Lilliput (Heuck, Sigrid 1996) - Perthes-Gymnasium
Lilliput (Heuck, Sigrid 1996) - Perthes-Gymnasium
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Inhaltsverzeichnis<br />
Frühlingserwachen -3-<br />
Der kleine Affe/ Der Esel & die Eule -5-<br />
Mit Jeans in die Steinzeit -8-<br />
Der Fischer und der Wal -9-<br />
Die Prinzessin auf der Erbse -11-<br />
Neunundsechzig Cent pro Minute -13-<br />
<strong>Lilliput</strong> (<strong>Heuck</strong>, <strong>Sigrid</strong> <strong>1996</strong>) -15-<br />
Das Huhn -17-<br />
Der Hase und der Igel -19-<br />
Anhang
Frühlingserwachen<br />
Es war einmal ein Krokusblümchen.<br />
Das schlief den ganzen Winter hindurch<br />
tief und fest in seinem Kämmerlein<br />
zwischen den Wurzeln unter der Erde.<br />
Mit seinen Geschwisterchen träumte es<br />
vom Frühling und eines Tages war die<br />
Zeit gekommen und ein warmer<br />
Sonnenstrahl leckte den letzten Schnee<br />
vom Boden. Seine Wärme drang bis<br />
zum Bettchen der kleinen Krokusblume.<br />
Da räkelte und streckte sich das<br />
Blümchen und rieb sich die Äugelein.<br />
Wie es sich so reckte, rief es seinen Brüderchen und Schwesterchen zu: ,, Der<br />
Frühling ist da, wacht auf, wir wollen gemeinsam hinauf auf die Wiese und im<br />
Sonnenlicht blühen." Da erwachen auch die anderen Krokusse und streckten<br />
sich hinauf ans Tageslicht. War das schön. Endlich konnten sie sich wieder<br />
entfalten und überallauf der Wiese blühten nun lila, gelb und weiße<br />
Krokusblümchen. Der Sonnenstrahl freute sich darüber sehr und er die letzten<br />
dicken Wolken am Himmel vertrieben hatte, weckte er eine Zitronenfalter aus<br />
dem Schlaf, der sich in der Rinde eines großen Baumes den Winter über<br />
versteckt hatte. Der Sonnenstrahl kitzelte ihn an seinen Fühlerchen und der<br />
Falter musste niesen.,, Was, ist es schon Frühling?"fragte der Falter verschlafen.<br />
Doch es dauerte nicht lange und er spreizte seine Flügel, um bald darauf<br />
loszufliegen. Erstaunt sah er zu den Krokusblümchen, die schon bunt und<br />
fröhlich auf der Wiese blühten. Da lächelte er und flatterte hinab zu einer dicken<br />
Wurzel, die am Fuße eines Weidenstrauches aus der Erde ragte. Er wusste, dort<br />
hatte sich der Marienkäfer mit seinen lustigen roten Flügelchen und den<br />
schwarzen Punkten zum Winterschlaf vergraben. ,, Wach auf, lieber<br />
Marienkäfer, der Frühling ist gekommen!" schmetterte er froh und<br />
-3-
flog wieder hinauf in die laue Frühlingsluft. Der Marienkäfer gähnte und<br />
zappelte mit seinen sechs Beinen. dann strich er sich mit den vorderen Füßchen<br />
über die Äuglein und tatsächlich, zwischen dem alten Laub des letzten Jahres<br />
konnte er die helle Sonne sehen. Sofort hatte er ein Liedchen angestimmt und<br />
summte vergnügt ,, Der Lenz ist da, der Lenz ist da, der Winter ist vorbei. Die<br />
Sonne scheint hurra, hurra! Jetzt flieg ich froh und frei." Als er so lustig vor<br />
sich hersang, weckte er das zarte Buschwindröschen, das sein Bettchen am<br />
Bachrand hatte. Verduzt rief es:,, Was, habe ich richtig gehört, der Frühling ist<br />
da?" Neugierig steckte es sein Köpfchen durch die Erde und konnte es<br />
tatsächlich kaum glauben. Der warme Sonnenstrahl schien dem<br />
Buschwindröschen direkt ins Gesicht. Sorgfältig glättete es seine weißen<br />
Blütenblätter, legte noch etwas rosa Puder auf und rief all die anderen vielen<br />
Buschwindröschen wach. Es dauerte nicht lange und bald darauf blühte unter<br />
den großen, alten Bäumen ein ganzer Teppich zarter Buschwindröschen. Nun<br />
war der Zitronenfalter schon eine ganze Weile durch die Luft geflogen und hatte<br />
einen mächtigen Durst. Wie gut, dass er unten auf der Wiese vielen Blümchen<br />
wusste, die ihm gern den süßen Nektar anboten. Der Falter genehmigte sich ein<br />
paar große Schluck des guten Getränkes und eilte weiter hinauf zum Bächlein<br />
am Waldesrand, denn dort weckte er behutsam die kleinen Veilchen und gelben<br />
Butterblume. Und auch der kleine bummelige Marienkäfer summte über die<br />
Wiese und rief die weißen Gänseblümchen<br />
und die hellblauen Glockenblumen wach.<br />
War das nicht ein lustiges Treiben. Bei all<br />
dem vielen Gesang und Gesumme wachte<br />
auch das das bunte Pfauenauge auf. Hatte<br />
doch der Schmetterling beinahe die Ankunft<br />
des Frühlings verschlafen. Eilig warf er einen<br />
prüfenden Blick über seine bunten Flügel, ob<br />
auch alle Farben leuchteten und reihte sich ein<br />
in den Frühlingsbeginn und es kamen immer<br />
mehr hinzu: die<br />
Die Geschichte wurde abgetippt von Beatrice Schulter<br />
-4-
Der kleine Affe<br />
Der kleine Affe liebt Sofie, das kleine Schwein von vis-â-vis.<br />
Er schreibt ihr Briefe, schickt ihr Nelken und Plastikblumen die nicht<br />
verwelken.<br />
Doch Sofie wiederum ein anderes Schwein. Und das ist dumm.<br />
(Wir lernen aus diesem Mist, dass alles so ist, wie es ist.)<br />
Der kleine Affe hält enorm durch Bodybuilding sich in Form und ist dadurch am<br />
Badestrand mit allen Schweinchen schnell<br />
bekannt. Der kleine Affe<br />
>>Hier Doktor Affe. Wer sricht dort?
Lampen, Affenkram, Klamottenfummel an den Kahn.<br />
Kauft noch ein Notstrom-Aggregat, auf dass der Kahn versinken tat.<br />
(Und was du lernst aus diesem Mist, ist: lass den Kahn doch wie er ist.)<br />
Der Esel & die Eule<br />
Ein alter Esel hatte sich in eine Eule verliebt, und zwar beim Beerenpflücken im<br />
Wald. Er bat sie, doch begleiten zu dürfen, trug ihr den Korb nach Haus<br />
und bat sie auch noch um ein Rendezvous, um eine Verabredung. Und sie sagte<br />
vorläufig ja.<br />
Sie trafen sich dann öfter einmal und tranken Tee zusammen.<br />
Einmal bei ihr zu Haus in dem Zimmer mit dem Balkon, und einmal bei ihm zu<br />
Haus. Und plauderten ein bisschen zusammen.<br />
Einmal sagte der Esel:>> Ich würde Sie gern zu einer Reise einladen, für die<br />
Kosten käme ich auf. Selbstverständlich.>Aus Panamastroh am bestenMorgen hole ich Sie ab
Ich nehme noch meinen schönen Korbstuhl mit den aus dem Balkonzimmer. Der wiegt auch nicht viel.<br />
Tragen Sie leicht,<br />
Sie sind doch ein Esel. >Süße Last ist die Geliebte
Mit Jeans in die Steinzeit<br />
Puh, was für eine Hitze in diesem stickigen<br />
Zugabteil. Isabelle fuhr sich mit dem<br />
Handrücken über die Stirn und konnte nur mit<br />
Mühe ein Gähnen unterdrücken. Na ja, da soll<br />
einer auch nicht müde werden, bei diesem<br />
ununterbrochenen, eintönigen Ratatata-Ratatata<br />
der Eisenbahn!<br />
Wie lange fuhr sie jetzt eigentlich schon, seit<br />
ihre Eltern sie in Bordeaux in den Zug gesetzt hatten? Schließlich war gestern<br />
auch nicht gerade ein erholsamer Tag gewesen. In einem im Auto von Paris bis<br />
Bordeaux, wo ihr Vater an einem Lehrerkongress teilnehmen musste – das war<br />
weiß Gott keine Kleinigkeit. Besonders, wenn man dabei ständig auch zwei<br />
kleinere Geschwister zu beschäftigen hat! Diese Plage war sie vorläufig einmal<br />
los – für vier herrliche Ferienwochen! Am Strand, wohin Mama mit den kleinen<br />
vorausgefahren war, bis Papa endlich<br />
nachkommen konnte, waren sie leicht zu<br />
beaufsichtigen.Isabelle war froh in diesem<br />
Sommer nicht fortwährend Burgen im Sand<br />
mit ihnen bauen und Unmengen von<br />
Muschelschalen sammeln zu müssen. Mit<br />
beinahe vierzehn Jahren möchte man ja<br />
schließlich auch einmal etwas ganz für sich<br />
allein unternehmen und da die Einladung ihrer Verwandten aus Südfrankreich<br />
geraderecht gekommen. Außerdem hatte Isabelle ihre gleichaltrige Cousine<br />
schon fast drei Jahre nicht mehr gesehen und natürlich ebenso wenig die beiden<br />
Vettern Regis, Suzanne jetzt dreizehnjährigen Bruder, und Philippe, ihren<br />
gemeinsamen großen Cousin, der damals zwölf gewesen war und jetzt schon<br />
Fünfzehn sein musste. Und natürlich war da auch noch Philippes kleinere<br />
Schwester Cecile, die schon immer gern gepetzt hatte und nun auch schon sechs<br />
- oder gar sieben? – Jahre alt sein musste.<br />
Dieser Text wurde getippt von Felix Schröder.<br />
-8-
Der Fischer und der Wal<br />
Einmal paddelte ein Fischer betrübt heim. Er<br />
hatte kein Glück gehabt -zwei armselige<br />
Dorsche, das war sein ganzer Fang .Wie er<br />
sich mit seinem Boot dem Land näherte, da<br />
sah er an einer Stelle, wo sonst nichts<br />
gewesen war als Sand, einen großen<br />
Steinblock liegen.<br />
Sollte das Meer einen Findling an den Strand gespült haben? Aber es war doch<br />
schon tagelang kein Sturm gewesen und kaum Wellengang. Der Fischer zog<br />
sein Kajak an Land und ging hin, um sich den Stein aus der Nähe zu betrachten.<br />
Und da stellte sich heraus, dass es gar kein Stein war, sondern ein Wal, der auf<br />
dem Strand lag und schlief.<br />
Wie mochte er nur hier her gekommen sein? Sicher war er aus der Tiefe ins<br />
seichte Wasser geschwommen, um sich auszuruhen, und während der Wal<br />
schlief, hatte ihn die Ebbe überrascht, und so war der Wal auf dem Trockenen<br />
gelandet.Der Fischer konnte es kaum fassen. Denn einen Wal zu fangen, das<br />
konnte man wirklich Glück nennen. Das war noch keinem gelungen! Schnell lief<br />
er zum Boot zurück, um seine Harpune zu holen.Als er zurückkam und den Wal<br />
mit der Harpune erlegen wollte, da wurde dieser munter.“Töte mich nicht, guter<br />
Mann“, bat er.“ Es soll gewiss dein Schaden nicht sein.“ Der Fischer erschrak.<br />
Ein Wal, der sprechen konnte, das war ganz bestimmt kein gewöhnlicher Wal.<br />
Und so ließ er die Harpune sinken.“Du wirst es nicht bereuen“, versicherte der<br />
Wal. Der Fischer ging zu seinem Kajak zurück und überlegte, ob es nicht falsch<br />
gewesen war, auf den Wal zu hören.<br />
Einen solchen Fleischberg ins Meer<br />
zurückschwimmen zu lassen, war das<br />
nicht Wahnsinn? Auf jeden Fall beschloss<br />
er, zu Hause lieber nichts davon zu<br />
erzählen, sonst würden ihn bestimmt alle<br />
auslachen.Inzwischen kam die Flut, und<br />
-9-
der Wal verschwand im Meer. Als der Fischer am nächsten Tag an der gleichen<br />
stelle vorbeipaddelte, da war er schon fast sicher, nur geträumt zu haben. Aber<br />
etwas war von jenem Tag an anders. Sooft der Fischer aufs Meer fuhr, nie kehrte<br />
er mit leeren Händen heim. Selbst wenn die anderen Fischer keinen einzigen<br />
Fisch gefangen hatten, er machte jedes mal reichen Fang. Mit seinem Boot war<br />
nämlich etwas Seltsames vorgegangen -es fuhr seine eigenen Wege: stets<br />
dorthin wo auch Fischschwärme zogen. Oft geschah es, dass der Fischer nach<br />
links steuerte, das Boot aber in die entgegengesetzte Richtung fuhr, dorthin wo<br />
Fische waren.Und so kam der Fischer mit der Zeit zu der Überzeugung, dass das<br />
alles nicht mit rechten Dingen zuging.Und es gab dafür nur eine Erklärung: der<br />
Wal Hat sein versprechen gehalten. Der Fischer behielt sein Geheimnis für sich,<br />
und das Jagdglück verließ ihn nie mehr, solange er lebte.<br />
Eskimo-Geschichte; Katja Schellin<br />
-10-
Die Prinzessin auf der Erbse<br />
Es war einmal ein Prinz, der war auf der Suche nach einer Gemahlin. Er wollte<br />
nicht einfach nur eine Prinzessin heiraten, nein es musste eine ganz besondere,<br />
wirkliche, eben eine echte Prinzessin sein! Er reiste in der ganzen Welt herum,<br />
besuchte unzählige Königshäuser, aber er fand seine Traumprinzessin nicht. An<br />
jeder hatte er etwas auszusetzen. Die eine war ihm<br />
zu klein, die andere zu groß. Die eine war ihm zu<br />
dünn, die andere zu dick. Manche waren ihm zu<br />
ernst, andere zu albern und immer zu fort. Und<br />
schön genug war ihm sowieso keine, geschweige<br />
denn, vornehm genug. Vor allem aber konnte er<br />
einfach nicht festellen, ob es auch wirkliche, eben<br />
echte, Prinzessinnen waren. So kam er<br />
unverrichteter Dinge wieder zurück in das Schloss<br />
seiner Eltern. Fortan war er tief traurig und ging überhaupt nicht mehr aus dem<br />
Haus. Eines Abends, als der Prinz mit seinen Eltern im großen Saal vor dem<br />
gemütlichen, prasselnden Kaminfeuer saß, zog draußen ein gewaltiges Unwetter<br />
auf. Es blitzte und donnerte und es goss in Strömen. Da klopfte es an das<br />
Schlosstor und der alte König ging hin, um aufzumachen. Eine Prinzessin stand<br />
draußen vor der Tür. Aber wie sah sie aus, pitschnass vom Regen und völlig<br />
zerzaust vom Wind! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern herunter,<br />
vorn in die Schuhe hinein und hinten wieder heraus. Doch trotzdem konnte man<br />
erkennen dass das Mädchen sehr schön war und es behauptete auch, eine<br />
wirkliche, echte Prinzessin zu sein. Mitleidig bat der König die Fremde herein<br />
und die besorgte Königin kümmerte sich sofort um sie. Sie führte die Prinzessin<br />
in eines der vielen prunkvollen Gästezimmer, gab ihr Handtücher und ein feines<br />
Nachthemd, sorgte sich um warme Pantoffeln und lies ihr in der Küche einen<br />
warmen Schlaftrunk zubereiten. Während sich die Prinzessin im Gästebad die<br />
Haare trocknete und sich für die Nacht ankleidete, ließ die Königin das Bett für<br />
sie richten. ,,Wollen wir doch mal sehen, ob es sich bei der jungen Dame<br />
tatsächlich um eine wirkliche Prinzessin handelt", dachte sie. Sie legte eine<br />
winzige getrocknete Erbse auf den Lattenrost des Bettes. Dann wies sie die<br />
Zimmermädchen an, zwanzig Matratzen herbeizutragen, die auf den Lattenrost<br />
-11-
übereinander gestapelt wurden und darauf wurden noch einmal zwanzig<br />
Eierdaunenbetten gelegt. Das Bett war jetzt sehr hoch, dafür aber auch sehr<br />
weich. ,,Das ist wirklich unwahrscheinlich, dass sie die Erbse spüren wird",<br />
murmelte die Königin und war mit<br />
ihrem Werk sehr zufrieden. Die<br />
Prinzessin war gar nicht erstaunt,<br />
ein derart hohes Bett vorzufinden,<br />
in das sie nur mithilfe einer langen<br />
Leiter gelangen konnte. Überaus<br />
freundlich bedankte sie sich bei der<br />
Königin für all die Mühe und<br />
Sorgfalt, die man ihr zuteil werden<br />
ließ, und die Königin ihr eine<br />
angenehme Nachtruhe. Am<br />
nächsten Morgen fragten die Königin und der König die fremde Prinzessin wie<br />
sie geschlafen habe. ,, Oh, ich will nicht undankbar sein, aber das war eine<br />
grauenvolle Nacht! Ich habe ganz schlecht, wirklich schrecklich schlecht<br />
geschlafen! Ich konnte fast die ganze Nacht kein Auge schließen. Gott weiß was<br />
da im gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen und mein Körper ist<br />
übersät mit blauen Flecken. Ach es war so furchtbar! Noch immer habe ich<br />
schreckliche Rückenschmerzen und ich sehe entsetzlich aus"! Da erkannten der<br />
König und die Königin, dass sie eine wirkliche, eben eine echte Prinzessin war.<br />
Denn nur eine solche konnte so übervornehm und so überempfindlich sein, dass<br />
sie eine Erbse durch zwanzig Matratzen und zwanzig Eierdaunenbetten hindurch<br />
spüren. Sie riefen den Prinzen, der überglücklich war, endlich eine Prinzessin<br />
gefunden zu haben, wie er sie sich schon lange gewünscht hatte. Aus und vorbei<br />
war es mit seiner Traurigkeit! Alsbald wurde die Hochzeit gefeiert und die war<br />
so unglaublich vornehm, dass man noch viele, viele Jahre später davon sprach.<br />
Und wenn sie nicht gestorben sind dann leben sie noch heute.<br />
Abgetippt von Larissa Lorenz<br />
-12-
Neunundsechzig Cent pro Minute<br />
"Dass es immer noch Menschen gibt die meine<br />
Adresse nicht haben...", sage ich kopfschüttelnd<br />
zum Känguru, während wir ein Formular oder ein<br />
Gewinnspiel oder einen Mitgliedschaftsantrag<br />
oder so was ausfüllen. "Ich habe nämlich das<br />
Gefühl, meine Adresse jedem Menschen auf der<br />
Welt persönlich auf einem Zettel geschrieben zu<br />
haben. " "Ja, ja", sagt das Känguru, füllt das Feld<br />
mit seiner Telefonnummer aus, öffnet dahinter<br />
eine Klammer und schreibt hinein:<br />
Neunundsechzig Cent pro Minute. "Was soll denn das?" frage ich. "Hab mir ´ne<br />
neue Nummer besorgt", sagt das Känguru. "Hab letztens so ´nem Typen von der<br />
Bank ´ne halbe Stunde am Telefon zugehört. Der meinte, ich müsse jetzt schon<br />
an meine Altersvorsorge denken, Zeit sei kostbar, und da dachte ich: der Mann<br />
hat völlig recht, meine Zeit ist zu kostbar um mir für umme so ´nen Quatsch<br />
anzuhören." "Und jetzt hast du dir ´ne 0900-Nummer besorgt?", frage ich. "So<br />
isses." "Das heißt jedesmal wenn dich<br />
´ne Bank ´nen Marktforschungsinstitut<br />
oder so was anruft verdienst du dir<br />
Geld?" "Ruf mich mal an", sagt das<br />
Känguru. "Nee" sage ich lachend. "Is<br />
mir zu teuer." "Doch, jetzt mach mal.<br />
Ich will dir was zeigen." "Jahaa! Du<br />
willst mir zeigen, wie schwuppdiwupp<br />
zwei Euro von meinem Konto auf deins<br />
wandern, nur damit ich mit dir reden<br />
darf." "Nee, was anderes.<br />
Pionierenehrenwort! Jetzt ruf mal an."<br />
Tuut. Tuut. Krk. Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld. "Hörst du<br />
schon was?" fragt das Känguru. "Ja ich höre Midi-Pop-Warteschleifenmusik.<br />
Wolltest du mir das zeigen?" "Nee, Moment noch." Krk. Das nächste freie<br />
-13-
Känguru ist für Sie reserviert. Krk. "Siehst du?" fragt das Känguru und guckt auf<br />
die Uhr. "Jetzt habe ich schon drei Euro verdient, ohne überhaupt mit dir geredet<br />
zu haben." "Die will ich aber wieder" ,sage ich verärgert und lege auf. Gleich<br />
darauf klingelt das Telefon des Kängurus erneut. "Ja. Hallo?" fragt es. "Ob ich<br />
fünf Minuten Zeit für eine Umfrage habe? Fünf Minuten? Fünf Stunden!" und es<br />
verschwindet in Richtung Tür. "Hey! Was ist mit meinen drei Euro?" frage ich.<br />
"Wenn du dich beschweren willst", sagt das Känguru im Hinausgehen, "ruf<br />
mich doch einfach an."<br />
aus "Die Känguru-Chroniken von Mark-Uwe Kling ; abgetippt von<br />
Lenia Reinhardt 19.01.2010<br />
-14-
<strong>Lilliput</strong> (<strong>Heuck</strong>, <strong>Sigrid</strong> <strong>1996</strong>)<br />
illiput war eine freche kleine Schimmelstute. Unter ihrem langen<br />
Mähnenschopf blitzten dunkle Augen, und das sah immer so aus, als<br />
wollte sie sich über alles lustig machen. Sie gehörte zu unserer Ponyherde. Eines<br />
Tages entdeckte <strong>Lilliput</strong>, dass man sich unter einem Weidezaun durchwälzen<br />
kann. Und weil sie sehr freiheitsliebend war, gefiel es ihr draußen besser als auf<br />
der Weide bei den anderen Ponys. Zuerst lief sie durch das Dorf. Beim<br />
Dorfkrämer klaute sie einen Apfel. Beim Huberbauern fraß sie den Hühnern das<br />
Futter weg, und beim Schmied schaute sie kurz in die Werkstatt. Doch als<br />
Stefan und die Sabine mit dem<br />
Schulranzen auf dem Rücken die Straße<br />
hinunterkamen, lief <strong>Lilliput</strong> gleich hinter<br />
ihnen her. Der Schulranzen von Stefan<br />
duftete nach Brot und die Rocktasche von<br />
Sabine nach Äpfeln. Die Schule war im<br />
Nachbardorf. <strong>Lilliput</strong> war sehr traurig, als<br />
die Kinder im Schulhaus verschwanden,<br />
und sie blieb in der Nähe, bis es zur<br />
großen Pause klingelte. Alle Kinder stürzten hinaus. Das Pony wurde<br />
gestreichelt, gekrault und gefüttert, was ihm sehr gut gefiel. Deshalb wartete es<br />
im Schulhof, bis die Schule aus war, und begleitete dann den Stefan und die<br />
Sabine nach Hause. Es wälzte sich durch den Zaun durch, gesellte sich zu den<br />
anderen Ponys und tat so, als wenn nichts<br />
geschehen wäre. So ging das mehrere Tage<br />
lang. Doch eines Tages klingelte bei uns das<br />
Telefon. „Vermissen Sie vielleicht ein<br />
kleines weißes Pony?“ fragte mich der<br />
Lehrer aus dem Nachbardorf. „Ich glaube<br />
nicht“, sagte ich vorsichtig. Bei einer großen<br />
Ponyherde weiß man nämlich nie genau, ob<br />
man eines vermisst oder nicht. „Es muss<br />
aber eines von Ihnen sein“, sagte der Lehrer. „Es gibt sonst keine Ponys in der<br />
Gegend.“ Da hatte er recht. „Wo ist es?“ fragte ich. „Es kommt seit einigen<br />
Tagen in die Schule. Solange es im Hof blieb, stört es nicht. Aber heute stieg es<br />
-15-
die Treppe hoch und lief den Gang entlang bis in das Klassenzimmer. Das geht<br />
zu weit! Bringen Sie einmal dreißig Kindern das Einmaleins bei, während ein<br />
kleines Pony zwischen den Bankreihen herumläuft und unter die Tische schaut!“<br />
Das sah ich ein, und ich machte mich gleich auf den Weg ins Nachbardorf, um<br />
<strong>Lilliput</strong> in der Schule abzuholen. Es war nicht leicht, ihr klarzumachen, dass sie<br />
dort nichts verloren hatte. Für ein Pony ist das Einmaleins nicht so wichtig wie<br />
für Kinder.<br />
Diese Geschichte wurde getippt von Maxi Lüder.<br />
-16-
Das Huhn<br />
Unsere Haushühner stammen<br />
vom Bankivahuhn ab,einem<br />
schön gefärbten Vogel, der in<br />
Südostasien verbreitet ist.<br />
Unser bekannter "bunter"<br />
Hahn entspricht farblich dieser<br />
Wildform, doch ist er etwas<br />
größer:Er besitzt die<br />
rötlichgelben langen<br />
Schmuckfedern am Hals und<br />
am Rücken, hat<br />
grünlichschillernde,<br />
sichelförmige lange Schwanzfedern. Jahrtausende lang liefen Haushühner<br />
ziemlich freiin den menschlichen Siedlungen herum. Sie suchten sich ihre<br />
Nahrung weitgehend selbst, pickten Grünfutter, Körner, Insekten und Würmer<br />
auf. Nachts wurden die Tiere zum Schutz gegen Feinde in Ställenuntergebracht.<br />
Sie gewöhnten sich schnell an ihre Übernachtungsplätze, denn sie gehören zu<br />
den Hühnervögeln, die zum Schlafen immer dieselben Plätze aufsuchen. Auch<br />
heute noch gibt es Hühner, die auf<br />
dem Bauernhof gehalten werden und<br />
freien Auslauf haben. Da kräht der<br />
Hahn noch und verkündet, wer der<br />
Herr im Haus ist. Und die Hennen<br />
gackern lautstark, wenn sie ein Ei<br />
gelegt haben. Hier können die<br />
wasserscheuen Hühner auch noch<br />
ihr beliebtes Bad in Sand und Staub<br />
nehmen. Und die Eier werden noch<br />
nicht von Maschinen ausgebrütet, sondern von den Hennen. Etwa drei Wochen<br />
lang sitzt eine Henne auf den Eiern und hält sie warm. Schon bevor die Küken<br />
aus den Ei schlüpfen, piepsen sie leise und hören auch die Antwort der Mutter.<br />
-17-
Sobald sie geschlüpft sind, können sie laufen. Von der Mutter lernen sie, am<br />
Boden zu scharren und nach Futter zu suchen.Wenn die Küken hungrig sind<br />
oder frieren, piepsen sie laut. Bei kleineren Küken ist es sehr schwierig<br />
festzustellen, ob sie ein Hahn oder eine Henne werden. Erst wenn den Hähnen<br />
mit etwa dreiMonaten ein kleiner Kamm wächst, ist es erkennbar.In riesigen<br />
Hühnerfarmen werden Hühner allerdings unter erbärmlichen Umständen zur<br />
Fleisch-oder Eierproduktion gehalten. Mit Recht prangern Tierschützer dies als<br />
Tierquälerei an.<br />
Diese Geschichte wurde abgetippt von Maximilian Oschmann<br />
-18-
Der Hase und der Igel<br />
Es war einmal ein alter Igel, der wohnte mit seinen<br />
Söhnen, die Zwillinge waren, in einem großen<br />
Wald. Normalerweise ernährten sie sich von<br />
Äpfeln, aber besonders gern aßen sie Rüben. Eines<br />
Morgens beschloss einer der beiden Zwillinge,<br />
Rüben zu holen. Gemächlich, wie es Igelart ist,<br />
machte er sich auf den Weg und näherte sich einem<br />
großem Salatkopf, hinter dem plötzlich ein Hase hervortrat. "Na endlich!",<br />
spottete der Hase. "Du bist vielleicht ein langsamer Geselle. Schleichst du<br />
immer so? Hoffentlich frisst du schneller, denn sonst fresse ich dir alle Rüben<br />
weg!" Der Hase verspottete ihn, weil Hasen schneller laufen können als Igel. Als<br />
der Igel merkte, dass der Hase wegen seiner Gemächlichkeit seinen Spott mit<br />
ihm trieb, wurde er wütend, beschloss aber, ihm mit List und Schlauheit ein<br />
Schnippchen zu schlagen. "Ich bin viel schneller als du, wenn ich nur will",<br />
prahlte der Igel. Da lachte der Hase, dass er sich den Bauch halten musste. "Du<br />
willst einen Wettkampf mit mir wagen? Pass auf, schon mein Großvater hat eine<br />
Goldmünze gewonnen, denn er war der schnellste Hase der Welt. Und von ihm<br />
habe ich alles gelernt. Du wirst haushoch gegen mich verlieren, ich wette<br />
Großvaters Goldmünze, dass ich dich spielend schlage." Der Igel blieb<br />
unbeeindruckt und nahm die Herausforderung gelassen an. "Dort drüben, bei<br />
jenem frisch gepflügten Acker treffen wir uns morgen früh bei Sonnenaufgang.<br />
Wir starten gleichzeitig, laufen jeder eine Furche.<br />
Sieger ist, wer zuerst das andere Ende erreicht hat.<br />
"Du schläfst am besten gleich hier", feixte der<br />
Hase." Geh besser nicht heim, sonst schaffst du es<br />
nicht, rechtzeitig wieder hier zu sein!" Damit<br />
stolzierte er höhnisch lachend davon. Doch der Igel<br />
hatte einen Plan. Als er zu Hause ankam, besprach er alles mit seinem<br />
Zwillingsbruder und bei Tagesanbruch machten sich beide auf den Weg. Bald<br />
darauf kam der Hase angesprungen und spottete: "Vielleicht sollte ich dir zwei<br />
Stunden Vorsprung geben, das wäre meiner sportlichen Form nur angemessen!"<br />
Der Startschuss fiel, und beide liefen los. Der Hase rannte wie der Blitz, und<br />
wenige Augenblicke später war er am anderen Ende des Ackers. Doch dort<br />
-19-
stand bereits des Igels Zwillingsbruder und rief höhnisch: "Endlich kommst du!<br />
Ich warte schon lange!" Der Hase, dessen Mund vom Laufen trocken war, traute<br />
seinen Augen nicht und japste: "Lass uns noch einmal laufen!" "Kein Problem",<br />
erwiderte der Igel. Und beide liefen los. Noch nie in seinem Leben war der Hase<br />
so schnell gelaufen, auch als Hunde hinter ihm herjagten, war er langsamer<br />
gewesen als jetzt bei dem Wettlauf. Doch als er dort eintraf, wo das Rennen<br />
begonnen hatte, winkte ihm der erste Igel entgegen und lachte; "Ich bin schon<br />
da! Du bist schon wieder nur Zweiter!" Doch der Hase wollte unbedingt den<br />
Wettkampf gewinnen, und so lief er den ganzen Tag den Acker auf und ab, ohne<br />
jedoch ein einziges Mal als Erster im Ziel zu sein, denn jedes Mal stand einer<br />
der Igel schon dort und verkündete ihm höhnisch, er habe wieder verloren. Der<br />
hochmütige Hase ermattete immer mehr, so dass der erste Igel schließlich<br />
spottete: "Du solltest wissen, mein Lieber, dass mein Großvater zu seiner Zeit<br />
der schnellste Igel der Welt gewesen ist. Er hat zwar keine Goldmünzen<br />
gewonnen, aber dafür habe ich ja nun deine erlangt." Der Hase ließ sich<br />
erschöpft zu Boden fallen. Alles drehte sich und seine Beine schmerzten.<br />
"Dieser Wettkampf ist mein Ende. Dabei wollte ich auf dem Acker nur Ruhm<br />
erlangen, doch nun werde ich voller Schmach zu Grunde gehen." Völlig ermattet<br />
schleppte er sich nach Hause, um die Goldmünze zu holen und drückte sie, den<br />
Tränen nah, dem Igel in die Hand. Damit hatte er nicht gerechnet!" "Was bin ich<br />
froh, dass mein Großvater dies nicht mehr erleben muss. Sein Enkel und Schüler<br />
unterliegt einem Igel und verliert dabei die wertvolle Goldmünze!", jammerte er.<br />
Im Igelhaus jedoch wurde an jenem Abend sehr fröhlich gefeiert, die Brüder<br />
tanzten ausgelassen mit der Goldmünze durch die Stube. Zum Glück hörte der<br />
Hase nicht, wie die drei über die gelungene List lachten, denn sonst...<br />
Diese Geschichte wurde abgetippt von Sabine Leining.<br />
-20-
Anhang<br />
Alle in diesem Buch verfassten Geschichten entstanden im<br />
Medienkundeunterricht der 6.Klassen des <strong>Perthes</strong>-<strong>Gymnasium</strong>s<br />
Friedrichroda im Schuljahr 2009/ 2010 in eigenständiger Arbeit der<br />
jeweiligen Autoren. Die beteiligten Schüler mit ihren Geschichten<br />
sind:<br />
Beatrice Schulter: Frühlingserwachen<br />
Anna-Sophie Nitsche: Der kleine Affe und Der Esel & die Eule<br />
Felix Schröder: Mit Jeans in die Steinzeit<br />
Katja Schellin: Der Fischer und der Wal<br />
Larissa Lorenz: Die Prinzessin auf der Erbse<br />
Lenia Reinhardt: Neunundsechzig Cent pro Minute<br />
Maxi Lüder: <strong>Lilliput</strong><br />
Maximilian Oschmann: Das Huhn<br />
Sabine Leining: Der Hase und der Igel<br />
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