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„Altern ist Verlust und Gewinn zugleich“<br />

Interview: elisabeth menzel; FOTOS: silicya roth<br />

Gesund alt werden – das wünscht sich jeder. Doch wie passt<br />

dieser Wunsch in eine Gesellschaft, die auf Jugendlichkeit setzt<br />

Was ist Altern und welche Bedeutung hat es für unser Leben<br />

Über diese Fragen sprachen wir mit Konrad Beyreuther. Er ist<br />

Alternsforscher und Molekularbiologe an der Uni Heidelberg.<br />

Er ist 70 Jahre alt, fährt Ski „wie<br />

ein Wilder“, putzt sich die Zähne<br />

auf einem Bein und macht in<br />

Sachen Fitness und Lebensfreude<br />

so manchem Jüngeren etwas vor:<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Konrad Beyreuther<br />

leitet das Netzwerk AlternsfoRschung<br />

(NAR) an der Universität Heidelberg.<br />

Wir sprachen mit ihm über<br />

Gelassenheit und Lebensqualität,<br />

über Demenz und Alzheimer,<br />

über Obstmüsli und Kniebeugen.<br />

1<br />

Von lateinisch senescere = „alt werden, altern“.<br />

2<br />

Lateinisch „Mehrfacherkrankung“.<br />

Welche Disziplinen erforschen<br />

am NAR das Thema „Altern“<br />

Unsere Arbeit gründet sich auf drei<br />

Säulen: Eine ist die Biomedizin, eine<br />

weitere die Geisteswissenschaft, zu der<br />

Gerontologie, Soziologie, Psychologie<br />

und Ethik gehören. Die dritte Säule<br />

ist die Sozioökonomie.<br />

Warum diese Interdisziplinarität<br />

Die Wissenschaft versucht heute, die<br />

Dinge ganzheitlich zu betrachten. Es<br />

altern ja nicht nur der Kopf oder das<br />

Herz, es altert der ganze Mensch. Als<br />

Bürger, als Familienmitglied – und als<br />

Individuum. Man nennt diesen ganzheitlichen<br />

Blickwinkel auch „Systembiologie“.<br />

Ich selbst komme aus der<br />

Biomedizin. Wenn wir das menschliche<br />

Genom betrachten, wird deutlich, dass<br />

die Dinge eng zusammenhängen, wie in<br />

einem Uhrwerk. Das einzelne Zahnrad ist<br />

nur dann sinnvoll, wenn es mit anderen<br />

Zahnrädern in Kontakt ist. So ist es auch<br />

in unserem Institut. Die Disziplinen greifen<br />

ineinander. Das ist aufregend und<br />

hat viele neue Erkenntnisse gebracht.<br />

Zum Beispiel<br />

Etwa die Entdeckung, dass der Mensch<br />

keineswegs Sklave seiner Gene ist. Sogar<br />

Erbkrankheiten lassen sich durch gute<br />

Lebensführung positiv beeinflussen.<br />

Was ist Altern überhaupt<br />

Altern oder Seneszenz 1 ist ein chronologischer,<br />

körperlicher Prozess, der<br />

zu Gebrechlichkeit, Multimorbidität 2<br />

und schließlich zum Tod führt. Das ist<br />

unvermeidlich, denn bei der Aufnahme<br />

und Verwertung von Nahrungsmitteln<br />

entstehen im Körper aggressive Sauerstoffmoleküle.<br />

Diese freien Radikale<br />

gehen Verbindungen mit den Körperzellen<br />

ein und schädigen sie, sodass sie<br />

irgendwann ineffizient werden. Über<br />

Schutzfaktoren wissen wir bislang<br />

wenig. Das macht die Alternsforschung<br />

für mich so reizvoll. Denn die Frage<br />

„Was kontrolliert das Altern“ ist<br />

immer noch nicht beantwortet.<br />

Und was hat das mit Ethik zu tun<br />

Wenn wir eine neue Studie machen,<br />

steht die Würde des Menschen immer<br />

im Mittelpunkt. Doch was tun, wenn ein<br />

Studienteilnehmer ab einem bestimmten<br />

Zeitpunkt nicht mehr einwilligungsfähig<br />

ist – zum Beispiel beim Blutabnehmen<br />

Oder Alzheimer-Patienten:<br />

Ihnen müssen wir erklären, dass sie<br />

unter Umständen das Ergebnis der Untersuchung<br />

nicht mehr mitbekommen.<br />

Die meisten nehmen allerdings gezielt<br />

an den Studien teil, weil sie etwas für<br />

ihre Mitmenschen tun wollen, weil sie<br />

uns Wissenschaftler beim Kampf gegen<br />

Krankheiten unterstützen wollen. Dennoch:<br />

Unsere Studien werden alle von<br />

einer Ethik-Kommission begleitet.<br />

Wir bewegen uns zwischen Altersverklärung<br />

und Alterspessimismus:<br />

Warum ist es so schwer, eine positive<br />

Kultur des Alterns zu pflegen<br />

Das ist eine interessante Frage, die<br />

uns beim NAR im Moment sehr beschäftigt.<br />

Wir untersuchen gerade,<br />

warum alte Menschen in Karikaturen<br />

immer lächerlich dargestellt werden.<br />

In der Presse hat sich das Bild schon<br />

ein wenig gewandelt. Hier werden<br />

durchaus auch erfolgreiche alternde<br />

Menschen vorgestellt. Das Fernsehprogramm<br />

hingegen wendet sich meiner<br />

Meinung nach eher an die Zielgruppe<br />

der 16- bis 40-Jährigen. In der Werbung<br />

wird immer noch eine völlig falsche<br />

Politik getrieben. Das ärgert mich.<br />

Wir haben einen Medienexperten<br />

am NAR, der auslotet, ob und wie<br />

wir hier Einfluss nehmen können.<br />

14<br />

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