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Bilder iM AufBruch - eMuseum - Zürcher Hochschule der Künste

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Die Ausstellung zeigt nahezu ausschliesslich Arbeiten<br />

aus dem Archiv <strong>der</strong> Zürcher <strong>Hochschule</strong> <strong>der</strong> Künste,<br />

das zum Medien- und Informationszentrum (MIZ) <strong>der</strong><br />

ZHdK gehört. Im <strong>eMuseum</strong> des Museum für Gestaltung<br />

Zürich können diese Bestände auch online recherchiert<br />

und angesehen werden: www.emuseum.ch<br />

<strong>Bil<strong>der</strong></strong><br />

im Aufbruch<br />

Museum für Gestaltung Zürich<br />

Vestibül/Bibliotheksgang<br />

13. März bis 5. Mai 2013<br />

Weiterführende Literatur<br />

Thilo Koenig/Martin Gasser (Hg.), Hans Finsler und die Schweizer<br />

Fotokultur. Werk, Fotoklasse, mo<strong>der</strong>ne Gestaltung 1932–1960,<br />

Zürich 2006 | Hans-Peter Schwarz (Hg.), ZHdK. Den Künsten<br />

eine Zukunft. Publikation zur Gründung <strong>der</strong> Zürcher <strong>Hochschule</strong><br />

<strong>der</strong> Künste, Zürich 2007 | Zürcher <strong>Hochschule</strong> <strong>der</strong> Künste (Hg.),<br />

Design Z. (1911–) 2011, Jahrbuch Dept. Design, Zürich 2011 | Thilo<br />

Koenig, walter bin<strong>der</strong> – pionier <strong>der</strong> schweizer fotokultur, in: Zett.<br />

Das Magazin <strong>der</strong> Zürcher <strong>Hochschule</strong> <strong>der</strong> Künste, Nr. 3, 2011 |<br />

Helmhaus Zürich (Hg.), serge stauffer. kunst als forschung, Essays,<br />

Gespräche, Übersetzungen, Studien, Zürich 2013<br />

Lehrende <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie 1958 – 1976<br />

Walter Bin<strong>der</strong>, *1931. Studium KGSZ: 1948–49 Vorkurs, 1949–52<br />

Fachklasse Fotografie. Fotograf bei Hugo Herdeg; 1954–61<br />

Museumsfotograf am Kunstgewerbemuseum und Museum<br />

Rietberg, Zürich; 1957–58 Assistent von Hans Finsler und 1958–76<br />

Dozent und Leiter <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie. 1971 Mitgrün<strong>der</strong> und<br />

1976–98 Leiter <strong>der</strong> Fotostiftung Schweiz. 1977–83 Leitung <strong>der</strong><br />

Film- und Fotoabteilung Pro Helvetia.<br />

Serge Stauffer, 1929–89. Studium KGSZ: 1951–52 Vorkurs,<br />

1952–55 Fachklasse für Fotografie. Arbeit für Josef Müller-<br />

Brockmann und Max Bill. 1957–64 Dozent für Fotografik an <strong>der</strong><br />

Fachklasse Fotografie, 1965–70 an <strong>der</strong> Klasse Farbe+Form,<br />

KGSZ. Ab 1971 Mitgrün<strong>der</strong> und Dozent <strong>der</strong> F+F Schule für<br />

experimentelle Gestaltung Zürich. Forschungen und Übersetzungen<br />

zu Marcel Duchamp.<br />

Jörg Hamburger, *1935. 1950-54 Studium Grafik, Gewerbeschule<br />

Basel. Arbeit für Bally und J.R. Geigy AG; 1958–60 Assistent bei<br />

Josef Müller-Brockmann, Grafikklasse KGSZ, 1960-98 Dozent,<br />

Gestaltungen für das Kunstgewerbemuseum, ab 1964 Dozent<br />

für Fotografik an <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie. Ab 1960 auch freier<br />

Grafiker, 1960–67 Gruppe 3 mit Alfred Aebersold und<br />

Herbert Merz.<br />

Siegfried Zingg, *1936. Studium KGSZ: 1952–53 Vorkurs, 1953–<br />

56 Fachklasse für Fotografie. 1956–57 Assistent und 1957–83<br />

Dozent für Fototechnik an <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie. Arbeitet auch<br />

für Rico Baltensweiler, Ebikon, und für Architekten.<br />

Exkursionen <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie 1958 – 1975<br />

1958 Brüssel (Weltausstellung) – Holland | 1959 Unterengadin<br />

1960 Auvergne – Dordogne | 1961 Toscana | 1962 London<br />

1963 Bretagne | 1964 Apulien | 1965 Urbino | 1966 West-<br />

Deutschland – Berlin | 1967 Oberitalien (Bauten von Palladio)<br />

1969 Tschechoslowakei/CSSR | 1970 Rom | 1971 London<br />

1972 Holland | 1973 Bergell | 1973 div. Auslandsreportagen im<br />

Auftrag des SSR | 1974 Bergell (für Ausstellung <strong>der</strong> Fotoklasse<br />

in Stampa) | 1975 Berlin<br />

Studierende <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie 1956 – 1975<br />

(chronologisch nach Jahr des Studienbeginns)<br />

1956 Werner Erne – Jürg Ganz – Laurence Martin – Jürg<br />

Schmitt – Kurt Staub – Barbara Wellershaus | 1957 Gabrielle<br />

(Gaby) Bie<strong>der</strong>mann – Claude Fleury – Marlene Gruber – Adolf<br />

Hüppi – Ulrich Kündig – Irene Stern | 1958 Beat Derungs – Peter<br />

Freiburghaus – Ference (Frans) Kömives – Trix Kronauer – Georg<br />

Radanowicz – Hans Weyermann | 1959 Beat Bühler – Peter<br />

Caprez – Steivan Könz – Fredi Melchior Murer – Eduard Widmer<br />

1960 Hanspeter Gaechter – Christian Kurz – Stephanie<br />

Länzlinger – Annemarie Meier – Robert (Robi) Müller – Georg Stärk<br />

1961 Rolf Ba<strong>der</strong> – Irene (Iren) Gabriel – Christian Gartmann –<br />

Jean-Pierre Maurer – Andreas Wolfensberger – Dietrich (Dieter)<br />

Zopfi | 1962 Marlis Frei – Jürg Gasser – Hans Knuchel – Peter<br />

Nebel – Jean-Luc Nicollier – Oliviero Toscani | 1963 Samuel (Sämi)<br />

Küenzli – Rudolf (Ruedi) Meyer – Adolf (Dölf) Preisig – Doris<br />

Quarella – Barbara Rüegg – Willy Spiller | 1964 Barnabás<br />

Bosshart – Käthi Hirzel – Christian Küenzi – Andreas Müller – Art<br />

Ringger – Georges (Georg) Wino | 1965 Barbara Davatz – Paul<br />

Erhardt – Peter Schudel – Peter (Iwan) Schumacher – Roland<br />

Stucky – Paul Sutter – Alex Sauter | 1966 Arthur Faust – Willy<br />

Feess – Jacqueline Issenmann – Dieter Kraft – Eduard Winiger<br />

1967 Niklaus (Niggi) Bräuning – Daniela Gübelin – Ursula (Ursi)<br />

Heller – Guido Nussbaum – Karl Sochor – Hans Witschi<br />

1968 Horace (Orazio) Berquier – Marjolaine Dutoit – Irene Jäckel –<br />

Vincent Joliet – Bertrand de Peyer – Peter Wyss – Monika Zürcher<br />

1969 Patricia Allain – Heinz Brand (Hospitant) – Franco Giorgetti –<br />

Gabriel Grendene – Jul Keyser (Hospitant) – Carlos (Carlo)<br />

Matter – Nicolas Monkewitz (Hospitant) – Rudolf Martin (Ruedi)<br />

Schick – Fides Schuler | 1970 Georg An<strong>der</strong>hub – Horazio Guillen –<br />

Kaspar Lin<strong>der</strong> – Marco Schaaf – Hans-Rudolf Stadtmann – Karin<br />

Vonow – Jiri Vurma – Kaspar Weilenmann | 1971 Helen Gerber –<br />

Rut Himmelsbach – Friedrich (Fritz) Kappeler – Sybil Kriste –<br />

Katharina Leisinger – Jörg Obrist – Liliane de Toledo – Thomas von<br />

Wartburg | 1972 Daniel Cartier – Darwin Chen – Frans Herkules<br />

de la Cousine – Alexan<strong>der</strong> (Max) Frey – Karl Fülscher – Ferdi<br />

Ludescher – Susann Schneebeli – Rolf Theiler – Bruno Thüring<br />

1973 Christine Blaser – Pierre Bohrer – Andreas Fischer – Ruedi<br />

Staub (Hospitant) – Shaul Vittis – Andreas Voegelin | 1974 Thomas<br />

Burla – Katri Burri – Thomas Frey – Ralph Hut – Livio Piatti<br />

1975 Alexandre Cottet – Peter Danzeisen – Christian Känzig –<br />

Simone Kappeler – Jean Paul Rohner (Hospitant) – Jaroslav Vecko.<br />

Museum für Gestaltung Zürich<br />

Ausstellungsstrasse 60, CH-8005 Zürich<br />

T +41 (0)43 446 67 67<br />

www.museum-gestaltung.ch<br />

Tram 4, 13 und 17, Haltestelle Museum für Gestaltung<br />

Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr,<br />

Mittwoch 10–20 Uhr, Ostern 10–17 Uhr<br />

Geschlossen: Montags sowie Karfreitag 29.3.2013<br />

Die Fotoklasse<br />

unter Walter Bin<strong>der</strong><br />

Die Fachklasse Fotografie <strong>der</strong> Kunstgewerbeschule<br />

Zürich galt seit ihrer Gründung durch Hans Finsler<br />

lange Zeit als bedeutendste Ausbildungsstätte in <strong>der</strong><br />

Schweiz. Aus ihr sind zahlreiche national wie international<br />

bedeutende FotografInnen, ReporterInnen, Filmund<br />

Medienschaffende hervorgegangen. Darunter<br />

aus dem hier gezeigten Zeitraum nicht nur grosse<br />

Namen wie Oliviero Toscani – Schöpfer <strong>der</strong> bekannten<br />

Benetton-Werbung – son<strong>der</strong>n unter an<strong>der</strong>en auch<br />

Barnabás Bosshart, Thomas Burla, Barbara Davatz,<br />

Marjolaine Dutoit, Hanspeter Gaechter, Jürg Gasser,<br />

Ruth Himmelsbach, Steivan Könz, Hans Knuchel, Ulrich<br />

Kündig, Doris Quarella, Georg Radanowicz, Iwan<br />

Schumacher, Willy Spiller, Roland Stucky o<strong>der</strong> Andreas<br />

Wolfensberger. Mit <strong>der</strong> 16mm-Bolex-Filmkamera <strong>der</strong><br />

Fotoklasse, welche früher schon René Burri benutzt<br />

hatte, entstanden auch die ersten Filmversuche später<br />

so bedeuten<strong>der</strong> Autorenfilmer wie Fredi Murer o<strong>der</strong><br />

Friedrich Kappeler.<br />

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl herausragen<strong>der</strong><br />

Arbeiten von Studierenden aus den Jahren 1958 bis<br />

1976, als die Fotoklasse von dem Fotografen und späteren<br />

Fotohistoriker Walter Bin<strong>der</strong> geleitet wurde. Gezeigt<br />

werden Fotografien, Portfolios, Buchmaquetten und<br />

Fotografik-Entwürfe, die alle während <strong>der</strong> Studienzeit an<br />

<strong>der</strong> Kunstgewerbeschule entstanden sind.<br />

Kunst und Medien 1958 – 1976<br />

Die 1960er–70er Jahre waren nicht nur im Bereich <strong>der</strong><br />

Politik eine Phase drastischer Umbrüche; als prominente<br />

Wegscheide steht hier das Jahr 1968. Sie waren<br />

auch die Zeit eines enormen kulturellen Aufbruchs: Viele<br />

künstlerische Praxisformen, wie wir sie heute als selbstverständlich<br />

sehen, sind in dieser Zeit entscheidend<br />

(weiter-)formuliert o<strong>der</strong> durchgesetzt worden. Sei es die<br />

Infragestellung des Künstlers als Autor und die These des<br />

«offenen Kunstwerks» (Umberto Eco), die Erweiterung<br />

des Kunstbegriffs mit Pop Art, Fluxus und Performance<br />

o<strong>der</strong> die Minimalisierung und Konzeptionalisierung <strong>der</strong><br />

Kunstproduktion. Hierzu zählen auch die Aufnahme<br />

explizit theoretischer und gesellschaftlicher Fragen in<br />

die Welt <strong>der</strong> Kunst und die Selbstreflexion des künstlerischen<br />

Handelns, etwa eine Thematisierung o<strong>der</strong><br />

Infragestellung <strong>der</strong> eigenen verwendeten Mittel.<br />

Die Fotografie in jener Zeit war von diesem Auf bruch und<br />

<strong>der</strong> dynamischen Entwicklung ebenso betroffen. Und dies<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch aufgrund drastischer Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Medienpraxis wie in <strong>der</strong> technischen Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Fotografie. Waren die 1960er Jahre noch die letzte<br />

Hochphase des mo<strong>der</strong>nen Bildjournalismus, dessen<br />

Flaggschiffe Die Woche o<strong>der</strong> Stern hiessen, so sollte<br />

die berichtende Funktion <strong>der</strong> Fotografie rasch gegenüber<br />

dem aktuelleren Medium Fernsehen an Boden verlieren;<br />

1972 gilt hier als Stichjahr, als das legendäre USamerikanische<br />

Magazin Life eingestellt wurde. In diese<br />

Zeit fällt auch <strong>der</strong> Siegeszug <strong>der</strong> Farbfotografie sowohl<br />

im Amateurbereich als auch in den Printmedien. Seit<br />

den 1970er Jahren setzten immer mehr Magazine auf die<br />

Farbe. Die Fotopraxis wandte sich in <strong>der</strong> Folge häufiger<br />

illustrativen Bildessays, seriellen Arbeiten o<strong>der</strong> künstlerischen<br />

Strategien zu. Fragen nach Konzept, Systematik<br />

o<strong>der</strong> dem inhaltlichen Kontext wurden oft wichtiger als<br />

<strong>der</strong> bildimmanente Informationsgehalt <strong>der</strong> Fotografien<br />

und die Suggestion o<strong>der</strong> Ästhetik des Einzelfotos.<br />

Die Arbeiten <strong>der</strong> Studierenden an <strong>der</strong> Fotoklasse spiegeln<br />

diesen kulturellen und medialen Aufbruch jener<br />

bewegten Jahre, auch wenn Ausbildungspläne und<br />

technische Einrichtungen nicht immer mit den rasanten<br />

Entwicklungen des Marktes und <strong>der</strong> Berufspraxis<br />

Schritt halten konnten. So lag etwa <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong><br />

Fotolehre in Zürich noch bis in die 1980er Jahre deutlich<br />

auf <strong>der</strong> Schwarzweissfotografie. Auch spielten neben<br />

<strong>der</strong> Reportage weiterhin klassische Praxisbereiche wie<br />

Sach- und Architekturfotografie eine wesentliche Rolle<br />

im Curriculum. Seit den späten 1960er Jahren suchten<br />

eine ganze Reihe von Studierenden überdies nach neuen,<br />

eigenen Themen; sie interessierten sich für eine mediale<br />

Zeitgenossenschaft wie auch für alternative Lehrund<br />

Lebensformen; dann for<strong>der</strong>ten sie Mitbestimmung<br />

bei <strong>der</strong> Lehrplangestaltung. Nicht nur die Inhalte <strong>der</strong><br />

fotografischen Arbeiten än<strong>der</strong>ten sich rasch, son<strong>der</strong>n<br />

auch Bildästhetik und Präsentationsformen.


Fachklasse Fotografie<br />

Die Fotoklasse wurde 1932 als erste eigenständige<br />

Fotoklasse mit mo<strong>der</strong>ner Ausrichtung an einer Schweizer<br />

Kunstschule von Hans Finsler gegründet und von ihm bis<br />

1958 geleitet. Finsler war in den späten 1920er Jahren<br />

ein Exponent <strong>der</strong> fotografischen Neuen Sachlichkeit<br />

in Deutschland. Seine Fotolehre vermittelte vor allem<br />

eine vertiefte gestalterische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

dem Abzubildenden und ein medien-, objekt- und materialgerechtes<br />

Arbeiten mit <strong>der</strong> Kamera im Geiste des<br />

Funktionalismus. Schon Ende <strong>der</strong> 1940er Jahre hatten<br />

sich allerdings Stimmen zu Wort gemeldet, ein solcher<br />

Ansatz sei angesichts <strong>der</strong> Zeitumstände und <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Bedeutung von berichten<strong>der</strong> Fotografie<br />

nicht mehr zeitgemäss. In diesem Sinne äusserte sich<br />

etwa Edward Steichen, als er 1952 auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

Menschenbil<strong>der</strong>n für seine grosse Ausstellung The family<br />

of man bei <strong>der</strong> Zürcher Fotoklasse nicht fündig wurde.<br />

Walter Bin<strong>der</strong>, geboren 1931 in Zürich, hatte selbst bei<br />

Finsler studiert. 1957 wurde er zunächst als zweiter<br />

Lehrer engagiert, um dann ein Jahr danach die Leitung<br />

<strong>der</strong> Fotoklasse zu übernehmen. Ihm zur Seite standen<br />

Serge Stauffer als Dozent für Fotografik, Layout<br />

und Montagen mit Schrift sowie Siegfried Zingg für<br />

Fototechnik; beide waren ebenfalls Absolventen <strong>der</strong><br />

Fotoklasse. Serge Stauffer machte sich ferner einen<br />

Namen als wacher Vermittler und Theoretiker von zeitgenössischer<br />

Kunst sowie mit <strong>der</strong> Erforschung des Werkes<br />

von Marcel Duchamp und Übersetzungen seiner Texte.<br />

War Bin<strong>der</strong> für viele vor allem ein verantwortungsvoller<br />

Fotolehrer im klassischen Sinn, so zog Stauffer an<strong>der</strong>e<br />

Studierende mit seinen Interessen für neue Kunstformen<br />

und kulturelle Grenzüberschreitungen in seinen Bann.<br />

Stauffers Nachfolger wurde 1965 <strong>der</strong> Grafiker Jörg<br />

Hamburger, <strong>der</strong> zuvor schon an <strong>der</strong> Grafikklasse gearbeitet<br />

hatte. Zingg war in <strong>der</strong> Fachklasse Fotografie ein<br />

präziser Vertreter <strong>der</strong> optisch-chemischen Grundlagen<br />

des Mediums Fotografie; an seiner unbestechlichen<br />

Ergebniskritik führte kein Weg vorbei. Hinzu kamen<br />

zeitweise Gastdozenten wie Hugo Loetscher und<br />

Peter Bichsel o<strong>der</strong> Gastvortragende wie Lucia Moholy<br />

und Jakob Tuggener. Bin<strong>der</strong> gehörte 1971 mit zu den<br />

Grün<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fotostiftung Schweiz, die er von 1976 bis<br />

1998 leitete.<br />

Angesichts <strong>der</strong> aufregenden Zeit, welche die<br />

Klassenleitung Walter Bin<strong>der</strong>s umfasste, ist schwer<br />

vorstellbar, dass die Lehre alle Verän<strong>der</strong>ungen aufgreifen<br />

und didaktisch in jeweilig neue Lehrkonzepte umgiessen<br />

konnte, ohne die Studienstruktur grundsätzlich<br />

in Frage zu stellen. Zunächst galt es, die Ausbildung<br />

von <strong>der</strong> überwiegenden Orientierung an Sach- und<br />

Architekturfotografie bei Finsler auf eine zeitgemässe<br />

Praxis auch in berichten<strong>der</strong> Fotografie zu überführen<br />

– ohne dabei die handwerklichen Grundlagen und<br />

das Berufsfeld des Gebrauchsfotografen zu vernachlässigen.<br />

Denn die damaligen Schüler studierten kein<br />

freies künstlerisches Fach: Die Kunstgewerbeschule<br />

bot immer noch ein berufsbildendes Studium, das bei<br />

<strong>der</strong> Fotoklasse zugleich mit einem handwerklichen<br />

Lehrabschluss verbunden war; die Diplomprüfung<br />

wurde durch eine Fachkommission des Bundesamts<br />

für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) durchgeführt.<br />

Dieser Spagat zwischen einer angewandten<br />

Lehrausbildung und dem Anspruch an die Vermittlung<br />

einer kulturell eigenständigen Arbeit mit fotografischen<br />

Mitteln war Finsler und Bin<strong>der</strong> schon in den 1950er<br />

Jahren ein Dorn im Auge. Aber es sollte noch bis in die<br />

1980er Jahre dauern, bis die Fotoausbildung an <strong>der</strong><br />

(1985 umbenannten) Schule für Gestaltung Zürich endgültig<br />

von <strong>der</strong> Handwerkslehre gelöst wurde.<br />

Didaktik<br />

In den 1960er Jahren hiessen die neuen Vorbil<strong>der</strong> Henri<br />

Cartier-Bresson o<strong>der</strong> Robert Frank, und Magazine wie<br />

Life und Paris Match o<strong>der</strong> Autoren-Fotobücher wie The<br />

Americans lagen auf dem Tisch. Gleichzeitig blieben<br />

das aus <strong>der</strong> Bauhaus-Tradition stammende Konzept von<br />

Grundlagenübungen wie Material- und Formstudien sowie<br />

sachbezogene Aufgabenstellungen durchaus weiter<br />

erhalten. Bin<strong>der</strong> stellte zusätzlich Reportagethemen mit<br />

aktuellen Bezügen auf das öffentliche Geschehen und<br />

kulturelle Fragen, welche von den Studierenden oft innovativ<br />

gelöst wurden.<br />

Ebenso aus <strong>der</strong> Finsler-Zeit blieb die Semesterarbeit,<br />

eine parallel zur BIGA-Prüfung angesetzte schulinterne<br />

Abschlussarbeit, bei <strong>der</strong> die Studierenden über einen<br />

längeren Zeitraum eine eigenständige Arbeit zu einem<br />

vorgegebenen Thema entwickeln konnten, die dann in<br />

Form von Portfolios o<strong>der</strong> Buchmaquetten realisiert wurde.<br />

Beibehalten wurden auch die jährlichen kunst- und<br />

kulturhistorisch anspruchsvollen Auslandsexkursionen,<br />

in Einzelfällen mit zeitgeschichtlichem Bezug (1969<br />

CSSR), die jeweils eine konzentrierte fotografische<br />

Praxisübung darstellten. Die Ergebnisse wurden regelmässig<br />

in Ausstellungen im Haus präsentiert, in einigen<br />

Fällen auch publiziert. Hinzu kamen die Teilnahme <strong>der</strong><br />

Fotoklasse an Wettbewerben und Aufträgen, darüber<br />

hinaus die Beschäftigung mit damals aktuellen Themen<br />

wie Anti-Raucher-Kampagnen und Umweltfragen o<strong>der</strong><br />

die Erarbeitung von Multimedia-Tonbildschauen.<br />

Filmarbeitskurse und Klasse Farbe+Form<br />

Doch während in <strong>der</strong> Fotoausbildung noch die Wende<br />

zum Journalismus und zur Autorenfotografie nachvollzogen<br />

werden musste, öffneten sich für die Studierenden<br />

bereits neue Perspektiven. Schon 1960 hatten Bin<strong>der</strong><br />

und Stauffer unter <strong>der</strong>en Mitarbeit im eigenen Haus<br />

die Ausstellung und Publikation <strong>der</strong> film für das damalige<br />

Kunstgewerbemuseum Zürich realisiert, was für<br />

die beteiligten Studierenden zum Schlüsselerlebnis<br />

wurde. Da es in <strong>der</strong> Schweiz zunächst keine reguläre<br />

Filmausbildung gab, hatten sich Interessenten immer<br />

schon ersatzweise bei <strong>der</strong> Fotoklasse beworben. Als<br />

die Kunstgewerbeschule 1967–1969 die ersten regulären<br />

Filmarbeitskurse anbot, war dies auch eine schulinterne<br />

Attraktion für viele Fotostudierende. Tatsächlich<br />

haben zahlreiche AbsolventInnen <strong>der</strong> Fotoklasse später<br />

als FilmemacherInnen, hinter <strong>der</strong> Filmkamera o<strong>der</strong> beim<br />

Fernsehen gearbeitet (darunter die erste Kamerafrau des<br />

Schweizer Fernsehens, Monika Zürcher). Stauffer fuhr mit<br />

Studierenden regelmässig zum Experimentalfilmfestival<br />

nach Knokke in den Nie<strong>der</strong>landen, wo sie auch spartenübergreifend<br />

in Kontakt mit zeitgenössischen Avantgarde-<br />

KünstlerInnen kamen.<br />

Ein weiteres Ziel zog einige Fotostudierende geradezu<br />

magnetisch an: die Klasse Farbe+Form (F+F), in <strong>der</strong> Doris<br />

und Serge Stauffer mit Hansjörg Mattmüller von 1965<br />

bis 1970 nach alternativen Lehrformen und einer zeitgemässen<br />

künstlerischen Ausbildung suchten. Jenseits<br />

<strong>der</strong> medien- und verfahrensgebundenen Lehrpläne<br />

in den Fachklassen sollte hier eine freie experimentelle<br />

Kunstpraxis entstehen, welche Zeiterscheinungen<br />

wie Happenings o<strong>der</strong> Environments mit <strong>der</strong> politischen<br />

Revolte und beginnenden Frauenbewegung gleichermassen<br />

verband. Ein <strong>der</strong>gestalt libertäres Konzept<br />

hatte in einer in den späten 1960er Jahren noch eher<br />

restriktiv konventionellen Kunstgewerbeschule kaum<br />

eine Chance, was schliesslich 1970 zum Eklat führte.<br />

Stauffer und Mattmüller gründeten daraufhin die private<br />

F+F Schule für experimentelle Gestaltung Zürich. Walter<br />

Bin<strong>der</strong> gehörte durchaus zum Unterstützerkreis solcher<br />

Experimente und solidarisierte sich mit den Lehrern <strong>der</strong><br />

Klasse F+F, auch wenn dies das Studienangebot <strong>der</strong><br />

Fotografie nicht direkt verän<strong>der</strong>te.<br />

Während viele Studierende die Angebote <strong>der</strong> Fachklasse<br />

Fotografie produktiv für sich nutzten, engagierten sich<br />

an<strong>der</strong>e darüber hinaus für die kulturellen Aufbrüche<br />

und neuen Lebensformen, welche seit den 1960er<br />

Jahren und im Zuge <strong>der</strong> Studentenbewegung entstanden.<br />

Themen wie die Randale beim Konzert <strong>der</strong> Rolling<br />

Stones 1967 im Zürcher Hallenstadion und die Zürcher<br />

Unruhen um das besetzte Globus-Provisorium an <strong>der</strong><br />

Bahnhofbrücke (1968), antiautoritäre Erziehung o<strong>der</strong><br />

kollektive Wohnformen waren zum Beispiel Anlässe für<br />

fotografische Auseinan<strong>der</strong>setzungen.<br />

Neue Formate<br />

In den Studierendenarbeiten <strong>der</strong> 1960er Jahre kann<br />

man durchaus deutlich Bezüge zur besten Tradition <strong>der</strong><br />

berichtenden Fotografie nach 1945 und zu einer bildlich<br />

hoch verdichteten, kräftigen Schwarzweiss-Ästhetik<br />

sehen, wie sie etwa W. Eugene Smith o<strong>der</strong> die New<br />

York School gezeigt hatten. Einzelne arbeiteten auch<br />

mit Spezialfilmen (Kodalith) in Nähe zur Fotografik <strong>der</strong><br />

1950er Jahre und kamen zu extrem kontrastreichen, teilweise<br />

bis auf reine Schwarz- und Weisstöne reduzierten<br />

<strong>Bil<strong>der</strong></strong>n.<br />

Wenn Studierende in den 1970er Jahren die gestellten<br />

Aufgaben lösten, standen auch soziologische Fragen im<br />

Vor<strong>der</strong>grund, die gleichermassen bildwichtig wurden.<br />

Man arbeitete vermehrt mit Text, liess die Abgebildeten<br />

selbst zu Wort kommen und setzte mitunter ‹authentische›<br />

Handschrift o<strong>der</strong> Schreibmaschinenschrift statt<br />

Typografie ein. Ebenso zeittypisch arbeitete man anstatt<br />

mit konzentrierten Bildreihen o<strong>der</strong> Einzelfotos eher in<br />

Serien, Sequenzen o<strong>der</strong> auch Typologien. Das jährlich<br />

obligatorisch für alle Jahrgänge wie<strong>der</strong>kehrende Thema<br />

des Selbstportraits etwa wurde nun zum Teil weniger<br />

auf die singuläre Person als auf ein Kollektiv bezogen<br />

– o<strong>der</strong> auf einen zeitlichen Ablauf in mehreren <strong>Bil<strong>der</strong></strong>n.<br />

Man beschäftigte sich auch mit dem Privaten, <strong>der</strong> eigenen<br />

Befindlichkeit, mit dem nahe Liegenden in <strong>der</strong><br />

unmittelbaren Lebensumgebung o<strong>der</strong> mehr mit – vielleicht<br />

nebensächlichen – Phänomenen des Alltags als<br />

mit spektakulären o<strong>der</strong> exotischen Motiven.<br />

Anstelle von auf einen Bildgehalt konzentrierten schweren<br />

Schwarz weiss-Abzügen wurde nun helleren, offeneren<br />

o<strong>der</strong> ‹leeren› Fotos <strong>der</strong> Vorzug gegeben, die oft nah am<br />

Geschehen mit Weitwinkel aufgenommen o<strong>der</strong> mit dem<br />

sichtbaren schwarzen Negativrand vergrössert wurden.<br />

So variierten auch die Formate: Hatten die Studierenden<br />

bis in die 1960er Jahre die besten Arbeiten jeweils auf<br />

einem quadratischen Standard-Karton aufgezogen, so<br />

wählten sie jetzt eher eigene Formate. Es wurden mehr<br />

Portfolios, Schuber o<strong>der</strong> Buchmaquetten produziert, die<br />

eine Lesart bereits vorgeben. Auch wenn <strong>der</strong> Kern des<br />

Lehrprogramms <strong>der</strong> Fotoklasse in jener Zeitspanne vergleichsweise<br />

konstant geblieben sein mag, liest man an<br />

den Bildlösungen doch deutlich die Zeichen <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten<br />

Zeit.<br />

Thilo Koenig

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