16.01.2015 Aufrufe

Aleksandr Grigor'evic Asmolov Tätigkeit und Einstellung Izdatel'stvo ...

Aleksandr Grigor'evic Asmolov Tätigkeit und Einstellung Izdatel'stvo ...

Aleksandr Grigor'evic Asmolov Tätigkeit und Einstellung Izdatel'stvo ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

10<br />

problem ganz deutlich die Notwendigkeit einer radikalen Umstrukturierung des F<strong>und</strong>aments der psychologischen<br />

Wissenschaft. In allen genannten Bereichen der Psychologie entwickelten sich in den<br />

zwanziger Jahren dieses Jahrh<strong>und</strong>erts Krisensymptome von besonderer Schärfe. Die Wissenschaftsgeschichte<br />

lehrt, dass Krisen die Forscher nötigen, aus ihrem geschlossenen Ideenkreis herauszutreten<br />

<strong>und</strong> sich zunächst einmal auf die allgemeineren, ihrem Denken als Postulate zugr<strong>und</strong>e liegenden Ideen<br />

zu besinnen. Anzeichen einer Krise sind Phänomene, die sich in dem vorhandenen Begriffsnetz nicht<br />

unterbringen lassen. An den <strong>Einstellung</strong>sphänomenen war kein Zweifel möglich, sie waren vielfach<br />

beobachtet worden. Diese Realität konnte daher die Forscher veranlassen, nach dem Postulat zu suchen,<br />

auf welchem das Gebäude der atomistischen Introspektionspsychologie errichtet war. Um die<br />

gesuchte Idee zu kennzeichnen, kann man einen Ausspruch Einsteins anwenden: Der traditionelle Psychologe<br />

„erstarrt ohnmächtig vor den Einzelresultaten empirischer Untersuchungen, solange er nicht<br />

die Prinzipien entdeckt hat, die er zur Basis deduktiver Konstruktionen machen kann.“ (Einstein 1969,<br />

6),<br />

Die Gr<strong>und</strong>idee nun, die stillschweigend oder offen von den Vertretern der traditionellen Psychologie<br />

akzeptiert wurde, war die, daß „die objektive Realität unmittelbar <strong>und</strong> sofort auf die bewußte Psyche<br />

einwirkt <strong>und</strong> deren Tätigkeit in dieser direkten Verbindung determiniert“ (Uznadze 1966, 158).<br />

Uznadze nannte diesen Gedanken das „Unmittelbarkeitspostulat“.<br />

Erinnern wir uns der Worte von N.N. Lange, der den Psychologen vom Ende des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

mit dem auf den Trümmern Trojas sitzenden Priamos verglich, so sollten wir auch nicht das Geschenk<br />

der tückischen Griechen vergessen, das die Trojaner mit eigenen Händen in ihre Stadt zogen.<br />

Ein solches Trojanisches Pferd – „Gabe“ des Denkens der Physiker <strong>und</strong> Physiologen aus dem vorigen<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert an das Denken der Psychologen – war das Unmittelbarkeitspostulat. Es führte zum Einsturz<br />

des „psychologischen Troja“. Nachdem der Psychologe dieses Postulat mehr oder weniger bewußt<br />

als Basisaxiom seiner experimentellen Untersuchungen akzeptiert hatte, stieß er auf unüberwindliche<br />

Schwierigkeiten, die gerade aus der Annahme der Unmittelbarkeit folgten; Erwartungsfehler,<br />

Gewöhnungsfehler, <strong>Einstellung</strong>stäuschungen, die geheimnisvolle introspektive Ungreifbarkeit der<br />

<strong>Einstellung</strong> sowie die Ohnmacht aller Versuche, <strong>Einstellung</strong> in dem allmählich verbindlich gewordenen<br />

Kategorienarsenal der traditionellen Psychologie unterzubringen.<br />

Nicht weniger plastisch sichtbar waren die Auswirkungen des Unmittelbarkeitspostulats im Forschungsbereich<br />

„höhere Gefühle“. Die „verstehenden“ Psychologen vertraten ja die These von der<br />

prinzipiellen Unmöglichkeit einer Kausalerklärung von höheren Formen der Gefühlsprozesse, <strong>und</strong><br />

dieser These lag wiederum dieselbe stillschweigende Anerkennung allein mechanischer Kausalität<br />

zugr<strong>und</strong>e.<br />

Die beschreibende Psychologie hat voll <strong>und</strong> ganz die Hauptidee der erklärenden Psychologie übernommen,<br />

gemäß der eine Kausalerklärung nichts anderes sein kann als die mechanische Reduktion komplizierter<br />

höherer Prozesse auf atomistisch isolierte Elemente des Seelenlebens. (Vygotskij 197o, 125).<br />

Da die Vertreter der traditionellen Psychologie dem Schema des mechanistischen Determinismus –<br />

dem Unmittelbarkeitspostulat – verpflichtet waren, mußten sie in ihren auf das Erleben der Einzelperson<br />

ausgerichteten Untersuchungen die Sphäre der psychischen Realität scharf von der äußeren Wirklichkeit<br />

abtrennen. Sie befanden sich damit im geschlossenen Kreis des Bewußtseins. Allein eine Revision<br />

des F<strong>und</strong>aments der Psychologie konnte die Hindernisse beseitigen, die sich der Entwicklung<br />

der Psychologie in den Weg gestellt hatten. Aber eine Revision war nur dadurch möglich, daß man die<br />

Sphäre der empirischen Fakten <strong>und</strong> der spezialisierten Teilprobleme vom Typ „<strong>Einstellung</strong>“ oder „höhere<br />

Gefühlsprozesse“ verließ <strong>und</strong> sich an eine methodologische Analyse der F<strong>und</strong>amente der psychologischen<br />

Wissenschaft begab.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!