• Anerkennungen für Leistungen im Alltag, z.B.<br />

Ansprechen der Parentifizierung und Anerkennung<br />

der Leistungen und Kompetenz der <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendlichen<br />

• Ganztagesangebote in <strong>Kinder</strong>gärten, Schulen, …<br />

• Fortbildung für Fachkräfte der Jugendhilfe im<br />

Umgang mit <strong>psychisch</strong> kranken <strong>Eltern</strong>


Maßnahmen für <strong>Kinder</strong> –<br />

Beispiele<br />

• Parallele Gruppenangebote in Psychosozialen<br />

Zentren von Fachkräften der<br />

Erwachsenenpsychiatrie und der Jugendhilfe<br />

• Offene Gruppen für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche<br />

mit regelmäßigen Treffen<br />

• Themenzentrierte Arbeit<br />

• Zeit für Erfahrungsaustausch<br />

• Gruppengröße z.B. 5-6 Personen


Bei psychiatrischer Betreuung eines <strong>Eltern</strong>teils<br />

Fragen zur Unterstützung der <strong>Kinder</strong> und<br />

Sensibilisierung für die Belange der <strong>Eltern</strong>schaft<br />

Zentrale Fragen bei der stationären Aufnahme in die Klinik<br />

• Haben Sie <strong>Kinder</strong><br />

• Wie alt sind Ihre <strong>Kinder</strong><br />

• Wie sind Ihre <strong>Kinder</strong> während Ihres<br />

Klinikaufenthaltes versorgt<br />

• Kontaktperson bei Klärungsbedarf<br />

• Information über<br />

Unterstützungsmöglichkeiten/Notwendigkeiten bei<br />

gewissen Anhaltspunkten zur Prävention von<br />

Kindeswohlgefährdung


<strong>Kinder</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong><br />

KIPKE Niederösterreich<br />

• Projekt seit 1.7.2010 für <strong>Kinder</strong> und<br />

Jugendliche von 3-18 Jahren<br />

• Regionale niederschwellige Anlaufstellen<br />

(an den Standorten des PSD der PSZ Gmbh.)<br />

• Multiprofessionelles Team<br />

DSA, PsychotherapeutInnen, FachärztInnen,<br />

PsychologInnen


KIPKE Niederösterreich<br />

• Information über Erkrankungen<br />

• Entlastung von Angst und Schuldgefühlen<br />

• Erkennne der Parentifizierung<br />

• Erarbeitung eines Krisen- und Notfallplans<br />

• Etablierung einer Vertrauensperson<br />

• Förderung sozialer Aussenkontakte<br />

• Entlastung und Beratung der <strong>Eltern</strong>


KIDS STRENGTHS<br />

Ziel ist es, professionelle Ressourcen für<br />

Fachkräfte, die mit <strong>Kinder</strong>n <strong>psychisch</strong><br />

<strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong> arbeiten in spezifischen<br />

Modulen zugänglich zu machen


KIDS STRENGTHS –<br />

Kids in the context of Mental Disorders<br />

Fachliche Bildung und Empowerment für LehrerInnen,<br />

ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen<br />

• KIDS STRENGTHS fördert Resilienzprozesse bei <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen im Kontext von <strong>psychisch</strong> verletzlichen <strong>Eltern</strong><br />

• Module für <strong>Kinder</strong>/Jugendliche mit Email-Kontakt, Module für<br />

<strong>Eltern</strong> mit Informationstexten, Radiobeiträgen, Pressetexten und<br />

weiteren Links zum Thema<br />

• Module für Fachkräfte mit Möglichkeit zum Email-Kontakt für<br />

Fragen und Online-Trainings und maßgeschneiderte<br />

Trainingsmodule für spezielle Einrichtungen. Projektpartner in 9<br />

europäischen Ländern


KIDS STRENGTHS –<br />

Kids in the context of Mental Disorders<br />

• Ressourcen-Pool für Personal im<br />

Gesundheitswesen, SozialarbeiterInnen,<br />

FrühförderInnen,<br />

<strong>Kinder</strong>gartenpädagogInnen,<br />

HeilpädagogInnen, LehrerInnen,<br />

PsychologInnen<br />

• Lernplattform mit verfügbaren Online-<br />

Kursen zur Resilienzförderung


KIDS STRENGTHS –<br />

Kids in the context of Mental Disorders<br />

DIE RESILIENZLANDKARTE<br />

ist ein klinisches Einschätzungsinstrument der<br />

Belastungen von <strong>Kinder</strong>n <strong>psychisch</strong><br />

verletzlicher <strong>Eltern</strong><br />

Sie ermöglicht die Einschätzung vorhandener<br />

Ressourcen und Belastungen für das Kind<br />

Bei Erhebung im Betreuungsverlauf ermöglicht<br />

sie die Verlaufsdokumentation, aber auch<br />

eine Evaluation des Betreuungsverlaufes und<br />

kann als Grundlage für die Planung weiterer<br />

Förderungen bzw. Hilfen dienen


Faktoren für gelingendes Bewältigungs-<br />

verhalten von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

• Aktive, problemorientierte Strategien<br />

• Direkte Auseinandersetzung mit den<br />

Problemen (keine Tabuisierung in der Familie,<br />

wenig Neigung zu Verleugnung)<br />

• Fähigkeit unterschiedliche<br />

Bewältigungsstrategien flexibel einzusetzen<br />

• Ein hilfreiches soziales Netzwerk aufbauen<br />

oder nutzen können


Literatur<br />

• Guttmann, R. (2008): Jugendliche mit einem <strong>psychisch</strong> kranken<br />

<strong>Eltern</strong>teil – welche Unterstützung brauchen sie In: A.Lenz und<br />

J.Jungbauer (Hrsg.): <strong>Kinder</strong> und Partner <strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong><br />

Menschen, dgvt-Verlag, 113-136.<br />

• Kertzioglu, P. (2006): PatientInnenpartizipation in der<br />

ambulanten psychiatrischen Versorgung. In: M.Seckinger<br />

(Hrsg.): Partizipation – ein zentrales Paradigma. Analysen und<br />

Berichte aus psychosozialen und medizinischen<br />

Handlungsfeldern, dgvt-Verlag, 55-72.<br />

• Lenz, A. (2005): <strong>Kinder</strong> <strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong>. Hogrefe-<br />

Verlag<br />

• Pretis,M., Dimova, A. (2004). Frühförderung mit <strong>Kinder</strong>n<br />

<strong>psychisch</strong> <strong>kranker</strong> <strong>Eltern</strong>. München: Ernst Reinhardt Verlag.<br />

• Sollberger, D. (2000). Psychotische <strong>Eltern</strong> – verletzliche <strong>Kinder</strong>.<br />

Bonn: Edition das Narrenschiff.

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